GaLaBau und Recht: Bau-Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt

Mehrvergütung wegen kontaminierter Böden

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Wann hat der Unternehmer Anspruch auf eine zusätzliche Vergütung?

Die rege Bautätigkeit in den Ballungsgebieten führt dazu, dass immer mehr Flächen einer Bebauung zugeführt werden, die bisher brachlagen oder in der Vergangenheit anderweitig industriell genutzt wurden. Dementsprechend häufig kommt es in letzter Zeit zu Munitionsfunden aus dem 2. Weltkrieg oder mit Schadstoffen belasteten Böden. Wie ich anhand von Mandaten in meiner Kanzlei feststellen musste, mehren sich die Fälle, bei denen kontaminierte Böden eine Rolle spielen.

Baugrund ist Auftraggebersache

Nach der seit Jahrzehnten geltenden Rechtsprechung gehört der Baugrund zu den vom Auftraggeber zu liefernden Stoffen, es sei denn, im Bauvertrag ist eine abweichende Regelung enthalten. So kann zum Beispiel hinsichtlich des kontaminierten Materials im Vertrag oder dem dazugehörenden Leistungsverzeichnis eine Vereinbarung enthalten sein, die auf das kontaminierte Material ausdrücklich hinweist und das dadurch gegebene Risiko dem Auftragnehmer zuweist. Dagegen ist nichts einzuwenden, wenn der Unternehmer ausreichend vor Vertragsschluss über die Risiken aufgeklärt worden ist und es bei seiner Kalkulation entsprechend berücksichtigen konnte. Möglicherweise anders kann es allerdings aussehen, wenn über eine Schadstoffbelastung der Böden beide Vertragsseiten keine hinreichende Kenntnis hatten und im Leistungsverzeichnis (LV) auch nichts von einer Kontamination zu lesen ist. So ist es einem Unternehmer im Rhein-Main-Gebiet ergangen, der während seiner Arbeiten auf schadstoffbelastetes Erdreich gestoßen ist. In einem Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht Frankfurt stritten die Vertragsparteien, wer für die durch die Schadstoffbelastung entstandenen Mehrkosten aufzukommen hat.

Der Sachverhalt der Entscheidung des Gerichts

Dem zweitinstanzlichen Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Az.: 29 U 171/19) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Auftragnehmer war im Rahmen eines VOB-Vertrages unter anderem mit dem Aushub der Baugrube und den Erdarbeiten für ein neu zu errichtendes Mehrfamilienhaus beauftragt worden. Weder im Vertrag selbst noch in dem zugrundeliegenden LV gab es Anhaltspunkte auf schadstoffbelastetes Erdreich. Selbst aus einem beigefügtem Bodengutachten war keine Schadstoffbelastung zu entnehmen. Im Zuge des Erdaushubes stieß der Auftragnehmer auf ein mit Schadstoffen belastetes Erdreich, das nicht vor Ort verbleiben konnte und auf eine Deponie verbracht werden musste. Dem Auftragnehmer sind hierdurch von ihm nicht kalkulierte unvorhergesehene Mehrkosten entstanden. Der Auftragnehmer verlangte sodann vom Auftraggeber für die Entsorgung des kontaminierten Materials eine Mehrvergütung von 19 845,51 Euro. Der Auftraggeber wies die Forderung zurück und meinte, die Leistung sei mit dem Werklohn bereits abgegolten.

Das Urteil des Gerichts

In seinem Urteil vom 21.09.2020 entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main zugunsten des Auftragnehmers. Es spricht dem Auftragnehmer dem Grunde nach eine erhöhte Vergütung wegen geänderter Leistung nach § 2 Abs. 5 VOB/B zu. Da das dem Vertrag zugrundliegende Leistungsverzeichnis keine Aussage zu den schadstoffbelasteten Materialien und auch das vom Auftraggeber gestellte Bodengutachten keinen Hinweis enthielt, soll nach Meinung des Gerichts der Auftragnehmer im Rahmen der Ausschreibung bei seinem Angebot darauf vertrauen können, dass der Ausschreibende die Regeln von § 9 VOB/A und VOB/C (DIN 18300) eingehalten hat. Danach ist eine mögliche Schadstoffbelastung in der Leistungsbeschreibung anzugeben. Hieraus ergibt sich im Wege des Umkehrschlusses die Feststellung, wonach Bodenbelastungen nicht vom Angebotspreis umfasst sind. Unter Berufung auf eine bereits 2013 veröffentlichte Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH, NJW 2013, Seite 1957 ff.) hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main deshalb dem Auftragnehmer dem Grunde nach einen Mehrvergütungsanspruch zuerkannt. Die Höhe des Anspruchs muss vom Gericht noch weiter aufgeklärt werden. Besonders zu beachten ist, dass das Oberlandesgericht Frankfurt am Main den Anspruch nach § 2 Abs. 5 VOB/B und nicht nach § 2 Abs. 6 VOB/B zuerkannt hat. Das bedeutet, dass der Auftragnehmer die Mehrleistung nicht vor Ausführung beim Auftraggeber anmelden muss, so wie es § 2 Abs. 6 VOB/B ansonsten verlangt.

Der Verfasser ist allerdings der Meinung, dass es ein Gebot der Fairness ist, den Auftraggeber so früh wie möglich darauf hinzuweisen, dass Mehrkosten entstehen werden, die man von ihm verlangen wird. Leider muss immer wieder festgestellt werden, dass Auftraggeber erstmals mit der Schlussrechnung mit allen möglichen Nachträgen konfrontiert werden, mit denen man nicht gerechnet hat. In dem Urteil des Gerichts ergibt sich der Mehrvergütungsanspruch für die Beseitigung der schadstoffbelasteten Böden aus § 2 Abs. 5 VOB/B. Nach der Rechtsprechung kann der Auftragnehmer mit derartigen Forderungen erstmals auch noch mit der Schlussrechnung kommen und den Auftraggeber entsprechend überraschen.

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Besondere Hinweise des Gerichts

Ohne dass es im speziellen Fall darauf angekommen wäre, gab das Gericht den Hinweis, dass es genauso entschieden hätte, wenn die Ausschreibung der Leistung nicht nach VOB/A erfolgt wäre. Auch im nicht öffentlichen Bereich, in dem die VOB nicht immer zur Anwendung gelangt, meint das Gericht genauso entscheiden zu können. Als Anspruchsgrundlage kommt dann allerdings nicht § 2 Abs. 5 VOB/B in Betracht, sondern die allgemeinen Grundsätze des BGB.

Zur Höhe konnte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main noch nicht entscheiden, da die Klägerseite ihre Forderung nicht nach der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aufgebaut hatte. Nach der neuen Rechtsprechung des 7. Senats des Bundesgerichtshofs ist eine zusätzliche Vergütung nach § 2 Abs. 5 VOB/B und wohl auch nach Abs. 6 nicht mehr aus der ursprünglich vereinbarten Vergütung herzuleiten (Korbion´sche Formel), sondern nur noch entsprechend den tatsächlich erforderlichen Kosten der geänderten Leistung zuzüglich angemessener Zuschläge für Allgemeinkosten, Wagnis und Gewinn. Diese neue Rechtsprechung konnte die Klägerseite bei Klageerhebung noch nicht berücksichtigen, da sie vom Bundesgerichtshof erst später kundgetan worden war.

Besonderheit des Frankfurter Urteils

Das Besondere an dem zu Gunsten des Auftragnehmers ergangenen Frankfurter Urteils ist der Umstand, dass beide Vertragsparteien keine Kenntnis von vorhandenen schadstoffbelasteten Böden hatten und es für beide auch keine Anhaltspunkte gab, die eine Vertragspartei hätte veranlassen müssen, vorab weitere Untersuchungen in die Wege zu leiten. In einem solchen Fall sieht das Gericht eine Kostentragungspflicht des Auftraggebers. Anders wäre allerdings die Situation, wenn eine Partei Kenntnis von den schadstoffbelasteten Böden gehabt hätte oder für die Vertragspartei Anlass gewesen wäre, besondere Recherchen anzustellen. Nach dem Sachverhalt des Gerichts waren die schadstoffbelasteten Böden für beide Vertragsparteien völlig überraschend und nicht vorhersehbar.

Bei Verträgen oder Leistungsverzeichnissen, die die Gewerke Erdaushub beziehungsweise Abriss von Gebäuden betreffen, liest man immer häufiger, dass das Aushub- beziehungsweise Abrissmaterial in das Eigentum des Auftragnehmers übergehen soll und er hierüber frei verfügen kann. Wenn das übereignete Material in irgendeiner Weise belastet ist, dokumentieren die Auftraggeber immer öfter, die Beschaffenheit des Materials gehe sie nichts an, da man mit dem Vertrag sein Eigentum hieran aufgegeben habe. Nach der zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main dürfte eine solche Argumentation für Auftraggeber wenig erfolgreich sein.

Es bleibt abzuwarten, ob Auftraggeber aufgrund des Urteils in Zukunft noch häufiger das Risiko belasteter Böden versuchen dem Auftragnehmer vertraglich aufzubürden. Mit Sicherheit wird das die Rechtsprechung nur in begrenztem Maße zulassen.

 Rainer Schilling
Autor

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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