„Orphan Genes“ helfen beim Überleben

Moose trotzen der Klimaveränderung seit Millionen Jahren

Moose Grünforschung
Pflanzen-Stresstest: Die unterschiedlichen Vegetationstypen auf den 85 Versuchsflächen wurden extremer Dürre ausgesetzt. Foto: Prof. Dr. Anke Jentsch, Universität Bayreuth
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Unter dem Einfluss von Kälte veränderte sich das Transkriptom der Gametophoren des Kleinen Blasenmützenmooses. (Physcomitrella patens). Foto: Anja Martin/Reski Lab, Universität Freiburg, CC BY-SA 3.0
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Moose sind wahre Überlebenskünstler und können gut mit Kälte umgehen. Vor hunderten von Millionen Jahren entwickelten sie sich aus Grünalgen der Gezeitenzone. Foto: Peter Freitag/pixelio.de

Sogenannte "Orphan Genes" spielen bei der der Anpassung von Moosen an niedrige Temperaturen eine wichtige Rolle. "Orphan" bedeutet so viel wie "verwaist" oder "unbekannt". Diese Gene scheinen für eine schnelle Reaktion auf eine sich verändernde Umwelt wichtig zu sein. Ein Grund mehr, die "Unbekannten" bekannter zu machen.

Kälte verändert Transkriptom

Moose sind wahre Überlebenskünstler. Sie trotzen Hitze, Kälte und Trockenheit und sind in der Lage, viele Jahrhunderte im Eis eingeschlossen zu überleben. Ihre Geschichte begann vor rund 470 Millionen Jahren, im Zeitalter des Ordoviziums, das von einem starken Klimawandel geprägt war. Während es zu Beginn dieser Periode noch relativ warm war, sanken die globalen Temperaturen zum Ende hin deutlich ab. Moose müssen somit in einem frühen Stadium ihrer Evolution gelernt haben, sich an verändernde Klimabedingungen anzupassen.

Um die Anpassungsstrategie von Moosen an Kälte zu entschlüsseln, konzentrierten sich die Forscher auf Veränderungen im Transkriptom, der Summe aller abgelesenen Gene zu einem Zeitpunkt. In einem Zeitfenster von 24 Stunden untersuchten sie, welche Gene von mehreren Gametophoren des Kleinen Blasenmützenmooses (Physcomitrella patens) unter dem Einfluss von Kälte, abgelesen wurden. Über den Beobachtungszeitraum von einem Tag wurden durch den Kältereiz über 10 Prozent aller Moosgene, genau genommen 11,6 Prozent beziehungsweise 3320 Moosgene, unterschiedlich exprimiert.

Schlüsselfunktion der "Umschalt-Gene"

Bei der genaueren Untersuchung der unterschiedlich exprimierten Gene stellten die Forscher zudem fest, dass ein signifikanter Teil (12 %) der aufgrund von Stress unterschiedlich abgelesenen Gene sogenannte "Orphan Genes" waren. In einer frühen Phase des Kältereizes machten diese sogar einen Anteil von bis zu 20 Prozent aus. Dies legt nahe, dass die unbekannten Gene stark bei der ad hoc Reaktion der Moose involviert sind. Es ist gut möglich, dass diese schnellen "Umschalt-Gene" wiederum andere Gene beeinflussen und komplexe Steuerungsprozesse auf physiologischer Ebene in den Zellen der Moose regeln.

Wie die Bezeichnung "verwaist" ausdrückt, treten diese unbekannten Gene artspezifisch auf. Sie besitzen also keine funktionellen Ähnlichkeiten mit bereits bekannten Genen. Damit stellen "Orphan Genes" ein großes Handicap für die Forschung dar. Sie entziehen sich nicht nur vergleichenden Analysen in Gendatenbanken mit anderen Organismen, sondern lassen auch etablierte Methoden zur Gen-Funktions-Aufklärung versagen. Das sonst im Labor gebräuchliche An- oder Abschalten der Gene läuft ins Leere. "Orphan Genes" sind oft mit Letalfaktoren verknüpft. Werden sie verändert, entwickeln sich die Organismen nicht mehr. Im Fall des induzierten Kältestresses stellen die "Orphan Genes", so vermuten die Forscher, die entscheidenden Faktoren für die Anpassungs- und Überlebensfähigkeit der Moose dar.

Stresshormon sitzt am Hauptschalter

Die Forscher führten die massiv veränderten Genaktivitäten einschließlich der "Orphan Genes" auf einen molekularen Hauptschalter zurück, nämlich auf das pflanzliche Stresshormon Abscisinsäure, das bei Pflanzen die Antwort auf äußere Stressfaktoren wie beispielsweise Kälte oder Trockenheit koordiniert. Die Bildung beziehungsweise Biosynthese des Phytohormons findet vor allem in den Blättern statt und wird durch einen Abfall des Turgors, der Zellinnendruck, angestoßen. Das Stresshormon steuert oder hemmt das Pflanzenwachstum. Es reguliert außerdem den Wasserhaushalt bei Pflanzen, indem es das Öffnen und Schließen der Stomata, der Spaltöffnungen auf der Epidermis, reguliert und so vor Austrocknung schützt. Die Wirkung der Abscisinsäure wird zum Beispiel auch im Herbst sichtbar, wenn Blätter und Früchte zu Boden fallen und Knospen in die Winterruhe versetzt werden, um sie zu schützen.

Gelingt es, die Funktion der "verwaisten" Gene der Moose aufzuklären, hoffen die Forscher, anderen Pflanzen unter die Arme greifen zu können. Erklärtes Ziel der Wissenschaftler ist es, die Widerstandsfähigkeit von Pflanzen vor dem Hintergrund des Klimawandels zu verbessern. Pflanzenforschung.de

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