Move the date!

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Ressourcen Landschaftsarchitektur
Abb. 1: Klimawandel – Temperaturanomalien 1880–2021 sowie Schäden durch Wetterkatastrophen im Jahre 2021. Quellen: Grafik vereinfacht nach NOAA9 Grafik nach Angaben MunichRe¹0

Die drängendsten Herausforderungen unserer Zeit sind Ressourcenknappheit, Klimawandel und der Verlust an Biodiversität. 2022 ist der sogenannte Earth Overshoot day früher als jemals zuvor: Am 22. Juli. Zukünftig nachhaltiges Handeln hat das Potential, diesen Tag deutlich nach hinten zu verschieben. Der Artikel widmet sich diesen drei Themenfeldern und den möglichen Beiträgen unserer Profession, dieses Datum aktiv mit zu verändern!

We are entering a 'storm' of climate change and biological resource constraints. The earlier companies, cities, and countries plan ahead and prepare themselves for the predictable future, the better their chance of thriving." (2022 Earth Overshoot Day. Global Footprint Network.)

Zusammenhänge

Ressourcenverbrauch - Klimawandel - Verlust von Biodiversität

Der Earth Overshoot Day bezeichnet das Datum eines Jahres, an dem die genutzten ökologischen Ressourcen und Ökosystemdienstleistungen der Menschheit im Bezug zur möglichen Regegenerationsfähigkeit der Erde bereits in diesem Jahr verbraucht sind. Ermittelt wird dieses Datum von der internationalen Forschungsorganisation Global Footprint Network (GFN). Dieses Datum rückt insbesondere durch den enormen Ressourcenverbrauch der Menschheit stetig nach vorne. Einen großen Anteil von "Naturkapitalverbräuchen" haben Treibhausgasemissionen durch beispielsweise Landwirtschaft, Industrie, Verkehr oder durch den Bausektor. Seit 1960 haben sich die CO2-Emissionen von 9 Millionen auf 35 Millionen t weltweit mehr als verdreifacht. Auch wenn seit 2018 langsame Rückläufe zu verzeichnen sind, rechnen Prognosen dennoch mit einen weiteren Anstieg auf circa 43 Millionen t bis zum Jahr 20501. Weltweit insgesamt ist dabei der Bausektor für fast 40 Prozent CO2-Verbrauch2 verantwortlich wobei diese im Besonderen durch den Bau und den Betrieb von Gebäuden entstehen. Insbesondere die Produktion von Beton nimmt einen großen Anteil der globalen Emissionen ein. Schätzungen zufolge liegt der Anteil bei 5 bis 7 Prozent, die Betonherstellung ist also durch den hohen Anteil ein deutlicher Mitverursacher des übermäßigen Ressourcenverbrauchs3. Mit CO2-Bilanzierungen von Bauprojekte könnten hier Potentiale oder auch übermäßige Verbräuche sichtbar gemacht werden. Ein wichtiges Instrument in Richtung CO2-Neutralität. CO2 macht grundsätzlich zwar nur einen geringen Anteil der Luft aus, hat aber als Treibhausgas eine große Wirkung auf das globale Klima. Deutschland hat sich im Rahmen des Pariser Klimaabkommen von 2016 zur CO2-Neutralität verpflichtet um muss somit bis 2050 Klimaneutral sein. Dazu hat die Bundesregierung den Klimaschutzplan 20504 verabschiedet. In Deutschland konnten die Treibhausgasemissionen in den letzten 30 Jahren deutlich vermindert werden. Sie sind aber im Jahre 2021 im Vergleich zum Vorjahr 2020 wieder um mehr als 4 Prozent gestiegen.5

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Abb. 2: Schematische Darstellung der Funktionsweise des Programms "Pathfinder 2.0" (CLIMATE POSITIVE DESIGN 2020). Materialien weisen bereits vor der aktiven Bauphase eines Projektes besonders hohe Treibhausgasemissionen (im Programm durch kg CO2-eq angegeben) auf (Gewinnung, Herstellung und Transport). Durch den Einbau der Materialien entstehen weitere Emissionen, die ohne eine Sequestrierung durch Vegetationsstrukturen nicht gebunden werden können. Die Materialen besitzen also während der gesamten Lebensdauer und Nutzungsphase eines Projektes unverändert hohe Emissionen (orangene Linie). Die rote Linie zeigt den Anstieg von Emissionen durch den Betrieb einer Anlage. Zusammengenommen ergeben diese beiden Faktoren die gesamten Emissionen, die durch ein Projekt emittiert werden. Die blaue Linie hingegen zeigt das Potenzial, welches die Vegetation zur Senkung der Emissionen beiträgt. Zu Beginn steigt die Kurve erst an (Anlieferung, Pflanzung) und fällt mit Aufnahme von Kohlenstoff. Insgesamt addiert sich daraus das Netto Globale Erwärmungspotenzial (grüne Kurve). Durch Sequestrierung fällt im Lebenszyklus bis zur vollständigen CO2 Neutralität. Am Ende kann das das Netto-GWP wieder durch mögliche Emissionen von Materialersatz, Abbrucharbeiten und gegebenfalls Rodungen ansteigen. Quelle: CLIMATE POSITIVE DESIGN 2020
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Abb. 3: Ausschnitt Entwurf Kur- und Bürgerpark in Freudenberg" (Kreis Siegen-Wittgenstein/Nordrhein-Westfalen), Weigand 2022 für Landschaftsarchitekt Jürgen Wagner. Quelle: Weigand 2022

Der übermäßige Ressourcenverbrauch und insbesondere die vermehrten Emissionsentwicklungen von Treibhausgasen beschleunigen deutlich den Klimawandel mit all seinen Ausprägungen.6 Nicht nachhaltige Handeln wird in diesem Zusammenhang insbesondere in Klimaveränderungen und zunehmenden Extremwetterereignissen sichtbar. Deutschland und ganz Europa leidet seit April 2022 fast durchgehend unter dauerhafter Hitze und Trockenheit durch ein noch nie dagewesenes Extrem eines fast dauerhaft stabilen Hochdruckeinflusses. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) spricht in Deutschland von ähnlichen Verläufen wie im Dürrejahr 2018 mit überdurchschnittlichen Temperaturen und zu geringen Niederschlagsmengen. Trotz nassem Winter sind die Böden ähnlich wie 2018 bereits seit Mitte April viel zu trocken. Das führt im weiteren Jahresverlauf zu deutlich verringerten Kapazitäten bei der Land- und Forstwirtschaft und ist auch derzeit deutlich sichtbar in den gräulich anmutenden Grünflächen der urbanen Lebensräume. Der DWD führt zu Bodenfeuchtewerten in Deutschland dazu aus: (. . . ) "Im Monatsmittel für Mai 2022 lag die Bodenfeuchte für sandigen Lehmboden noch bei 58 Prozent nutzbarer Feldkapazität (% nFK) bei einem vieljährigen Mittel von 74 % nFK. Im Juli 2022 waren es nur noch 28 % nFK, das Mittel liegt bei 51 % nFK. (. . . )".7 Das Wetterjahr 2021 davor bezeichnet der DWD dagegen als durchschnittlich aber mit außergewöhnlichen Wetterextremen.8 Durch Dauerregen ausgelöste Flutkatastrophen wird das Jahr 2021 auch als Jahr der Flutkatastrophen seit Jahrzehnten bezeichnet. Jeder hat noch die Bilder vom 14. Juli 2021 aus dem Ahrtal vor Augen. Zukünftig und bereits auch aktuell sind anpassungsfähige und resiliente Bauentwicklungen ein wichtiger Baustein für eine nachhaltige Zukunft. Unsere Profession kann bei den Anpassungsbestrebungen einen bedeutenden Beitrag liefern. Insbesondere durch den Grün - und Wasseranteil können Freianlagen in diesem Zusammenhang Ausgleich und Ersatz schaffen. Gut geplante und gebaute Freianlagen reagieren auf Klimaextreme, speichern Wasser oder Kohlenstoff und liefern durch vielschichtig durchdachte Strukturen weniger Angriffsfläche als eindimensional geplante Freianlagen.

In diesem Zusammenhang spielt auch die Biodiversität eine Schlüsselrolle. Der allgemeine Verlust von Biodiversität schmälert die Ökosystemdienstleistungen für den Menschen und bedroht das Ökosystem als Ganzes. Durch Klimaveränderungen und beispielsweise intensive Landwirtschaft sowie artenarmer Landnutzung geht die Biodiversität deutlich zurück. In Deutschland beispielsweise ist in den vergangenen Jahrzehnten die Artenvielfalt der Insekten als auch deren Häufigkeit deutlich zurückgegangen.11 Insekten beispielsweise in ihrer Funktion als Bestäuber liefern bedeutende Ökosystemdienstleistungen zur Nahrungssicherung. Die Veröffentlichungen zu Rote Liste Arten belegen allgemein die beängstigenden Tendenzen zum Rückgang der Biodiversität. Gemäß dem "Globalen Zustandsbericht zur Biodiversität" vom Weltbiodiversitätsrat (IPBES) aus dem Jahre 2019 droht uns zudem weltweit in den nächsten Jahrzehnten ein weiterer Verlust von bis zu einer Million Arten. Die mittlerweile 15. Weltnaturkonferenz (COP1512) wird hoffentlich bis Dezember 2022 ein umfassendes Abkommen zum Ergebnis bringen. Der von 2010 beschlossene strategische Plan der Vereinten Nationen ist mittlerweile abgelaufen. Gemäß dem globalen Bericht zum Zustand der Biodiversität13 vom September 2020 wurde keines der damals beschlossenen Biodiversitätsziele erreicht. Man erhofft sich viel von der mehrmals verschobenen 15. Konferenz, nun im Dezember 2022 in Kanada.

Die drei angesprochenen Themenfelder Ressourcenverbrauch, Klimawandel und Biodiversität stehen im direkten Zusammenhang. Der übermäßige Footprint und Bedarf an Naturkapital der Menschheit beschleunigt und beeinflusst nachgewiesenermaßen ökologische Systeme und drückt sich zum Beispiel in dem eingangs erwähnten Earth Overshoot day aus. Das führt zu beschleunigte Klimaveränderungen mit unmittelbaren Ausdruck klimatischer Extreme. Gleichzeitig beeinflussen Klimaveränderungen und zu starke Eingriffe in ökologische Systeme die Biodiversität und führt zum massiven Rückgang dieser. Eine fehlende Vielfalt liefert gleichzeitig deutlich mehr Angriffsfläche zur möglichen Anpassung und minimiert somit die Resilienzfähigkeit ökologischer Systeme. Dies drückt sich sichtbar mittlerweile auf allen räumlichen Ebenen aus: Veränderungen auf der großräumlichen Makroebene und somit beispielsweise in Europa und seinen kontinental veränderten klimatischen Extremen und massiven Artenrückgängen in ganz Europa. Auf der Mesoebene beispielsweise in den landschaftlichen Veränderungen einer Region wie beispielsweise absinkende Grundwasserstände, schmelzende Gletscher oder Rückgang bestimmter regionaltypischer Arten. Und auf der Mikroebene eines individuellen Ortes (im direkten Umfeldes eines einzelnen Menschen) wie beispielsweise sichtbare Trockenheits-, Überflutungs- und Sturmschäden. Dort sind auf allen räumlichen Ebenen eine spürbare Veränderung und auch Verwundbarkeit (Vulnerabilität) sichtbar und forderen ein systemisch zusammenhängendes Handeln. Unsere Profession kann mit reflektierten Handeln auf der Mesoebene in der Landschaftsplanung und auf der Mikroebene in der Objektplanung wichtige Anpassungsbeiträge liefern. Dieses sinnhaft aber nur als ganzheitlich gedachte Planungs- und Handlungsansätze auf allen Maßstabs- und Sachebenen in einem größeren systemisch verknüpften Konzept. Nicht verknüpfte aber gut gemeinte Einzelinitiativen (Bienenhotels, Blühstreifen, Nährgehölzpflanzungen, Klimabäume etc.) sind nicht selten ohne genaue Qualifizierungs- oder Quantifizierungsanalysen kontraproduktiv oder führen ins Leere.

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Abb. 4: Verteilung der Emissionen durch Materialien und der Sequestration durch Vegetationsstrukturen im Variantenvergleich. Entwurf: (Status Quo), Negativ- und Positivvariante, Weigand 2022 mit Pathfinder/climatepositivedesign
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Abb. 5: Verteilung der Emissionen und der Sequestration im Variantenvergleich (Hier Auszüge aus den Scorecards Positiv- und Negativvariante, Großer Einfluss von Material- und Pflegeentscheidungen, Enormer Einfluss von Vegetation. Quelle: Weigand 2022 mit Pathfinder/climatepositivedesign

CO2-Bilanzierungen in der Landschaftsarchitektur und ihre Möglichkeiten

Innerhalb einer Masterthesis an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe (TH-OWL) im Sommersemester 202214 wurde sich im Rahmen eines realen Bauprojektes dem oben aufgezeigten ersten Themenfeld gewidmet: Footprint, Ressourcenverbrauch, Intensität von Material- und Pflanzeneinsatz? Im Vordergrund stand die Frage, wieviel Einfluss hat die Landschaftsarchitektur eigentlich mit seinen Planungsentscheidungen auf den CO2-Fußabdruck bei eigenen objektbezogenen Projekten? CO2 steht hier stellvertretend als ein Indikator für Umweltauswirkungen einer klassischen Ökobilanzierung. Welche gegebenenfalls intensiven Ressourceneinsätze können wie kompensiert werden? Wie können Projekte CO2-neutraler entwickelt werden? Welchen Einfluss haben unterschiedliche Elemente und Handlungspraktiken (Baustoffe, Bauweisen, Pflegeentscheidungen, Pflanzeneinsatz) auf die CO2-Bilanz? Die Ergebnisse sind anschaulich und sprechen für sich. Der Einfluss einfacher Planungsentscheidungen ist nach den Auswertungen immens. Für ein umgesetztes Projekt "Kur- und Bürgerpark in Freudenberg" (Kreis Siegen-Wittgenstein/Nordrhein-Westfalen) vom Landschaftsarchitekten Jürgen Wagner aus Schmallenberg wurde zum einen der umgesetzte Entwurf sowie zum anderen zwei weitere Varianten zum Entwurf analysiert, bilanziert und ausgewertet. Die umgesetzte Planung und die weiteren Varianten im Rahmen der Masterthesis unterscheiden sich lediglich in ihrer Materialität, der Art der Pflege und bezüglich des Einsatzes von Vegetation. Die beiden Varianten neben dem real umgesetzten Entwurf hatten das Ziel eine deutlich schlechtere Bilanz und eine verbesserte Bilanz aufzuzeigen. Hier wurden bei der Zielsetzung "verbesserte Bilanz" (Positivvariante) wesentlich mehr Bäume gesetzt, extensive Rasenflächen vorgesehen, Wassergebundene Wegedecken in möglichen Teilbereichen, Sand als Fallschutz, Einsatz von Zementersatzstoffen, Wiederverwendung beziehungsweise Nutzung des vorhandenen Unterbaus sowie extensivere Bauweisen der Treppen ohne Beton vorgesehen. Die Zielsetzung "deutlich schlechtere Bilanz" beinhaltete wesentlich weniger Bäume und keine Stauden- und Bodendeckerflächen, intensiv angelegte und gepflegte Rasenflächen, Asphalt- und Betonwege, Kunstofffallschutzflächen beim Spielplatz, keine Recycling- beziehungsweise Wiederverwendungsmaßnahmen.

Die Bilanzen wurden mit dem webbasiertes Online-Tool "Pathfinder 2.0" von der amerikanischen Landschaftsarchitektin Pamela Conrad durchgeführt.15 Das Programm berechnet Verbräuche, Sequestrierungen und gib an, ab welchem Zeitpunkt das Projekt klimapositiv beziehungsweise CO2-neutral ist. Die Untersuchungen beschränkten sich ausschließlich auf die Auswirkungen durch die Treibhausgase, also auf das Globale Erwärmungspotenzial. Neben CO2 wurden aber noch weitere Treibhausgase (bspw. Methan CH4, Lachgas N2O oder andere fluorierte Gase sogenannte F-Gase) berechnet und auf CO2-Äquivalente (CO2-eq) umgerechnet.

Dass real umgesetzte Projekt erzielt innerhalb des definierten Lebenszyklus von 50 Jahren nach 20 Jahren eine CO2-Neutralität. Insbesondere der relativ schonende Umgang mit dem Bestand im Entwurfskonzept verspricht so mäßige bis geringe Umweltauswirkungen des Projektes. Grundsätzlich ist herauszulesen, dass die Kategorie Oberflächenbelege ("Paving") mit 69,7 Prozent mehr als die Hälfte der gesamten Emissionen verursachen. Deutlich geringere Anteile werden beispielsweise mit einem Anteil von 9 Prozent durch Mauern, Bordsteine und Vorsprünge (Kategorie "Walls, curbs & headers") verursacht. Die Negativvariante des Projekts erreicht innerhalb des definierten Lebenszyklus von 50 Jahren sehr deutlich keine CO2-Neutralität. Die rechnerische Größe von 800 Jahren macht einen vermuteten Einfluss der Planungsentscheidungen sehr deutlich. Die gesamten emittierten Emissionen können also durch die geplanten Maßnahmen nicht gebunden werden. Hier verursachen die Oberflächenbeläge mit 53,2 Prozent den Großteil der Emissionen und die Mauern, Bordsteine und Vorsprünge bilden mit 17,5 Prozent den drittgrößten Anteil. Auffällig ist, dass der zweitgrößte Anteil mit 20 Prozent durch die intensive Pflege der Rasenflächen gebildet wird. Die angenommene Variante "verbesserte Bilanz" (Positivvariante) konnte hingegen ein nahezu doppelt verbessertes Ergebnis mit rechnerischen elf Jahren bis zur CO2-Neutralität im Vergleich zum umgesetzten Entwurf erzielen. Insgesamt konnten aber durch die veränderten Materialeinsparungen bei der Positivvariante nicht die Menge emittierten Emissionen eingespart werden wie erhofft. Es fällt aber auf, dass hier am meisten Emissionen kompensiert beziehungsweise sequestriert werden konnte. Im Vergleich zum realen Entwurf haben Vegetationsstrukturen 60 Prozent mehr Emissionen sequestriert. Die Negativvariante hingegen kann durch die deutlich geminderten Vegetationsstrukturen deutlich weniger der gesamten Emissionen sequestrieren, was einer Minderung der Sequestrationsrate von 97 Prozent im Vergleich zum realen Projekt entspricht. In allen drei Varianten wird der Großteil der Emissionen durch die Kategorie Oberflächenbeläge ("Paving") verursacht. Bei einer genaueren Betrachtung wird deutlich, welche Materialien innerhalb dieser Kategorie und somit auch in dem gesamten Projekt die größten Emissionsemittenten sind: Asphalt, harte Betonoberflächen und Unterbau. Bei dem realen Projekt sowie auch bei der Positivvariante konnten durch unterschiedliche Volumen an recyceltem Material (auch Erhalt des vorhandenen Unterbaus bei der Positivvariante) deutlich Emissionen eingespart werden.

Der wohl größte Unterschied zwischen der Sequestrierung der Vegetationsstrukturen ist bei der Intensität der Grünflächen zu erkennen: Die Intensität der Pflege bei der Negativvariante nimmt einen enormen Anteil der Emissionen ein: Mehr als 288 t CO2-Emissionen ("intensive management lawn") entstehen durch intensive Rasenflächen im Vergleich zu 1130 t aufgebauten und kompensierten Kohlenstoff (Sequestration) extensiver Wiesenflächen ("no mow lawn") bei der Positivvariante. Auch bei dem real umgesetzten Entwurf wird über die Hälfte der gesamten gebundenen Emissionen durch extensiv gepflegte Grünflächen gebunden.

Die Ergebnisse kann man wie folgt zusammenfassen: Um das Netto-Globale Erwärmungspotenzial eines Projekts deutlich zu verringern, müssen zum einen die Emissionsquellen (Materialien und Pflege) reduziert werden und zum anderen die Möglichkeiten zur Speicherung (Sequestrierung durch Vegetationsstrukturen, Böden) erhöht werden. Durch eine effiziente Wahl der Baumaterialien lassen sich deutliche Reduzierungen der Treibhausgasemissionen erreichen. Zudem kann der Einsatz von Baumaterialien mit einem niedrigen Emissionswert pro Einheit, wie zum Beispiel Holz, im Vergleich zu Materialien mit einem höheren Emissionswert pro Einheit, wie beispielsweise Betonstein, Einsparungen erzeugen. Hier sind auch Verarbeitungsprozesse oder Transporte ein entscheidender Faktor. Daneben spielen Lebenszyklus, Dauerhaftigkeit und gegebenenfalls Erhaltungsmaßnahmen eine besondere Rolle. Auch Bauweisen mit einem bewussteren Umgang (extensive Bauweisen, Recycling) bietet ein hohes Potenzial zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen. Beispielsweise wurde durch den Erhalt und durch das Recycling vorhandener Materialien in der Positivvariante große Anteile der Emissionen eingespart. Ein besonderes Potential bietet letztendlich der Umgang mit Vegetation und Böden: Ein bewusster Umgang mit Bestand, neue Pflanzungen und vor allen Dingen die extensive Pflege hat rechnerisch einen enormen Einfluss auf die Gesamtbilanz.

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Abb.: 6 Vergleich der Speicherkapazitäten (Sequestration) durch Vegetationsstrukturen in kg CO2 zwischen den Varianten (Blau= real umgesetzter Entwurf, Rot= Negativvariante, Grün= Positivvariante). Quelle: Weigand 2022
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Abb.: 7 Vergleich beispielhafter Energiebilanzen Grünfläche (Gras) und Straßenfläche (Asphalt). Abbildung: Laue, 2022

Klimaangepasste Planung von Freiräumen

Seit mehreren Jahrzehnten widmet sich die Umweltmeteorologie und Stadtklimatologie der Analyse der klimatischen Umgebungen. Dort galt es seit je her, besondere lokale, regionale und mikroklimatische Besonderheiten zu erkennen und dementsprechend planerisch darauf zu reagieren. Zum einen auf der mesoklimatischen Ebene, der Ebene der Regionalplanung oder der Stadtplanung, und zum anderen auf der mikroklimatischen oder auch lokal/objektbezogenen Ebene eines speziellen Ortes (auf einem Stadtplatz, in der Innenstadt etc.). Seit den 60er und 70er Jahren erlebte das Thema "Design with climate" eine besondere Aufmerksamkeit und es entstanden weltweit bekannte Monografien und Forschungsveröffentlichungen. Ausgehend von den klassischen Naturwissenschaften hat die Klimatologie seitdem auch ihren Platz in den planerischen Disziplinen wie Geographie, Landespflege, Landschaftsarchitektur, Architektur oder Landschaftsplanung gefunden. Mit stark veränderten Umweltbedingungen und deutlich sichtbaren Klimawandelausprägungen hat sich der Schwerpunkt in den letzten zehn bis 15 Jahren deutlich von der klassischen ortsbezogenen Klimaplanung mehr auf die fokussierte Planung für zunehmend klimatische Extreme (resiliente Räume planen) verschoben. Mit mittlerweile zahlreich erarbeiteten Klimafunktionskarten auf der Mesoebene Stadt oder Region, strategisch aufgezeigten Zielkonzepten und mit aufgezeigten global verknüpften Notwendigkeiten zur Anpassung bekommt die klimaangepasste Planung eine nie dagewesene Aufmerksamkeit. Gleichzeitig ist mit veränderten Schwerpunktsetzungen in der Ausbildung in vielen planerischen Disziplinen ein Großteil des bereits erforschten Wissens zum Umgang mit Klima verloren gegangen.

Grundsätzlich sind zwei Dinge zur klimagerechten Planung herauszustellen: Zum ersten definiert sich der bewusste Umgang mit Klima durch reflektierte Untersuchungen sowie durch bewusste Planungsentscheidungen von zusammenhängendes Wirken der Klimaelemente und Klimafaktoren. Hier sind die Klimaelemente die unveränderbaren messbaren Größen des Klimas (Wieviel Wind, Strahlung, Regenmengen etc. sind zu evaluieren) und die Klimafaktoren, die planerisch in Teilen zu beeinflussbaren Größen. Faktoren sind somit in Teilen planbar (z. B. und Oberflächenwahl, Baukörperstellung, Ausrichtungen von Bauelementen, Anteil und Eigenschaften von Grün- und Wasserflächen) aber auch in Teilen nicht veränderbar (gegebene geographische Lage, Einfluss von Kontinentalität und Maritimität, Einfluss in mesoklimatischen und makroklimatischen Strömungsverhältnissen etc.). Zum zweiten definiert in diesem Zusammenhang immer die Energiebilanz eines Ortes einen wichtigen Rahmen für die Planungsentscheidungen. Welche Eingänge und Ausgänge von Energie sind für die lokale Situation vorhanden (direkte und indirekte Sonneneinstrahlung, Verdunstung, Konvektion etc.) und wie lassen sich Gesetzmäßigkeiten für optimierte Verhältnisse hier nutzen? Je nach Klimazonen ist die Perspektive tageszeitlich oder jahreszeitlich auszurichten. Dabei spielen räumliche Voreinschätzungen durch Klimaleitkonzepte eine wichtige Rolle: Sie können eine gute Orientierung für eine klimaausgerichtete Planung geben. Um welche räumliche Ausprägung handelt es sich, welche Potentiale und Chancen bieten diese Voreinschätzungen für die Planung und Untersuchung? Das Klimakonzept "StEP Klima konkret" beispielsweise definiert für die Stadt Berlin zum einen mögliche Maßnahmen (z. B. zur Dach- und Fassadengestaltung, Albedo/Rückstrahlungsoptionen, Urban wetland Effekte etc.) und zum anderen direkte Handlungsanleitungen für räumliche Strukturtypen (für die Strukturtypen Geschosswohnungsbau, Schulen, Parks- und Grünflächen usw.). Hier werden bereits für die ortstypischen Energiebilanzverhältnisse zusammenfassend passende Handlungsanleitungen auf der Objektebene gegeben. Dieses ist ein guter Ansatz und viele andere Städte können ähnliche Handlungsanleitungen aufweisen oder sind dabei diese zu entwickeln.

Grundsätzlich lassen sich für unsere Profession daraus zwei Handlungsoptionen für eine optimale klimagerechte Planung ableiten: Zum einen lassen sich aus Leitkonzepten, zum Beispiel von einer Kommune, direkt richtige Grundsätze für ortsgerechte Planungsentscheidungen ablesen. Das bedeutet ein Potential für deutlich verbesserte Planungsentscheidungen und sollte in Wettbewerbsvorgaben oder Ausschreibungsvorgaben viel stärker verknüpft werden (."die Prinzipien gemäß (. . . ) NN. sind für das Projektvorhaben anzuwenden und nachzuweisen".). Zum anderen lassen sich bei fehlenden Leitkonzepten und präzisen Anforderungsprofilen als auch bei größeren bedeutenden Planungsvorhaben in der Regel nur richtige Entscheidungen aus vorangegangenen meteorologischen Datenerhebungen und/oder numerisch gestützten Simulationen ableiten. Es sind notwendigerweise Varianten zu vergleichen und ihre Auswirkungen auf lokale oder regionale Klimaverhältnisse zu prüfen. Dort benötigt es eine Fach-Software, gegebenenfalls Messungen und/oder Partner mit demensprechend fachlichem Wissen.

Die nächste Dimension und derzeit, wie oben bereits erwähnt, die wichtigste Fokussierung widmet sich dem Klimawandel mit seinen Ausprägungen. Hier wird sich zunehmend mit klimatischen Extremen auseinandergesetzt. Wie können zukünftig Entscheidungen bessere Resilienzfähigkeit und geringere Vulnerabilität für die gebaute Umwelt unterstützen? Welche Möglichkeiten können genutzt werden um beispielsweise vermehrt auftretende extremere Trocken-, Hitze- oder Niederschlagsperioden abzumildern? Gemäß DIN 1986-100 werden mittlerweile für stark befestigte Grundstücke über 800 m² gerechnete Überflutungsnachweise nach dem 100-jährigen Regenereignis vorgegeben. Ein Schlüssel sind dabei "Schwammprinzipien". Nur wenn Wassermengen dauerhaft in Böden, Dächern, Becken oder in dabei begrünten Flächen zurückgehalten werden, lassen sich Trockenperioden besser überstehen. Für extreme Niederschlagsereignisse sind dazu unmittelbare Retentionsmöglichkeiten und der Rückhalt von Bedeutung. Das bieten baulich/technische Maßnahmen wie zum Beispiel Rigolen Technologien, auch als Kombinationen mit Begrünungsformen dieser. Eine dauerhafte Begrünung sichert neben Retentions- und Windbremsfunktion auch geringere Temperaturextreme im Tages- oder Jahresverlauf von beispielsweise urbanen Freiflächen. Verschattung und die Interaktion mit Wasser in seinen Zuständen sind dabei zwei sehr wichtige Ökosystemdienstleistungen von Vegetation. Die Verdunstungskühlung vegetativer Flächen ist je nach Zustand und Ausprägung der Flächen enorm.

Zusammenfassend ist herauszustellen: Eine klimagerechte Planung sollte für unsere Profession eine Selbstverständlichkeit sein. Freiräume sind mikroklimatische Einheiten und können in der Regel durch bewusste Planungsentscheidungen beeinflusst werden. Hierbei spielen baukonstruktive Entscheidungen ebenso eine Rolle wie der gezielte Einsatz von Grün- und Wasserflächen. Temperaturextreme¹6 und Starkregenereignisse sowie auch längere Trockenzeiten können insbesondere durch den gezielten Einsatz von Grün- und Wasserflächen abgemildert werden. Dafür helfen konkrete Planungsvorgaben und numerische Simulationsmodelle.

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Abb.: 8 Simulationsvergleiche von PET Temperaturen (Physical equivalent temperature/gefühlte Temperatur bei unterschiedlichen Planungsentscheidungen für exemplarische Strukturtypen (hier Platz, Garten, Straßenraum) in 1,5 m Höhe), gewählter Ort Hannover, Zeitpunkt 20.06. 13 Uhr, Ergebnissimulation (2 D Karte) mit ENVI-met/Eingebettet in ein räumliches SketchUp Modell. Quelle: Laue, 2012, bearbeitet 2022
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Abb. 9: Image documenta fifteen im Zeichnen der Nachhaltigkeit, Kunstausstellung 2022 Kassel, das Kooperative, das gemeinschaftlich ausgerichtete Modell der Ressourcennutzung, kooperative Bottom-Up. Foto: Laue 2022

Vielfalt sichert Stabilität und Entwicklungspotential

Der Zusammenhang von Biodiversität und Stabilität in Pflanzenbeständen wird an den Entwicklungen der fortwirtschaftlichen Flächen in den letzten Jahren besonders deutlich: Die Dürresommer der Jahre 2018 bis 2020, zahlreiche Stürme und der Borkenkäferbefall haben große Teile des Waldes massiv geschädigt.17 Hier sind insbesondere die zahlreichen Monokulturen mit Fichtenbeständen wesentlich stärker von betroffen als die Mischwaldbestände.18 Aktuell 2022 sind vertrocknete "Monokultur - Rasenflächen" sichtbarer Beweis für Anfälligkeit bei klimatischen Extremen entgegen vielschichtigen Grünflächen mit nur teilsichtbaren Vertrocknungserscheinungen. Die Schnittstelle "Biodiversität und Klima" wird seit 2004 jährlich durch eine vom BfN (Bundesamt für Naturschutz) organisierte Tagung und dementsprechenden Dokumentationen beleuchtet. Hier werden Forschungsergebnisse, Maßnahmen und Akteure dargestellt und verknüpft. Der Klimawandel hat massive Auswirkungen auf den Rückgang der Biodiversität. Wie eingangs erwähnt wurde gemäß des "Globale Zustandsbericht zur Biodiversität" keine der gesetzten Ziele erreicht. Der Einfluss des Menschen dabei ist unumstritten und Prof. Dr. Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN), spricht sich im Bundestag 2020 für geförderte "naturbasierte Lösungen" aus.19 Dabei sind Artenreichtum und ökosystemorientierte Handlungsweisen wichtige Prinzipien. Naturbasierte Lösungen verbessern deutlich die Widerstandsfähigkeit (Resilienz) von Strukturen. Dieses beinhaltet auch die notwendige Verknüpfung unterschiedlicher Teilsysteme. Hier ist gerade auf der objektbezogenen Ebene unserer Profession das Verständnis für notwendige Biotopverbundbetrachtungen und/ oder von Lebenszyklen nicht umfassend vorhanden. Die Bearbeitung beschränkt sich meistens nur auf das Objekt und auf den Bearbeitungsrahmen.

Im Rahmen eines aktuellen Forschungsprojektes an der TH-OWL20 für ein zukünftiges Bewertungssystem Nachhaltiger Freianlagen wurde sich unter anderem auch der notwendigen Sicherung und Entwicklung von Biodiversität in Freianlagen gewidmet. Um dauerhaft bereitstellende, regulierende, kulturelle und unterstützende Ökosystemdienstleistungen zu sichern, stellt die biologische Vielfalt auf allen räumlichen Ebenen eine wichtige Grundlage dar. Die genetische Vielfalt, die Anzahl der Arten sowie daraus resultierenden vielfältigen Lebensräumen für alle Lebensformen stehen dabei im Fokus. Hierfür wurden auf der objektbezogenen Ebene zwei wesentliche Teilkriterien formuliert und vorgegeben: Zum einen eine nachzuweisende Biodiversitätsstrategie für den zu bearbeitenden Freiraum, Darstellung und Einbindung dieser, gegebenenfalls abgeleitet aus übergeordneten Strategien, und zum anderen allgemeine Maßnahmen zur Biodiversität wie beispielsweise notwendige Durchlässigkeit, Verbindungen, Umgang mit Vegetation sowie deren Pflege. Nur wenn Maßnahmen auch übergeordnete durch strategische Ziele verknüpft sind, können auch gute qualitative Ergebnisse erzielt werden. Hier ist es Ziel, gut gemeinte Initiativen wie Nisthilfen und ähnliches auch in einen passenden Rahmen einzubetten. Im Weiteren wurden ökologische Qualitäten durch Kriterien und Teilkriterien wie Vorgaben zum Bestandsschutz, zu Wasserbilanzen an den unbebauten Naturstandort angelehnt, zu Anteilsfläche von Biotoptypen, zu Grünvolumina (auf unterschiedliche Strukturtypen bezogen), zu Verhinderung ökologischer Risiken durch Licht-, Luft- und Lärmemissionen sowie zum grundsätzlichen Pflanzen- und Materialeinsatz unterstützt.

Move the Date - Kooperatives Handeln und zukünftige Vorgaben

Die diesjährige documenta fifteen in Kassel stellt einen Entwicklungssprung der documenta Geschichte dar. Zum ersten Mal steht ausschließlich das Kooperative, das Mitmachen und Erleben von teilweise sehr unbekannten Künsterkollektiven und weniger der klassische Kunst-Konsum individuell bekannter Künstler:innen im Vordergrund. Das Künstlerkollektiv ruangrupa schreibt dabei in Auszügen auf ihrer Homepage: "Wir wollen eine global ausgerichtete, kooperative und interdisziplinäre Kunst- und Kulturplattform schaffen, (. . . ). Unser (. . . ) Ansatz zielt auf ein anders geartetes, gemeinschaftlich ausgerichtetes Modell der Ressourcennutzung - ökonomisch, aber auch im Hinblick auf Ideen, Wissen, Programme und Innovationen." Das kann man als Aufforderung zukünftiger Handlungsmuster für viele Professionen betrachten. Derzeit stützten sich Einstellungen zu einer Neuausrichtung nachhaltiger Lebensweisen mehr auf das Regulative Top-Down als auf das Kooperative Bottom-up Prinzip. Das heißt, jedem sind gegebenenfalls strategische Ziele aus der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie aus der nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt bekannt aber das Handeln auf der Umsetzungsebene bleibt zögerlich. Es wird gewartet auf regulative Vorgaben, auf Erlasse, Normen, manifestierte Regelwerke oder ähnliches. Auch wenn vielen die Klimaziele von Paris und die angestrebte CO2-Neutralität Deutschlands über das Klimaschutzgesetz bis 2045 bekannt sind, so folgt aber kein Automatismus im eigenen Handeln, beispielsweise der Baubranche. Auch wenn seit Jahren das Kreislaufwirtschaftsgesetz eine Hierarchie von Vermeiden, Recycling, Verwertung etc. definiert, so folgt auch hier kein Automatismus von primär Vermeiden oder Recyceln vor beispielsweise thermischer Verwertung (Verbrennen). Auch wenn zahlreiche Veröffentlichungen zum Ressourceneinsatz, zur aktiven Klimaanpassung oder zur Bedeutung von Biodiversitätsförderung vorhanden sind, existieren insbesondere in der Privatwirtschaft noch wenig bis gar keine Umsetzungsbeispiele. Klar ist aber, dass diese regulativen Vorgaben auch auf der Objektebene unsere Profession erreichen werden. Eher in fünf Jahren als in zehn Jahren. Es wird gegebenenfalls CO2 Vorgaben für Projekte geben (Bilanzierungspflicht mit Vorgaben für Strukturtypen). Zudem spielen CO2-Bepreisungen bereits zunehmend eine Rolle.21 Seit 2020 gilt für das Land Berlin für Außenanlagen über 500 Tausend. Euro das "Bewertungssystem nachhaltige Aussenanlagen" (BNB_AA). Hier werden weitere Vorgaben auch in den anderen Bundesländern folgen. Derzeit sind engagierte Kommunen nur über das Netzwerk KommBio (Kommunale Biodiversitätsstrategien) mit Maßnahmen zur Biodiversität verknüpft und angehalten. Aber auch hier werden zukünftig entweder über die Bewertungssysteme oder grundsätzlich über regulative Vorgaben auf der Handlungsebene Vorgaben konkret werden. Klimaanpassungsmaßnahmen sind für viele Städte und Kommunen bereits in vollem Gang und werden durch eigens entwickelte Konzepte unterstützt. Auch hier werden flächendeckend regulative Vorgaben uns erwarten. Es bleibt uns überlassen, ob wir auf den Top-Down Prozess warten oder ob wir das Bottom-up Prinzip nutzen und mitgestalten. Die Vorgaben werden sowieso uns erreichen. Move the Date! Lassen Sie uns eher wie die ruangrupa ein "(. . . ) gemeinschaftlich ausgerichtetes Modell der Ressourcennutzung - ökonomisch, aber auch im Hinblick auf Ideen, Wissen, Programme und Innovationen" nutzen. Lassen sie uns somit einen aktiven Beitrag zur Verschiebung des Earth Overshoot day nach hinten erwirken. Unsere Profession bietet eine besondere Möglichkeit der Zukunftsorientierung und der Mitgestaltung. Wir planen und bauen Umwelt und sollten neben ästhetischen, wirtschaftlichen und sozialen Aspekten vor allen Dingen die ökologischen Aspekte als Basis für nachhaltige Freianlagen verstehen. Nur so können wir gegebenenfalls auch die derzeitigen Nachwuchsprobleme beheben und mehr junge Menschen für unsere Profession begeistern.

Literatur

1 Vgl. Angaben Statista 2022, CO2-Emissionen weltweit in den Jahren 1960 bis 2020, Online Ressource, de.statista.com.

2 Vgl. Executive summary of 2020 --Global Status Report for buildings and construction, United Nations Environment Programme.

3 vgl. United Nations 2011 in Australian Institute of Landscape architects o.j.

4 Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU): Klimaschutzplan 2050. Klimaschutzpolitische Grundsätze und Ziele der Bundesregierung, 2. Auflage 2019.

5 Vgl. Umweltbundesamt, Treibhausgas-Emissionen in Deutschland, März 2022, www.umweltbundesamt.de/daten/klima/treibhausgas-emissionen-in-deutschland.

6 Vgl. Sechster Sachstandsbericht des IPCC (Inter-governmental Panel on Climate Change), 2021.

7 Pressemitteilung vom 12.08.2022, Deutscher Wetterdienst zur extremen Trockenheit in Deutschland, Absatz 1 und 2.

8 Pressemitteilung vom 30.12.2021, Deutscher Wetterdienst, Deutschlandwetter im Jahr 2021.

9 www.ncei.noaa.gov/access/monitoring/ monthly-report/global/202113.

10 www.munichre.com/de/risiken/naturkatastrophen-schaeden-nehmen-tendenziell-zu.html.

11 Vgl. Bundesamt für Naturschutz, Heft Natur und Landschaft, Heft 6/7 - 2019.

12 Convention on Biological Diversity.

13 Vgl. UN, Global Biodiversity Outlook 5, 2020, UN Convention on Biological Diversity (CBD).

14 Larissa Weigand M.Sc., Welchen Beitrag kann die Landschaftsarchitektur zu einer CO2-Neutralität in Deutschland leisten?, Masterthesis TH-OWL, Betreuung Prof. Dr. Laue und Sara Parhoun M.Sc., Juli 2022.

15 Pamela Conrad, ASLA (American Society of Landscape Architects), vgl. climatepositivedesign.com/pathfinder/.

16 Größere Temperaturunterschiede von bis zu 20 °C gefühlter Temperatur sind je nach Planungsentscheidungen keine Seltenheit).

17 Vgl. auch BMEL (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft) 2022: Massive Schäden - Einsatz für die Wälder, Online-Ressource, www.bmel.de/DE/themen/wald/wald-in-deutschland/wald-trockenheit-klimawandel.html.

18 Vgl. Bfn Skript 618 2021, Mehr als Holz: Der Wald als Dienstleister im Klimawandel, Nobert Asche, Seite 37 ff.

19 Biodiversität und Klima: Naturschutz und Klimaschutz zusammen denken, Öffentliches Fachgespräch im Umweltausschuss des Deutschen Bundestags zum Thema "Biodiversität und Klima" am 12. Februar 2020, Prof. Dr. Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN).

20 Forschungsprojekt "BNF"- Bewertungssystem nachhaltige Freianlagen, Deutsche Bundesumweltstiftung, 2021-2023.

21 .vgl. Deutsche Bundesregierung 2021, Drucksache 19/25629: Erwartbare Preissteigerungen im Baubereich durch CO2-Bepreisung, Auszug: (. . . ) "Der Europäische Emissionszertifikatehandel (EU-ETS) erzielt bereits durch die Bepreisung CO2-intensiver Industrien auch im Baubereich seine gewünschte Wirkung" (. . . ).

Prof. Dr.-Ing. Hendrik Laue
Autor

Hochschule Ostwestfalen-Lippe

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