Zwischen Standards und Spezialwissen im Kontext aktueller Anforderungen

Nachhaltige Landschaftsarchitektur und nachhaltiger Landschaftsbau

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Der Landschaftsbau und die Landschaftsarchitektur haben sich als uns bekannte Berufsdisziplinen in der frühen Mitte des letzten Jahrhunderts unter anderem aus dem Gartenbau, der Gartenplanung und der Gartenkunst heraus entwickelt. In vielen europäischen Nachbarländern wird der Berufsstand in Teilen heute noch anders interpretiert oder auch nicht direkt als eigenständige Berufsdisziplin wahrgenommen.

In Deutschland aber auch beispielsweise in der Schweiz bietet das existierende Selbstverständnis der eigenständigen Disziplinen zum einen genug Selbstbewusstsein für eine steigende Einflussnahme auf notwendige Veränderungsprozesse zur Zukunftssicherung im Bereich der gebauten Umwelt und zum anderen auch die Chance, nochmal über eigene Fähigkeiten und Besonderheiten nachzudenken. Ein besonderes Potential liegt meiner Ansicht nach in der Fähigkeit der Branche, sich mit unterschiedlichen Fachinhalten aus berufsnahen Inhalten beschäftigen zu können und daraus neue Erkenntnisse für eigene Handlungsweisen darzustellen sowie zu nutzen. Am Beispiel des konstruktiven Planens und Bauens werden Querbezüge und Ansätze dieser These ausgeschlüsselt.

General-Dilettantismus oder neue Lösungsansätze?

Der Landschaftsbau und die Landschaftsarchitektur sind in Deutschland etablierte Ingenieursdisziplinen im Bereich der gebauten Umwelt. Im Gegensatz zu vielen anderen fachlich beteiligten Disziplinen bei Bauprojekten der gebauten Umwelt bewegen sich der Landschaftsbau und die Landschaftsarchitektur mit ihrem Handeln vielleicht oft mehr zwischen gegensätzlichen Interessenslagen als andere Beteiligte - so die Vermutung:

  • Zwischen zu gewährleistenden ökologischen Systemleistungen der Freiräume und möglichen Beeinträchtigungen dieser durch bauliche Entwicklungen? Eine bauliche Entwicklung von Freiraum bedeutet in der Regel immer auch ein Eingriff in vorhandene ökologische Systemdienstleistungen. Ein Architekt ist in der Regel ähnlichen Konflikten weniger ausgesetzt.
  • Beispielsweise auch im Spannungsfeld zwischen Behandlungsmethoden von Böden für Pflanz- oder für Baustandorte? Zwei vollkommen gegensätzliche Ansprüche die beispielsweise im Bauingenieurswesens (vgl. Grundbau) so nicht vorhanden sind.
  • Oder im Spagat zwischen gewünschter Dauerhaftigkeit und der Akzeptanz von stetigen Veränderung? Freiräume sind Witterungsbedingungen ausgesetzt, Freiräume befinden sich im stetigen Wandel und der Einsatz von Pflanzen bedeutet Wachstum und Veränderung. Sicherlich denken Architekten an veränderte Nutzungsformen und Ansprüche ihrer Architektur aber sie sind lange nicht dem Prozessdruck des stetigen Wandels ausgesetzt wie das in der Landschaftsarchitektur und im Landschaftsbau der Fall ist.


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Innerhalb unserer Berufsdisziplinen sind somit durch oft gegensätzliche Ansprüche im Rahmen der Aufgabenstellung (und auf das Spannungsfeld zwischen Landschaftsplanung und Landschaftsarchitektur wurde noch gar nicht hingewiesen), vielleicht auch mehr als in anderen verwandten Disziplinen der gebauten Umwelt eine stärkere Vielschichtigkeit von Interessen und Inhalten zu finden. Und das kann nicht selten zu einem verzerrten Bild in der Öffentlichkeit führen. Böse Zungen werfen deshalb unter anderem dem Landschaftsbau oder der Landschaftsarchitektur "General-Dilettantismus" vor ("sie können alles aber nichts richtig"), vielleicht weil für andere der oft lobenswerte Abwägungsprozess unterschiedlicher Interessen sichtbar wird, weil unterschiedliche fachliche Ausprägungen nach außen treten und weil diese Vielschichtigkeit im Zusammenspiel auch Konflikte bedeuten sowie oft kein homogenes Bild zeichnen (man denke an zahlreiche gelebte Konflikte unserer Berufsdisziplin zwischen beispielsweise Landschaftsbau und Landschaftsarchitektur). Grundsätzlich ist diese Vielschichtigkeit positiv und mit einer besonderen Chance zukunftsorientierter Lösungen verknüpft: Tiefgreifende derzeitige Veränderungen mit parallel ablaufenden Prozessen der Veränderung sowie zunehmend daraus resultierende, komplexere Anforderungen ökonomischer, ökologischer und sozialer Handlungsweisen sind in Zukunft mit fachlich isoliertem Vorgehen nicht mehr zu bewältigen. Insofern ist dieser angebliche "General-Dilettantismus" eher ein neuer Lösungsansatz als weniger eine Sackgasse oder eine fachliche Oberflächlichkeit! Gerade Transferdisziplinen wie beispielsweise der Landschaftsbau oder die Landschaftsarchitektur besitzen bereits wie selbstverständlich innerhalb ihrer eigenen Disziplinen eine breite Kompetenz notwendiger Inhalte. Zwischen Pflanzen- und Tierwissen, zwischen gestalterisch-räumlichen und ökonomisch-baulichen Kompetenzen oder allgemein zwischen Bauen und Umwelt. Es gilt, nur vorhandene Schnittstellen zu kultivieren oder sie gegebenenfalls neu zu entdecken und zu verknüpfen. Dazu sind die meisten in unserem Berufsstand fähig, interdisziplinär zu denken, sich Wissen anzueignen und daraus resultierend zu handeln. Am Beispiel konstruktiver Planung und Umsetzung unseres Berufsstandes wird aufgezeigt, wie hilfreich verknüpfende Lösungsansätze aus unterschiedlichen Fachinhalten des Bauingenieurwesens, des Umweltplanung, der Umweltmeteorologie oder dem Umweltingenieurswesen sein können. Nur so lassen sich besondere Lösungen zu neuen nachhaltigen Standards weiter entwickeln.

Spezialbauweisen entwickeln sich zu technischen Standards

Der Begriff "Spezialbauweisen" suggeriert in der Regel bei den meisten Berufsangehörigen eine besondere bauliche Lösung, die sich weit vom üblichen Standard und von üblichen Anforderungen entfernt und somit für übliche Handlungsweisen keine Bedeutung hat.

"Brauche ich nicht, habe ich noch nie auf der Baustelle gesehen, wer soll das bezahlen, steht nicht im Buch ,Bauen mit Grün' drin" - so oder so ähnlich könnten sich erfahrene Studierende des Landschaftsbaus im Wahlpflichtmodul "Spezialbauweisen" an der Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe (OWL) zu einer Aufforderung einer besonderen konstruktiven Lösungsentwicklung äußern.

Grundsätzlich ist das richtig: Gilt es beispielsweise einen befestigten Weg auf einem anstehenden Baugrund mit mindestens 45 MN/m² Lastaufnahmefähigkeit zu erstellen, bewegen sich die Konstruktionsplanung und die Umsetzungsgedanken im üblichen Standard von Arbeitsschritten entlang bekannter Regelwerke wie der ZTV Wegebau, der RstO 12 und/oder entsprechender DIN Normen. Ist dieser befestigte Weg aber auf weich-plastischen Bodenschichten mit eindeutig geringerer Lastaufnahmefähigkeit vorgesehen, sind besondere ingenieursbezogene Entscheidungen abzuwägen und zu treffen. Zum Beispiel könnte das eine Bodenstabilisierung, einen Bodenaustausch, eine Bodenvorbelastung, Tiefengründungen über Pfähle oder Stopfsäulen oder einfache Gründungen mit Bodenvernagelungen und Mikropfählen bedeuten. In diesem Fall wird dieses dazu gezogene Wissen aus dem Bauingenieurswesen (aus dem Grundbau) als Spezialbauweisen der Landschaftsarchitektur und des Landschaftsbaus bezeichnet, und ist in der Regel in der Standardliteratur zum Berufsstand nicht zu finden. Wenn wir aber auf Dauer unseren Berufsstand und die Arbeitsmethoden sowie deren Lösungsansätze erweitern möchten (und müssen), so ist es unabdingbar, sich dieser Techniken zu bedienen beziehungsweise unsere Perspektiven zu erweitern. Am Beispiel der konstruktiven Planung und des Landschaftsbaus wären dann Spezialbauweisen auch als Standards zu etablieren bzw. die Lösungsvarianten grundsätzlich zu erweitern. Nur mit diesem erweiterten Blick können wir dauerhaft zielgenauere und letztendlich auch nachhaltigere Lösungen entwickeln. Wenn man sich beispielsweise vergegenwärtigt, wie die Forschungsgesellschaft Landschaftsbau und Landschaftsentwicklung (FLL) in den letzten Jahrzehnten durch eine Vielzahl an Regelwerks- und regelwerksähnliche Veröffentlichungen das Spektrum des Standards erweitert hat, kann man mit Stolz auf den Fortschritt der Professionalisierung unseres Berufsstandes hinweisen. Mit diesem stetigen Willen, die Kompetenzen umgebenden Fachdisziplinen zu adaptieren und so seinen eigenen Standard stetig zu erweitern, besitzt unser Berufsstand alle Voraussetzungen auch zukunftsorientiert zu handeln. Um nochmal auf diesen Vorwurf des "General-Dilettantismus" zurückzukommen: Die Fähigkeit unserer Branche ständig und tagtäglich mit Fachwissen aus anderen Disziplinen zu handeln, bedeutet eine sehr zeitgemäße und somit auch nachhaltige Form von Wissensmanagement zur Verfolgung eigener erfolgreicher Ziele. Dieses sollte stetig ausgebaut und Grenzen sowie Barrieren abgebaut werden.

Nachhaltigkeit auf der Objektebene des Konstruierens und Bauens

Was bedeutet dieser oft inflationär genutzte Begriff der Nachhaltigkeit für unseren Berufsstand und unsere Projekte und durch welche Qualitäten lässt er sich beschreiben? Nachhaltiges Handeln bedeutet, den Ort und den Standort zu verstehen, die ökologischen Leistungen zu erkennen und ihn weiter zu entwickeln, ökonomische Qualitäten von Werten des Freiraums zu erfassen sowie Lebenszykluskosten bereits im Vorfeld aufzuschlüsseln, und natürlich die sozialen Qualitäten zur dauerhaften Akzeptanz durch Beteiligungen, guten gestalterischen Abstimmungen sowie durch gewährleistete Aufenthaltsqualitäten und Nutzerzufriedenheit zu berücksichtigen. Also in Kurzform Freianlagen für Generationen entwickeln: ökologisch, ökonomisch, sozial und dabei wandelbar und systemisch im Ansatz. Für das Konstruieren und das Bauen in der Landschaftsarchitektur und im Landschaftsbau können dafür beispielhaft folgende Gedanken festgehalten werden: Erst der weite und systemische Blick auf das Ganze, auf alle Varianten möglicher konstruktiver Lösungsansätze, bietet eine zeitgemäße Chance zur bestmöglichen und somit nachhaltigsten Lösung. Dabei ist immer der Standort mit seinen Chancen und Risiken für bauliche Eingriffe (z. B. sind naturräumliche Gesetzmäßigkeiten von besonderer Topographie, besonderen Wasserverhältnissen nicht zu überwinden), Einflüsse über den Standort hinaus oder von außen auf den Standort einwirkend oder auch besondere Nutzungsaspekte abzuwägen, um daraus Grenzen und Ziele abzuleiten. In diesem ersten Arbeitsschritt liegt oft bereits durch eben nicht abgewogene Standortbedingungen und beliebigen Grenzziehungen der erste Fehler. Zum zweiten sollte unbedingt den ökologischen Fragestellungen ausreichend Rechenschaft getragen werden. Viel zu selten werden Bestand und Bestandsentwicklung, der Umgang mit den ökologischen Ressourcen wie Boden, Wasser, Klima, Pflanzen und Tiere sowie notwendige Reflexionen zum Materialeinsatz bei baulichen Eingriffen dem Standort gerecht betrachtet. Dadurch, dass ökologische Fragestellungen in vorher abgelaufenen Planungsstufen beispielsweise der Flächennutzungsplanung eine Rolle spielen, werden auf der konkreten Objektebene diese Fragestellungen oft als wiederholt interpretiert. Leider ist das ein Missverständnis und es geht ja auch nicht darum, aus Landschaftsarchitekten Landschaftsplaner zu machen. Nein - es geht darum, das Verständnis und den Blick des Landschaftsplaners auf die Perspektive des Objektplaners und des Landschaftsbauers zu übertragen. Eben die Zielsetzung, Inhalte aus der größeren Maßstabsebene auf die Objektebene zu übertragen. Und in diesem Fall lohnt es sich nochmal das Wort "Ökologie" zu vergegenwärtigen: "Die Wissenschaft von Wechselbeziehungen und systemischen Zusammenhängen zwischen Lebewesen und ihrer Umwelt". Dieser Blick des Systemischen darf auf der Objektebene nicht verloren gehen. Am Beispiel des konstruktiven Planens und Bauens ein Praxisbeispiel: Für einen Projektstandort sind große Parkflächen vorgesehen. Die befestigte und somit überwiegend versiegelte Fläche ist durch besondere Lastanforderungen (Lkw Parkplätze) unabdingbar. Es wird also ein Großteil ehemaliger Vegetationsflächen gerodet und geopfert werden müssen. Der Landschaftsarchitekt plant die Versiegelung durch Regenwasserrigolen auszugleichen aber verzichtet durch den geringen Platz in der Fläche auf größere neue Vegetationsflächen. Hier lohnt sich jetzt der genaue Blick auf die Wasserverhältnisse: Wo liegt der Standort, wie sind die Boden- und Klimaverhältnisse? Wie differenziert sich die natürliche Wasserbilanz? Sollte sich herausstellen, dass sich diese durch ca. 40 Prozent Abfluss, 40 Prozent Verdunstung und nur durch 20 Prozent Versickerung definiert, machen größere Rigolenlösungen wenig Sinn. Hier wären besondere Begrünungsmethoden durch beispielsweise Fassaden- oder Dachbegrünungen zielführender, um die Verdunstungsleistung wieder dem Naturstandort entsprechend anzugleichen.

Lange Rede kurzer Sinn, am Beispiel von Spezialbauweisen im Landschaftsbau wird die Weiterentwicklung unserer Profession deutlich. Spezielles Wissen heißt nicht, ich brauche es nicht. Vielmehr muss ich bei zukünftig steigenden Anforderungen zum einen auch das Spezialwissen für besondere Lösungen im Blickfeld haben und zum anderen bereit sein, dieses zum Standard weiter zu entwickeln.

Der Kern nachhaltigen Handelns: Ein sensibler Umgang mit den Umweltgütern

Begegnet man Studierenden unserer Profession im 1. Semester ganz unvoreingenommen, wird besonders deutlich: Der Wunsch, die Welt für Mensch und Umwelt etwas besser zu gestalten und ein spürbarer Idealismus für die Sache, sind genau wie früher vor 25 Jahren präsent. Mal von Ausnahmen abgesehen, geht es vermutlich vielen Kollegen und Kolleginnen auch heute noch ähnlich oder man erinnert sich an diese Zeiten und die Gefühlslage während der Ausbildung als Gärtner oder als junger Studierender. Aus dieser Perspektive heraus lässt sich der Kern des Gestaltens, Planens und Bauens in der Schnittstelle zwischen Menschen und Natur beschreiben. Unsere Profession stellt ein Bindeglied zwischen beiden Ansprüchen im Freiraum der gebauten Umwelt dar. Das bedeutet, neben menschlichen Ansprüchen und Notwendigkeiten für die Nutzung auch eine gleichberechtigte Berücksichtigung ökologischer Umweltparameter. Der sensible Umgang mit den Umweltgütern: Umgang mit Boden, mit Wasser, mit Klima, mit Tiere und Pflanzen.

In diesem Zusammenhang hat vermutlich die Spezialisierung von Ausbildungswegen und Berufsqualifikationen in beispielsweise Landschaftsbau, Landschaftsarchitektur, Landschaftsplanung oder Freiraummanagement die große Perspektive auf die ökologischen Parameter als Grundlage unser aller Projektbetrachtungen zu stark differenziert oder wird in den unterschiedlichen Richtungen gar nicht mehr ausreichend abgebildet. Die beispielsweise ehemalige Diplom-Studienausbildung als "Landespfleger/in" hatte in der Regel einen breiteren Ansatz der Vermittlung als heutige spezialisierte BA- oder MA-Studiengänge. Das ist ein sichtbares Problem bei vielen Projektbearbeitungen. Einfache Gesetzmäßigkeiten, beispielsweise zum Klimaverständnis oder zur Bodenbeurteilung, sind in Teilen bei vielen Berufskollegen und -Kolleginnen gar nicht mehr vorhanden oder nicht präsent. Was bedeutet diese Kritik: Zurück zu alten Mustern, zurück zu breiten Studiengängen und Ausbildungsformen mit wenig Spezialisierungsmöglichkeiten? Das ist vermutlich nicht zielführend und auch nicht richtig. Die erreichten Spezialisierungen haben die Branche stärker professionalisiert und das ist positiv zu bewerten. Heutzutage sind Betriebe oder Planungsbüros unter anderem ISO 9000 zertifiziert und haben sich ökonomisch oder technisch stärker professionalisiert. Wir beherrschen umfangreiche Softwareanwendungen, sind geschult in der Mitarbeiterführung, leben das erfolgreiche Unternehmertum und bemühen uns, alte konservative Muster und eine teilweise gelebte Oberflächlichkeit (das Wort "Pfusch" wird bewusst nicht verwendet) abzulegen. Aber es ist wichtig, sich der eigentlichen Aufgabe zu erinnern: Lösungen in der Schnittstelle zwischen Mensch und Natur zu entwickeln. Die Vielschichtigkeit an Aufgaben macht unterschiedliche Spezialisten erforderlich, die alle nötigen Aufgaben bewältigen. Und genau das wird oft nicht ausreichend kultiviert. Alle jetzt existierenden Spezialisierungsformen unseres Berufsstandes haben ihre Berechtigung. Aber wird ausreichend kommuniziert und um gegenseitiges Verständnis geworben? Vermutlich nicht. Der Umgang mit den Umweltgütern liegt in der Kernkompetenz der Landschaftsplanung, findet aber in der Objektebene der Landschaftsarchitektur und des Landschaftsbaus viel zu wenig Anwendung. Ökonomische Zwänge, gegebenenfalls fehlende Regelwerksvorgaben aber auch der fehlende Blickwinkel verhindern das. Nachhaltigkeit wird in diesem Zusammenhang nicht selten als Regulation empfunden oder als steigender Kostenparameter interpretiert. Dieses hält aber selten einer langfristigen ökologischen aber auch ökonomischen Betrachtung stand. Dauerhaft erhalten, nutzen oder entwickeln.

Böden bilden die Lebensgrundlage von Mensch, Tier- oder Pflanzenpopulationen. Sie sind als knappe und nicht vermehrbare Ressource ein wichtiger Teil des Naturhaushaltes und seiner Ökosystemfunktionen. Böden sollten so erhalten oder geschützt werden, dass sie ihre Funktion im Naturhaushalt erfüllen können. Vermeidbare Schädigungen und Beeinträchtigungen sind zu unterlassen und unvermeidliche Beeinträchtigungen so gering wie möglich zu halten. Dazu gehören auch vermeidbare Versiegelungsmaßnahmen. In diesem Zusammenhang sind unbedingt alle baulich intensiven Methoden aus dem Grundbau des Bauingenieurswesens, wie beispielsweise das Stabilisieren von Böden, Gründungsmaßnahmen oder Vorbelastungen sowie auch Verdichtungsmaßnahmen, sehr genau für bauliche Zwecke abzuwägen. Wenn die Profession sich ihrer eigentlichen Aufgaben erinnert, wird sie insbesondere beim Umgang mit Boden wesentlich differenzierter Agieren als beispielsweise der Tief- und Straßenbau.

Die ökosystemischen Funktionen des Wasserhaushalts, die Vermeidung von nachteiligen Veränderungen und die Verhinderung von Vergrößerung oder Beschleunigung des Wasserabflusses definieren wichtige Grundsätze zum Umgang mit Wasser. Das Wasserdargebot bezeichnet die in einem Gebiet pro Zeiteinheit zur Verfügung stehende Wassermenge. Diese lässt sich aus der Wasserbilanz von Niederschlag, Abfluss, Versickerung und Grundwasserabfluss sowie Verdunstung und gegebenen Falls Zufluss ableiten. In diesem Sinne ist der effiziente Umgang mit Wasser in seinen Zustandsformen am Standort die Basis nachhaltigen Handelns. Ziel ist es, immer die natürliche Wasserbilanz am Standort soweit wie möglich zu erhalten. Eine nicht standortbezogene Versickerungsform kann ebenso wie eine nicht standortbezogene Verdunstungsform der natürlichen Wasserbilanz wiedersprechen. Insofern ist das oft herangezogene "Allheilmittel der Versickerung" nicht immer und überall zielführend. Die Lösungsansätze können technischer Natur sein aber sie sollten die natürliche Wasserbilanz des Standortes zum Vorbild haben.

Im Rahmen der Planung sind daneben nach gesetzlichen Vorgaben u. a. auch die Belange des Klimas und der Luftreinhaltung zu berücksichtigen. Die Einbeziehung von Klima und Lufthygiene bei Entscheidungen räumlicher Planungen dient der Umweltsicherung-, der Umweltverbesserung oder der Umweltverträglichkeit und gewinnt in den letzten Jahren durch den absehbaren Klimawandel immer mehr an Bedeutung. Ziel sollte es sein, eine verstärkte Auseinandersetzung mit den Elementen und Faktoren des ortsbezogenen und/oder überortsbezogenen Klimas zu gewährleisten. Aufgrund von Baumassen und Strukturen bildet sich in der Regel in urbanen Räumen ein spezielles Klima heraus. Der Klimawandel wird mit steigender Tendenz insbesondere in urbanen Räumen am deutlichsten spürbar sein. Hier hat unser Berufsstand mit reflektierten Handlungsweisen insbesondere mit seinen Grün- oder Wasserflächen (auf Grund ihrer günstigen, lufthygienischen oder klimatischen Wirkungen) einen besonderen Stellenwert.

Ein sensibler und reflektierter Umgang mit Pflanzen und Materialien sichert nachhaltig den Erhalt und/oder die Entwicklung der Ökosystemfunktionen. Dazu gehören insbesondere eine standortgerechte und funktionsgerechte Pflanzenverwendung. Baustoffe und der Materialeinsatz sind im Weiteren so zu wählen, dass sie in ihrer Funktion und Leistung am Standort die Ökosystemfunktionen nicht beeinträchtigen oder schädigen. Darüber hinaus sind eingesetzte Ressourcen für Produktion, Transport und Bearbeitung zu berücksichtigen und im Sinne übergeordneter ökologischer Belastungen nach Möglichkeit zu minimieren. Biodiversität, der Erhalt und/oder die Entwicklung vielfältiger Strukturen, eine Vernetzung dieser Strukturen sowie die Einbeziehung und/oder Initiierung sukzessiver Teilbereiche spielen wichtige Schlüsselfunktionen zur Erhaltung von Arten- und Lebensgemeinschaften und sind für jede Freianlage zu überprüfen. Dieses sichert bei betrachteten Wirkungszusammenhängen funktionierende Ökosystemfunktionen sowie die genetischen Ressourcen am Standort und darüber hinaus.

Voneinander Lernen für die Entwicklung von Standards

Die Landschaftsarchitektur und der Landschaftsbau als Berufsdisziplinen gebauter Umwelt stehen mit ihren Projektentwicklungen und Handlungsweisen im Gegensatz zu anderen in der Regel immer im systemischen Zusammenhang umgebender Umweltgüter. Das bedeutet in diesem Zusammenhang erstens, dass jede Entscheidung eines Landschaftsarchitekten oder eines Landschaftsbauers unmittelbaren Einfluss auf diese hat. Zweitens lässt sich daraus auch eine besondere Verantwortung für nachhaltige Handlungsweisen ableiten. Unterschiedliche Autoren aus der Landschaftsplanung und -theorie sehen in einer oft fehlenden Betrachtung der Konsequenzen von Handlung und Auswirkung auf umgebende Umweltgüter einen fehlenden Beitrag nachhaltiger Zukunftssicherung bei der Landschaftsarchitektur. Sie verkennt als Berufsdisziplin, so zusammengefasst ausgedrückt, vermehrt die besondere Verantwortung in der Schnittmenge zwischen der Lebensgrundlage umgebender Natur mit ihren Ökosystemleistungen und dem unmittelbaren geschaffenen Nutzungsumfeld des Menschen. Diese oft fehlende Reflexion für die Verantwortung einer nachhaltigen Zukunftssicherung stehe im Gegensatz zu den umwelt-analytischen Arbeitsweisen und Ergebnissen der benachbarten Disziplin Landschaftsplanung. Insofern kann daraus gefolgert werden, dass zum einen Antworten zum verbesserten Umgang mit den Umweltgütern und ihren Zusammenhängen aus der Landschaftsplanung und ihren Methoden abgeleitet werden können. Zum anderen sollte aber auch immer eines klar sein: Jede bauliche Entwicklung durch die Landschaftsarchitektur stellt in der Regel einen Eingriff in bestehende Systeme und Zusammenhänge umgebender Umwelt dar.

Es können sich Verbesserungen (das sollte das Ziel sein) aber auch Verschlechterungen durch bauliche Eingriffe für natürliche Systeme ergeben. Aber bauliche oder konstruktive Eingriffe können bei passenden Funktionsleistungen je nach Art und Ausgestaltung erstens Eingriffe minimieren oder zweitens fehlende Leistungen durch den Eingriff bei geeigneten Techniken auch ausgleichen. Man denke in diesem Zusammenhang beispielsweise an Leistungen der technischen Aufbauten von Dach- und Fassadenbegrünungen. Dort werden viele der Leistungen, die durch das Bauen verloren gegangen sind, beispielsweise Wasserrückhalt, Verdunstungsvorgänge oder Lebensraum für Tiere und Pflanzen, ausgeglichen beziehungsweise neu geschaffen. Insofern bietet sich eine genaue Untersuchung von derzeitig technisch-konstruktiven Lösungen im Sinne einer nachhaltigen und verantwortungsvollen Zukunftssicherung an. Daneben ist es wichtig, auch Grundlagen wie Gesetzmäßigkeiten des Konstruierens, eine genaue Kenntnis zum Umgang mit Baustoffen und Materialien sowie definierte Beschreibungen zu den Umweltgütern im Einfluss des Bauens aufzuzeigen.

Literatur

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Sobek, Werner: Nachhaltiges Bauen. Eine gesellschaftliche Zukunftsaufgabe. In: Polis 19.

(04), S. 22ff., Müller und Busmann, Wuppertal.

Wallbaum, Holger; Kytzia, Susanne; Kellenberger, Samuel: Nachhaltig bauen. Lebenszyklus, Systeme, Szenarien, Verantwortung. vdf-Hochschulverlag, Zürich.

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Bastian, Olaf; K.F. Schreiber HG.(1999): Analyse und ökologische Bewertung der Landschaft, Spektrum Akademischer Verlag.

Sieker, Friedhelm et. al. (2006): Dezentrale Regenwasserbewirtschaftung im privaten, gewerblichen und kommunalen Bereich, Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart.

Weisser, Wolfgang; Hauck, Thomas (2015): Animal Aided Design - Bauen für Mensch und Tier, Online-Ressource.

Prof. Dr.-Ing. Hendrik Laue
Autor

Hochschule Ostwestfalen-Lippe

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