Nachhaltigkeit im Grünraummanagement

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Grünforschung
Abb. 1: Nachhaltige Grünräume zeichnen sich auch durch eine hohe Aufenthaltsqualität aus.

Das Grünraummanagement einer Stadt kann zur Nachhaltigkeit beitragen. Das zeigt die aktuelle Forschungsliteratur. Allerdings gibt es kaum Studien, die untersuchen, inwiefern dieses Potenzial auch tatsächlich genutzt wird oder noch besser genutzt werden könnte. Zwei aktuelle Schweizer Forschungsprojekte tragen dazu bei, diese Lücke zu schließen.

Städtische Grünräume verbessern die Lebensqualität (Bühler et al. 2010, Chisaura 2004) und können einen wesentlichen Beitrag zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung leisten (Jenks und Jones 2010). Für die Gesellschaft übernehmen Grünräume wichtige ökologische, soziale und wirtschaftliche Funktionen, indem sie beispielsweise zum Erhalt der Biodiversität und zur Förderung der menschlichen Gesundheit beitragen (vgl. Weiss et al. 2010, Abb. 1).

Grünräume, Management und Nachhaltigkeit

Grünraummanagement bedeutet die Art und Weise, wie Grünräume in einer Stadt konzipiert und bewirtschaftet werden, um deren vielfältige Funktionen zu entwickeln und zu erhalten (Hagenbuch 2013). Gemäß Jansson und Lindgren (2012) kann das Grünraummanagement einer Stadt den Beitrag zu einer Nachhaltigen Entwicklung wesentlich beeinflussen (Abb. 2).

Bisher hat sich das Management von Grünräumen hauptsächlich an gärtnerisch-technischen Standards, ökonomischer Effizienz und kurzfristigen Zeitskalen orientiert und wurde gemäß diesen Kriterien optimiert (Randrup und Persson 2009). Langfristige strategische Überlegungen sowie ökologische und soziale Aspekte haben heute selten einen Einfluss auf entsprechende Managemententscheide. Aus diesem Grund leistet das Grünraummanagement im Vergleich zu seinem Potenzial einen zu geringen Beitrag an die Nachhaltigkeit (Jansson und Lindgren 2012).

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Nachhaltiges Management von städtischen Grünräumen

Ein Forschungsprojekt der Forschungsgruppe Freiraummanagement der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) und eine Masterarbeit an der Universität Basel/Programm Nachhaltigkeitsforschung (vgl. Hagenbuch 2013) untersuchen das Grünraummanagement der Schweizer Stadt Winterthur. Anhand dieses Fallbeispiels wird analysiert und dokumentiert, wie das Grünraummanagement zu gestalten ist, um dessen Beitrag zu einer Nachhaltigen Entwicklung zu vergrößern. Hierzu werden mögliche Szenarien für das Jahr 2030 entwickelt und untersucht. Akteure aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Forschung beurteilen, wie realistisch die einzelnen Szenarien sind. Zudem werden die Szenarien hinsichtlich ihres Nachhaltigkeitsbeitrages bewertet.

Als Ergebnis der Studie liegen fünf unterschiedliche Zukunftsszenarien vor. Das Szenario I "expandierend" geht davon aus, dass Grünraumfragen innerhalb der Stadtpolitik und -verwaltung an Bedeutung gewinnen. Die Stadt fördert und bewahrt die ökologischen, erholungsrelevanten, gestalterischen und kulturellen Aspekte von Grünräumen. Die notwendigen personellen und finanziellen Ressourcen stehen zur Verfügung. Das Szenario II "flexibel" beschreibt eine künftige Situation, in der das Grünraummanagement vor allem auf die ökologischen und naturschützerischen Aspekte fokussiert. Im Szenario III "konstant" entspricht das Grünraummanagement der Stadt Winterthur im Jahre 2030 weitgehend dem heutigen. Im Szenario IV "reduziert" verlieren Grünraumanliegen innerhalb der Stadtpolitik und -verwaltung an Bedeutung. Die personellen und finanziellen Ressourcen reichen nicht aus, um die Qualität der Grünräume zu erhalten respektive zu fördern. Das Szenario V "qualitätsorientiert" beschreibt ein Zukunftsbild, in dem es gelingt, trotz Sparmaßnahmen und fehlendem politischem Stellenwert, Grünraumqualitäten zu fördern und zu erhalten.

Aus theoretischer Sicht stellen die Szenarien I, II und V Handlungsoptionen für ein nachhaltigeres Grünraummanagement dar. Weil die relevanten Akteure sie zudem als erstrebenswert beurteilen, ist eine wichtige Voraussetzung für deren praktische Umsetzung erfüllt. Dennoch bleibt fraglich, ob diese Szenarien nicht nur erwünschte Optionen darstellen, sondern auch tatsächlich realisierbar sind. Zu unterschiedlich sind hierzu die Einschätzungen der einzelnen Akteure. Aus der Studie gehen verschiedene Handlungsfelder für ein nachhaltigeres Grünraummanagement und für die nachhaltigkeitswissenschaftliche Grünraumforschung hervor:

Nutzungspriorisierung und biologische Bewirtschaftung

Wenn sich das Grünraummanagement gegenüber heute stärker an ökologischen sowie erholungsrelevanten und weniger an gestalterisch-ästhetischen Grünraumqualitäten orientieren soll, sind vermehrt Forschungsarbeiten nötig, die auf Fragen einer naturnahen und biologischen Grünraumpflege, Pflanzenproduktion und Grünraumgestaltung fokussieren.

Partizipation und Dialog

Die Studie macht den Forschungsbedarf innerhalb des Grünraummanagements in den Bereichen Partizipation und Dialog deutlich. Auf der Basis bestehender Ansätze, wie sie heute beispielsweise in der Stadtentwicklung zur Anwendung kommen, sind zum einen spezifische Partizipationsangebote für das Grünraummanagement zu entwickeln und zu evaluieren. Zum anderen sind für den notwendigen gesellschaftlichen und politischen Bewusstseinswandel in Grünraumfragen Umweltbildungsmaßnahmen und Strategien im Bereich Nachhaltigkeitskommunikation zu entwickeln und deren Wirksamkeit zu überprüfen.

Mitteleinwerbung

Die finanzielle Situation ist in Schweizer Städten nicht so dramatisch wie in anderen Ländern. Dennoch wird künftig auch das Grünraummanagement von Städten in der Schweiz auf alternative Finanzierungsformen wie Spenden, sponsoring und cooperate volunteering angewiesen sein. Entsprechende Finanzierungsmöglichkeiten sind in Bezug auf ihr Potenzial zu untersuchen. Dabei ist auch zu analysieren, wie der Gefahr entgegengewirkt werden kann, dass städtische Grünräume durch private Finanzierungen ihren öffentlichen Charakter verlieren.

Private und halböffentliche Grünräume

Um die Nachhaltigkeit nicht nur in öffentlichen, sondern auch in privaten und halböffentlichen Grünräumen zu fördern, sind entsprechende Instrumente des Grünraummanagements, wie zum Beispiel Anreizsysteme, Baureglemente und Mehrfachnutzungen (weiter) zu entwickeln und hinsichtlich Effektivität und Effizienz zu analysieren (Abb. 3).

Kompetenzen

Im Grünraummanagement mangelt es häufig an Kompetenzen im Bereich Nachhaltigkeit. Es gilt deshalb, bestehende Aus- und Weiterbildungskonzepte und -programme weiterzuentwickeln. Fach- und Methodenkompetenzen unter anderem in den Bereichen biologische Bewirtschaftung, Partizipation, politisches Lobbying, Mittelbeschaffung sowie Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit sind für ein nachhaltiges Grünraummanagement zentral.

Label "Grünstadt Schweiz"

Mit den beschriebenen Handlungsfeldern befasst sich ein weiteres Forschungsprojekt der Forschungsgruppe Freiraummanagement der ZHAW. Im Rahmen dieses Projektes wird das Label "Grünstadt Schweiz" entwickelt (Abb.4). Dieses zeichnet ab dem Jahre 2016 Schweizer Städte aus, die ihren Grünräumen einen hohen Stellenwert einräumen und diese aufgrund von Nachhaltigkeitskriterien planen, bauen und bewirtschaften (vgl. www. grünstadt.ch). Das Label beziehungsweise der dahinter stehende Zertifizierungsprozess soll Städte animieren, aus einem breiten Katalog an vorgeschlagenen Maßnahmen diejenigen auszuwählen und umzusetzen, die dem individuellen Handlungsspielraum entsprechen und zu einem nachhaltigeren Grünraummanagement beitragen. Setzt eine Stadt eine gewisse Anzahl an Maßnahmen um, wird sie zertifiziert. Je nach Anzahl umgesetzter Maßnahmen erhält eine Stadt das Gold-, Silber- oder Bronze-Label. Die Auszeichnung mit dem Label "Grünstadt Schweiz" wird das Image einer Stadt stärken und setzt ein Zeichen für eine innovative und langfristige Grünraumpolitik. Dadurch können Leistungen gegenüber Bevölkerung und Politik kommuniziert werden. Das Label lehnt sich in der Ausgestaltung und Umsetzung am bekannten und etablierten Label Energiestadt Schweiz an (vgl. www.energiestadt.ch).

Um das Label zu entwickeln und die hierzu notwendigen Grundlagen zu erarbeiten, beteiligen sich acht Institutionen aus Forschung, Wirtschaft und Praxis an diesem Forschungsprojekt:

  • Neben der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften/Forschungsgruppe Freiraummanagement, welche als federführender Forschungspartner fungiert, ist dies das Forschungsinstitut für Biologischen Landbau als Garant für die wissenschaftlich fundierte angewandte Forschung und Entwicklung,
  • die Vereinigung Schweizer Stadtgärtnereien und Gartenbauämter als Trägerin des Labels,
  • die Stadtgärtnereien Basel, Luzern und Winterthur als Praxispartner,
  • das auf das Management von Grünräumen spezialisierte Unternehmen nateco AG
  • sowie die Organisation Bioterra mit ihrer Vernetzung zu privaten Unternehmen und langjährigen ökologischen Erfahrungen.

Für einige Teilbereiche des Grünraummanagements ist bekannt, wie diese nachhaltiger gestaltet und organisiert werden können. In diesen Bereichen gilt es im Rahmen des Projektes, das bestehende Wissen zusammenzutragen und in einem praxistauglichen Maßnahmenkatalog zu bündeln. Ein erster Entwurf dieses Katalogs ist in der Tabelle 1 dargestellt. In anderen Bereichen fehlt zurzeit das entsprechende Wissen. Das Projekt schlägt daher auf der Grundlage wissenschaftlicher Untersuchungen Maßnahmen vor.

In Kooperation mit den drei beteiligten Stadtgärtnereien untersuchen die beiden Forschungspartner, inwiefern die Produktion von Zierpflanzen, der Pflanzenschutz von Stadtbäumen sowie die Pflege von Gebrauchs- und Sportrasen nach den Richtlinien des biologischen Landbaus (Bio Suisse) und mit Hilfe der zulässigen Betriebsmittel erfolgen kann. Im folgenden Abschnitt wird beispielhaft eine Untersuchung vorgestellt.

Sportrasen biologisch düngen

Schulsport sowie Fußball- und Sportvereine stellen hohe Anforderungen an Sportrasen. Die Rasen sollen ganzjährig und jederzeit in einem einwandfreien Zustand zur Verfügung stehen. Um diesen Ansprüchen zu genügen, werden speziell hergerichtete Tragschichten angelegt, hochtechnische Maschinen und üblicherweise synthetisch-mineralische Dünger eingesetzt. Biokonforme organische Dünger sind in der Pflege strapazierfähiger Sportrasenflächen bislang kaum verbreitet und es fehlen wissenschaftliche Resultate hinsichtlich der Beurteilung ihrer Tauglichkeit. Untersuchungen im Rahmen des Projekts "Grünstadt Schweiz" sollen nun Aufschluss über die Möglichkeiten einer biologischen Sportrasenernährung geben. Düngungen auf fünf stark strapazierten Rasenspielfeldern - darunter der Trainingsrasen der 1. Mannschaft des Super League Vereins FC Luzern (Abb. 5) - ermöglichen einen Vergleich verschiedener biologischer Dünger. Die biokonformen Nährstoffe natürlichen Ursprungs werden auf den einzelnen Teilflächen in unterschiedlichen Formen (z. B. Kompost, Hühnermist und Bakterienpräparat) und Dosierungen ausgebracht. Deren Wirksamkeit zeigt sich anhand regelmäßiger Messung der folgenden Parameter: Scherfestigkeit, Durchwurzelung, Blattmasse, Längenwachstumsrate, Farbe und Nährstoffverfügbarkeit (Abb. 6).

Die Versuche laufen seit anfangs 2014. Es kann zurzeit noch nicht beurteilet werden, inwiefern sich die biokonforme Düngung langfristig bewährt und wo allenfalls die Grenzen einer Anwendung erreicht werden. Die ersten Ergebnisse sind jedoch vielversprechend. Visuelle Beurteilungen lassen bis zum jetzigen Zeitpunkt (November 2014) darauf schließen, dass die Rasengräser bei allen Düngeregimen ausreichend Blattmasse und Blattgrün produzieren können. Obschon organische Nährstoffverbindungen in der Regel langsamer pflanzenverfügbar sind, wurde bis anhin kein gehemmtes Wachstum festgestellt. Ob die Spielflächen aber dem klimatischen Stress (Hitze, Nässe, Trockenheit) sowie den sportlichen Belastungen in der langen Frist standhalten, werden die kommenden Monate zeigen.

Ausblick

Die Einführung des Labels "Grünstadt Schweiz" und die im Rahmen des gleichnamigen Forschungsprojektes gewonnenen Erkenntnisse tragen dazu bei, die Bedeutung des kommunalen Grünraummanagements für die Nachhaltige Entwicklung einer Stadt zu erhöhen und dessen Potenzial verstärkt auszuschöpfen. Darüber hinaus bleibt sowohl bei der praktischen Umsetzung in den Städten als auch in der Grünraumforschung mit Fokus Nachhaltigkeit in Zukunft noch viel zu tun. Die in diesem Artikel erwähnten Handlungsfelder deuten die Richtung für weitere Schritte an.

Literatur

Jenks, M., C. Jones (Hrsg.) (2010): Dimensions of the Sustainable City.Dordrecht, Heidelberg, London, New York: Springer Verlag.

Bühler, E., H. Kaspar, F. Ostermann (2010): Sozial nachhaltige Parkanlagen.Forschungsbericht NFP 54. Zürich: vdf Hochschulverlag.

Chiesura, A. (2003): The role of urban parks for the sustainable city. In: Landscape and Urban Planning, 68. S. 129-138.

Weiss, M., R. Hagenbuch, F. Brack (2010): Wert und Nutzen von Grünräumen - Literaturstudie. Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Wädenswil.

URGE Urban Green Environment (2004): Making greener cities: a practical guide. UFZ, Leipzig, Halle. URL: www.urge-project.ufz.de (Stand 11.11.2014).

Hagenbuch, R. (2013): Nachhaltiges Management von städtischen Grünräumen - Zukunftsszenarien für das Grünraummanagement der Stadt Winterthur. Masterarbeit Universität Basel.

Jansson, M., T. Lindgren (2012): A review of the concept 'management' in relation to urban landscapes and green spaces: Toward a holistic understanding. In: Urban Forestry & Urban Greening 11. S. 139-145.

Randrup,T., B. Persson (2009): Public green spaces in Nordic countries: Development of a new strategic management regime. In: Urban Forestry & Urban Greening 8. S. 31-40.

Roloff A. (2013): Bäume in der Stadt. Ulmer Verlag, Stuttgart.

Gloor S. (2012): Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen von Stadtbäumen. Stand des Wissens. Im Auftrag von Grün Stadt Zürich. SWILD - Stadt-ökologie, Wildtierforschung und Kommunikation, Zürich.

 Florian Brack
Autor

Leiter Forschungsgruppe Freiraummanagement

Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften
 Reto Hagenbuch
Autor

Leiter Forschungsgruppe Grünraumentwicklung ZHAW, Dozent Freiraummanagement und Urbane Ökosysteme

Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften

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