Naturnahe Wege – der Weg als Ziel
von: Dr. Reinhard WittFlächenfraß durch Zersiedelung und die damit einhergehende Versieglung mit wasserundurchlässigen und lebensfeindlichem Asphalt oder Pflaster sind einer der Hauptgründe für den Rückgang der heimischen Biodiversität. Artensterben ist quasi exponentiell an die Produktionsoffensive von Betonpflaster gekoppelt. Steigert sich der Umsatz der Zementindustrie, wächst das Bruttosozialprodukt wieder einmal, doch leiden Glockenblumen, Thymian, Laufkäfer, Eidechsen, Wildbiene und Co. ein weiteres bisschen mehr.
Dabei ginge es im Wortsinne auch anders. Naturwege als Stichwort. Unversiegelt, offen, freien Geistes. Ihrer Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt. Mal basieren sie auf der wassergebundenen Wegedecke als Unterbau und werden aufwendig gebaut, mal entstehen sie eher zufällig und ohne große Eingriffe, mal brauchen sie etwas Pflege (Rasenmäher), mal gar keine (Trampelpfade).
Ungebundene Wegedecken: Naturwege
Eine von Bernd Dittrich und mir 1996 erfundene sehr spezielle naturnahe Wegeform heißt Blumen-Schotter-Rasen. Alles in allem finden sich ungefähr so viele verschiedene Wegformen wie Naturgärten. Nicht nur Standort, Boden und Bau prägen ihr Bild, sondern mehr noch Nutzung und deren Häufigkeit. Denn stärker für den Naturgarten als für andere Stilrichtungen gilt: Der Weg ist das Ziel. Es kommt darauf an, schon den Weg selber zum Lebensweg zu machen. Bewachsen, tierisch belebt und trotzdem begehbar.
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Zum Beispiel so:
- Mulch- oder Holzhäckselweg ist eine wassergebundene Wegedecke, die mit Mulch oder Häckselgut abgestreut ist. Solche Wege fügen sich sehr gut in Waldsituationen ein. Allerdings muss das Deckmaterial regelmäßig getauscht werden, da es verrottet.
- Sand- und Kieswege sind vor allem in entsprechenden Regionen die einfachste Form, auf natürliche Weise die Naturgartenwelt zu durchstreifen. Mit bloßen Füßen auf dem Barfußpfad und wer will, natürlich auch beschuht.
- Erdweg/Trampelpfad. Einfachster Aufbau, meist nur planierter und verdichteter Oberboden. Quasi pflegefrei, da er sich alleine durch die Benutzung offenhält. Die vielleicht sensibelste Art eines wegbedingten Eingriffes in die Erde.
- Verbesserter Erdweg. Beim Verdichten des Oberbodens wird Grobkorn in den Oberboden eingearbeitet, so dass sich die Belastbarkeit etwas erhöht.
- Rasen/Blumenweg. Verschrotten Sie Ihren Rasenmäher bitte nicht gleich, wenn Sie auf Naturgärtnern umsteigen. Wenigstens um ab und an eine Schneise durchs aufsprießende Bunt zu mähen, dafür könnte er mit ihnen doch noch das Rentenalter erreichen.
- Holzwege. Eine bautechnisch herausfordernde, aber Heimwerkerspaß bringende Idee. Allerdings nur gut an sonnigen, gut abtrockenden Stellen und nur haltbar mit Hartholz der Resistenzklassen 1 oder 2. Ansonsten eher als moos- und algenbelegte Rutschpartie für Klein und Groß geeignet.
Hier ein kleines Potpourri an Weglösungen, für die man wenig Geld braucht. Ein kleiner Schritt zur großen Tat. Denn solche Wege geben der Natur ihr Wesen zurück. Bauen Sie sich frei.
Spezialfall Blumen-Schotter-Rasen
Eine Sonderform der wassergebundenen Wegedecke, gerne im Naturgarten eingesetzt, ist der Blumen-Schotter-Rasen. Hier ist die Begrünung mit flachen Kräutern und Gräsern sogar gewollt. Der Aufbau der Tragschicht erfolgt wie üblich, die Stärke ist von der Belastung abhängig. Die 5 bis 15 cm hohe Deckschicht wird etwas höher eingebaut und vor dem Verdichten wird oberflächlich eine 1 bis 3 cm hohe Kompostschicht Grün- oder Rindenkompost eingearbeitet und eine spezielle für solche Standorte entwickelte und bei Wildpflanzen-Produzenten käufliche Wildblumenmischung wird angesät. Sie heißt Blumen-Schotter-Rasen. Auch eine Trag-Deckschichtbauweise ist möglich. Unbedingt zu beachten ist eine genügende Wasserdurchlässigkeit der Deckschicht, damit eine ausreichende Versickerung gewährleistet ist. Die Zusammensetzung der Deckschicht sollte daher folgende Grenzwerte nicht übersteigen:
- Schluff 5 bis 10 Prozent
- Sand 20 bis 40 Prozent
- Kies 50 bis 70 Prozent
Das Größtkorn darf 1/3 der Schichtdicke nicht überschreiten. Die Neigung der Flächen sollte 2 Prozent nicht unterschreiten (Oberflächenentwässerung), aber auch nicht über 7 Prozent liegen (Auswaschungsgefahr).
Blumen-Schotter-Rasen ist aufgrund seines Aufbaues etwas ganz anderes als der bekannte Schotter-Rasen des GaLaBaus. Er enthält keinen Humus, also keinen verunkrauteten Oberboden. Die Saatgutmischung ist abgestimmt auf schwachwüchsige Wildgräser und Wildblumen sehr trockener Standorte.Blumen-Schotter-Rasen ist sehr gut als grüner beziehungsweise bunter Belag für zeitweise beanspruchte Flächen geeignet.
Durch die Begrünung lässt er sich sehr gut in eine Naturgartenanlage einbinden. Bauartbedingt können starke Schub- und Scherkräfte nur bedingt aufgenommen werden. Nur „überrollte“ Fahrwege sind unproblematisch. Sobald aber zum Beispiel auf geneigtem Gelände angefahren werden muss, sollten festere Belagsarten gewählt werden. Gut geeignet ist Blumen-Schotter-Rasen zum Beispiel für Gehwege, Ausweichparkplätze, Feuerwehrzufahrten ,Pflegestraßen durch Grünanlagen, Nachtparkplätze oder auch für den „Schleichweg“ der Kinder zur Schule.
Darüber hinaus kann man damit Pflasterritzen besäen oder die Spalten von Trockenmauern, ihre Krone oder ihren Fuß. Blumen-Schotter-Rasen ist quasi das Mädchen für alles und er sollte viel mehr im Siedlungsbereich eingesetzt werden. Er ist auf jeden Fall biodiversitätsfördernd und aufgrund seiner Artenzusammensetzung wesentlich besser für die Anforderungen des Klimawandels geeignet als der herkömmliche Schotterrasen, der nach wenigen Tagen Hitze seinen Geist aufgibt.
Literatur
- Hilgenstock/Witt: Das Naturgartenbau-Buch. Nachhaltig denken, planen, bauen. Böden, Baustoffe, Bauwerke, Bau- und Vegetationstechnik, Beispiele. Naturgarten Verlag, 2017.
- Kaltofen/Witt: Klimawandel. Fluch oder Chance. Erfahrungen und Lösungen aus naturgärtnerischer Praxis. Naturgarten Verlag, 2020.
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