Neue Bäume in der HafenCity - Zur Baumartenwahl in dem neuen Stadtteil Hamburgs

von:

Andreas Schneider, Andreas Roloff

Die Anforderungen an Stadtbäume nehmen weiter zu. Neben Gestaltungsaspekten sind Faktoren wie Standortverträglichkeit, klimatische Veränderungen, Belastungen durch Verkehr, Pflanzenkrankheiten, Ökologie und Unterhaltung entscheidend für die Entwicklungsfähigkeit der Bäume.

Eine nachhaltige Baumartenwahl bei innerstädtischen Stadtentwicklungsprojekten bedarf daher einer zunehmend gründlichen Planung. Das Beispiel Versmannstraße in der HafenCity Hamburg zeigt, wie eine nachhaltige Baumartenwahl erfolgen kann.

Das Projekt HafenCity Hamburg

Die HafenCity Hamburg ist mit 157 ha europaweit das größte innerstädtische Stadtentwicklungsprojekt. Mit 30 ha Wasserfläche und 127 ha Landfläche erweitert sie die Hamburger City-Fläche um 40 Prozent. Hier entstehen 7000 neue Wohnungen für rund 14.000 Bewohner und bis zu 45.000 neue Arbeitsplätze. Die HafenCity entwickelt sich als lebendige Stadt, welche die verschiedenen Nutzungen Arbeiten, Wohnen, Kultur, Freizeit, Tourismus und Einzelhandel zu einer "New Downtown" am Wasser verbindet. Die neu entwickelten öffentlichen Freiräume mit anspruchsvoll gestalteten Plätzen, Parks und Promenaden umfassen 25 Prozent der Landfläche. Ihnen kommt bei der Entwicklung und Nutzbarkeit des neuen Stadtteils, der als ehemaliges Hafen- und Industrieareal radikal transformiert wurde, eine sehr hohe Bedeutung zu. Die Verkehrsflächen mit umfangreichen Straßenbaumpflanzungen umfassen weitere 25 Prozent der Landfläche. Die Straßennebenflächen mit zahlreichen neuen Bäumen werden zum Teil ebenso intensiv gestaltet und tragen entscheidend zum grünen Charakter des Stadtteils am Wasser bei.

Baummasterplan als Planungsinstrument

Die Straßenbäume und insbesondere die Auswahl unterliegen einer besonderen Betrachtung. Insgesamt werden in der HafenCity Hamburg über 3000 neue Bäume gepflanzt. Allein die Straßenbäume umfassen ungefähr 2000 neue Bäume, die seit 2007 sukzessiv gepflanzt werden.

Für die Auswahl der Baumarten wurde bereits im Jahr 2005 ein Baummasterplan erarbeitet (Abb. 1, Landschaftsarchitekten Lohaus Carl, Hannover, mit vegetationstechnischer Beratung von Dr. Clemens Heidger, Hannover). Ziel des Baummasterplans war ein Gesamtkonzept für die HafenCity zu entwickeln, das als Leitfaden für die abschnittsweise Planung und Realisierung auf den neuen Extremstandorten dient. Die Straßen wurden in vier verschiedenen Kategorien unterschieden, die je nach Bedeutung und Straßengröße die Anzahl der Baumreihen, und die Stellung in versetzter oder Rasterpflanzung vorgibt. Diese frühe Definition ist besonders wichtig, um das Ziel der Baumpflanzung und die Stellung bei der Vielzahl von Anforderungen der verkehrstechnischen Erschließung der Gebäude mit Ein- und Ausfahrten, Bushaltestellen oder Anlieferzonen nicht aus den Augen zu verlieren.

Die im Rahmen der Masterplanung ausgewählten vorwiegenden Baumarten sind Bäume mit lichten Kronen und feinem, meist fiederblättrigem Laub, die für die schwierigen Auffüllungsstandorte Standorte geeignet sind. So wurden die Verbindungsachsen zur Speicherstadt und der vorhandenen Innenstadt vorwiegend mit Styphnolobium japonicum bepflanzt. In den Quartiersstraßen finden sich unter anderem Fraxinus angustifolia 'Raywood', Robinia pseudoacacia 'Unifolia', Robinia pseudoacacia 'Semperflorens' und Gleditsia triacanthos.

Versmannstraße - 288 Bäume für die neue Eingangsmagistrale in die Hamburger Innenstadt

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Die Versmannstraße ist mit 288 Bäumen die kräftigste Allee der HafenCity und von Süden über die Elbe kommend, gleichzeitig die Eingangsmagistrale in den neuen Stadtteil und die Hamburger Innenstadt. Der Straßenraum der Versmannstraße/Überseeallee soll als dreireihige markante Allee mit einem grünen Mittelstreifen entwickelt werden. Sie führt von den Elbbrücken bis in die zentrale HafenCity, zum Magdeburger Hafen. Dabei erfährt sie eine besondere Entwicklung, beginnend als Rasterpflanzung von den Elbbrücken mit einem Wechsel zu einer versetzten Baumstellung, die die städtebaulichen Strukturen der zentralen HafenCity und des Lohseparks aufnimmt. Am Lohsepark wird sie einmal unterbrochen, damit der Park mit seinen Strukturen hier über die Straße hinwegführt und sichtbar bleibt (Abb. 2). Im Zuge der Planungen, Diskussionen und Abstimmungen mit den städtischen Verwaltungen und Fachbehörden über die geplante dreireihige Allee wurde festgelegt, dass die Leitlinien des Baummasterplanes für die Versmannstraße aufgrund der Straßenlänge, ihrer städtebaulichen Bedeutung, der hohen Stückzahl an Bäumen und des schwierigen Standortes die Suche nach dem geeigneten Baum weiter und differenzierter betrachtet werden sollten. Die dazu erforderliche Planung beinhaltete daher auch eine gutachterliche Untersuchung über geeignete Baumarten, die von den Landschaftsarchitekten Bruun Möllers aus Hamburg in Zusammenarbeit mit dem Autor Prof. Dr. Andreas Roloff, TU Dresden, erarbeitet wurden.

Kriterien zur Baumauswahl

Neben den im Rahmen der Masterplanung erwogenen Baumarten Robinie, Platane und Silber-Linde wurden weitere Arten für diesen künstlichen und extremen Standort diskutiert. Maßgebend bei dieser Vorauswahl waren folgende Kriterien:

Habitus & Gestalt

Ziel ist, eine dem Standort angemessene dreireihige Allee mit großkronigen Bäumen zu entwickeln, die zwischen den Bahnanlagen und der 7-geschossigen Bebauung einen identitätsstiftenden Charakter entwickeln kann.

Standortverträglichkeit

Die Versmannstraße ist in allen Belangen ein Extremstandort. Da der Hochwasserschutz in der HafenCity als Warftkonzept angelegt ist und die Straßen um mindestens 3 m erhöht und mit Sanden aufgefüllt werden, stellt die Versmannstraße einen schwierigen Standort für die neuen Bäume dar. Zudem verlaufen unter der Straße die Tunnelbauwerke der neuen U-Bahnlinie U4. Durch ihre exponierte Lage am Hafen zwischen Bahnanlagen und Elbe ist mit großer Hitze, Trockenheit und starken Winden zu rechnen.

Klimatische Faktoren

Durch den Klimawandel werden sich die oben beschriebenen Faktoren verschärfen. Eine entsprechend große Toleranz der Bäume ist für eine nachhaltige Entwicklung erforderlich.

Pflanzenkrankheiten

Um der Allee eine möglichst artgerechte Entwicklung und lange Lebensdauer zu bescheren, sollen möglichst krankheitsresistente Bäume beziehungsweise Arten mit kalkulierbaren Krankheitsrisiken ausgewählt werden.

Unterhalt/Verkehrssicherung

Um die Folgekosten und Pflegeintervalle der Pflanzung möglichst gering zu halten, nicht zuletzt aufgrund der starken Verkehrsnutzung der Allee, sollen neben der Standortgerechtigkeit auch andere pflegerelevante Eigenschaften (Stockaustrieb, Totholzbildung, Gefahr von Windbruch, Verschmutzung durch Blüten und Früchte etc.) berücksichtigt werden.

Ökologische Wertigkeit

Für die Untersuchung der Baumarten soll auch die ökologische Wertigkeit der neuen Baumpflanzung betrachtet werden. Zum Hintergrund: Die Bäume der alten Versmannstraße (etwa 40 Jahre alte Bäume, vorwiegend Robinien und Eichen) mussten aufgrund des Baus der U-Bahnlinie und der Aufhöhung der Versmannstraße gefällt werden. Daher bestand das Interesse die ökologische Wertigkeit der Baumarten zu berücksichtigen, nicht zuletzt weil die Versmannstraße mit ihren Grünstreifen und der Vegetation der benachbarten Bahnanlagen zur Biotopvernetzung beiträgt. Ein weiteres Gutachten sollte daher die ausgewählten Baumarten mit folgenden Faktoren bewerten zum Beispiel:

- Biodiversitätsindex

- Habitate für Tierarten

- Strukturbedingte Habitate für Tierarten

- Biotopverbund, Leitstruktur

- Schattenwirkung, Lärmreduktion, Windschutz, Reduzierung von Windgeschwindigkeiten

- Blattoberfläche des Baumes, Abfangen von Feinstaub

- Absorption von Stickoxiden und Ozon

- Speicherung von Kohlenstoff

Verfügbarkeit

Nicht zuletzt war entscheidend, welche der diskutierten Baumarten aufgrund der hohen Stückzahlen, der geforderten Pflanzqualitäten (Sol. 5xv, Höhe 500-700, Breite 200-300, STU 35-40) in den mitteleuropäischen Baumschulen verfügbar sind.

Standortfaktoren

Die Baumpflanzung erfolgt in gem. FLL dimensionierten Baumquartieren mit 12 m³ Baumsubstrat. Da der Auffüllungshorizont aus Sand allerdings besonders schwierige Standortbedingungen mit sich bringt und unter Berücksichtigung des Standorts möglichst beste Voraussetzungen für eine nachhaltige, lange Lebensdauer der Bäume geschaffen werden sollen, ist zusätzlich das Einbringen eines unter den Baumquartieren durchlaufenden Streifens aus schluffhaltigen Sanden (mind. 10 % Volumenanteil) vorgesehen (Abb. 3).

Weiterhin werden die Baumgruben an der Sohle mit Wurzellockstoffen ausgestattet, sowie Wurzelgräben zur Verbindung der Baumquartiere aus gebrochenem Schotter mit erhöhtem Luftporenvolumen ausgebildet. Dies bringt den Wurzeln zusätzlichen Entwicklungsraum über die eigentliche 12 m³ große Baumgrube und schafft Luft-, Wasser- und Nährstoffdepots für die nachhaltige Entwicklung der Bäume.

Geeignete Baumarten und Ranking

Grundsätzlich sind alle sechs diskutierten und hier beschriebenen Baumarten für den Standort Versmannstraße ggf. mit zum Teil leichten Einschränkungen gut geeignet. Jede besitzt eine ansprechende Größe und würde der Straße einen besonderen Charakter verleihen. In Studien wurde die Entwicklung der Bäume in einem Zeitraum von 15 Jahren dargestellt und in Schemaschnitten verglichen (Abb. 4).

Die in der Tabelle 1 beschriebenen Faktoren wiegen für jede Baumart unterschiedlich. Deshalb sollen hier in der Tabelle zuvor die besonders prägenden Eigenschaften beziehungsweise Rahmenbedingungen jeder Baumart zusammengefasst dargestellt werden (nach Borchardt 2010, Citree 2016, Gaida & Grothe 2000, GALK 2016, Krüssmann 1970, Roloff 2013, Roloff et al. 2016, Sommer 2007).

Fazit

Fachliche Richtlinien wie beispielsweise die GALK-Straßenbaumliste (2016) können für Projekte wie den Standort Versmannstraße nur eingeschränkt herangezogen werden, da es sich hier um einen Extremstandort handelt, dessen Anforderungen über die einer gängigen Straßenbaumpflanzung weit hinaus gehen. Daher ist neben der Arbeit mit Fachliteratur eine eingehende, individuelle und standortbezogene Betrachtung jeder einzelnen Baumart notwendig. Weitergehende Untersuchungen und Gutachten können für das standortspezifische Bepflanzungsziel sinnvoll und sogar notwendig sein. Planungsinstrumente wie Planungsdatenbanken (Citree 2016) können aufgrund der zahlreichen und differenzierten Merkmale und Parameter wertvolle Erkenntnisse bringen und zur Entscheidungsfindung beitragen.

Gestalt, Standortfaktoren, Zukunftsfähigkeit, Anfälligkeit für Krankheiten und die Verfügbarkeit in den Baumschulen schränken die Auswahl der möglichen Baumarten für die Versmannstraße in der HafenCity extrem ein. Von den sechs vorausgewählten und für den Standort grundsätzlich geeigneten Straßenbäumen kommen aufgrund der besonderen Anforderungen Quercus cerris und Ginkgo biloba als Favoriten in die engere Wahl.

Der Ginkgo würde die ersten 20 Jahre durch den bizarren Habitus der jungen Bäume ein etwas ungewohntes Bild erzeugen (Abb. 5). Als symbolträchtiger Baum des Jahrtausends und Baum des Friedens würde er im Laufe der Zeit zu einer in Hamburg einmaligen Allee heranwachsen, die durch die etwas schlankere Krone im Vergleich zur Eiche, vor allem aber durch das frisch grüne und besondere Laub im Sommer und seine leuchtend gelbe Färbung im Herbst ein spektakuläres Bild erzeugen. Die mögliche Geruchsentwicklung durch die Samen der weiblichen Bäume wird für den Standort als tolerierbar eingeschätzt. Der Ginkgo wurde jedoch aus Naturschutzsicht kritischer bewertet, da sich auf ihm relativ wenige Organismen ansiedeln. Allerdings ist genau dies der Grund für seine extreme Robustheit gegenüber Krankheiten. Zudem sind Straßenbäume als Lebensraum nur eingeschränkt geeignet infolge von Verkehr, Streusalz, häufigen Störungen, Lärm, Immissionen.

In intensiven Diskussionen mit der HafenCity Hamburg GmbH, den Verwaltungen und Fachbehörden der Freien und Hansestadt Hamburg wurde schließlich die Zerr-Eiche als Favorit ausgewählt. Sie wird eine kräftige Allee bilden und ab der Pflanzung ein sehr selbstverständliches, einheitliches Bild bieten (Abb. 6). Sie wird auch von Laien sofort als Eiche erkannt und hat eine schöne Herbstfärbung. Es treten keine nennenswerten Krankheiten auf, sie ist sturmfest und verwurzelt auch unter den schwierigen Standortbedingungen gut. Aus Naturschutzsicht und unter ökologischen Aspekten wird die Baumart positiv bewertet, da sie vielen Organsimen Lebensraum bietet und sich im Biotopverbund der HafenCity gut einfügt. Insbesondere mit dem Wind im Hafenareal und dem im Sommer trockenen, zum Teil heißen Standort wird sich die Zerr-Eiche sich in der Versmannstraße gut entwickeln.

Die Beschaffung der Bäume wurde über ein VOL-Verfahren veranlasst, um die erforderliche Anzahl von Bäumen in der gewünschten und gleichen Qualität zu erhalten (Abb. 7). Die Bäume werden bis 2019 in Abschnitten gepflanzt und sukzessiv aus der Lieferbaumschule abgerufen. Die ersten 35 Bäume konnten noch im Herbst 2016 vor der HafenCity Universität gepflanzt werden (Abb. 8). Die Ansaat der grünen Mittelstreifen mit einer Wiesen-Kräutermischung erfolgt in diesem Frühjahr.



QUELLEN

Borchardt, W. (2010): Handbuch der Pflanzen im Garten- und Landschaftsbau. Patzer, Berlin/Hannover.
Citree (2016): Planungsdatenbank Gehölze für urbane Räume. www.tu-dresden.de/forstbotanik
Gaida, W.; H. Grothe, (2000): Gehölze – Handbuch für Planung und Ausführung. Patzer, Berlin/Hannover.
GALK (2016): Straßenbaumliste 2016. www.galk.de. (Zugriff 10.01.2017)
Krüssmann, G. (1970): Taschenbuch der Gehölzverwendung. Parey, Berlin/Hamburg.
Roloff, A. (2013): Bäume in der Stadt – Besonderheiten, Funktion, Nutzen, Arten, Risiken. Ulmer Verlag , Stuttgart.
Roloff, A.; H. Weisgerber; U. M. Lang; B. Stimm (Hrsg.) (2016): Enzyklopädie der Holzgewächse. Wiley-VCH Verlag, Weinheim.
Sommer, N. (2007): Gehölzsortimente und ihre Verwendung. Österr. Agrarverlag, Wien.

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