GaLaBau und Recht: Bau-Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt

Neue Entscheidung zum Schadenersatz

von:
VOB/B GaLaBau
Ein Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe zum Schadenersatz wegen rechtswidriger Aufhebung einer öffentlichen Ausschreibung wurde vom Bundesgerichtshof einkassiert. Foto: Andreas Praefcke, Wikimedia Commons, CC BY 3.0

Immer wieder haben wir es als Rechtsanwälte, die auf dem Gebiet des Baurechts tätig sind, mit Fragen zu tun, welche Ansprüche ein Bieter bei Aufhebung der Ausschreibung gegenüber dem Auftraggeber geltend machen kann. Auf den ersten Blick scheint es eigentlich klar zu sein, wann ein an die VOB gebundener Auftraggeber berechtigt sein soll, eine Ausschreibung aufzuheben, ohne sich schadenersatzpflichtig zu machen.

Die VOB sieht in § 17 VOB/B folgende Regelung für die Aufhebung der Ausschreibung vor:

(1) Die Ausschreibung kann aufgehoben werden, wenn:

Kein Angebot eingegangen ist, das den Ausschreibungsbedingungen entspricht,

Die Vergabeunterlagen grundlegend geändert werden müssen,

Andere schwerwiegende Gründe bestehen.

(2) Die Bewerber und Bieter sind von der Aufhebung der Ausschreibung unter Angabe der Gründe, gegebenenfalls über die Absicht, ein neues Vergabeverfahren einzuleiten, unverzüglich in Textform zu unterrichten.

Häufig werde ich von Mandanten beauftragt, gegen öffentliche Auftraggeber Schadenersatzansprüche geltend zu machen, weil der Mandant als Bieter bei einer Ausschreibung an erster Stelle lag, aber wegen der Aufhebung der Ausschreibung nicht den Zuschlag erhalten hat. In den meisten Fällen musste ich in der Vergangenheit den Mandanten raten, gegen die Auftraggeber nichts zu unternehmen, da es Gründe gab, weshalb die Aufhebung der Ausschreibung seitens eines Gerichts als noch rechtens angesehen werden könnte. Wegen des übermäßig hohen Prozessrisikos musste ich fast immer von der Führung eines Rechtsstreits abraten. Ein geschickter Auftraggeber kann meines Erachtens fast immer die Aufhebung einer Ausschreibung so begründen, dass sie vom benachteiligten Bieter nicht zur Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches ausreicht. Einer der wenigen Fälle, wo gerichtlich ausdrücklich festgestellt wurde, dass die Aufhebung der Ausschreibung rechtswidrig gewesen ist, war Gegenstand der Entscheidung des XIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes (Az. XIII ZR 19/19, Urteil vom 08.12.2020). In diesem Urteil änderte beziehungsweise präzisierte der Bundesgerichtshof seine bisherige Rechtsprechung zum Schadenersatz wegen Aufhebung einer Ausschreibung.

Instanzenweg

Der Rechtsstreit, der beim Landgericht Baden-Baden begonnen hatte und im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe entschieden worden war, ist ein Beispiel, wie unterschiedlich Gerichte die Rechtslage sehen und dementsprechend jeweils zu einem anderen Ergebnis gelangen. Das Landgericht Baden-Baden hatte der Beklagten überwiegend Recht gegeben und bis auf einen geringen Betrag die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht Karlsruhe als Berufungsgericht dagegen hob das landgerichtliche Urteil weitestgehend auf und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von insgesamt 49 957,24 Euro, wobei als entgangener Gewinn 48 600,24 Euro, weitere 1 206,30 Euro auf die Kosten der Erstellung der Angebotsunterlagen und weitere 150,00 Euro auf die Angebotsunterlagen selbst entfielen. Darüber hinaus hatte das Oberlandesgericht Karlsruhe der Klägerin noch für den seit 2017 laufenden Rechtsstreit Zinsen zugesprochen. Die vom Auftraggeber beim Bundesgerichtshof gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe eingelegte Revision hatte weitgehend Erfolg. Der Bundesgerichtshof war der Meinung, dass der Klägerin als Bieterin etwas weniger als 1 700,00 Euro zustünden. Er hat im Übrigen das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe aufgehoben und es bei der Klageabweisung der I. Instanz belassen.

Zum Sachverhalt

Der Entscheidung des Bundesgerichtshofes lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine Kommune musste Flüchtlinge unterbringen und schrieb deshalb dafür die Errichtung eines Mehrfamilienhauses aus. Die Kommune war an die VOB Teil A gebunden. Ein Bieter reichte das günstigste Angebot ein. Am 08.06.2016 hob der Auftraggeber die Ausschreibung wegen Wegfalls des Beschaffungsbedarfs auf, obwohl aus dem Protokoll der nicht öffentlichen Gemeinderatssitzung des Auftraggebers vom 05.05.2016 ersichtlich ist, dass die Verwaltung angehalten wurde, der "Bau solle vorangetrieben und umgesetzt werden". Drei Monate später schreibt der Auftraggeber das Bauprojekt erneut aus mit identischem Leistungsverzeichnis und unverändertem Gebäude. Alle drei mit dem Rechtsstreit befassten Gerichte kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass unter Berücksichtigung aller ansonsten noch von der Beklagtenseite vorgebrachten Argumente die Aufhebung der Ausschreibung rechtwidrig war. Die Klägerin als Bieterin hatte zwar die Möglichkeit bei der erneuten Ausschreibung wiederrum mitzubieten, was auch geschah. Bei der Neuausschreibung lag die Klägerin jedoch nicht mehr an erster Stelle, so dass der Auftrag anderweitig vergeben wurde und die Klägerin das Nachsehen hatte.

Meinung des Bundesgerichtshofes

In ähnlich gelagerten Fällen, bei denen das gleiche Vorhaben und der gleiche Auftragsgegenstand rechtswidrig an einen anderen Bieter vergeben worden waren, sprach der Bundesgerichtshof stets das sogenannte "positive Interesse" der Klägerin zu, d. h. die Klägerin erhielt ihren nachgewiesenen entgangenen Gewinn, den sie bei dem anderweitig vergebenen Bauvorhaben erzielt hätte. In seinem Urteil schafft der Bundesgerichtshof quasi eine neue Anspruchsvoraussetzung dahingehend, dass eine Klägerin lediglich dann den Anspruch auf Erstattung des positiven Interesses haben soll, wenn der Auftraggeber die Absicht gehabt habe, den Auftrag an einen anderen als den Bestbieter zu vergeben. Im vorliegenden Fall lag die zögerliche Vergabe des Auftraggebers und sodann die Neuvergabe daran, dass der Auftraggeber lediglich die Situation falsch eingeschätzt hatte, wie sich die Zahl der ankommenden Flüchtlinge weiter entwickeln würde. Eine Absicht des Auftraggebers, einen anderen Bieter zu beauftragen, wurde von den Gerichten nicht festgestellt. Der Zugspruch des positiven Interesses wird nun zusätzlich von inneren Beweggründen des Auftraggebers abhängig gemacht, die der Bieter bei der Ausschreibung und Abgabe seines Angebots nicht kennen konnte (z. B. die Absicht des Auftraggebers, an einen anderen Bieter vergeben zu wollen). Die Rechtswidrigkeit der Aufhebung der Ausschreibung alleine soll nach Meinung des Gerichts nicht ausreichen, um dem Bieter das positive Interesse zusprechen zu können.

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In einem neuen Urteil weicht der Bundesgerichtshof von seiner bisherigen Rechtsprechung ab und zeigt, dass ein auf das positive Interesse gerichteter Schadenersatzanspruch in derartigen Vergabeverfahren nur noch schwer durchsetzbar sein wird. Foto: H.D. Volz, pixelio.de

Folge für die Praxis

Da der Bundesgerichtshof jetzt zusätzlich auch auf innere Beweggründe des Auftraggebers meint, abstellen zu können, wird es für einen nicht berücksichtigten Bieter noch schwerer oder gar unmöglich, Schadenersatzansprüche in Höhe des "positiven Interesses" geltend machen zu können. Wie sich aus dem Urteil ergibt, wurde lediglich das sogenannte "negative Interesse" zugesprochen, das zumeist derart niedrig ist, dass es sich nicht rentiert, einen aufwendigen Schadenersatzprozess gegen die ausschreibende Stelle zu führen.

Neue Meinung des Bundesgerichtshofes zur Begründung des "negativen Interesses"

In dem Urteil des Bundesgerichtshofes, das dem Bieter nur das negative Interesse zugesprochen hatte, ging es unter anderem um die Kosten für die Tätigkeit des eigenen Personals des Bieters. In solchen Rechtsstreiten, die sich keinesfalls nur auf das Vergaberecht beschränken müssen, weicht der Bundesgerichtshof von seiner bisherigen Rechtsprechung ab. Oft wurde der Einwand gebracht, die Kosten des eigenen Personals fielen ohnehin an, da sich diese in einem festen Arbeitsverhältnis mit dem Bieter befänden. Diese Kosten seien als Sowiesokosten nicht ersatzfähig. Der Bundesgerichtshof lässt die Kosten für das eigene Personal als Istaufwand durchaus gelten, wenn der Umfang der ausgewandten Stunden des Personals nachgewiesen werden kann. Der Einwand der Sowiesokosten wurde vom Bundesgerichtshof nicht gelten lassen. Es fragt sich allerdings, ob die vom Vergabesenat des Bundesgerichtshofes in seiner neuen Entscheidung vertretene Meinung von den anderen Senaten des Gerichts geteilt wird. Die Frage, ob und welcher Schadenersatz für festangestellte Mitarbeiter eines Unternehmens geltend gemacht werden kann, spielt in zahlreichen anderen Rechtsstreiten, bei denen es um Schadenersatz geht, durchaus ebenfalls eine Rolle.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes zeigt, dass ein auf das positive Interesse gerichteter Schadenersatzanspruch (z. B. entgangener Gewinn) in derartigen Vergabeverfahren nur noch schwer oder kaum noch durchsetzbar sein wird. Dafür gibt es erhebliche Erleichterungen bei der Geltendmachung des sogenannten "negativen Interesses". Wie der vorliegende Beispielsfall allerdings zeigt, ist dies für den rechtswidrig nicht beachteten Bieter kein ausreichendes Äquivalent.

 Rainer Schilling
Autor

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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