12. Dresdner Stadtbaumtage

Neue Krankheiten und Invasoren erfordern Pragmatismus

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Wenn einheimische Bäume von neuen Krankheitserregern befallen werden, sei Untergangsstimmung völlig Fehl am Platz - diesen Standpunkt vertrat Prof. Dr. Rolf Kehr von der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) Göttingen gegenüber den etwa 150 Besuchern der 12. Dresdner Stadtbaumtage. In der JohannStadthalle beschrieb der Göttinger Professor neue Baumkrankheiten als einen Preis, den wir zahlen müssen, wenn wir hierzulande eine große Vielfalt bei Gehölzen anstreben.

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Das Eschentriebsterben wird Kommunen rund 600 Mio. Euro kosten

Dass Vielfalt wünschenswert sei, stand für Kehr außer Frage: "Wir wollen bei Gehölzen keine Ausgrenzungspolitik betreiben. Wir haben über Jahrhunderte fremdländische Gehölze angepflanzt, da wir die Vielfalt schätzen." Natürlich war der Göttinger Professor nicht nur für diese Botschaft ins Elbflorenz gekommen. In seinem Vortrag gab er außerdem einen umfassenden Überblick über aktuelle Baumkrankheiten in Mitteleuropa. Die Ulmenwelke etwa, hervorgerufen durch einen Pilz, hat die Ulme als Straßenbaum auf unserem Kontinent größtenteils vernichtet. Vor rund 100 Jahren von Asien aus in die Niederlande eingeschleppt, ist die Verbreitungsmethode der Krankheit geradezu perfide. Der Splintkäfer besiedelt kranke Ulmen, wird zum Wirt des Pilzes und überträgt ihn als Vektor auf die umliegenden gesunden Bäume.

Die Eschen sind in Deutschland nicht ausgelöscht worden. Das Eschentriebsterben beschert den Kommunen allerdings massive Kosten. Die Eschen sterben nicht, aber da als Folge eines Blattpilzbefalls Massen an Totholz von ihren Wipfeln herabstürzen, werden sie zum Sicherheitsrisiko. Laut Kehr werden die Kommunen in den kommenden Jahren rund 600 Millionen Euro für unvermeidbare Eschen-Fällungen aufbringen müssen. In seinem Fazit äußerte sich Kehr gleichwohl pragmatisch: Da die Globalisierung unaufhaltbar voranschreite, würden mit ihr auch zwangsläufig immer neue Krankheitserreger eingeschleppt. Mit pflanzengesundheitlichen Regelungen könne es aber gelingen, Mehrfacheinschleppungen etablierter Erreger zu verhindern. Bedingung dafür: Mehr Personal für Kontrollen und etwaige Quarantänemaßnahmen bei der Gehölz-Einfuhr.

Invasiven Arten als Straßenbäume nutzen

Auch der Gastgeber der Tagung, Prof. Dr. Andreas Roloff von der Technischen Universität (TU) Dresden, befasste sich in seinem Vortrag mit fremdländischen Gehölzen. Ähnlich wie Kehr brach er eine Lanze für deren Verbreitung in deutschen Städten und warb um Akzeptanz für sie. Zwar seien invasive Baumarten (Aliens) - anders als expansive - nicht auf natürlichem Wege in neue Ausbreitungsgebiete gelangt. Dass sie Lebensräume besetzen, einheimische Pflanzen verdrängen und Schutzgebiete gefährden könnten, seien grundsätzlich reale Risiken. Gerade im urbanen Kontext müsse jedoch stark differenziert werden. Die Verhältnisse für Stadtbäume hätten sich durch Straßen und Versiegelung dramatisch verschlechtert, mahnte Roloff. Viele einheimische Arten seien diesem Druck nicht mehr gewachsen - und hier käme das Potenzial invasiver Arten ins Spiel.

Auf die deutschen Städte bezogen geht es dabei vor allem um Eschen-Ahorn, Robinie und Götterbaum. Roloff fand zu ihnen klare Worte: "Wir müssen lernen, mit diesen drei Baumarten umzugehen und sie vielleicht sogar zu nutzen." Um sie von deutschem Boden zu tilgen, sei es ohnehin zu spät. Eschen-Ahorn, Robinie und Götterbaum können extreme Standorte besiedeln, was sie als robuste Stadtbäume qualifiziert. Außerdem ist das Dreigestirn durch ein sehr schnelles Wachstum gekennzeichnet. Roloff untermauerte das mit Fotografien, die er in China gemacht hatte, der Heimat des Götterbaums. Die Bilder aus dem Reich der Mitte belegten eindrucksvoll, wie erfolgreich der Götterbaum auf kargen, felsigen Böden expandiert. In Deutschland sei die Art mancherorts als "Ghetto-Palme" verschrien, was ihr jedoch nicht gerecht werde. Zwar siedele sie selbst in Mauerfugen und auf Schotterflächen und könne beispielsweise Bahntrassen beeinträchtigen. Aber als exotisches Gewächs mit großer Stresstoleranz könne der Götterbaum Ästhetik und Funktionalität in deutschen Städten verbinden. Roloff benannte die Chancen, die sich durch diese Art im urbanen Raum ergeben: Unter anderem biete der Götterbaum umfassenden Schattenwurf sowie Wind- und Sichtschutz. Zudem binde er viel Kohlenstoffdioxid, sorge für Kühlung und Luftfilterung und reduziere Immissionen. Nicht zuletzt trage er als Bienenweide zur Bio-Diversität im urbanen Raum bei.

Die Evolution ist nicht aufzuhalten

Roloffs und Kehrs Botschaften hatten dieselbe Stoßrichtung. Beide Professoren zeigten eine pragmatische Haltung beim Umgang mit invasiven Arten sowie neuen Baumkrankheiten. In ihrer Einschätzung beriefen sich beide Fachleute auf Mutter Natur selbst. Kehr ordnete Krankheitserreger in unseren Gefilden als Evolutionsfaktoren ein, deren Druck auf einheimische Gehölze "dazugehöre". Roloff stieß ins gleiche Horn, was die Ausbreitung von Eschen-Ahorn, Robinie und Götterbaum betrifft. Deren Invasion "habe einen Sinn". Letztlich forciere und teste die Natur einen veränderten Gen-Pool. Damit reagiere sie auf die gravierendste Umweltveränderung unserer Zeit: den Klimawandel.

Hendrik Behnisch

M.Soc.Sci Hendrik Behnisch
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Redaktion Neue Landschaft / Exkurs / Pro Baum

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