GaLaBau und Recht: Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt

Nutzungsausfallsentschädigung bei Beschädigung von Baufahrzeugen und Maschinen - Misst die Rechtsprechung mit zweierlei Maß?

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Im Zusammenhang mit Verkehrsunfällen verlangen Geschädigte von Schädigern beziehungsweise deren Kfz-Haftpflichtversicherung ein Entgelt für die fehlende Nutzungsmöglichkeit ihrer Fahrzeuge für die Zeit der Reparatur oder bei einem Totalschaden für die Zeit, die für die Beschaffung eines Ersatzfahrzeuges benötigt wird. Ein solches Entgelt ist besonders dann gerechtfertigt, wenn der Geschädigte für die Ausfallszeit keinen Mietwagen nimmt.

Für den vorübergehenden Entzug der Gebrauchsmöglichkeit hat der Geschädigte nach der Rechtsprechung zumeist einen Anspruch auf sogenannte Nutzungsausfallsentschädigung. Uns Rechtsanwälte bereitet die Geltendmachung von Nutzungsausfallsentschädigungen keine größeren Schwierigkeiten mehr, weil die Versicherungswirtschaft sich je nach Größe und Kosten eines Fahrzeugs, ausgehend von der gefestigten Rechtsprechung unterschiedliche Erstattungssätze für den erlittenen Nutzungsausfall festgelegt hat. Das heißt, beim Ausfall eines Porsches 911 erhält der Halter deutlich mehr, als beim Ausfall eines Smarts.

Zuständigkeiten beim Bundesgerichtshof

Beim Bundesgerichtshof gibt es für die einzelnen Senate eine von einem Geschäftsverteilungsplan des Gerichts vorgesehene Arbeitsteilung. So ist für Schäden bei Verkehrsunfällen stets ein hierauf spezialisierter Senat zuständig, an dessen Rechtsprechung sich die Instanzgerichte regelmäßig halten. Das führt zu einer weitgehend einheitlichen Rechtsprechung bei vergleichbaren Schadenssachverhalten. In einem neu veröffentlichten Urteil des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 06.12.2018, Az. VII ZR 285/17) ging es ausnahmsweise nicht um einen Verkehrsunfall, sondern um von einer Fachwerkstatt schuldhaft schlecht ausgeführten größeren Reparatur, die zu einer überdurchschnittlich langen zweiten Reparaturzeit führte. Der Fall war ausnahmsweise nicht nach Haftpflicht- sondern nach Werkvertragsrecht zu beurteilen, so dass nicht der Verkehrssenat sondern der für Werkvertragsangelegenheiten zuständige Bausenat (VII. Senat) zuständig war.

Eigentlich sollte man meinen, dass bei einem ausschließlich gewerblich genutzten beschädigten Baufahrzeug die Sachlage völlig identisch ist und bei dessen Ausfall auch eine Nutzungsausfallsentschädigung gezahlt werden muss. Dennoch gelangte ein derartiger Fall bis zum Bundesgerichtshof. Über die Gewährung einer Nutzungsausfallsentschädigung hatte jetzt erstmals bei ausschließlich gewerblich genutzten Baufahrzeugen der VII. Senat des Bundesgerichtshofs zu entscheiden, der bisher nicht durch Urteile zum Nutzungsausfall hervorgetreten ist.

Sachverhalt der Entscheidung

Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger, welcher ein Beton- und Natursteinwerk betreibt, begehrt von der Beklagten, einer Nutzfahrzeugwerkstatt, aufgrund eines Werkvertrags Schadenersatz für die Folgen eines Motorschadens an seinem Kipplader mit Kran. Infolge des Motorschadens, der durch eine von der Beklagten mangelhaft durchgeführte Reparatur hervorgerufen wurde, konnte der Kläger das Fahrzeug in der Zeit vom 22.12.2011 bis 21.02.2013 nicht nutzen. Ab dem 09.08.2012 stand ihm ein mit einem Kran nachgerüsteter Ersatzlastkraftwagen zur Verfügung. Der Kläger verlangte unter anderem von der beklagten Werkstatt Schadenersatz für den zeitweiligen Verlust der Nutzungsmöglichkeit des Kippladers mit Kran. Als Nutzungsausfallsanspruch verlangte der Kläger 735 Euro monatlich, d. h. 14 x 735 Euro = 10 290 Euro. Bei der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ging es zum Schluss allerdings nur noch um 5 512,50 Euro nebst Zinsen für die Zeit vom 12.12.2011 bis zum 08.08.2012.

Der Bundesgerichtshof hat allerdings dem Kläger überhaupt keine Nutzungsausfallsentschädigung zugesprochen. Er sieht einen wesentlichen Unterschied zwischen einem privaten und einem gewerblichen Fahrzeughalter. Seine Meinung gibt der BGH in drei Leitsätzen in einem Deutsch bekannt, das wohl nur ein mit der Materie vertrauter Jurist so ohne weiteres versteht, nicht jedoch ein Laie, für den das Urteil eigentlich gedacht sein sollte. Ausnahmsweise möchte ich, die für einen Nichtjuristen etwas schwer verständlichen Leitsätze, im Wortlaut zitieren, damit der Leser sich einmal ein Bild machen kann, wie publikumsfern heute der Bundesgerichtshof selbst bei recht einfachen Sachverhalten formuliert, so dass ein Laie oft keine Chance hat, den Inhalt und die Tragweite eines Urteils zu verstehen. Hier die drei Leitsätze des Bundesgerichtshofs, die sich der Leser des Beitrags ausnahmsweise einmal antun möge:

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Lassen sich bei dem vorübergehenden Entzug der Gebrauchsmöglichkeit eines ausschließlich gewerblich genutzten Fahrzeugs die materiellen Auswirkungen des Ausfalls des Fahrzeugs quantifizieren, kann eine (abstrakte) Nutzungsausfallsentschädigung nicht verlangt werden. Das gilt unabhängig davon, ob das ausgefallene Fahrzeug unmittelbar der Gewinnerzielung dient, weil der Ertrag allein mit Transportleistungen erzielt wird, oder nur mittelbar, nämlich zur Unterstützung einer anderen gewerblichen Tätigkeit eingesetzt wird. Der Betriebsbereitschaft eines ausschließlich gewerblich genutzten Fahrzeugs, also seiner ständigen Verfügbarkeit und Einsatzfähigkeit, kommt kein eigenständiger Vermögenswert zu, weshalb der vorübergehende Entzug der Gebrauchsmöglichkeit als solcher kein Schaden ist. Der Geschädigte kann für die Gebrauchsentbehrung - unabhängig vom Eintritt eines Erwerbsschadens oder darüber hinaus - keine (abstrakte oder an den Vorhaltekosten orientierte) Nutzungsausfallsentschädigung verlangen.

Die Rechtsprechung, wonach die infolge eines zum Schadenersatz verpflichtenden Ereignisses entfallende Möglichkeit des Geschädigten, private, eigenwirtschaftlich genutzte Sachen oder Güter plangemäß verwenden oder nutzen zu können, einen ersatzfähigen Vermögensschaden darstellen kann, ohne dass hierdurch zusätzliche Kosten entstanden oder Einnahmen entgangen sind (vgl. BGH, Beschl. v. 09.07.1986 - GSZ 1/86, BGHZ 98, 212), ist auf die Nutzung von Sachen oder Gütern, die ausschließlich erwerbswirtschaftlich genutzt werden, nicht übertragbar.

Vereinfacht ausgedrückt bedeutet dies, dass ein Halter, der ein Fahrzeug oder eine Baumaschine ausschließlich gewerblich nutzt, keinen Anspruch auf eine Nutzungsausfallsentschädigung hat. Im Gegensatz dazu soll der private Halter weiterhin eine Nutzungsausfallsentschädigung verlangen können.

Zu beachten ist allerdings

Mietet der gewerbliche Nutzer eines Fahrzeuges ein Ersatzfahrzeug an, soll er auch nach Meinung des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, diese Kosten vom Schädiger ersetzt erhalten. Mit der neuen Entscheidung des Bundesgerichtshofs will man lediglich eine abstrakte Nutzungsausfallsentschädigung im gewerblichen Bereich verhindern. Ein geschädigter gewerblicher Unternehmer muss sich nach Meinung des Gerichts stets um konkreten Ersatz bemühen, um die hierdurch entstehenden Kosten erstattet zu erhalten. Einige Versicherer haben in der Vergangenheit auch bei ausschließlich gewerblich genutzten Fahrzeugen oder Maschinen abstrakt eine Nutzungsausfallsentschädigung gewährt.

Nach der neuen eindeutigen Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist allerdings davon auszugehen, dass Anspruchsteller bei der Geltendmachung abstrakter Nutzungsausfallsentschädigungsansprüche in die Röhre schauen.

In der Praxis gibt es immer wieder Fälle, bei denen Fahrzeuge teilweise gewerblich und teilweise privat genutzt werden. Ob es in einem solchen Fall zukünftig eine Nutzungsausfallsentschädigung oder zumindest eine anteilige geben wird, lässt der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung offen, da er über diese Frage aufgrund des konkreten Sachverhaltes nicht entscheiden musste. Es bleibt abzuwarten, mit was uns der Bundesgerichtshof zu diesem Thema überraschen wird. Nach dem Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs ist in den allermeisten Fällen für die Entscheidung über die Nutzungsausfallsentschädigung bei gewerblichen Fahrzeugen nicht der VII. Senat zuständig. Umso mehr bleibt abzuwarten, ob sich die Richter an die Entscheidung des VII. Senates halten werden oder gar noch weiter differenzieren.

Fazit

Wegen der Meinung des Bundesgerichtshofs zur Gewährung einer Nutzungsausfallsentschädigung im gewerblichen Bereich, sollte man als Unternehmer bei beschädigten Baufahrzeugen, Maschinen etc. stets überlegen, ob man nicht entsprechendes Gerät anmietet und die dadurch entstehenden Kosten dem Schädiger beziehungsweise seiner Versicherung in Rechnung stellt. Auf die Gewährung von Nutzungsausfallsentschädigungen sollte man sich nach der Rechtsprechung im gewerblichen Bereich nicht verlassen. Die Versicherungswirtschaft wird die Entscheidung des Bundesgerichtshofs wohlwollend zur Kenntnis genommen haben und in Zukunft bei der Schadensabwicklung zu Nutzen versuchen.

Ich halte die Differenzierung des Bundesgerichtshofs mit seinem unterschiedlichen Ergebnis je nach privater oder gewerblicher Nutzung des beschädigten Gerätes für wenig überzeugend und hoffe, dass die Entscheidung noch nicht das letzte Wort des BGHs darstellt.

 Rainer Schilling
Autor

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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