Oben und Unten: Pflanzungen brauchen eine Rangordnung

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Ohne ablesbare Muster oder andere markante Merkmale ist es nahezu unmöglich, sich in einer neuen Situation zurechtzufinden. Die für ihn nicht erkennbare Rangordnung erschwert es einem Greifvogel erheblich, in einem Vogelschwarm ein Opfer auszumachen. Auch gestaltete Pflanzengemeinschaften bedürfen der Rangordnung, die Pflanzbilder erst überschaubar macht.

Gezielte Rangordnung schafft die für die Orientierung unverzichtbaren "Schwerpunkte der optischen Aufmerksamkeit" ("Hingucker"). Hierarchien (Wahrnehmungsebenen) - oben/unten, stark/schwach, schnell/langsam - erleichtern die Orientierung (Wo gilt das nicht?). Die Rangordnung legt die Reihenfolge der Wahrnehmung fest. Damit wird auch Vielfalt möglich, weil verdaulich portioniert. Eine deutliche Über- und Unterordnung vermeidet Konkurrenz zwischen Pflanzen und/oder anderen Gestaltungsobjekten.

Wege zur Rangordnung

In der Rangordnung steigt auf, was in das Zentrum der Aufmerksamkeit gelangt. Sicher ist hier nicht jedes beliebige Mittel recht, steht doch hinter einer Pflanzung gewöhnlich eine gut bedachte Gestaltungsidee und Botschaft. So ist zu Beginn jeder Pflanzplanung zu überlegen, was "das Wichtige" ist oder werden soll - neben den Pflanzen auch das wirkungssteigernde Interieur. Wie kann es gelingen, die Aufmerksamkeit der Betrachter auf das für uns Wichtige zu lenken? Manchmal sind es nur im Ansatz erkennbare, zunächst unwichtig erscheinende Gegebenheiten, die, etwa durch ihre Wiederholung, bedeutsam und im Rang so gesteigert werden können, dass sie wahrgenommen werden müssen.

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Anregungen bieten möglicherweise die Architektur, die vorhandene Spontanvegetation oder eine unebene Topografie. Meist werden "Leitpflanzen" oder -formen festgelegt. Gelegentlich sind technische Ausstattungen, etwa Elektrokästen, Schachtdeckel, Regner, Tropfschläuche , aufgrund ihrer harten Kanten so prägnant, dass sie, wenngleich unbeabsichtigt, die gewollte Rangordnung und Pflanzidee außer Kraft setzen. Nicht nur die anspruchsvolle Skulptur, auch der Papierkorb gestaltet mit.

Ende der Verwirrspiele

Das allzu Viele lässt Betrachter orientierungslos allein. Und Fülle hat keine Perspektive, die sich dem Blick eröffnet. Dazu fehlt ihr die Transparenz. Die Mischung verschiedenster Pflanzen wird die Aufmerksamkeit nicht lenken können. Mehr als vier oder fünf verschiedene, aber gleichwertige Gegebenheiten können wir gleichzeitig nicht wahrnehmen. Auch für Pflanzensammler ist das von Bedeutung, denn im verwirrenden Durcheinander können auch Pflanzenschönheiten nur verlieren. Das Auge findet keinen Halt. Die für sich genommen interessanten Pflanzen machen sich zunächst den Rang, später auch den Raum streitig. Erst die Gruppierung gleicher Pflanzen sichert diesen ausreichend Präsenz und Wahrnehmung. Nur der mächtige Einzelbaum genügt sich selbst. Je kleiner die Pflanzen, desto größer die Gruppe. So entstehen erkennbare Pflanzeneinheiten, die insbesondere bei ihrer Wiederholung den Blick "an die Hand nehmen". Unsortierte Vielfalt macht unsicher, weil sie kaum erfassbar ist. Unsicherheit stößt weder im eigenen Garten noch im öffentlichen Park auf Gegenliebe.

Oben vor Unten

Raumebenen ("Stockwerke") sind ein wichtiges Mittel, um Pflanzungen eine erfassbare Rangordnung und den Einzelpflanzen Entwicklungschancen zu geben. Zunächst gilt: "Oben vor unten", aber das "Oben" verlangt nach einem "Unten", wenn es nicht in Frage gestellt werden will. Erst dann wird Rangordnung deutlich. Nicht nur deshalb ist es sinnvoll, Pflanzungen in "Stockwerken" zu planen. Bei standortgerechter Auswahl zueinander passender, sich in Wuchsform und Wuchsgröße ergänzender "Ober- und Untermieter" kann auf gleicher Grundfläche ein Höchstmaß an Artenvielfalt eingebracht werden. Die "Verteilung" der verschiedenen Arten auf verschiedene Raumebenen vermeidet Konkurrenz weitgehend. Spätere aufwändige Auslichtungen, gar Fällungen sollten nur noch in Einzelfällen erforderlich sein. Die Vielfalt der geplanten Vegetation zieht eine artenreiche Begleitflora und -fauna nach.

Die Rangordnung einer Stockwerkspflanzung schließt den Betrachter ein. Der Mensch, gewohnt in sozialen Rangordnungen zu leben, empfindet das Besondere der "grünen Hierarchie", die ihm Geborgenheit vermitteln kann. Funktioniert sie doch nach verlässlichen Naturgesetzen. Und von den oberen Rängen der Gehölzrahmenpflanzung droht nur bei Sturm Gefahr. Wird auch innerhalb der Stockwerke mit gut wahrnehmbaren, wiederkehrenden Artengruppen geplant, entstehen gleichzeitig und fast zwangsläufig Farbebenen. Beteiligt sind neben Blütenfarben farbiges Sommerlaub oder die Herbstfärbung. Aufeinander abgestimmt, können ebenso zeitgleich wie zeitverschoben Farbkontraste zwischen Baum- und Strauchschichten inszeniert werden.

Eher sparsam besetzte mittlere Stockwerke geben einem hochkronigen Gehölzbestand räumliche Tiefe und einen hallenartigen Charakter mit einmaliger Aufenthaltsqualität. Es entsteht ein eigenständiger, gut überschaubarer Raum für besondere Pflanzungen. Im Winter kann der Gegensatz zwischen kompakten, schwer bodenlastigen Immergrünen unten und filigranen, luftigen Kronenstrukturen oben reizvoll sein. Das Umgekehrte wird wegen seiner Kopflastigkeit gewöhnlich vermieden und nur im Einzelfall angewendet.

Die wuchshöchsten Pflanzen sind dann nicht mehr die ranghöchsten, wenn niedrigere Objekte durch mehr Gestaltprägnanz - Form, Farbigkeit - die Aufmerksamkeit auf sich lenken. Das gilt insbesondere für Formschnittpflanzen mit markanten Konturen. Dass Sitzmöbel hierzu zählen und zunächst rascher wahrgenommen werden als anderes, ist sicher sinnvoll, zumal auch sie Teil der Gestaltung sind. Viele der sichtbar dominierenden technischen Einbauten sind dagegen in der Lage, den Rest des Gartens zu entwerten.

Die Macht des Einzelnen

In der Gartengestaltung wird das "Einzelne" wenn nicht durch einen Baukörper, gewöhnlich durch eine Einzelpflanze, meist ein "Solitärgehölz" in Einzelstellung verkörpert. Ein Solitärgehölz vermag einem Freiraum wesentlichen und unverwechselbaren Inhalt zu geben; insbesondere dann, wenn es weitere auffällige Pflanzungen, etwa aus Platzgründen, nicht gibt (Stadthöfe). Ein Einzelobjekt kann nur in ausreichender Höhe als "Ordnungsmacht" gelten. Zu klein, wirkt es eher zufällig oder störend.

Auch das bloße "Anderssein" kann ein Alleinstellungsmerkmal bedeuten. Der außerhalb einer Gruppe stehende Baum gehört, obwohl gleichartig, in diese Kategorie. An anderer Stelle wird der andersartige, insbesondere andersfarbige Baum trotz seiner Gruppenzugehörigkeit zum auffälligen Blickziel. Damit steigt dieser Baum im Rang der Wahrnehmung. Aber ist er auch in der Lage, eine Pflanzung zu dominieren? Diese Rolle bleibt wohl eher dem großen Gehölz in Einzelstellung vorbehalten. Provokation allein reicht nicht aus, um einen Führungsanspruch zu begründen.

Große Solitärpflanzen brauchen Abstand ringsum, der ihnen Respekt und Wirkungsraum sichert. Erhöht präsentiert, wird das Einzelobjekt noch einmal in seinem Rang erhöht. Das kann bei Solitärgehölzen auch durch Gestaltmerkmale mit Fernwirkung geschehen: farbiges Sommerlaub (Blutbuche!), Blütenschmuck (Rosskastanie, Zierkirschen), Herbstfärbung (Birke, Tulpenbaum) oder farbige Wintertriebe (Orange: Salix alba 'Britzensis'). Häufig sind es gleichartige Pflanzen oder Pflanzengruppen, die noch einmal eines zusammenfassenden Ordnungsstifters und Blickziels bedürfen. So die Dreieckskomposition von gleichartigen Einzelgehölzen, die eine Grundpflanzung überspannt und selbst durch einen größeren Solitärbaum dominiert wird.

Rhythmus befördert

Steter Tropfen höhlt den Stein: Genügend oft wiederholt, ist die hierfür ausgewählte Pflanze schließlich nicht mehr zu übersehen. Sie wird nicht nur selbst in ihrem Rang erhöht, auch die Pflanzung insgesamt erhält durch diese Leitpflanze Gerüst und Rangordnung.

Der regelmäßige (gebundene) Rhythmus abstandsgleich aufgereihter Einzelpflanzen hat die stärkste Orientierungskraft und drückt jeder Pflanzung ihren Stempel auf. Ebenso regelmäßig wie ihre Pflanzabstände sollten auch die Pflanzen selbst daherkommen. Deshalb werden gern deckungsgleich geschnittene Pflanzen oder Sorten mit kugel- oder säulenförmigem Wuchs verwendet. Der gebundene Rhythmus formgleicher Pflanzen ist geeignet, eine formale Flächengliederung nachzuzeichnen und räumlich sichtbar zu machen.

Ein freier, ungebundener Rhythmus lebt von der Spannung ungleicher Abstände zwischen wiederkehrenden gleichen Pflanzen oder ähnlichen Pflanzengruppen. Indem der Blick über diese meist formprägnanten oder farbauffälligen Pflanzen gleitet, wird die Pflanzung zusammengehalten. Niedrige Farbflecken werden ebenso wenig übersehen, wie höhere, standfeste "Gerüstbildner". Bei immer nur in Zeitabschnitten wirksamen Stauden muss die Nachfolge gesichert sein. Nach Rittersporn oder Staudenmohn bricht das "Gerüst" zusammen, wenn etwa Stockrosen oder Akanthus nicht übernehmen. Nur Gehölze sind ganzjährig präsent.

Symmetrie und Raster

Symmetrie fällt immer vor allem anderen auf. Sie ist das typische Merkmal barocker Gartengestaltung, die sich alles untertan macht und hierfür sowohl eine, als auch mehrere, von einem Mittelpunkt ausstrahlende Symmetrieachsen und deckungsgleiche Formschnittpflanzen nutzt (axiale und radiäre Symmetrie/Metrik). So stark der anfängliche Eindruck, so rasch nutzt er sich ab. Das, was ein Gesicht nachhaltig interessant macht, sind die kleinen Asymmetrien.

Ähnlich in Pflanzungen: Ohne ihr den Rang streitig zu machen, entsteht Spannung durch ein "falsches" Detail, das die Symmetrie an einem Punkt bricht. Das kann eine außerhalb der Regelhaftigkeit platzierte, gern auch abweichend andere Skulptur oder Pflanze sein.

Von vergleichbarer Prägnanz sind abstandsgleiche, gleichförmige Rasterpflanzungen oder gerasterte Beete, die eine Fläche überspannen, selbst "wilde" Pflanzungen und zerzauste Wiesen unterordnend einfangen oder in spannungsvollem Kontrast zu freien Flächengliederungen stehen können. Symmetrie und Raster sind das ordnende Prinzip schlechthin. Als Gegensatz und Balance zum "Chaos" sind sie ein immer reizvolles Gestaltungsthema, das die Dynamik des spontanen Wachsens einschließt. Das mindestens in Teilen des Gartens zuzulassen, fällt nicht sofort leicht.

Kontur vor Textur

Randscharfe Umrisse, etwa von Bauwerken, Formschnittpflanzen oder großen Blättern, werden stets rascher wahrgenommen als aufgelöste und "weiche" Konturen. Kleine Blätter lassen nur noch aus der Nähe Konturen erkennen und verschwimmen nunmehr zu einer kleinteiligen Oberfläche (Textur). Die tritt gewöhnlich zurück, so dass mit den augenfälligen Konturen ein Mittel der Rangordnung zur Verfügung steht. Weil alles Größere näher scheint, rückt eine grobe Textur mit großen, zunehmend Kontur zeigenden Blättern ohnehin auf uns zu. Das bedeutet gleichzeitig, großblättrige Pflanzen als ranghohe Blickziele sorgfältig zu verorten.

Farbränge

Die gesättigten, schweren, starken, meist zugleich warmen Farben - etwa orange, rot, gelb - sind zugleich die "schnellen", weil sie die kürzeste Wahrnehmungszeit haben und gleichsam im Vorübergehen erfasst werden können. Und das auch aus der Ferne, weil sie dem Farben dämpfenden Dunst der Atmosphäre nicht so leicht nachgeben. Weil die weniger gesättigten, leichteren und "kühlen" Farben zurücktreten und als "langsame" Farben eine längere Wahrnehmungszeit erfordern, werden sie auch dann als nachgeordnet empfunden, wenn ihr Mengenanteil ausgleichend erhöht wurde. Dass die "schnellen" Farben in kleineren Mengen genügen, erleichtert ihre punktgenaue Platzierung.

Farbkontraste steigern nicht nur die Wirkung der Einzelfarben, vielmehr sind auch hier Rangordnungen möglich. Ein starkes "Gelb und Rot" können Sonnenauge Heliopsis und Indianernessel Monarda (in geeigneten Sorten) liefern, während Steppen-Wolfsmilch Euphorbia seguieriana (gelbgrün) Spornblume Centranthus ruber (stumpfes Rot) eine eher schwache Mixtur bereitstellen.

Gleichgültig, ob stark oder schwach, nehmen wir Farben immer zuerst wahr. Daher der überlieferte Satz "Farbe bricht Form". Umgekehrt: Immer dann, wenn uns Gestalt und Grünabstufungen des Blattwerks wichtig sind, sollte auf starke, in den Vordergrund drängende Blütenfarben verzichtet werden. Am besten Weiß, vielleicht auch Lila. Tatsächlich gibt es immer wieder stille Gartenplätze mit Sitzmöglichkeiten, die die Zeit und Ruhe bieten, die Vielfalt gegensätzlicher Blattformen wahrzunehmen. Der Gegensatz zwischen großen Blattflächen und feingliedrigen Gräsern ist sogar recht spannend und zudem von längerer Dauer als viele Blütennachbarschaften.

Der Blick zurück

Schauen wir am Ende noch einmal auf unsere Pflanzidee: Vielleicht haben wir noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, die die geplante Pflanzung gut verständlich machen, sich den Betrachtern erschließen und ihnen ein "Entdeckererlebnis" bescheren? Hier einige wichtige Punkte für den "kritischen Blick" zurück:

  • Es gibt den "Schwerpunkt der optischen Aufmerksamkeit".
  • Die Pflanzen sind in jeweils ausreichender Anzahl vertreten und gut wahrnehmbar.
  • Eine "wilde" Pflanzung wird durch ranghöhere Leitpflanzen und/oder prägnante Einfassungen oder Formschnittpflanzen zusammengehalten.
  • Die Wiederholung von Pflanzengruppen (erkennbaren Pflanzeneinheiten) verleiht der Pflanzung eine Rangordnung und steigert die wiederkehrenden Pflanzen in ihrem Rang.
  • Die Rangordnung in Raumebenen der Pflanzung berücksichtigt die artspezifischen Wuchsgrößen und -formen, so dass konkurrierende Dickichte vermieden werden.
  • Farben und Texturen werden als Mittel der Rangordnung genutzt.
  • Interieur und Skulpturen unterstützen die Gestaltungsabsicht.

Unter diesen und anderen Aspekten kann jede Pflanzung betrachtet werden. Das fördert immer wieder Anregungen zutage.

Prof. Dr. Wolfgang Borchardt
Autor

Studiendekan der Fakultät Landschaftsarchitektur, Gartenbau und Forst, Fachhochschule Erfurt

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