Ökobilanzierung im Landschaftsbau

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Die präzise Betrachtung der Nachhaltigkeit und der Umweltauswirkungen von Bauweisen spielt in der alltäglichen Praxis des Landschaftsbaus bislang eine eher geringe Rolle. Entsprechend liegen kaum Vergleichswerte darüber vor, wie einzelne Materialien und Bauweisen des Landschaftsbaus im Hinblick auf ihren Energiebedarf und ihre CO2-Bilanz genau einzuschätzen sind. Da aber der Klimawandel und seine Auswirkungen für jede(n) von uns zunehmend spürbar werden, steigt auch das allgemeine Interesse, wie der eigene und der gesamtgesellschaftliche ökologische Fußabdruck verringert werden kann.

Viele Industrieunternehmen haben diesem Trend aufgenommen und streben eine klimaneutrale Wirtschaftsweise an. Das wohl prominenteste Beispiel ist der Volkswagenkonzern, der aktuell im Begriff ist, seine Produktion komplett auf eine nachhaltige Wirtschaftsweise umzubauen. Das Kalkül: durch die Neu-Ausrichtung auf den Megatrend Nachhaltigkeit auch in Zukunft konkurrenzfähig zu sein und dem steigenden Interesse der Menschen an klimaneutralen Produkten entgegenzukommen, um dadurch neue Kunden zu gewinnen und an das Unternehmen zu binden.

Auch immer mehr Landschaftsbaubetriebe möchten Ihre Kunden besser darüber informieren, wie Bauweisen in Bezug auf ihre Nachhaltigkeit einzuschätzen sind. Dies geschieht einerseits mit dem Ziel eine möglichst klimafreundliche Lösung für den Kunden anzubieten, andererseits möchten viele dieser Betriebe auch ihre eigene Wirtschaftsweise nachhaltiger gestalten.

Schenkt man dem aktuell veröffentlichten 6. Bericht des Weltklimarats (IPCC- Sachstandsbericht der Arbeitsgruppe I vom 9. August 2021) Glauben, so ist solches Handeln dringend geboten. Wir alle sind aufgerufen, unsere Treibhausgasemissionen sofort und drastisch zu reduzieren. Insofern wäre eine Datengrundlage, die es erlaubt, unser Handeln besser zu beurteilen wichtiger denn je. Eine aktuelle Bachelorarbeit im Studiengang Landschaftsbau und –Management an der Hochschule Weihenstephan Triesdorf zeigt, dass die Voraussetzungen dafür aktuell nicht gegeben sind und die vorhandenen Datensätze zu sehr widersprüchlichen Ergebnissen führen können.

Was ist eine Ökobilanzierung?

Die Ökobilanz (engl. Life Cycle Assessment) ist ein Werkzeug (oder eine Methode) mit dem die Umweltauswirkung von Produkten oder Dienstleistungen aufgezeigt und vergleichbar gemacht werden kann. Dabei ist eine Betrachtung über alle Vorprodukte, Vorprozesse und Lieferwege; die eigentliche Herstellung in dem betrachteten Unternehmen sowie Nutzungs- und Entsorgungsaspekte eines Produkts erforderlich. Das heißt, man betrachtet sinnbildlich den gesamten „Lebensweg“ eines Produkts, von der Wiege bis zur Bahre (cradle to grave), unter Berücksichtigung aller Faktoren die die Umweltwirkung beeinflussen.

Durch die zunehmende Bedeutung des Klimawandels ist vor allem die Bilanzierung von sogenannten Treibhausgasen (THG) in den Fokus der Betrachtung gerückt. Eine wichtige Rolle bei dieser Bilanzierung, die in den Normen DIN EN ISO 14040 und 14044 geregelt ist, spielen die vollständigen Beschreibung des Gesamtprozesses zur Herstellung eines Produkts und die Betrachtung der dazu notwendigen Stoff- und Energieströme in vorher genau festgelegten Systemgrenzen. Die daraus resultierenden Umweltauswirkungen fokussieren sich auf die Themenbereiche Treibhauseffekt, Sommersmog, Versauerung und Überdüngung sowie weitere Aspekte, die im Untersuchungsrahmen festzulegen sind.

Wie wird eine Ökobilanzierung durchgeführt?

  1. Eine Ökobilanz kann in fünf Schritten durchgeführt werden:
  2. Festlegungen des Untersuchungsrahmens und zu Form und Inhalt der Studie, Festlegung des Untersuchungsziels und der zu untersuchenden Umweltwirkungen
  3. Erfassung der In- und Outputdaten des betrachteten Systems, Erstellung der Sachbilanz
  4. Wirkungsabschätzung: hier werden die ermittelten Stoffflüsse (Input- und Outputdaten) den Umweltwirkungen zugeordnet und quantifiziert
  5. Auswertung und Interpretation, hier werden die Untersuchungsergebnisse überprüft und zu einem nachvollziehbaren Ergebnis zusammengefasst

Die genaue Definition des Untersuchungsrahmens ist wichtig um Ergebnisse vergleichbar zu machen. Dazu muss festgelegt werden, welche Prozesse in die Betrachtung einfließen. Beispiel: die regelmäßige Pflege einer Holzterrasse mit einem Hochdruckreiniger und/oder mit Anstrichen verändert die Öko-Bilanz, da hierfür regelmäßig Energie und Rohstoffe aufgewendet werden müssen. Gleichzeitig liegt dieser Prozess im Verantwortungsbereich des Kunden und kann daher für eine betriebliche Betrachtung aus Sicht eines Landschaftsbaubetriebs ausgeklammert werden.

Das Untersuchungsziel definiert, welches Erkenntnisinteresse der Studie zugrunde liegt und wie die Ergebnisse in einen Entscheidungsprozess einfließen können. So können beispielsweise unterschiedliche Produktionsweisen oder Produktalternativen erfasst und miteinander verglichen werden. Im Landschaftsbau beispielsweise die Herstellung einer Terrasse aus verschiedenen Natursteinen, Klinker oder Betonplatten.

Bei der Wirkungsabschätzung geht es darum die relevanten Umweltauswirkungen zu erkennen, zu quantifizieren und im Hinblick auf deren Größe und Bedeutung nachvollziehbar und vergleichbar zu machen. Wird beispielsweise der CO2- beziehungsweise der Treibhausgas-Fußabdruck (THG) eines Prozesses betrachtet, so sind zusätzlich zum Kohlendioxid die relevanten THG-Emissionen wie Methan, Lachgas oder Fluorkohlenwasserstoffe u. a. zu betrachten. Jede dieser Substanzen hat im Vergleich zum CO2 einen anderen Wirkfaktor. So ist Methan 25 mal klimaschädlicher als CO2 und muss mit dem entsprechenden Wirkfaktor bilanziert werden.

Bei der Auswertung und der Interpretation geht es darum, die ermittelten Daten in den betrachteten Kontext einzuordnen und für die Zielgruppe in einer verständlichen Darstellung aufzubereiten. Wurden verschiedene Produkte oder Herstellungsprozesse betrachtet und unterschiedliche Wirkungskategorien festgestellt, so müssen diese nachvollziehbar gewichtet und in die Gesamtbetrachtung einbezogen werden. Ein Beispiel hierfür sind örtliche Umweltwirkungen in den Erzeugerländern von Rohstoffen oder Vorprodukten.

Ökobilanzierung im Bauwesen

Die Ökobilanzierung von Gebäuden beruht in Ihren Grundzügen auf der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie, die von der damaligen Bundesregierung (Kabinett Schröder II) beschlossen wurde. Sie mündete 2001 in der Erarbeitung des „Leitfaden Nachhaltiges Bauen“, der bis heute kontinuierlich aktualisiert wird. Ziel war und ist es, die Nachhaltigkeit von Gebäuden im Bundesbau über den gesamten Lebenszyklus und unter Einbeziehung ökologischer, ökonomischer sowie sozialer Aspekte transparent, messbar und überprüfbar auszuweisen. Dabei sollen Gebäude und Grundstück betrachtet werden.

Folgerichtig wurde 2012 die Handlungsanleitung „Nachhaltig geplante Außenanlagen auf Bundesliegenschaften“ vom Bundesbauministerium herausgegeben. Auch hier liegt der Fokus auf den drei genannten Säulen Ökologie, Ökonomie und Sozialen Faktoren. Entsprechend stellen die Kriterien vor allem auf die nachhaltige Planung von Außenanlagen im gesamten Lebenszyklus ab. Als Datengrundlage für die Berechnung von Gebäudeökobilanzen entstand 2008 die öffentlich-rechtliche Datenbank „Ökobaudat“ (Herausgeber: Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat) die qualitätsgeprüfte und nach einheitlichen Kriterien ermittelte Informationen allgemein zur Verfügung stellt. Sie enthält rund 1400 Datensätze zu Bauprodukten und Materialien, die frei verfügbar sind (www.oekobaudat.de). Diese Daten unterliegen strengen Qualitätskritierien und sind nach der EN 15804 „Nachhaltigkeit von Bauwerken – Umweltproduktdeklarationen – Grundregeln für die Produktkategorie Bauprodukte“ konform.

Ökobilanzierung im Landschaftsbau

Landschaftsbau, als Teil der Baubranche, befasst sich mit der Herstellung von Bauwerken aus Baustoffen, aus Boden und aus Pflanzen. Alle diese Tätigkeiten sind mit Eingriffen in die natürlichen Lebensgrundlagen verbunden und über die gesamte Prozesskette mehr oder weniger umwelt- und klimawirksam. In Zukunft wird es darum gehen, dieses „mehr“ oder „weniger“ genauer zu verstehen und gezielt zu beeinflussen. Dies erfordert eine wissenschaftlich standardisierte und überprüfbare Analyse der relevanten Bauprozesse.

Da auch das Bauen im Landschaftsbau in der Regel immer unter Verwendung von zugelassenen und marktgängigen Baustoffen stattfindet, liegt die Verwendung der Ökobaudat-Datensätze zum Zwecke der Ökobilanzierung nahe. Bei Standardbaustoffen wie Betonsteinpflaster, Sand und weiteren Schüttgütern ist dies auch relativ problemlos möglich.

Eine branchenbezogene Datenbank speziell für den Garten- und Landschaftsbau, in der die Nachhaltigkeit eines Produktes erfasst werden kann, gibt es aber noch nicht. Und es fehlen bislang valide Daten in Bezug auf die Verarbeitungsprozesse der sogenannten Vorkette, beispielsweise bei der Pflanzenerzeugung oder bei Grundprozessen wie Erdarbeiten.

Die zu untersuchenden Prozesse müssen -um vergleichbar zu sein- einheitlich modelliert und ihre Umweltwirkungen anschließend analysiert und quantifiziert werden. Eine solche Analyse der Umweltauswirkungen von Bauprozessen kann nach DIN EN 15804 erfolgen. Diese regelt die Erstellung von Umweltproduktdeklarationen, die sogenannten EPDs. Welche jeweils die Ökobilanzdaten für ein definiertes Produkt enthalten.

Hierzu teilt die EN 15804 den Lebensweg eines Produktes in vier Lebenswegzyklusabschnitte: die Produktion und den Einbau (Abschnitt A), die Inbetriebnahme und die Nutzung (Abschnitt B), den Rückbau und die Entsorgung (Abschnitt C) sowie die Rückgewinnung und das Recycling (Abschnitt D). Jeder dieser Schritte ist in weitere Unterabschnitte geteilt. (Siehe Abb. 1)

Über die Lebenswegabschnitte kann anschließend ermittelt werden; zu welchem Zeitpunkt mit welchen Umweltbelastungen zu rechnen ist. Die Umweltbelastungen werden über Indikatoren beschrieben. Dabei wird zwischen Umweltwirkungen (Output) und dem Ressourceneinsatz (Input) differenziert.

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Untersuchung beispielhafter Bauprozesse im Landschaftsbau

Im Rahmen der genannten Untersuchung der Co-Autorin wurden unterschiedliche Ökobilanzen mit brauchbarer Datengrundlage in Ökobaudat erstellt. Die Verarbeitungsprozesse auf der Baustelle wurden teilweise modelliert und ergänzt. Für diesen Artikel wird das Ergebnis zweier Ökobilanzierungen genauer betrachtet.

Im ersten Teil wurden zunächst mögliche Materialien für Wege- und Platzflächen miteinander verglichen. Diese sind: Kies, Natursteinbelag (Granit 8 cm stark), Betonpflaster, Klinkerpflaster, Schieferplatte und keramischer Plattenbelag. Dazu wurden das Produktionsstadium A1-A3, das Entsorgungsstadium C1-C4 und das Recyclingpotential D bilanziert. Diese bilden zusammen nach EN 15804 die zu definierende Systemgrenze.

Für diese Ökobilanz wurden nur die Produkte an sich verglichen und nicht in Verbindung mit der baulichen Realisierung. In Bezug auf die Sachbilanz und die Wirkungsabschätzung wurden die Umweltwirkungskategorien Treibhauspotential (GWP) und Versauerungspotential (AP) sowie Gesamteinsatz des nicht erneuerbaren Primärenergiebedarfs (PENRT) analysiert. (Abbildung der Diagramme)

Zusammenfassend schloss in allen drei Kategorein der Kies 2/32 deutlich am besten und das Klinkerpflaster am schlechtesten ab. Der Granitbelag war in Bezug auf Herstellung und Entsorgung die zweitbeste Alternative.

Anschließend wurde die Realisierungsphase der Produkte betrachtet. Dazu gehören der Transport vom Hersteller zum Verwendungsort (A4) und die Montage des Materials auf der Baustelle (A5). Anhand der modellierten Prozesse für die unterschiedlichen Baustoffe wurde die Gesamteinwirkung analysiert. Aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit der Daten in diesen Modulen konnten nur der Granitbelag, das Klinkerpflaster und die keramischen Platten miteinander verglichen werden. (Abbildung der Diagramme)

Im Rahmen der Auswertung stach besonders die Granitplatte hervor. Sie zeigte in den drei Kategorien nicht erneuerbare Primärenergie, Treibhauspotential und Versauerungspotential deutlich negativere Auswirkungen als Klinker und keramische Platten. Der ursächliche Zusammenhang und somit der Grund für die schlechte Bewertung ist die Gewinnung der Natursteine in China und die damit verbundenen langen Transportwege.

Der entsprechende Datensatz in Ökobaudat bildet einen Mix aus 50 Prozent Chinamaterial, 43 Prozent europäischer Herkunft und 7 Prozent Natursteinmaterial aus Deutschland. Der sich offensichtlich auf die Marktanteile von Natursteinen im Bausektor bezieht. Wohingegen der Pflasterklinker und die keramischen Platten aus europäischer Produktion sowohl innerhalb des Transportes als auch bei der Montage wesentlich geringere Auswirkungen verursachen.

Diskussion und Ergebnis

Grundsätzlich mag es sinnvoll sein, dass eine öffentlich-rechtliche Datenbank wie Ökobaudat, die hauptsächlich im Planungsprozess genutzt wird, Mischdaten in Bezug auf Natursteinmaterial vorhält. Regelmäßig wird ja bei öffentlichen Ausschreibungen normwidrig herkunftsneutral ausgeschrieben. Und häufig wird dem preisgünstigeren aber deutlich umweltschädlicheren Material der Vorzug gegeben.

Für eine differenzierte Betrachtung der Umweltauswirkungen von Bauprozessen sind deutlich mehr Datensätze notwendig als 1400 Stück, die den gesamten Bauprozess repräsentieren sollen. Das Beispiel Granit zeigt wie stark durch eine solche Annahme das Gesamtergebnis verzerrt werden kann und der an sich sehr nachhaltige Natursteinbelag (bei regionaler Herkunft) in ökologischen Misskredit gerät. Als Leitfaden für eine betriebliche Bewertung der eigenen Produktion im Landschaftsbau eignen sich derlei Daten nicht, da keine differenzierte Betrachtung möglich ist.

Fazit

Durch umweltorientierte Handlungsstrategien wie die Ökobilanzierung kann ein entscheidender Beitrag zur Reduzierung der Umweltwirkungen, die von einem Landschaftsbauunternehmen ausgehen, unternommen werden. Treibhausgase könnten so minimiert und eine Verbesserung der Nachhaltigkeit erzielt werden. Nachhaltigkeit und Umweltschutz dürfen dabei aber nicht nur als zur Erfüllung von gesetzlichen Forderungen notwendige Formalien angesehen werden, sondern müssen als unternehmerischer Grundsatz in die betrieblichen Abläufe eingebunden werden.

Die Ökobilanz kann als Entscheidungshilfe für die Unternehmen und für Auftraggeber nur dann dienlich sein, wenn eine vernünftige und verlässliche Datengrundlage zur Verfügung steht. Solche Daten sind für die Prozesse des Landschaftsbau bislang leider nicht verfügbar. Der Aufbau einer entsprechenden Datenbank im Zusammenspiel zwischen Hochschulen und Verbänden ist überfällig.

Prof. Dr. Thomas Brunsch
Autor

Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, Technik und Bauabwicklung im Landschaftsbau

Autorin

Hochschule Weihenstephan-Triesdorf

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