Problemzone: Extensive Dachbegrünung im Schatten

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An der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) in Veitshöchheim starteten im Oktober 2006 zwei sechs Jahre andauernde Versuche, die klären sollten, wie es um die Vitalität und den Deckungsgrad extensiver Dachbegrünungen an schattigen Standorten bestellt ist. Der Artikel schildert die Ergebnisse der Versuche. Drei Pflanzenarten erwiesen sich als besonders robust.

Extensive Dachbegrünungen sind inzwischen weit verbreitet. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Rückhaltung von Niederschlägen sowie zur Verbesserung der mikroklimatischen Situation in Siedlungsgebieten. Durch jahrzehntelange Forschungen unter erheblicher Beteiligung der LWG sind alle wesentlichen Fragen in Bezug auf Aufbau, Substrate sowie verwendbare Pflanzenarten auf sonnigen Standorten erforscht. Es gibt jedoch immer wieder Dachflächen, die durch benachbarte Gebäude oder Bäume sowie aufgehende Bauteile beschattet werden. Für diese Fälle fehlten bisher gesicherte Forschungsergebnisse über geeignete Arten. Das war der Anlass für die zwei im Folgenden beschriebenen Versuche.

Erste Ideen und Versuche wurden ab 1996 von Stefan Schmidt an der Höheren Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau (HBLFA) in Wien-Schönbrunn durchgeführt (Schmidt 2004). Der hier beschriebene Versuch wurde ganz ähnlich konzipiert, um die Ergebnisse miteinander vergleichen zu können.

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Versuchsaufbau

Der Versuchsaufbau wird hier nur kurz dargestellt. Eine genaue Beschreibung findet sich bei Schönfeld (2009). Die Dächer bestehen aus Zinkblechbehältern auf 50 cm hohen Füßen, Größe 2,95 x 1,45 m, mit Holzboden und Ablauf sowie einer Auskleidung mit Vlies und Wurzelschutzfolie. Zur Montage des Schattiergewebes wurde auf den Seitenwänden ein 35 cm hoher Rahmen aus verzinkten L-Profilen mit einem abnehmbaren Deckel aus Dachlatten angebracht. Die Deckel sind mit dem Schattiergewebe bespannt. Die Seitenwände des Rahmens sind ebenfalls mit Schattiergewebe verkleidet, um den seitlichen Lichteinfall zu verhindern. Für diesen Versuch wurden drei Schattierstufen festgelegt:

  • Keine Schattierung
  • 19 Prozent Schattierwirkung
  • 60 Prozent Schattierwirkung

Der Aufbau erfolgte als Einschichtaufbau mit 10 cm Substratstärke. Bei den Versuchen in Wien wurde nur das Substrat "Optigrün extensiv schwer" verwendet. Dieses Substrat wird auch in dem hier beschriebenen Versuch eingesetzt. Zusätzlich kam im zweiten Versuch für 18 Staudenarten das Dachsubstrat für Intensivbegrünung der Firma Gelsenrot zum Einsatz. Beide Substrate entsprechen den Anforderungen der FLL an Substrate für die extensive Dachbegrünung. Lediglich der Gehalt an organischer Substanz liegt über dem empfohlenen Maximalwert von

vier Massen-%. Die Analysedaten der beiden Substrate sind in der Veröffentlichung von Schönfeld (2009) dargestellt.

Die einzelnen Zinkblechbehälter sind jeweils in 72 Parzellen à 0,06 m² aufgeteilt. Somit ergaben sich für den ersten Versuch 864 und für den zweiten Versuch 216 Parzellen. In jede Parzelle wurde eine Staude gepflanzt.

Pflanzenauswahl

In beiden Versuchen soll die Entwicklung der Staudenarten als Einzelarten untersucht werden. Das Ziel dieser beiden Versuche ist es, eine möglichst große Zahl von Einzelarten zu testen. Im ersten Versuch mit dem Substrat von Optigrün wurden 72 Staudenarten getestet und im zweiten mit dem Substrat von Gelsenrot noch einmal 18 Arten, von denen neun auch im ersten Versuch enthalten sind. Jede Art wird vierfach wiederholt. Die Auswahlkriterien für die verwendeten Staudenarten sind bei Schönfeld (2009) aufgeführt.

Die Pflanzung erfolgte Ende Oktober 2006 und die Abnahme am 27.02.2007. Die wenigen ausgefallenen Exemplare wurden unmittelbar nach der Abnahme nachgepflanzt. Weitere Nachpflanzungen erfolgten im Versuchsverlauf nicht mehr.

Die Pflegemaßnahmen wurden auf ein Minimum beschränkt. Auf Düngung wurde gänzlich verzichtet und eine Bewässerung erfolgt nur bei außergewöhnlich langer Trockenheit beziehungsweise wenn ein Großteil der Arten deutliche Schäden zeigte. Winterschutzmaßnahmen fanden ebenfalls nicht statt. In der Regel wurden die Parzellen zwei Mal pro Jahr gejätet. Diese extensive Pflege führte im Verlauf des Versuchs - zusammen mit dem lückiger werdenden Pflanzenbestand - zu einem zunehmenden Unkrautdruck. Die Versuchspflanzen waren dabei aber nie ernsthaft bedroht, da es sich meist um einjährige Arten handelte. Nur in den Parzellen mit der Schattierung 60 Prozent breiteten sich auf der Substratoberfläche flächig Moos und Lebermoose aus. Diese bedrängten vor allem die schwach wachsenden und zarten Arten. Gut und kräftig entwickelte Arten waren nicht gefährdet. Die Bekämpfung war schwierig, da keine chemischen Mittel eingesetzt worden sind. Bei der rein mechanischen Entfernung blieben immer Reste zurück, aus denen sich dann neue Polster entwickelten.

Da sich eine Reihe von Arten immer wieder stark in die Nachbarparzellen ausbreitete und die dortigen Pflanzen in ihrer Entwicklung einschränkten, erfolgte im Zuge der Pflegegänge vor den Bonituren ein Rückschnitt auf die ursprüngliche Parzellengröße. Pflanzenarten, die sich außerhalb ihrer Ursprungsparzelle in freie Parzellen verbreitet hatten wurden ebenfalls entfernt, und zwar auch dann, wenn sie in ihrer Ursprungsparzelle nicht mehr vorhanden waren.

Bonituren

Der Versuchsplan sah fünf Vitalitätsbonituren jeweils in der 14., 20., 26., 32. und 38.KW mit den folgenden Boniturstufen vor:

  • 1 = starke Mängel, Kümmerwuchs
  • 3 = mäßige Mängel, kaum Zuwachs erkennbar
  • 5 = befriedigend entwickelt, leichter Zuwachs erkennbar
  • 7 = gut entwickelt, deutlich erkennbare Zuwachsleistung
  • 9 = sehr gut entwickelt, optimales Wachstum
Bauwerksbegrünung
Tab. 2: Zahl der Arten, deren Anteil der Boniturnoten 5–9 ?50% beträgt.

Lösungsansätze und Empfehlungen

Ergebnisse

Versuch 1, Vitalität: Während 2008 noch alle Arten vorhanden waren sind bis zum Versuchsende im Dezember 2012 von den ursprünglich 72 gepflanzten Arten die folgenden 20 in allen drei Varianten ausgefallen:

Alyssum montanum 'Berggold', Anthemis tinctoria 'Kelway', Aster tongolensis 'Wartburgstern', Buphtalmum salicifolium, Campanula alliariifolia, Campanula fo. nitidae 'Bajazzo', Campanula persicifolia, Chiastophyllum oppositifolium, Cotula scoparia, Erinus alpinus, Helianthemum nummularium, Helleborus foetidus, Lathyrus vernus, Primula vulgaris, Saxifraga cuneifolia, Scabiosa columbaria 'Nana Perkushion Pink', Saponaria ocymoides, Sedum sartorianum subsp. ponticum 'Zigana', Tolpis staticifolia, Viola corsica.

Somit verbleiben 52 Arten, die zumindest in einer der Varianten noch überlebt haben. Die prozentualen Anteile der Boniturstufen 5 bis 9 für alle überlebenden Arten in den drei Versuchsvarianten zeigt Tabelle 1. Lediglich 38 Arten - also rund die Hälfte - sind noch in allen drei Varianten zu finden - wenn auch zum Teil mit den Boniturnoten 1 bis 3 (Kümmerwuchs bis kaum Zuwachs erkennbar). In den einzelnen Schattierungsstufen sind deshalb weniger als 52 Arten zu finden. Die Überlebensrate nimmt mit dem Grad der Schattierung zu: ohne Schattierung haben 44 Arten überlebt, mit 19 Prozent Schattierung 45 Arten und bei 60 Prozent Schattierung 48 Arten.

Die Abb. 1 zeigt die prozentualen Anteile der Boniturnoten 5 bis 9 (befriedigend bis sehr gut entwickelt) über alle getesteten Arten im Versuchsverlauf von 2008 bis 2012. Hier zeigen sich im Verlauf der sechs Jahre starke Schwankungen. Die anfangs hohen Werte fallen bis in allen drei Varianten 2009 stark ab. In den Folgejahren erholen sich die Pflanzen wieder. Die überlebenden Arten haben sich offenkundig stabilisiert. In vier der sechs Jahre sind die höchsten Werte in der Variante 19Prozent Schattierung zu finden.

Die Zahl der Arten, deren Anteil bei den Boniturnoten 5 bis 9 ?50 Prozent beträgt, hat hingegen von 2007 bis 2012 kontinuierlich abgenommen (s. Tabelle 2). Hier zeigen sich die Auswirkungen des zunehmenden Ausfalls der empfindlichen Arten. Wenn ein noch schärferer Maßstab angelegt und nach den Arten gesucht wird, bei denen mindestens 90Prozent der Boniturnoten im Bereich 5 bis 9 liegen, zeigt sich, dass das nur für wenige Arten über alle Jahre von 2008 bis 2012 zutrifft. In der Variante ohne Schattierung sind das die Arten Bergenia crassifolia, Sedum ellacombianum, Sedum floriferum 'Weihenstephaner Gold' und Sedum spurium 'Album Superbum'. Mit 19 Prozent Schattierung sind es die drei Arten Bergenia crassifolia, Sedum ellacombianum sowie Sedum hybridum 'Immergrünchen' und in der Variante mit 60 Prozent Schattierung bleiben nur noch Bergenia crassifolia und Sedum ellacombianum übrig. Häufig liegt der Anteil der Boniturnoten knapp unter 90 Prozent. Somit können auch Arten, deren Werte in vier der fünf Jahre zu 90 Prozent im Bereich 5 bis 9 lagen als zuverlässig und ausdauernd eingestuft werden. Unter diesem Aspekt können für die Variante ohne Schattierung noch Geranium dalmaticum und Koeleria glauca genannt werden. Bei 19 Prozent Schattierung erfüllen die folgenden Arten das Kriterium: Carex caryophyllea, Penstemon hirsutus 'Pygmaeus', Pulsatilla vulgaris 'Rote Glocke', Sedum floriferum 'Weihenstephaner Gold' sowie Thalictrum minus 'Adianthifolium'. Und bei 60 Prozent Schattierung sind es die Arten Campanula glomerata 'Acaulis', Carex ornithopoda, Saxifraga cuneifolia, Sedum hybridum 'Immergrünchen' sowie Waldsteinia geoides.

Vitalität Versuch 2: Auch im Versuch 2 hat sich die Artenzahl verringert. Sieben Arten sind im Versuchsverlauf ausgefallen, so dass beim Abschluss des Versuchs nur noch elf der ursprünglich 18 Arten vorhanden waren. Diese elf Arten waren nur in der Variante ohne Schattierung 2012 noch alle zu finden. Bei 19 Prozent Schattierung waren lediglich noch sieben Arten vorhanden und bei 60 Prozent Schattierung waren es sechs Arten (s. Tabelle3).

Bei der Betrachtung der Arten, bei denen die Boniturnoten 5 bis 9 einen Anteil von 50 Prozent oder mehr einnehmen zeigt sich ein ähnliches Bild wie in Versuch 1. In allen drei Varianten nimmt die Zahl dieser Arten im Versuchsverlauf kontinuierlich ab. Den scharfen Einbruch im Jahr 2009 mit einer anschließenden teilweisen Erholung, wie in Versuch 1 beobachtet, gibt es hier nicht.

Bei der Suche nach den Arten, deren Boniturwerte 5 bis 9 über den Zeitraum von 2008 bis 2012 bei mind. 90 Prozent lagen, findet sich nur eine Art in der Variante mit 19 Prozent Schattierung: Chrysanthemum arcticum. Alchemilla erythropoda weist in der Variante ohne Schattierung von 2009 bis 2012 jeweils 100 Prozent der Boniturwerte 5 bis 9 auf. Bei allen anderen Arten treten solche Werte über 90 Prozent immer nur vereinzelt in den unterschiedlichen Jahren auf. Es ergibt sich somit kein klares Bild und im Gegensatz zu Versuch 1 tritt keine Art besonders hervor.

Bauwerksbegrünung
Bergenia crassifolia gehört zu den drei Arten, die sich besonders gut an Sonne und Schatten anpassen können. Foto: LWG
Bauwerksbegrünung
Tab. 3: Vitalität 2012, Versuch 2. Ein "-" bedeutet, dass die Pflanze entweder abgestorben war oder zum Zeitpunkt der Bonitur nicht genau zu beurteilen war (z.B. eingezogen oder geschädigt durch Trockenheit); "0" bedeutet, dass bei der betreffenden Variante kein Boniturwert zwischen 5 und 9 vergeben wurde.
Bauwerksbegrünung
Tab. 4: Zahl der Arten, deren Anteil der Boniturnoten 5–9 ?50% beträgt.

Fazit

Durch die bewusst extrem gehaltenen Versuchsbedingungen sind viele Arten im Verlauf der sechs Jahre ausgefallen. Da mit einer deutlichen Ausfallrate gerechnet worden war ist mit einer hohen Zahl von Staudenarten begonnen worden. Die Tabelle 1 zeigt, dass es im Versuch 1 dennoch eine ganze Reihe von Arten gibt, die zumindest in zwei der drei Varianten gut wachsen. Dass in den Varianten ohne Schattierung und mit 19 Prozent Schattierung drei Mal mehr Arten zu 100 Prozent die Boniturwerte 5 bis 9 aufweisen als in Variante mit 60 Prozent Schattierung ist bei den überwiegend Sonne und Licht liebenden Arten keine große Überraschung. Nur bei der stärkeren Beschattung mit 60 Prozent ist für viele Arten eine Grenze überschritten und Wachstum und Vitalität gehen merklich zurück. Es gibt nur wenige Alleskönner. Der Star ist sicher Bergenia crassifolia, die allen Widrigkeiten zum Trotz immer nur Bestnoten bekommen hat. Genau betrachtet ist das keine wirkliche Überraschung, da Bergenien schon immer als zählebige und genügsame Stauden bekannt sind. Nur in der extensiven Dachbegrünung spielten sie bisher keine Rolle. Das sollte sich in Zukunft ändern… Sehr anpassungsfähig zeigten sich auch Sedum ellacombianum und S. hybridum 'Immergrünchen', die sich unabhängig vom Schattierungsgrad und über die gesamte Versuchsdauer immer vital präsentierten.

Im Versuch 2 mit lediglich 18 Arten und dem Substrat von Gelsenrot konnte über die Jahre nur Chrysanthemum arcticum überzeugen. Ähnlich wie die Bergenie ist auch das keine klassische Art für die extensive Dachbegrünung. Offenbar verfügt sie aber über verborgene Qualitäten, die unter anderem dazu führten, dass sie immer wieder die Grenzen ihrer Parzelle überschritten hat.

Ausblick

Seit dem Frühjahr 2009 ist ein Folgeversuch auf einem Dach des Walderlebniszentrums in Gramschatz aufgebaut. Auf der Basis der bis 2009 vorliegenden Ergebnisse ist dort eine Versuchspflanzung in Form einer gemischten Pflanzung angelegt worden. Dieser Versuch ist zum Jahresende 2013 ausgelaufen. Die Ergebnisse werden voraussichtlich im Februar 2017 publiziert werden.

Literatur

Schmidt, S. (2004): Schattenverträgliche Pflanzengesellschaften zur extensiven Dachbegrünung - Höhere Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau (HBLFA), Wien-Schönbrunn.

Schmidt, S. (2005): Schattenverträgliche Dachbegrünung auf dünnem Extensivsubstrat, Abschlussbericht - Höhere Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau (HBLFA), Wien-Schönbrunn.

Schönfeld, P. (2009): Raus aus dem Schattendasein! Extensive Dachbegrünung für schattige Standorte. Veitshöchheimer Berichte aus der Landespflege, 123, S. 59-67.

Dr. Philipp Schönfeld
Autor

Ehem. Sachgebietsleiter Pflanzenökologie und Pflanzenverwendung

Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau

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