Quantitative Claim-Management-Analyse im GaLaBau

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Vorstellung der quantitativen Auswertungsergebnisse zum Claim-Management in Bezug auf die strategische Kundenentwicklung bei Direktaufträgen im GaLaBau auf Basis des Positionsbeitrages mit dem Titel "Claim-Management und die Auswirkung auf die strategische Kundenentwicklung"¹.

Die Verfasser legten im August 2014 einen Positionsbeitrag zur Darstellung des Zielkonfliktes zwischen den Unternehmensprozessen "Claim-Management" und "strategische Kundenentwicklung" - also zwischen der konkurrierenden Zielstellung Sicherung und Optimierung von Baustellenergebnissen einerseits und dem Aufbau von Vertrauen zur nachhaltigen Erlangung von Direktaufträgen und Zusatzarbeiten andererseits dar. Demnach "Entstehen bei der systematischen Feststellung, Verantwortungszuweisung und Sanktionierung von Mehrkostenforderungen respektive Terminverlängerungsansprüche und der damit einhergehenden möglichen Zielverfehlung unvereinbare Interessenskonflikte. Aufgrund der oftmals negativen monetären und zeitlichen Auswirkungen auf das Bauprojekt werden geradezu 'Schuldige' erzeugt. Folglich werden gestellte Ansprüche personifiziert. Resultierend entsteht in vielen Fällen eine ablehnende Haltung zwischen den handelnden Personen."² Dies führt regelmäßig zu einem Vertrauensabbau und steht konträr zu den Zielstellungen einer nachhaltigen Auftragsbeschaffung. Der derzeitige Umgang mit diesem Zielkonflikt wurde über die zwei Extremhaltungen - Aufgabe jeglicher rechtmäßiger Ansprüche unter Wahrung der Harmonie und rigoroses Claim-Management ohne Kompromissbereitschaft - beschrieben.³

Die Motivlage zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dieser Problemstellung beruht wesentlich auf dem Einzug des "Claim-Management" in dem letzten Jahrzehnt in der Branche des Garten- Landschafts- und Sportplatzbaus. So wurde die Thematik in ihrem gesamten Umfang erstmalig auf den Landschaftsbautagungen 2007, 2008 und 2009 aufgegriffen.4 Die Osnabrücker Baubetriebstage folgen der Themenstellung im Februar 2014 mit dem Titel "K(l)eine Nachträge - Änderungen bei kleinen Bauvorhaben -".5 Auch die branchenspezifische Literatur behandelt die Thematik zunehmend intensiver.6 Begleitet wurden die jeweiligen Veröffentlichungen sowie angebotenen Weiterbildungsmöglichkeiten immer von dem Tenor der zuvor resümierten Problemlage.

In dem nachfolgenden Beitrag werden nun die ersten quantitativ erhobenen Daten aus der Branche Garten- Landschafts- und Sportplatzbau basierend auf den identifizierten Analysefeldern und gebildeten Arbeitsthesen des Positionsbeitrages von 2014 veröffentlicht. Diese bilden die Grundlage für eine weiterführende qualitative Erhebung mittels leitfadengestützter Experteninterviews. Eine kritische Reflektion der Ergebnisse sowie ein Ausblick über das bereits weiterentwickelte und betriebene Forschungsdesign sollen einen abschließenden Ausblick vermitteln. Damit soll gleichzeitig dem Anspruch eines transparenten und erlebbaren Forschungsprozesses in der Branche Rechnung getragen werden.

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Grundlage der Datenerhebung

Als Grundlage der Datenerhebung wurde ein dreiseitiger Fragebogen entwickelt der zur empirischen Absicherung der dort aufgeworfenen Einschätzungen und Überlegungen dient,7 wobei von den Verfassern folgende Kriterien an den Fragebogen gestellt wurden:

  • Hohe Verständlichkeit bei den Praktikern,
  • Beantwortungszeit in max. 5 Min.,
  • Hauptanteil in geschlossener Fragestellung,
  • Rückfragemöglichkeit gegeben,
  • Versendung via Fax-Rundschreiben möglich mit dem Ziel eine möglichst hohe Nettorücklaufquote zu erreichen.8

Nach Hofstadler9 sei der standardisierte Fragebogen die am häufigsten verwendete Datenerhebungsmethode vornehmlich in den Sozialwissenschaften. Nach ihm würde es sich dabei um Formen der Primärerhebung handeln, die im Gegensatz zur Sekundäranalyse neues Datenmaterial erhebt.10

Gestützt wird der Aufbau des Fragebogens durch die Inhaltsdarstellung des Positionspapieres anhand der dort beschriebenen drei Analysefelder im Unternehmensprozess "Claim-Management" (I) Teilschritte des Claim-Managements, II) Mehrkostenforderungsarten und III) Claim-Strategie) im Kontext der vier Konfliktarten nach Berkel¹¹ (Sachkonflikt, Beziehungskonflikt, Wertkonflikt und Innerer Konflikt) und deren Reduktion auf die drei Arbeitsthesen:

  • "Arbeitsthese 1: Im Wertschöpfungsprozess 'Claim-Management' besitzen die Teilschritte 'Claim-Begründung' und 'Claim-Verhandlung/-durchsetzung' das höchste Konfliktpotential, mit der Folge einer möglichen Verschlechterung der Beziehungsqualität und Kundenzufriedenheit (Analysefeld I).
  • Arbeitsthese 2: Den Mehrkostenforderungsarten Kündigungsvergütung und Schadensersatz/Entschädigung ist ein hohes Konfliktpotential zuzuweisen, weil eine Nutzenkomponente für den Auftraggeber nicht erkennbar ist, was mit einer erhöhten Kundenunzufriedenheit einhergehen dürfte (Analysefeld II).
  • Arbeitsthese 3: Der offensiven-unfairen Claim-Management-Strategie ist der massivste Vertrauensabbau zuzusprechen, weil sie bei dem Auftraggeber Ängste hinsichtlich der monetären Zielverfehlung bezüglich des Projektbudgets schürt (Analysefeld III)."¹²

Weiterhin wurde dem Fragebogen ein einleitender Strukturfragenanteil unter dem Titel "Angaben zum Unternehmen" (Unternehmensgröße nach Mitarbeitern, Art der Auftragsakquisition, Organisationsgrad) vorangestellt - eine wesentliche Beurteilungshilfe zur Interpretation nachfolgender Fragestellungen und Anhaltspunkt zur Korrelation von Fragenstellungen. Der Fragebogen wurde danach in drei weitere Hauptfragestellungen mit jeweilig verschiedenen Antwortmöglichkeiten unter Verwendung einer äquidistanten Rating-Skala zur Feststellung der Intensität der Zustimmung (z. B. immer, häufig, selten, gar nicht) aufgebaut. Die Hauptfragestellungen lauten:

  • Inwieweit machen Sie bei Ihren Bauvorhaben Ansprüche geltend?¹³
  • Wie machen Sie Ihre Ansprüche geltend?14
  • Wie sind Ihre Erfahrungen mit der Durchsetzung von Nachträgen?15

Abschließend gab der Fragebogen noch die Möglichkeit persönliche Anmerkungen zu der aufgeworfenen Thematik in einem vorgegebenen Textfeld zu äußern, sowie die Fragestellung zur Bereitschaft an einer Teilnahme an einen Experteninterview zur weiteren Erhebung qualitativer Daten.

Erhebung der Daten

Der vorbeschriebene Fragebogen wurde am 12.08.2015 nach der Durchführung eines Pretests unter dem Rundschreiben 54 an alle Mitglieder des Verbandes Garten- Landschafts- und Sportplatzbau Nordrhein-Westfalen e. V. (964 Unternehmen) und am 01.09.2015 an alle Mitglieder des Verbandes Garten- Landschafts- und Sportplatzbau Bayern e. V. (540 Unternehmen) versendet. Der Rücklauf wurde bis zum 01.09.2015 NRW/15.09.2015 Bayern erbeten; weiterhin wurde nochmal bis zum 15.09.2015 NRW/30.09.2015 Bayern nachgefasst. Damit wurden 1505 Unternehmen der Branche befragt, was einen Anteil 41,8 Prozent der Mitgliedsbetriebe (3597) des Verbandes Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau entspricht.16

Auswertungsergebnisse und deren kritische Reflektion

Insgesamt wurden von den versandten 1505 Fragebögen 127 bearbeitete Fragebögen abgegeben, was einer Bruttorücklaufquote von 8,44 Prozent entspricht. Diese Rücklaufquote lässt sich im Erfahrungsvergleich zu den bisherigen Umfragen der Landesverbände unter ihren Mitgliedsbetrieben als "gewöhnlich" einstufen und kann daher als ausreichend repräsentativ bewertet werden. Aufgrund von fehlenden zurückgesendeten zweiten Seiten des Fragebogens durch die Teilnehmer, können die Auswertungen der beiden letzten Hauptfragestellungen nur von 118 Betrieben einbezogen werden, so dass sich von einer Nettorücklaufquote von 7,84 Prozent sprechen lässt - ebenfalls ein noch akzeptabler Wert in diesem Befragungsumfeld.17

Folgende Auswertungsergebnisse lassen sich grafisch anhand der drei Hauptfragestellungen aufzeigen (vgl. Abb. 1-4).

Das Ergebnis zeigt deutlich, dass sich die Unternehmen der Branche mehr mit sogenannten Sachnachträgen als mit Bauzeitnachträgen auseinandersetzten. Die belegt eindeutig auch der arithmetische Mittelwert18 (Mw). Eine Korrelation mit den Strukturfragen zu der Unternehmensgröße ergab ebenfalls keine signifikante Unterscheidung in Bezug auf die Anspruchsgeltendmachung, wobei die sechs möglichen Optionen zur Mitarbeiteranzahlangabe in zwei Gruppen (bis 30 Mitarbeiter und ab 31 Mitarbeitern) zusammengefasst wurden. Eine weitere Korrelation wurde in diesem Fragenkontext in Bezug auf die Aufgabenschwerpunkte vorgenommen; hierbei wurden in das Cluster A (Gartengestaltung/Gartengestaltung und Pflege) und in das Cluster B (Landschaftsbau/Landschaftsbau und Pflege/Landschaftsbau und Sportplatzbau) unterteilt. Dabei fielen 26 Betriebe in keines dieser beiden Cluster. Auch hiernach lässt sich keine eindeutige Signifikanz bestimmen und damit eine Tendenz sowohl zu den Betriebsgrößen als auch zu dem Aufgabenspektrum ableiten. Jedoch zeigen die freien Kommentierungen zu der Thematik in Bezug zu den Direktaufträgen den "gepflegten Umgang im Privatgartenmarkt" deutlich auf oder konkret: Die Marktmentalität stellt die Kundenzufriedenheit in den Vordergrund19.

Weiter wurde in Anlehnung an die Arbeitsthese I sowie III der Zeitpunkt zur Anspruchsgeltendmachung befragt, wobei drei Wahlmöglichkeiten vorgegeben wurden. Erkennbar wird hierbei ein großer Anteil an Unternehmen, die angeben, ihre Ansprüche "immer" oder "häufig" vor Ausführungsbeginn geltend zu machen. Die Frage zur Geltendmachung zum Zeitpunkt der Schlussrechnung wurde eher ablehnend beantwortet.

Die zweite Kategorie der Hauptfragestellung 2 "Wie machen Sie Ihre Ansprüche geltend?" bezog sich auf die Art der Geltendmachung, d. h., die Fragestellung zielte auf die Verhaltenskomponente und damit maßgeblich auf das Analysefeld I ab. Folgende Ergebnisse lieferte diese Befragung mit den nachfolgend aufgeführten drei Antwortmöglichkeiten (vgl. Abb. 3).

Als wesentlich lässt sich hierbei herausheben, dass 100 Unternehmen angeben zuvor eine Ankündigung der Mehrkostenforderung durch ein Gespräch vorzunehmen (Möglichkeit zur Nachtragskonfliktprävention), dann im Vergleich hierzu nur noch 72 Unternehmen die (teilweise) geforderte Schriftform wählen. Als "interessant" kann die letzte Frage (3.2.3) angesehen werden: Knapp ein Viertel der befragten Unternehmen beantworten die Fragestellung mit "immer" oder "häufig" und gestehen damit, wenn auch indirekt, Unaufrichtigkeit in der Bauabrechnung ein.

Als Kernstück der schriftlichen Expertenbefragung lässt sich die Hauptfragestellung 3 betrachten, die sowohl Aufschluss über die Analysefelder und die empirische Überprüfung der dort aufgezeigten Einschätzungen als auch generell über die Relevanz dieser Thematik in der Branche geben soll. Dabei zielt die erste Frage (4.1) maßgeblich auf die praktische Anwendung der Claim-Strategie in den Unternehmen ab (Analysefeld III), die weiteren zwei Fragestellungen (4.2 und 4.3) betreffen das aufgeworfene Kernproblem - sprich den sich darstellenden Zielkonflikt zwischen dem Claim-Management und der strategischen Kundenentwicklung. Die Fragen 4.4 und 4.5 dienen zur empirischen Überprüfung des Analysefeldes II und die Fragen 4.6 bis 4.8 sollen bereits mögliche Antworten über das Verhalten der Unternehmen bei Nachtragsstreitigkeiten mit Kunden liefern.

Die erste Frage (4.1) zeigt, dass nur 15 von insgesamt 118 Unternehmen die Prüfung von Nachtragspotentialen bereits in der Angebotsphase unter der Antwortkategorie "voll und ganz" beantworten, weitere 35 Unternehmen nur mit "weitgehend". Dies lässt darauf schließen, dass der Großteil der Unternehmen keine "offensiv-unfaire Claim-Management-Strategie" anwenden wird, da dieses Kriterium wesentliche Vorrausetzung hierfür ist.20 Als "stark überraschend" lässt sich das Umfrageergebnis aus den Fragen 4.2 und 4.3 aus Sicht der Verfasser betrachten. So führen unter der Fragestellung, ob Nachtragsansprüche das Klima zwischen Auftragnehmer und Kunde verschlechtern würden, gut 50 Prozent der Unternehmen aus, das diesem Umstand eher nicht oder gar nicht so sei. Mit der weiter fokussierten Fragstellung: "Die Durchsetzung von Nachträgen führt zum Verlust des Kunden", antworten nur vier der befragten Unternehmen mit "voll und ganz", weitere 18 mit "weitgehend" und knapp 100 Unternehmen scheinen das Problem nicht zu sehen bzw. zu haben (vgl. auch den Mw von 2,11). Die Frage 4.2 wurde demzufolge zunächst mit den Strukturfragen korreliert, um einen weiteren Aufschluss über die Beantwortung sowohl in Bezug auf die Unternehmensgröße als auch zur Aufgabenstruktur der Unternehmen zu erhalten. Nicht nur anhand der Strukturfrage zu der Unternehmensgröße (bis 30 Mitarbeiter und ab 31 Mitarbeitern) sondern auch zu den Aufgabenschwerpunkten (Cluster A: Gartengestaltung/Gartengestaltung und Pflege und Cluster B: Landschaftsbau/Landschaftsbau und Pflege/Landschaftsbau und Sportplatzbau) ließen sich keine eindeutigen Signifikanzen ableiten. Weiter wurden die Fragen 4.1 bis 4.3 mit den beiden Fragen aus der Hauptfragstellung 1 "Inwieweit machen Sie bei Ihren Bauvorhaben Ansprüche geltend?" korreliert, um Bezüge zwischen der Wirkung auf Kunden und der tatsächlichen Nachtragsstellung aufzudecken. Hierbei ergibt sich folgendes Bild: Diejenigen, die Leistungsänderungen "immer und häufig" geltend machen, zeigen sich in der Frage 4.2 indifferent (knapp 50 Prozent sehen den Zielkonflikt), die Frage 4.3 wird in der Darstellung der Endkonsequenz jedoch nicht gesehen. Allerdings deutet sich ein ähnliches Bild bei der Gruppe an, die Leistungsänderungen selten oder gar nicht geltend machen. Dies könnte darauf hindeuten, dass diejenigen, die die Kundenbeziehungsverschlechterung erkannt haben, deswegen keine Leistungsänderungen in der Form von Nachträgen anbringen. Ein nahezu identisches Bild zeigt sich bei der Frage nach der Durchsetzung bei Bauzeitverzögerung in Bezug auf die Fragen 4.2 und 4.3.

Damit ließe sich zunächst einerseits die Relevanz der wissenschaftlichen Problemstellung in Frage stellen, andererseits wird die Problemlage wie eingangs erwähnt von vielen Praktikern im Diskurs annähernd beurteilt und nach der Frage 4.2 auch von knapp 50Prozent der Befragten ähnlich gesehen. Demzufolge sehen sich die Verfasser vor dem Hintergrund dieses Ergebnisses geradezu gezwungen, sogenannten Posthoc-Hypothesen²¹ aufzustellen, um zunächst Erklärungsansätze zu liefern. Diese müssen allerdings dann einer weiteren empirischen Überprüfung unterzogen werden.

Folgende Posthoc-Hypothesen lassen sich daher formulieren:

  • Die Unternehmen der Branche betreiben die idealtypisch aufgezeigten Prozesse sowohl in der Ausprägung als auch in der notwenigen Intensität (Konsequenz) nicht.²²
  • "[. . . ] es zeigen sich viele gerade kleinere und mittelständische Nachunternehmer [Unternehmer] sehr flexibel, was das Absorbieren und Abfedern von Änderungsanordnungen auf die Bauzeit betrifft."²³ Das heißt es wird bei Vertragsabweichung häufig nicht nach den offiziellen Vertragsbedingungen im beiderseitigen Einvernehmen gearbeitet. Damit besteht eine Art "Produktionskodex", der zu keinem Reputationsverlust führt.24 (vgl. hierzu auch die Beantwortung der Frage 3.2.3).
  • Die Unternehmen bemerken den doch vorhandenen Reputationsverlust nicht, weil der Anteil an potenziellen und existenten Wiederholkunden in der Branche immer gering in Relation zu den Einmalkunden sei.25
  • Die befragten Unternehmer wollen schlichtweg die Problematik für ihr Unternehmen nicht preisgeben.
  • Die Frage 4.3 erscheint zu überspitzt in der Endkonsequenz formuliert gewesen zu sein.

Die Fragen 4.4 und 4.5 bestätigen genau die von den Verfassern subjektiv eingeschätzten Sachverhalte aus dem Analysefeld II, so dass diese als richtigbefunden empirisch überprüft in die weitere Ausarbeitung einfließen können. Es bleibt jedoch zu beachten, dass es 22 Enthaltungen bei der Frage 4.5 gibt - nach Auffassung der Verfasser kann dies auch ein deutliches Indiz für ein fehlendes aktives Claim-Management in den Unternehmen sein; dies würde die erste Posthoc-Hypothese unterstützen. Bei den Verhaltensfragen in Bezug auf sich anbahnende Nachtragsstreitigkeiten lässt sich nur ein diffuses Bild beschreiben. Zwar sind die Unternehmer größtenteils bereit auf Nachträge ganz zu verzichten, um nicht einen Kunden zu verlieren, wobei sie das Problem in Frage 4.3 eigentlich nicht sahen; wird jedoch ein gänzliches Entgegenkommen vom Auftraggeber negiert, scheinen mehr bereit zu sein einen Rechtstreit führen zu wollen26. Zur Lösung des sich ergebenden Konfliktes halten dann 90 der befragten Unternehmen ein ADR-Verfahren für angebracht.

Ausblick mit weiterführendem Forschungsdesign

Die vorangegangene quantitative Auswertung und die Reflektion der Daten hat deutlich gezeigt, dass die aufgerissene Problemstellung in der Branche trotz vielerlei Klagen scheinbar nicht den Stellenwert aufweist wie bis dato angenommen. Hierzu wurden sog. Posthoc-Hypothesen postuliert. Trotzdem hat sich gezeigt, dass ein kleiner Teil der Unternehmen die Problemstellung sehr wohl erkannt hat und an Lösungsmöglichkeiten ein hohes Interesse äußert. Dies zeigt insbesondere die Korrelation zwischen der Frage zur Bereitschaft an einem Experteninterview und der Frage 4.2 (Klimaverschlechterung), die hier deutlich gesehen wird. Demzufolge soll der eingeschlagene Weg unter gewissen Modifizierungen27 fortgesetzt werden; gleichwohl liegt es im Forschungsinteresse die formulierten Posthoc-Hypothesen näher zu untersuchen.

Die weiteren Datensätze haben die gebildeten Annahmen der Verfasser aus dem Positionspapier 2014 positiv bestätigt, so dass die dort prioritären Subanalysefelder Bestand haben (Analysefeld II).

Insgesamt kann anhand der Befragung die Tendenz abgelesen werden, dass sich die Branche im Gegensatz zu der Bauindustrie stärker von Vertragsauseinandersetzungen abzuwenden scheint, vielmehr auf ein kooperatives Verhalten setzt ohne dabei jedoch den Weg zur monetären Auskömmlichkeit der Baustellen klar zu benennen (Vermutung des Vorliegens eines Ansatzes zur beziehungserhaltenen Beilegung als zur rechtlich korrekten Beilegung von Nachtragsauseinandersetzungen).

Der weitere Forschungsweg soll daher wie folgt beschritten werden: Nach der Darstellung der vorbezeichneten Problemstellung sowie der Konzeptualisierung zum Angang der Problemstellung (Bildung von Analysefeldern I-III sowie prioritären Subanalysefeldern und Arbeitsthesen) - beides dargelegt in dem Positionspapier 2014 - wurde sowohl die Relevanz der Problemstellung als auch die Validierung/Falsifikation der Einschätzung aus den Analysefeldern empirisch überprüft. Das Ergebnis verlangt die Bildung von Posthoc-Hypothesen. Bestätigt wurde die Problemstellung, jedoch muss der betroffene Teilnehmerkreis reduziert werden. Das setzt voraus, das die qualitative Erhebungsmethode auf diejenigen Teilnehmer beschränkt werden muss, die die Problemlage auch tatsächlich erkannt bzw. sich zu dieser bekannt haben. Demzufolge lässt die sich anschließende qualitative Erhebungsmethode schematisch wie folgt aufzeigen (vgl. Abb. 5).

Die Grafik bildet den gewählten explorativen Ansatz ab, das heißt es werden detaillierte Erklärungsansätze für die aufgerissene Problemstellung gesucht (induktiv-qualitativer Ansatz zur nachfolgenden Theorienbildung). Dies geschieht auch vor dem Hintergrund einer in der Praxis nach Auffassung der Verfasser zu reduziert geführten Diskussion um Selbige.

Helferich28 betont in diesem Kontext die Wichtigkeit der Klarheit über den Forschungsgegenstand. Aus diesem Grund ist ein Bezugsrahmen zu bilden, auf den das problemzentrierte Interview zur weiteren Erhebung dezidierter Datensätze gestützt wird. Der hierzu eingeschlagene Weg der Verfasser soll nachfolgend aufgezeigt werden:

Um die Wirkung von Marketingaktivitäten auf das Konsumentenverhalten zu erforschen, werden sog. "aggregierte Erklärungsansätze" gebildet.29 Diese werden auch aIs "physiologische Ansätze" bezeichnet, die sich mit dem tatsächlichen Verhalten von Personen auseinandersetzen;30 sie können aber auch zur Klärung sozialpsychologischer Phänomene dienen. Sie stellen damit einen Gegensatz zu den mikroökonomischen Theorien³¹ dar.³² In der einschlägigen Marketingliteratur werden SR- (Stimulus-Response-Modelle oder Black-Box-Modelle auch als behavioristischer Ansatz bezeichnet) und SOR-Modelle (Stimulus-Organismus- Response-Modelle oder Echte Verhaltensmodelle auch als neobehavioristischer Ansatz bezeichnet) differenziert.³³ Weiterhin werden auch Totalmodelle herangezogen34, die jedoch aufgrund der Bildung von hypothetischen Konstrukten und der hohen Abstraktion für die Aufgabenbearbeitung zu diesem Zeitpunkt als ungeeignet erscheinen.35

Grundlage der SR- und SOR-Modelle ist die Beobachtung einer Reaktion/Verhalten (Response) auf einen bestimmten Reiz (Stimulus). Bei den SOR-Modellen werden die Beobachtungen des Verhaltens um die Aufnahme des im inneren des Konsumenten ablaufenden Prozesses ergänzt, dass in der Regel durch eine Befragung erfolgt.36 Dementsprechend weisen die SOR-Modelle beobachtbare Variablen (Reiz und Reaktion) und intervenierende Variablen (Erklärung der Vorgänge im Organismus) auf.37 Die intervenierenden Variablen werden mit Konstrukten wie Aktiviertheit, Emotionen, Motive und Werten und Einstellung, Zufriedenheit, Vertrauen und kognitiven Prozessen wie Wahrnehmen oder Lernen beschrieben.38

Damit bietet ein Erklärungsansatz auf Basis eines SOR-Modells nach Ansicht der Verfasser einen geeigneten Bezugsrahmen, um die konfliktären Auseinandersetzungen im Claim-Management einer qualitativen wissenschaftlichen Erforschung zuzuführen. Hierzu soll die Modellkonzeption also nicht zur Erforschung von Konsumentenverhalten herangezogen werden, sondern zur Erfassung von auftragnehmerseitiger "Stimulation" durch die systematische Feststellung, Dokumentation und Geltendmachung von nicht geregelten Ansprüchen zwischen beiden Parteien durch Beobachtung (Inputvariable); der intervenierenden Variablen "Aktiviertheit" bestimmt durch Emotion, Motive, Werte und Einstellung und der "kognitiven Prozesse" Wahrnehmen, Lernen, Entscheiden durch Befragung sowie die Reaktion des Auftraggebers (Outputvariable). Die Reaktion des Auftraggebers muss allerdings in Bezug auf die zu lösende Problemstellung in zwei Schritten erfasst werden; nämlich die kurzfristige Reaktion auf den jeweiligen Claim-Sachverhalt im laufenden Projekt und auf die abschließende Reaktion nach Projektende. Der Modellansatz ermöglicht zunächst die systematische Erfassung und Zuordnung aller bisher zu beobachtender Stimuli und Reaktionen in einem detaillierten und umfassenden Gesamtzusammenhang; weiterhin die Befragung der intervenierenden Variablen und dürfte damit zum Erkenntnisgewinn der Auslösung der jeweiligen zu beobachtenden Konflikte führen (Erklärung von Ursache und Wirkung des Claim-Managements). Im Umkehrschluss können dann die "Stimuli" bezogen auf die intervenierenden Variablen überdacht und gegebenenfalls einer Modifikation zugeführt werden. Das folgende SOR-Modell zeigt den Gesamtzusammenhang auf (vgl. Abb. 6).

Das dargelegte SOR-Claim-Modell zeigt die Input-, Intervenierenden und Outputvariablen, die einer Untersuchung zugeführt werden sollen im Zusammenhang auf. Hierbei lassen sich die "Stimuli" bereits durch die rechtlichen Vorgaben insbesondere durch die VOB/B und VOB/C sowie die beschriebenen Vorgehensweisen anhand der Literatur gut bestimmen. Fraglich erscheint nur, ob die Regelkonformität in der Praxis in Gänze zur Anwendung gelangt. Die Wirkungen auf den Organismus des Auftraggebers lassen sich derzeit, wenn überhaupt, nur vermuten. Erste konkretisierte Bedürfnisaussagen in Bezug auf die Projektbeteiligten lassen sich bei Buschmann finden.39 Für die Untersuchung dieser intervenierenden Variablen scheint es in diesem Kontext jedoch geboten, die Qualifikation sowie die mögliche Einbindung in eine Entscheidungsgruppe zu berücksichtigen, um keine verkehrten qualitativen Bewertungen vorzunehmen. Damit wird der "Organismus" noch um zwei "Äußere Bedingungen" erweitert. Der Response I ist bereits in einer Vielzahl von Veröffentlichung beschrieben worden.40 Hingegen wurde der Response II bis dato nur in dem veröffentlichten Thesenpapier der Verfasser thematisiert. Als Grund für diese Reaktion wurde der massive Vertrauensabbau geschildert.41

Der Modellansatz erlaubt daher anschließend die Zuweisung der prioritär zu behandelnden Analysefelder und dementsprechend die Konzeption der empirischen Datenaufnahme über zu führende Experteninterviews.

Literatur

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Prof. Dr.-Ing. Felix Möhring
Autor

Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe

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