Rasen unter Beobachtung

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Das Jahr 2018 hat auf vielen Rasenflächen Spuren hinterlassen. Gartenbesitzer, Städte und Kommunen befürchten, die letztjährige Situation könnte sich 2019 wiederholen. Und tatsächlich: das Wasserdefizit ist schon jetzt in vielen Regionen spürbar. Natürlich kann sich – und ich würde es uns und der Natur wünschen – noch manches zum Positiven verändern. Aber was tun, wenn nicht? Wie pflegt man den Rasen so, dass er Trockenphasen und Hitzetage besser übersteht und dabei noch weniger Wasser verbraucht?

Zunächst: Rasen braucht Wasser. Unsere Gräser bestehen zu bis zu 95 Prozent aus Wasser und schon der Verlust von 5 Prozent davon führt zu ihrem Absterben. Wasserverluste drohen im Sommer insbesondere durch den Rasenschnitt und bei der Photosynthese. Unsere Kaltzonengräser, die Gräser Mittel- und Nordeuropas, müssen zur Aufnahme von CO 2 , unverzichtbar für die Photosynthese, die Stomata öffnen, um es aus der Umgebungsluft aufzunehmen. Dabei verlieren sie Wasser, ungewollt. Es verdunstet einfach, auch an den Schnittwunden nach dem Mähen bis sich dort eine Borke gebildet hat. Kann die Pflanze mit den Wurzeln kein frisches Wasser mehr aus dem Boden aufnehmen, weil er zu trocken ist, bleiben die Stomata zu. Die Photosynthese kommt zum Erliegen und die Pflanze lebt von ihren Zuckerreserven, die sie „veratmet“. Solche Trockenphasen können die meisten Gräser einige Tage bis zu Wochen überstehen. Fällt Regen oder wird der Rasen beregnet und die Pflanzen können wieder Wasser aufnehmen, werden die Stomata auch wieder geöffnet und die Photosynthese aktiviert.

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Anders sieht das bei starker Hitze aus. Dann können wenige Stunden ausreichen, um einen Rasen absterben zu lassen. Bei Temperaturen über 43 °C fangen bei den empfindlichen Grasarten die Eiweiße an zu denaturieren. In der Folge werden die Zellen zerstört. Zu viele solcher Zellverluste führen zum Absterben ganzer Blätter und schließlich der kompletten Pflanze: Vom Rasen bleibt nichts übrig. Und wie Tabelle 3 zeigt, können schon drei heiße Stunden ausreichen. Hitze ist daher für die Gräser wesentlich gefährlicher als kühle Trockenheit. Bei Grasarten mit einer besseren Hitzetoleranz dauert es länger bis sich diese nach einer Trockenheit und anschließender Wiederbefeuchtung wieder erholen.

Wie kühlt man einen Rasen ab?

Bei der Hitze gilt es daher anzusetzen. Abkühlung ist gefragt! Aber wie soll man einen Rasen kühlen? Nun, man kann es mit „Verdunstungskälte“ machen. Dazu wird der Rasen etwa zwei Stunden vor Sonnenhöchststand (13.00 Uhr MESZ) kurz bewässert. 1 bis 2 Min. beziehungsweise eine Umdrehung eines Vollkreisregners reichen bereits. Dieses Wasser soll nicht in den Boden einsickern. Es soll in der Grasnarbe zwischen den Blättern und Trieben verbleiben und langsam verdunsten. Dabei entsteht Verdunstungskälte, die die Pflanzen und den Grasbestand abkühlt. So kann man Hitzeschäden vorbeugen.

Wer kein Wasser dafür hat oder es für andere Zwecke sparen muss/möchte, kann den Rasen in der Mittagszeit beschatten. Gerade in kleinen Gärten ist das effektiv, einfach und preiswert. Die Erweiterung des Sonnensegels von der Terrasse oder über dem Sandkasten auf die Rasenfläche. So wird die Mittagshitze ausgesperrt und vielleicht nutzen die Rasenbesitzer ihn dann auch wieder mit mehr Genuss in dieser Zeit. Am Nachmittag muss die Beschattung entfernt werden, denn die Gräser brauchen durchaus das Licht für die Photosynthese. Durch die Beschattung aber, können sich weder der Boden noch die Gräser so stark erhitzen und auch die Verdunstung beziehungsweise Evapotranspiration wird reduziert. Es verbleibt mehr Wasser im Boden und damit für die Gräser verfügbar.

Nähr- und andere Pflanzenhilfsstoffe

Kalium ist ein wichtiger Nährstoff in diesem Zusammenhang. Kalium stabilisiert die Zellwände und reguliert den Wasserhaushalt in den Pflanzenzellen. Gerade bei Trockenheit, neben der Anwendung zur Herbstdüngung vor dem Winter, ist Kalium daher unverzichtbar geworden. Versuche aus dem letzten Jahr haben gezeigt: Gut mit Kalium versorgte Rasenflächen haben sich nach der Trockenheit besser und rascher regeneriert als solche, die ohne oder mit nur sehr wenig Kalium auskommen mussten.

Eine Dienstleistung, die der GaLaBau seinen Rasenkunden anbieten könnte, wäre eine Siliziumbehandlung der Gräser. Silizium lagert sich auf dem Blatt an und führt zu einer verminderten Transpiration und damit zu einer besseren Trockenheitsverträglichkeit. Die Applikation verbessert auch die Photosynthese-Leistung.

Eine andere Möglichkeit der Unterstützung der Gräser ist die Ausbringung von Algenextrakten. Diese enthalten wichtige Vitamine und auch Pflanzenhormone. Bei Trockenheit und Hitze werden viele von diesen in den Gräsern nicht mehr in ausreichendem Maße produziert. Dann greift die Pflanze gerne bei diesen (von außen) applizierten Stoffen zu, nimmt sie auf und schleust sie in den eigenen Stoffwechsel ein. Algenextrakte werden von vielen Herstellern angeboten. Achten sollte man darauf, dass die Extrakte durch Kaltpressung entstanden sind. Nur dadurch erhält man die wertvollen Inhaltsstoffe.

Ganz elementar ist der Hinweis auf die Schnitthöhe. Im Sommer, ab Juni, sollte die Schnitthöhe eines Rasens grundsätzlich 1 bis 1,5 cm angehoben werden. Das liefert mehr Photosynthesefläche und bietet den Pflanzen, die ein Gleichgewicht von unter- und oberirdischer Substanz anstreben, die Möglichkeit, weitere und damit auch tiefer reichende Wurzeln zu bilden. So kann sich die Graspflanze auch bei Trockenheit noch länger aus der Bodenfeuchte mit Wasser versorgen.

In anhaltenden Trockenperioden, das sollte selbstverständlich sein, ist der Schnitt und jede Form der Belastung oder invasiven Pflege von Rasenflächen einzustellen.

Wasserversorgung

Womit wir bei der Wasserversorgung wären. Vollautomatische Bewässerungssysteme sind mittlerweile in den kleinsten Garten eingezogen. Und gerade bei voll besonnten und südexponierten Lagen ist das heute in einigen Regionen Deutschlands unverzichtbar geworden, wie wir im Rheingau – auch an der Hochschule Geisenheim University – in den letzten Jahren regelmäßig schmerzlich erleben mussten. Diese Bewässerungssysteme verleiten dazu, falsch zu bewässern. Man möchte die neue Beregnungsanlage doch auch sehen! Also läuft sie täglich ein paar Minuten. Aber gerade das ist schlecht für die Gräser. Der Boden wird auf diese Weise nur ganz flach durchfeuchtet, denn jeder Millimeter Niederschlag befeuchtet den Boden etwa einen Zentimeter tief. In wenigen Minuten können, je nach Beregnungsanlage und Wasserdruck, vielleicht 2 mm Wasser pro Quadratmeter ausgebracht werden, der Boden also lediglich 2 cm tief durchfeuchtet werden. Das fördert die flachwurzelnden und meist unerwünschten Gräser, wie die Jährige Rispe (Poa annua).

Unsere bevorzugten, wertvollen Rasengräser wie die Wiesenrispe (Poa pratensis) wurzeln tiefer, lernen aber rasch, dass unten kein Wasser ankommt und sie ihre Wurzeln besser ebenfalls nach oben schicken. Da der Boden jedoch immer von oben nach unten austrocknet werden die Pflanzen somit noch trockenheitsempfindlicher bzw. abhängiger von den Wassergaben.

Richtig ist es daher, den Boden mindestens 10 cm tief zu durchfeuchten. Dazu bedarf es nach unserer Rechnung einer Wassergabe von 10 mm = 10 l/m 2 . Würden diese 10 l/m 2 in einer Gabe verabreicht, würden sie zu einem stärkeren oberflächlichen Abfluss führen. Daher ist die Menge in mindestens drei kleinere Teilgaben aufzuteilen und dem Wasser immer ausreichend Zeit zum Versickern zu geben. Erst wenn das passiert ist, folgt die nächste Teilgabe. So kommen die gesamten 10 mm im Boden an und damit bei den tiefer liegenden Wurzeln unserer wichtigsten Rasengräser. In modernen Beregnungssystemen kann man solche Intervallberegnung einstellen. Ob das Ziel erreicht wurde, sollte mit einem Regenmesser, zur Kontrolle der Beregnungsmenge, und mit einem Spaten, zur Kontrolle der Eindringtiefe, überprüft werden. Dadurch ist es möglich, das Beregnungsintervall vielfach auf eine oder zwei Gaben pro Woche zu reduzieren. Wie man überhaupt weniger auf feste Bewässerungsintervalle geben sollte. Viel besser ist es, sich am Bedarf der Gräser zu orientieren – und die zeigen ihren Bedarf! Auf lange Sicht hilft das, den Wasserverbrauch für den Rasen zu reduzieren.

Wenn eine Person über einen Rasen läuft, stehen die niedergedrückten Gräser sofort wieder auf und die Spur ist nicht erkennbar. Bei Trockenheit jedoch fehlt es den Gräsern an Turgeszenz beziehungsweise Spannkraft und damit bleiben die Halme unten und die Fußspuren lange sichtbar. Das ist ein wichtiges Signal, nun zu bewässern. Jetzt müssen die 10 mm ausgebracht werden. Die Gräser nehmen daran keinen Schaden, aber das Bewässerungsintervall kann so maximal ausgedehnt werden.

Rasenfilz und seine Auswirkungen

Ein Wort noch zum Rasenfilz, dieser „Matte“ aus organischem Material der Blätter, Wurzeln und Triebe. Es ist abgestorben, wird aber aus den verschiedensten Gründen von der Mikro- und Makrofauna im Boden nicht abgebaut. Das kann zum Beispiel an den Blättern selbst liegen, die, wie beim Rotschwingel, so hart und zäh sind, dass weder Regenwürmer noch Bakterien daran Interesse haben. Aber oft genug liegt es an der Trockenheit, denn auch Regenwürmer und Bakterien brauchen Feuchtigkeit im Boden, um sich bewegen zu können und aktiv zu sein. Bei Trockenheit reichert sich daher häufig eine Schicht von organischer Substanz auf der Bodenoberfläche an.

Diese Schicht speichert Wasser wie ein Schwamm. Jeder Millimeter Rasenfilz fängt pro Quadratmeter einen ganzen Liter Wasser/Niederschlag auf. Bei einer Filzschicht von beispielsweise 9 mm wären die ersten 9 Liter Beregnungswasser oder Niederschlag für den Filz. Erst der 10te Liter geht in den Boden hinein, aber natürlich nicht tief. Daher ist im Frühjahr und Herbst alles zu tun, um Filzschichten zu vermeiden oder zu reduzieren. Striegeln, Rasenrechen, Vertikutieren: alles hilft, wenn es korrekt eingesetzt wird. Manches wirkt mehr vorbeugend. Vertikutieren kann jedoch dazu beitragen eine vorhandene Filzschicht abzubauen. Dafür muss der Vertikutierer jedoch auch korrekt und damit in erster Linie nicht zu tief eingesetzt werden.

Fazit

Trockenheit und Hitze sind maximaler Stress für unsere Rasengräser der gemäßigten Zone. Jede weitere Belastung kann hier zur Überlebensfrage für die Gräser werden. Schon ein Mähvorgang, eine Fahrt über den Rasen und einfaches Darüberlaufen kann den Vegetationspunkt und damit die Graspflanze als Ganzes zerstören.

Es ist daher alles zu vermeiden, was zusätzlich belastet. Kein Schnitt, keine Überfahrten und erst recht keine Bodenbearbeitung oder sonstige stresserzeugenden Pflegemaßnahmen während einer langen, massiven Hitze- oder Trockenperiode. Das gilt natürlich auch für jede belastende Nutzung der Fläche.

Mit eigener Wasserbevorratung von Dachflächen etc. und diesen Tipps zur Wasserersparnis, vermeiden wir hoffentlich, dass Bewässerungsverbote ausgesprochen werden und Rasenflächen wie in Kalifornien grün angespritzt werden müssen.

Prof. Martin Bocksch
Autor

Diplom Agrarbiologe

Hochschule Geisenheim University

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