Schnipp, schnapp, ab - Gehölzschnitt an Obstgehölzen

von:
GaLaBau Wissen Baumpflege
Grafiken: Uwe Bienert
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94. Folge - Unsere Serie für den Nachwuchs erläutert das wichtigste GaLaBau-Grundlagenwissen vom Abstecken bis zum Zaunbau: Diesmal geht es um das Thema Pflanzenkunde.

Vor noch nicht all zu langer Zeit spielten Obstbäume nicht nur in Großplantagen zur Obstproduktion eine nicht zu unterschätzende Rolle sondern auch in der Landschaftsgestaltung. Sie waren und sind Kulturgut und sie haben eine Schlüsselposition bei der individuellen und regionalen Versorgung der Bevölkerung. Noch heute werden Obstbäume an Alleen durch einige Gemeinden verpachtet und der Zuspruch der örtlichen Bevölkerung diese Bäume zu nutzen, wächst zunehmend. Streuobstwiesen sind ein wichtiger Bestandteil der Kulturlandschaft und besitzen eine hohe ökologische Bedeutung. Diese Bedeutung wird sich in den nächsten Jahren noch deutlich erhöhen. Doch ohne Pflege kein guter Ertrag.

Obstbäume schneiden, bringt das was?

Die Ziele beim Schneiden von Obstgehölzen können ziemlich unterschiedlich sein:

  • Durch den Schnitt wird die charakteristische Form des jeweiligen Obstbaumes erreicht um einen optimalen Ertrag zu erhalten. Diesen Vorgang bezeichnet man als Formieren. Hört sich kompliziert an ist es aber nicht. Im Prinzip wird nur ein Gleichgewicht zwischen dem tragenden, dem stützenden und dem ernährenden Holz hergestellt. Dabei entsteht ein Kompromiss zwischen der natürlichen Wuchsform und der im Obstbau in der Regel angestrebten Kegelform des Baumes.
  • Die Sicherstellung des effektivsten Lichteinfalles in den Kronenbereich ist nur zu erreichen, wenn zu dichte Ast- und Zweigpartien ausgeschnitten werden. Dieser Schnitt garantiert eine optimale Sonneneinstrahlung auf Früchte und Laub. Zusätzlich wird die Durchlüftung der Krone verbessert und damit die Anfälligkeit beispielsweise für Pilzkrankheiten vermindert. Ältere Kollegen bringen hier immer den Spruch an: "Der Baum ist dann gut geschnitten, wenn der Gärtner seinen Hut durchwerfen kann, ohne einen Ast zu treffen." Naja...!?!
  • Am wichtigsten beim Schnitt ist die gezielte Steuerung des Wachstums des Baumes. Dabei gilt die Regel: "Sommerschnitt bremst - Winterschnitt regt an". Die beiden Begriffe sind etwas unglücklich gewählt, da sie den Schnitt in der genannten Jahreszeit suggerieren. Das ist im Speziellen falsch: Gemeint ist für den "Sommerschnitt" der Schnitt im belaubten Zustand und für den "Winterschnitt" der Schnitt nach dem Laubabwurf bis hin zum Neuaustrieb. Bei beiden Schnittvarianten soll das Ziel sein immer genügend Jungholz am Baum zu haben beziehungsweise dessen Bildung anzuregen. Warum? Ganz einfach, weil die meisten Obstgehölze am Jungholz (also am einjährigen oder maximal fünfjährigen Holz) den besten Ertrag bringen.

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Aber auch hier ist Sachverstand gefragt, da nicht jede Obstart mit diesen Schnittregeln glücklich ist. So werden Pfirsich- und Mandelbäume nur während der Blütezeit geschnitten, da eine bessere Wundheilung garantiert ist und man die bessere Übersicht über den Blütenbesatz hat. Gerade beim Pfirsich mit seinen unterschiedlichen Knospenkombinationen ist das vor Vorteil. Sauerkirschen werden nur im Winter geschnitten, da sie nur am einjährigen Holz reichen Fruchtertrag bringen. Hingegen bei Süßkirschen und Walnüssen ist der Schnitt nur im Sommer (August bis September) angebracht, da hier bei diesen Bäumen der bessere Zeitpunkt für die Wundheilung ist.

  • Durch eine fachgerechten Obstbaumschnitt ist man in der Lage den Ertrag des Baumes zu steuern. Gerade bei Äpfeln kennt man das Phänomen der Alternanz, einem übermäßig hohen Ertrag mit Ernteausfall im darauffolgenden Jahr. Schneidet man Äpfel während der Blütezeit, kann man selektiv in diesen Prozess eingreifen.
  • Natürlich kommt beim Schnitt auch nicht der gesundheitsfördernde Aspekt und die Pflege zu kurz. Das gezielte Entfernen von Teilen, die mit einer Pflanzenkrankheit, wie beispielsweise Obstbaumkrebs, Mehltau oder Feuerbrand, aber auch die Pflege von Teilen, die vom Krankheitsbefall gefährdet sind, wie offene Wunden, Schnittnarben oder Totholz oder Wassertaschen, ist Teil von Schnittmaßnahmen.

Streitfall: Schnittzeitpunkt

Streiten sich zwei Gärtner gibt es mindestens drei unterschiedliche Meinungen. Dieser alte Gärtnerwitz hat auch hier seine Berechtigung. Unzählige Bücher vertreten durch ihre Autoren viele differenzierte Meinungen und auch ich werde mich hiermit sicher ins Kreuzfeuer der Diskussion begeben. Aber ich versuche es trotzdem einmal einige wichtige Grundregeln und Argumente für den Schnittzeitpunkt zusammenzufassen.

Bleiben wir bei der Bezeichnung Winter- und Sommerschnitt. Beiden gemeinsam ist, dass die Temperatur möglichst nicht unter 5 °C (haha im Sommer) liegen sollte.

Einmal abgesehen von den oben schon genannten Problemen bringt der Sommerschnitt ein paar gewichtige Vorteile für die Ernte des laufenden Jahres mit sich. So wurde von Obstbauern festgestellt, dass Früchte im Sommer geschnittener Bäume sich durch ansprechendere Färbung und mehr Masse auszeichnen. Außerdem erhöht sich die Anzahl der Blütenknospen und auch die Wundheilung wird beschleunigt. Warum ist das so? Logisch, durch den Schnitt entfernt man nicht benötigte Äste, die der Baum jetzt nicht mehr mit ernähren muss. So kann er sich voll darauf konzentrieren diese überschüssige Kraft in die Frucht- und Blütenbildung zu stecken.

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Sonst noch was?

Wer denkt, dass es mit dem Abschneiden getan ist, irrt gewaltig! Grundsätzlich sollte man sich im Klaren sein, dass nach dem Schneiden der Austrieb beginnt. Man kann beim Schnitt davon ausgehen, dass ein starker Rückschnitt zu starkem Austrieb führt und ein schwacher Rückschnitt einen eher schwachen Austrieb nach sich zieht. Das heißt aber auch über einen längeren Zeitraum aber auch, dass die Fruchttriebe verkürzt sind und somit weniger Früchte ausgebildet werden. Deshalb versucht jeder Gärtner den Idealzustand zu erreichen, der da wäre: Schaffung einer gleichmäßigen Verteilung von neuen und alten Fruchttrieben.

Zweckmäßig ist es auch die Seitenverzweigungen nicht zu kappen. Dabei werden die dort befindlichen Blüten gefördert und der Austrieb im Zaum gehalten. Was weg muss sind Äste, die quer durch die Krone wachsen und natürlich solche die alt und vielleicht sogar tot sind.

Step by step

  • Der Schnitt erfolgt zwischen zwei Knospen von denen die obere Knospe nach außen zeigen sollte. Die Triebe selbst werden um etwa ein Drittel gekürzt, wobei der Astabgangswinkel 45° betragen sollte. Steilere Äste werden flach gestellt werden um eine starke Baumkrone zu entwickeln.
  • In der nächsten Vegetationsperiode bleiben die Leittriebe stehen und zusätzlich drei bis vier kräftige Seitentriebe. Steile Austriebe, die allseits bekannten Wasserschosser, und müssen entfernt werden. Bei zu starkem Austrieb können die Verlängerungstriebe stärker zurückgeschnitten werden.
  • Um das Gleichgewicht zwischen dem Frucht- und Triebwachstum zu erhalten, werden herabhängende sowie steile Äste abgetrennt.
  • Um die Krone instand zu halten (Instandhaltungsschnitt) wird auf das Schneiden der Leitäste verzichtet. Dicht stehende und steil aufrechte Triebe sowie altes Holz werden entfernt.
  • Um ausreichend Licht und Luft durch die Krone dringen zu lassen, muss beim Schnitt auf eine ausreichende Auslichtung geachtet werden. Uwe Bienert

Literatur

Taschenlexikon der Gehölze (Schmidt/Hecker, Quelle & Meyer Verlag Wiebelsheim 2009).

International standard ENA 2010-2015 (M.H.A. Hoffmann, ENA's European Plant Names Working Group).

Die Nadelgehölze (Krüssmann, Paul Paray Verlag Berlin/Hamburg 1955)

Wikipedia. baumkunde.de

 Uwe Bienert
Autor

Landschaftsgärtner-Meister und Ausbilder

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