Die Vertragspartner achten viel zu wenig auf die Bürgschaftstexte

Sind viele Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften unwirksam?

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Bürgschaften Ausbildung und Beruf
Die Formulierung des Bürgschaftstextes geben im Baubereich fast immer die Auftraggeber vor. Foto: SBH, Fotolia

In der Ausgabe der Neuen Landschaft November 2016 hatte ich von Fällen berichtet, weshalb eine Reihe Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften sich bei einer Inanspruchnahme des Bürgen als unwirksam erwiesen haben. Meine damaligen Ausführungen entsprechen auch heute noch der geltenden Rechtslage. Aufgrund zahlreicher neuerer Urteile gibt es allerdings schon wieder berechtigten Anlass, sich mit dem Thema zu befassen.

Eine Auswertung der veröffentlichen Gerichtsentscheidungen zeigt, dass es weitere Unwirksamkeitsgründe gibt, die die Vertragsparteien unbedingt beachten sollten.

Gängige Bürgschaftstexte

Die Formulierung des Bürgschaftstextes geben im Baubereich fast immer die Auftraggeber vor. Dies geschieht zum Beispiel durch entsprechende Muster, die als Anlage zum Vertrag genommen und damit vereinbart werden. Gängig sind immer noch Texte, die einen Verzicht vorsehen auf eine Anfechtung, eine Aufrechnung, es sei denn die Gegenforderung wurde anerkannt oder rechtskräftig festgestellt. Auch haben zwischenzeitlich Gerichte den Verzicht auf die Rechte aus § 776 BGB beanstandet (Aufgabe eines Rechts gegen einen Mitbürgen).

Mindestens einmal die Woche habe ich Bürgschaftstexte für Sicherheitsleistungen in den Händen, die von der Rechtsprechung so nicht mehr gebilligt werden. Kreditinstitute stellen bei halbwegs gegebener Bonität ihres Kunden nach wie vor Bürgschaften mit Texten aus, die bei einer Inanspruchnahme zu Schwierigkeiten führen können oder gar wertlos sind. Für Kreditinstitute sind die beanstandeten Texte kein großes Risiko, da sie aus der Unwirksamkeit einer Sicherheitsabrede im Zweifel sogar nur profitieren können.

Texte als Allgemeine Geschäftsbedingungen

Die vom Auftraggeber verlangten Bürgschaftstexte erweisen sich in fast allen Fällen als allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne der §§ 305 ff. BGB mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen. Hat zum Beispiel ein Auftragnehmer dem Auftraggeber nach dessen Vorgaben eine Vertragserfüllungsbürgschaft gestellt, so handelt es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um eine allgemeine Geschäftsbedingung. Gerät der Auftragnehmer später in Insolvenz und sieht der Bürgschaftstext den Verzicht auf eine Anfechtung vor, kann sich der in Anspruch genommene Bürge auf die Unwirksamkeit der Sicherheitsvereinbarung berufen.

Im Zweifel ist der Bürge nicht verpflichtet, für den in Insolvenz geratenen Auftragnehmer einstehen zu müssen. Begründet wird dieses Ergebnis wie folgt: Bekanntlich gibt es im Zivilrecht verschiedene Anfechtungsgründe, so zum Beispiel wenn sich jemand bei der Abgabe einer Erklärung geirrt hat und eine solche Erklärung überhaupt nicht abgeben wollte (§ 119 BGB Irrtumsanfechtung). Der vom Auftraggeber verlangte und in dem Bürgschaftstext enthaltene generelle Anfechtungsverzicht erfasst aber auch die Fälle, bei denen der Anfechtende zur Abgabe seiner Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder durch widerrechtliche Drohung veranlasst wurde.

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Auch GaLaBau-Unternehmen sind im Verhältnis zu ihren Subunternehmern Auftraggeber und verlangen Vertragserfüllungs- oder Gewährleistungsbürgschaften. Die Unternehmen sollten deshalb die Rechtsprechung unbedingt beachten. Foto: Moritz Lösch, Neue Landschaft

Die Anfechtung nach § 123 BGB

In § 123 BGB wird die Anfechtbarkeit wegen arglistiger Täuschung oder rechtswidriger Drohung geregelt. Die Vorschrift soll die rechtgeschäftliche Entschließungsfreiheit dahingehend gewährleisten, dass "eine Willenserklärung, die nicht als Ausdruck freier rechtsgeschäftlicher Selbstbestimmung angesehen werden kann, die Willenserklärung des Erklärenden von Täuschung und Drohung beeinflusst und damit der Anfechtung unterliegen soll". Wird diese Anfechtungsmöglichkeit im Voraus ausgeschlossen, liefert sich der Erklärende der Willkür seines Vertragspartners aus und gibt damit seine freie Selbstbestimmung vollständig auf.

Dem Täuschenden wird ermöglicht, Vorteile aus seiner Täuschung zu ziehen, ohne eine Rückabwicklung des Vertrages befürchten zu müssen. In einem solchen Fall soll der Täuschende nicht von der Rechtsordnung geschützt sein (so z. B. in einem versicherungsrechtlichen Fall des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2007, Az. VIII ZR 37/06). Durch ausführliche Entscheidungen des Landgerichts Köln (Urteil vom 20.11.2012, Az. 27 O 197/12 sowie OLG München vom 03.06.2014, Az. 9 U 3404/13) wurde nochmals ausdrücklich auf die Unwirksamkeit von Auftraggeber Seite verlangter Sicherheitsabreden hingewiesen, die einen Anfechtungsverzicht beinhalten.

Ohne dass der Bundesgerichtshof auf das Urteil des Oberlandesgerichts München näher eingeht, hat er im Übrigen durch Nichtannahmebeschluss vom 02.11.2016, Az. VII ZR 158/14 das Ergebnis des Oberlandesgerichts München gebilligt.

Die Entscheidung des OLG München

Besonders interessant an der Entscheidung des Oberlandesgerichts München ist, dass dort der Verzicht der Aufrechnung zur Unwirksamkeit der Sicherheitsabrede führen soll, selbst dann, wenn nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenforderungen die Aufrechnung erklärt werden kann. Ob diese doch sehr weitgehende Rechtsmeinung einer Überprüfung des Bundesgerichtshofs standhalten wird, ist zweifelhaft. Die oben zitierte Entscheidung des BGH vom 02.11.2016 nimmt hierzu leider keine Stellung.

Wegen des erheblichen Risikos, ob die geschilderte Aufrechnungsklausel der höchstrichterlichen Rechtsprechung endgültig stand hält oder nicht, sollten Auftraggeber auf Aufxrechnungsklauseln generell verzichten. Auch GaLaBau-Unternehmen sind im Verhältnis zu ihren Subunternehmern Auftraggeber und verlangen von diesen häufig Vertragserfüllungs- oder Gewährleistungsbürgschaften.

Die Unternehmen sollten deshalb die Rechtsprechung unbedingt beachten. Das Oberlandesgericht München weist im Übrigen darauf hin, dass der Ausschluss von § 776 BGB, der von Formularbüchern immer wieder empfohlen wird, auch zur Unwirksamkeit der Sicherheitsabrede führen kann.

Nach der ständig kritischer werdenden Rechtsprechung sollte man nach Möglichkeit nur noch den reinen Vertragserfüllungs- oder Gewährleistungsfall in die Sicherheitsabrede aufnehmen und vorsorglich auf den Ausschluss von Gegengerechten verzichten. Auf der sicheren Seite ist man als Auftraggeber nach der derzeitigen Rechtsprechung bei Texten für Vertragserfüllungs- oder Gewährleistungsbürgschaften wohl nur noch, wenn man generell auf jegliche Anfechtung und Aufrechnung verzichtet und § 776 BGB überhaupt nicht erwähnt.

Rainer Schilling, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

 Rainer Schilling
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Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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