Stadtbäume der Zukunft - Standortvoraussetzungen, Baumqualität und fachgerechte Pflanzung

Die gängigen Straßenbaumarten leiden zunehmend unter den Auswirkungen des Klimawandels. Dabei spielen gesunde und gut entwickelte Bäume in der Stadt mit ihren Wohlfahrtswirkungen eine zunehmend wichtige Rolle. Neue und widerstandsfähige Arten sind dafür erforderlich.

Die Suche nach und der Test von bisher wenig verwendeten Arten wie im Projekt "Stadtgrün 2021" ist nur ein Teilaspekt. Ebenso wichtig sind die richtige Standortwahl in Bezug auf die Standortbedingungen und den zur Verfügung stehenden Raum oberirdisch als auch unterirdisch, eine sorgfältige Standortvorbereitung (Baumgruben und Substrat) sowie eine fachgerechte Pflanzung mit anschließender Fertigstellungs- und Entwicklungspflege. Die Baumsubstrate gemäß den einschlägigen Regelwerken werden von den Bäumen schnell durchwurzelt und enthalten ausreichend Nährstoffe wie die Untersuchungen des Fachzentrums Analytik gezeigt haben. Der Baumqualität sollte in Zukunft mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden als dem Preis. Nur fachgerecht kultiviert Bäume mit einem guten Ballen und einer artgerecht entwickelten Krone werden zügig weiter an- und weiterwachsen. Die Kombination von zwei oder mehr Arten eröffnet neue Möglichkeiten zur Gestaltung.

Ausgangssituation

Stadtbäume sind einer Vielzahl von vitalitätshemmenden Stressfaktoren ausgesetzt. Sie leben in einem künstlichen Umfeld, in dem durch beengte Baumgruben das Wurzelwachstum stark einschränkt ist, durch Bodenverdichtung häufig nur eine unzureichende Sauerstoff- und Wasserversorgung erfolgt und den notwendigen Gasaustausch blockiert. Daneben leiden Stadtbäume in den Sommermonaten häufig unter Trockenstress und hohen Temperaturen, die durch die starke Rückstrahlung der Gebäude und versiegelten Flächen deutlich über den Temperaturen im Umland liegen. Sie sind Schadstoffemissionen und Immissionen, Urin- und Salzbelastungen ausgesetzt und müssen mechanische Beschädigungen im Wurzel-, Stamm- und Kronenbereich tolerieren.

Durch den Klimawandel mit zunehmendem Trocken- und Hitzestress im Sommer sowie häufiger auftretenden Extremwetterereignissen wird die bestehende Stresssituation der Stadtbäume noch verstärkt (Rust & Roloff 2008). Das macht sie anfällig für bisher kaum in Erscheinung getretene (z. B. Prachtkäfer), aber auch einwandernde (z. B. Wollige Napfschildlaus) oder eingeschleppte Schädlinge (z. B. Platanennetzwanze) und verschiedene Pilz- und bakterielle Erkrankungen, insbesondere Gefäßmykosen (Kehr & Rust 2007, Tomiczek und Perny 2005). Es zeichnet sich jetzt schon ab, dass einige der klassischen Stadtbaumarten den künftigen Anforderungen an vielen Standorten nicht mehr gewachsen sein werden (Roloff et al., 2008), da sie wie der Bergahorn (Acer pseudoplatanus), bedingt durch zunehmende Trockenheit und Hitze bereits an ihrem Limit sind, den ästhetischen Ansprüchen an einen Straßenbaum nicht mehr genügen (z.B. Kastanienminiermotte an Aesculus hippocastanum), zu einer Gefährdung werden (z. B. Bruchproblematik durch Massaria-Erkrankung an Platanen) oder gänzlich ausfallen (z. B. Eschentriebsterben bei heimischen Fraxinus-Arten).

Wichtige Faktoren zur erfolgreichen Pflanzung und dauerhaften Etablierung

Standortvoraussetzungen

Die Straßenbaumpflanzungen in unseren Städten werden bisher von sieben Arten und deren Sorten dominiert: Spitzahorn (Acer platanoides), Bergahorn (A. pseudoplatanus), Rosskastanie (Aesculus hippocastanum), Esche (Fraxinus excelsior), Winterlinde (Tilia cordata), Sommerlinde (Tilia platyphyllos), Platane (Platanus x hispanica). Vor dem Auftreten des Ulmensterbens spielten auch Ulmen eine bedeutende Rolle als Straßenbäume. Die Verwendung dieser Arten wird aus den oben angeführten Gründen zunehmend problematisch. Nur gesunde, wüchsige und artgerecht entwickelte Bäume können in der Stadt ihrer Rolle sowohl in gestalterischer und ästhetischer Hinsicht als auch als städtische "Klimaanlage" gerecht werden. Voraussetzung dafür ist unter anderem die korrekte Einschätzung der Standortverhältnisse (Licht, Temperatur, Niederschläge, Wind) am vorgesehenen Pflanzplatz. Was sind die klimatischen Kennwerte, Jahresmittel der Lufttemperatur, Zahl der Eis- und Frosttage, Winterhärtezone sowie der Sommer- und Hitzetage, Niederschlagshöhe und -verteilung im Jahresverlauf? Die Niederschlagsmengen und die Verteilung im Jahresverlauf sind zum Beispiel in Bayern sehr differenziert. Alle diese Punkte müssen bei der Baumartenwahl bedacht werden.

Welche Bodenart steht vor Ort an - sofern man in der Stadt überhaupt von Boden im klassischen Sinn sprechen kann (Herrmann, 2017)? Stehen die Bäume frei oder sind sie (zumindest partiell) beschattet durch Gebäude oder benachbarte ältere Bäume? Welche Dimensionen hat der zur Verfügung stehende Raum sowohl oberirdisch als auch unterirdisch? Last but not least, spielen bei der Auswahl geeigneter Baumarten natürlich auch die Wuchshöhe und -breite, Belaubung, eventuelle Blüten und Früchte eine wichtige Rolle. Diese Punkte müssen vor der Pflanzung bedacht werden und sind entscheidend für den langfristigen Erfolg. Der reflexhafte Griff zu den anpassungsfähigen "Allerweltsarten" wie Spitzahorn und Winterlinde führt zumindest an den schwierigen Standorten nicht mehr zum Erfolg. Die Palette der verwendeten Baumarten muss größer werden, und es ist eine präzisere Abstimmung als bisher in Bezug auf die speziellen Gegebenheiten des Standorts erforderlich.

Bisher galt fast immer das Prinzip von einer Baumart je Straße. Das ist aber nicht zwingend. Warum werden an geeigneten Standorten nicht zwei oder mehr Baumarten kombiniert? Das hätte viele Vorteile: die Ausbreitungsmöglichkeiten für Schädlinge und Krankheiten werden verringert, die Gestaltungsmöglichkeiten durch die Kombination von verschiedenen Arten mit unterschiedlichem Erscheinungsbild (Kronen- und Blattform, Herbstfärbung, Blüten, Früchte) erweitern sich und die biologische Vielfalt wird erhöht. In Zusammenarbeit mit dem Gartenamt der Stadt Würzburg wurden in zwei Abschnitten der Landsteinerstraße am Gelände der Landesgartenschau 2018 aus dem Artenspektrum des Projekts "Stadtgrün 2021" die Baumarten Tilia mongolica mit Parrotia persica kombiniert sowie Tilia americana 'Redmont' mit Ulmus 'Lobel'.

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Oberirdischer Raum

Für eine lang anhaltende Vitalität und eine gesunde sowie artgemäße Entwicklung müssen der Wurzelraum und das Kronenvolumen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Der entsprechende Raum muss vorhanden sein, beziehungsweise bedacht und gegebenenfalls geschaffen werden. Der Raumbedarf einer frei wachsenden Baumkrone sollte nicht unterschätzt werden. Er beträgt laut den "Empfehlungen für Baumpflanzungen, Teil 2" der FLL

  • Bei Großbäumen, Wuchshöhe > 20 Meter, bis über 4000 Kubikmeter
  • Bei mittelgroßen Bäumen, Wuchshöhe >15 Meter, bis über 1500 Kubikmeter
  • bei Kleinbäumen, Wuchshöhe >7 Meter, bis über 1000 Kubikmeter

Welche Wuchshöhen und -breiten die einzelnen Baumarten und -sorten erreichen, ist in den einschlägigen Fachbüchern oder der "GALK-Straßenbaumliste" angegeben. Schmale Straßen in Verbindung mit Fassaden, oberirdisch verlaufende Leitungen, Lichtmasten etc. engen den oberirdischen Raum oft genug ein. Ist der oberirdische Raum zu klein muss auf geeignete Arten/Sorten zurückgegriffen werden. Kleinkronige, säulen- oder kugelförmig wachsende Arten/Sorten bieten hier entsprechende Alternativen. Eine andere, allerdings deutlich pflegeaufwendigere Möglichkeit stellen Bäume mit regelmäßig geschnittenen Kronen dar. Diese können dach-, spalier- oder kastenförmig erzogen sein.

Unterirdischer Raum, Boden und Substrat

Viele der auf die Stadtbäume negativ einwirkenden Faktoren können nicht oder nur in geringem Umfang und langfristig beeinflusst werden. Das gilt zum Beispiel für Immissionen, Hitzebelastung, Streusalz etc. Kurzfristig realisierbar sind hingegen, vor allem bei Neupflanzungen, bodentechnische Maßnahmen in Form einer Vergrößerung des durchwurzelbaren Raumes sowie der Verwendung von optimierten Substraten. Sehr wichtig ist ein ausreichend dimensioniertes durchwurzelbares Bodenvolumen.

Über die erforderliche Größe finden sich in der Fachliteratur verschiedene Angaben:

  • Kopinga (1997) fordert 0,75 Kubikmeter durchwurzelbares Bodenvolumen je Quadratmeter Kronenprojektionsfläche (dynamische Größe). Diese Zahl berücksichtigt, dass sich parallel zur Kronenentwicklung auch das Wurzelwerk vergrößert und sollte es dem Baum erlauben, sich weitgehend ohne menschliche Hilfe mit Wasser und Nährstoffen zu versorgen. Ein Baum mit einem Kronendurchmesser von 7 Meter hätte eine Kronenprojektionsfläche von 38,48 Quadratmeter und würde nach dieser Formel ein durchwurzelbares Bodenvolumen von 28,86 Kubikmeter erfordern. Bei Bäumen mit säulenförmiger Krone führt diese Formel zu falschen, nämlich zu niedrigen Werten. In diesen Fällen muss die Kronenprojektionsfläche der reinen Art als Berechnungsgrundlage herangezogen werden.
  • Die DIN 18916 (2016) "Vegetationstechnik im Landschaftsbau - Pflanzen und Pflanzarbeiten" verweist bei ". . . nicht ausreichend durchwurzelbarem Bereich. . . " auf die "Empfehlungen für Baumpflanzungen, Teil 1 und 2" der FLL, die eine Pflanzgrube mit einem Volumen von mindestens 12 Kubikmeter bei einer Tiefe von mindestens 1,5 Meter fordern (statische Größe). In den "Zusätzliche Technische Vorschriften für die Herstellung und Anwendung verbesserter Vegetationstragschichten" (ZTV-Vegtra-Mü, 2016) werden für Großbäume mindestens 36 Quadratmeter gefordert.

Dabei sollte man sich aber bewusst machen, dass eine 12 Kubikmeter (FLL) oder gar 36 Kubikmeter (ZTV-Vegtra-Mü) große, mit Substrat gefüllte Baumgrube nur eine Starthilfe für den jungen Baum ist und keinesfalls als Wurzelraum für ein ganzes Baumleben reicht. Selbst diese relativ großen Pflanzgruben werden erfahrungsgemäß innerhalb weniger Jahre komplett durchwurzelt. Bei der Planung von Baumstandorten muss deshalb der Blick über die Grenzen der Pflanzgrube hinaus reichen, um ggf. weitere Maßnahmen zur Erweiterung des durchwurzelbaren Raums vorzusehen. In den Regelwerken sind verschiedene Maßnahmen beschrieben, mit denen der Boden im Umgriff der Pflanzgrube für den Baum erschlossen werden kann.

Die erste Ausgabe der FLL-Empfehlungen zur Baumpflanzung erschien 2004 und die ZTV-Vegtra-Mü wurde vor circa 20 Jahren eingeführt. Beide Regelwerke sind somit in der Praxis lange bekannt. Es stellt sich die Frage, wie weit sich die dort formulierten Anforderungen an die Pflanzgrubengröße und Baumsubstrate in der Praxis durchgesetzt haben. Der Rücklauf der Fragebögen im "Bayerischen Netzwerk Klimabäume", in denen unter anderem nach der Baumgrubengröße gefragt wird, gibt Hinweise darauf. Es fällt auf, dass die Pflanzgruben immer noch erschreckend klein bemessen sind. Im Mittel über alle 20 Städte im Netzwerk beträgt die Pflanzgrubengröße lediglich magere 3,31 Kubikmeter. Das ist weit entfernt von den Empfehlungen der FLL und der ZTV-Vegtra-Mü. An Hand der Abbildung 1 wird deutlich, dass mit so kleinen Pflanzgruben und ohne weitere Maßnahmen, die dem Baum die Erschließung weiterer Bodenbereiche ermöglichen, ein befriedigendes Wachstum und die Entwicklung zu einem großen und gesunden Baum kaum erwartet werden kann.

Bei Baumpflanzungen im Siedlungsbereich sind Substrate immer dann erforderlich, wenn der "Boden" am vorgesehenen Standort als Vegetationstragschicht ungeeignet ist. Das ist vor allem im Randbereich von Straßen oft der Fall, wenn die Pflanzgrube an Stelle von Boden mit Resten von Baumaterialien (Schotter, Beton, Asphalt, Schutt etc.) gefüllt ist. Baumsubstrate ersetzen die empfindliche Porenstruktur des natürlichen Bodens, die vor allem durch Ton-Humus-Komplexe gebildet wird, durch ein kornabgestuftes Mineralgemisch, dessen Poren durch die besondere Sieblinie resultieren. Meist werden sie aus einem stabilen, verdichtbaren, mineralischen Gerüst von gebrochenen Körnern (Sand, Splitt, Schotter oder auch Recyclingmaterial) unterschiedlicher Fraktionen gebildet. Die Poren dazwischen bilden eine stabile Struktur, die mit Sand, Feinboden und organischem Material ausgefüllt wird. Die abgestuften Zuschlagstoffe sind auf diese Art vor Verdichtung geschützt. Sie werden einschichtig eingebaut. Diese Substrate sind im Hinblick auf die Einbautiefe humusarm und weisen eine ausgewogene Porenraumgliederung auf, die sowohl für eine gute Luftführung als auch für eine ausgeglichene Balance zwischen Wasserkapazität und Wasserdurchlässigkeit sorgen. Sie können deshalb problemlos in 1,5 Meter tiefen Pflanzgruben eingebaut werden. Verdichtbare Substrate erlauben die Erweiterung des Wurzelraums auf Bereiche unter schwach belasteten Verkehrsflächen (Fuß- und Radwege, Parkflächen).

Die Substratanforderungen in dem eben genannten Regelwerk der FLL als auch der ZTV-Vegtra-Mü beschränken sich mit Ausnahme des pH-Werts, des Salzgehalts und des Gehalts an organischer Substanz auf physikalische Substrateigenschaften. Zu den Nährstoffgehalten werden nur sehr allgemeine Angaben gemacht. Die Nährstoffgehalte der Substrate sind lediglich zu deklarieren. Ober- oder Untergrenzen für Nährstoffe werden nicht festgelegt. Bisher fehlen sowohl Erfahrungsberichte auch über den Nährstoffgehalt solcher Substrate, die sich stark von natürlichen Böden unterscheiden, als über den Nährstoffbedarf von Straßenbäumen. Insofern bietet das Projekt "Stadtgrün 2021" erstmalig die Möglichkeit, die Nährstoffversorgung von Straßenbäumen langjährig und umfassend zu dokumentieren. Die vom Fachzentrum Analytik an der LWG durchgeführten Untersuchen haben das Ziel, durch die gemeinsame Betrachtung von Bodenproben und Blattproben Zusammenhänge in der Ernährungssituation von Bäumen konkret im städtischen Umfeld aufzuzeigen (Klemisch, 2017). Diese Untersuchungen sind deutschlandweit die ersten ihrer Art, um die Nährstoffsituation von den in der Praxis zunehmend verwendeten FLL-Substraten zu beleuchten. Die bisherigen Befunde deuten in der Gesamtschau darauf hin, dass der Versorgungsgrad mit Nährstoffen in den Blättern als auch in den verwendeten Baumsubstraten, je nach Zusammensetzung, im Allgemeinen ausreichend bis sehr gut ist. An Hand der hier vorliegenden Werte ist die in den "Empfehlungen für Baumpflanzungen, Teil 1" der FLL empfohlene Vorratsdüngung bei der Pflanzung aus unserer Sicht nicht sinnvoll und notwendig. Das gilt in ähnlicher Weise für die Zugabe von Mykorrhiza-Impfstoffen. Im bisherigen Versuchsverlauf konnte bei den mit Mykorrhiza beimpften Bäumen kein statistisch signifikanter Unterschied zu den nicht beimpften Bäumen bei der Entwicklung und dem Zuwachs beobachtet werden. Deshalb wurde bei der Versuchserweiterung 2015 auf diese Variante verzichtet. Die Untersuchungen werden in den kommenden Jahren fortgesetzt, um die weitere Entwicklung zu beobachten.

Baumqualität, Pflanzung und Pflege

Die Qualität von Hochstämmen unterliegt den "Gütebestimmungen für Baumschulpflanzen" der FLL (2004). Bei der Qualitätsprüfung von Hochstämmen liegt das Hauptaugenmerk in der Regel auf den optisch leicht kontrollierbaren Teilen Stamm und Krone. Den Wurzeln, die in der Regel im Ballen verborgen sind und damit schlecht kontrollierbar, wird weniger Aufmerksamkeit geschenkt. Dabei sind sie ein wichtiges Pflanzenorgan: sie dienen der Verankerung im Boden und der Wasser- und Nährstoffaufnahme. Für ihren Stoffwechsel benötigen sie Sauerstoff aus dem Boden, sind wichtiges Speicherorgan der Pflanze und steuern über die dort gebildeten Phytohormone das oberirdische Wachstum. Deshalb ist nur in Verbindung mit einem intakten, durch viele Feinwurzeln gekennzeichneten Wurzelwerk nach der Pflanzung zu erwarten, dass der Baum gut an- und weiterwächst (Taeger, 2017). Der Ballendurchmesser richtet sich nach dem Stammumfang, Faustregel "Ballendurchmesser = 3 x Stammumfang". Die Art der Ballierung ist für alle Hochstämme einheitlich. Verlangt wird ein mit Jute ballierter Wurzelballen, der zusätzlich bereits ab dem Verpflanzstatus 3xv mit einem Drahtkorb aus vorgeglühtem Stahl zu versehen ist. Dies dient zum Erhalt der Festigkeit des Ballens während des Transportes.

Soweit die Theorie - die Praxis sieht anders aus, wie wir beim Projekt "Stadtgrün 2021" verschiedentlich feststellen mussten. Schon an den gelieferten Ballen der Pflanzung 2009/ 2010 konnten zum Teil erhebliche Mängel festgestellt werden: Doppelballierungen, Übererdung des Wurzelhalses, ausgeprägte Ring- und Würgewurzeln und unzureichende Qualitäten hinsichtlich des Verschulungsgrades und der Durchwurzelung.

Im Hinblick auf diese Erfahrungen wurden die Ballen der Bäume bei der Versuchserweiterung 2015 systematisch untersucht. Auffällig war hier vor allem die Übererdung der Ballen. Übererdung bedeutet, dass der Wurzelanlauf eines Gehölzes nicht mehr an der oberen Ballenkante erkennbar ist. Laut den Anforderungen an die Pflanzenqualität der FLL "Empfehlungen für Baumpflanzungen, Teil 1" (2015, S.31) gilt: "Der Ballen darf beim Ballieren nicht übererdet sein. Es ist darauf zu achten, dass der Wurzelanlauf am Stammfuß an der Oberseite des Ballens zu sehen ist." Da die Ballenkante als Maß für die Pflanztiefe am Endstandort gilt, führt eine Übererdung dadurch automatisch, selbst bei korrekter Baumpflanzung, zu einem zu tief gepflanzten Baum. Hinzu kommt noch eine eventuelle Setzung des Bodens oder Substrats nach der Pflanzung. Um diese auszugleichen ". . . sind die Bäume circa 10 Zentimeter höher einzupflanzen als sie zuvor gestanden haben." (Empfehlungen für Baumpflanzungen, Teil1, FLL, S. 33) Auf ein zu tiefes Pflanzen reagieren viele Arten empfindlich. Es kann zu Wuchsdepressionen, Chlorosen oder sogar zum Absterben des Baums kommen. Im Interesse einer guten Weiterentwicklung nach der Pflanzung muss der Einhaltung der richtigen Pflanzhöhe in Zukunft mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden!

In den FLL-Empfehlungen für Baumpflanzungen, Teil 1, ist kein Maß für eine eventuelle noch tolerierbare Übererdung angegeben. Bei den Ballenuntersuchungen haben wir eine Übererdung von 0 bis 8 Zentimeter als noch tolerierbar festgelegt. Demnach wären 56 Prozent der Bäume aus der Pflanzung 2015 diesbezüglich noch als "gut" einzustufen, 10 Prozent mit einer Übererdung von 9 bis 10 Zentimeter als "kritisch" und 34 Prozent mit einer Übererdung >10 bis >15 Zentimeter als "mangelhaft". Der (traurige) Spitzenwert betrug 36 Zentimeter an einem Acer opalus am Standort Würzburg (Taeger, 2017).

Zur fachgerechten Pflanzarbeit gehört unbedingt auch ein entsprechender Kronenschnitt, da auch ballierte Bäume beim Ballieren in der Baumschule einen Teil ihres Wurzelwerks verloren haben. Das muss durch einen artgerechten und der Größe des Baumes angepassten Kronenschnitt ausgeglichen werden. Leider sieht man in den letzten Jahren, dass zunehmend bei Hochstämmen der erforderliche Kronenschnitt vergessen wird. Ob das aus Unwissenheit, Unsicherheit oder aus Zeitmangel passiert, ist im Einzelfall schwer zu entscheiden. Wer unsicher ist, kann die Baumschule bitten, bei Einzelbäumen vor der Lieferung den Kronenschnitt vorzunehmen. Bei einer Lieferung mehrerer Bäume einer Art und Größe kann man sich einen Baum schneiden lassen und hat dann auf der Baustelle ein Muster für alle anderen Exemplare. Die Auftraggeber sollten in der Ausschreibung als auch bei der Abnahme auf den erforderlichen Rückschnitt hinweisen beziehungsweise bei nicht geschnittenen Bäumen die Abnahme verweigern.
Nach der Pflanzung ist der Baum üblicherweise für zwei bis drei Jahre zu verankern. Danach sind die Verankerungen zu entfernen und bei einer Unterflurverankerung die Gurtbänder zu durchtrennen. Unabhängig davon ob die Verankerung ober- oder unterirdisch erfolgt, darf diese den Stamm, die Krone oder die Wurzeln/den Ballen nicht beschädigen. Die Regelverankerung ist der 3- oder 4-Bock aus Rundhölzern mit Lattenrahmen. Bis zu einem Stammumfang von 18 Zentimeter sollte die Zopfstärke 8 Zentimeter betragen, bei größeren Stammumfängen 10 Zentimeter. Unterflurverankerungen sollten erst ab einem Ballendurchmesser >60 Zentimeter eingesetzt werden.

Vor allem bei der Verwendung von Baumsubstraten muss der Innendurchmesser des Gießrandes kleiner sein als der Außendurchmesser des Ballens, damit das Gießwasser nicht seitlich am Ballen vorbei läuft. Das Substrat weißt meist eine höhere Wasserdurchlässigkeit auf als das Ballensubstrat. Das früher übliche gelbe Bewässerungsrohr um den Ballen wird in den Empfehlungen zur Baumpflanzung, Teil 1 (FLL, 2015) ausdrücklich nicht mehr erwähnt. Der oftmals falsche Einbau an der Unterkante des Ballens führte dazu, dass das Gießwasser den Ballen nicht erreicht, sondern unter dem Ballen versickert. Die wichtigste Pflegemaßnahme nach der Pflanzung ist die Wässerung, beginnend mit dem ersten Gießen nach der Pflanzung. Zwei Wässergänge je Monat im Zeitraum von April bis September sind im Rahmen der Fertigstellungspflege erforderlich. Empfohlen werden 75 bis 100 Liter je Wässerung bei Bäumen bis zu einem Stammumfang von 25 Zentimeter. Die Wässerung sollte über einen Zeitraum von fünf Jahren nach der Pflanzung mit abnehmender Frequenz erfolgen. Beim Projekt "Stadtgrün 2021" wurden jeweils 300 Liter je Baum und Wässergang ausgebracht, um das Substrat möglichst durchdringend zu befeuchten und damit das Auswurzeln zu fördern. Durch das gute "Schluckvermögen" der Substrate war es möglich, diese Wassermenge in einem Zug auszubringen.

Stammrisse sind ein zunehmendes Problem bei Baumpflanzungen. Ungefähr 10 Prozent der 500.000 in Deutschland jährlich gepflanzten Hochstämme gehen dadurch verloren. Empfindliche Baumarten müssen deshalb für die Dauer von bis zu zehn Jahren nach der Pflanzung geschützt werden. Als Schutz sind sowohl locker sitzende Matten aus Schilfrohr, Weide oder Bambus als auch ein reflektierender Anstrich geeignet. Nach dem Aufasten müssen die aufgeasteten Stammpartien ebenfalls geschützt werden. Als empfindlich gelten vor allem Acer, Aesculus, Magnolia, Tilia-Arten, Zelkova. Weniger empfindlich sind Betula, Corylus, Platanus und Quercus-Arten. Hier kann auf einen Schutz verzichtet werden.

Fazit

Angesichts des Klimawandels steigt die Bedeutung gesunder und gut entwickelter Stadtbäume. In den Klimakonzepten, die die Städte zunehmend entwickeln, spielen Straßenbäume immer eine besondere Rolle. Diese Rolle können sie nur dann erfüllen, wenn sie die Chance bekommen, sich artgemäß zu entwickeln, groß und alt zu werden. Bäume zu pflanzen, von denen man bereits zum Zeitpunkt der Pflanzung weiß, dass nach dem derzeitigen Stand die Hälfte davon spätestens nach zehn Jahren ausgetauscht werden muss, macht keinen Sinn. Auch Straßenbäume müssen wieder die Möglichkeit bekommen, 60 oder 80 Jahre alt zu werden. Nur dann können sie in der Stadt die erhofften und so dringend notwendigen Wohlfahrtswirkungen entfalten. Das klappt natürlich nicht, solange billig eingekaufte Bäume mit zweifelhafter Qualität nach wie vor in viel zu kleine Baumgruben gezwängt und anschließend weitgehend sich selbst überlassen werden.
Vielmehr bedarf es einer fachgerechten Standortvorbereitung, wie sie in den einschlägigen Regelwerken beschrieben ist. Es muss in diesem Zusammenhang nach wie vor auch Überzeugungsarbeit bei den Kollegen vom Tiefbau geleistet werden, damit diese in Zukunft verstärkt "grün" denken und in ihren Planungen mehr Platz für ausreichend dimensionierte Baumgruben, Belüftungsgräben und Ähnliche Einrichtungen schaffen.
Mehr Fachkunde, Sorgfalt und ebenso Mut und Experimentierfreude ist auch bei der Auswahl der Baumarten und -sorten erforderlich. Die bis dato mehrheitlich gepflanzten Arten sind nur noch eingeschränkt tauglich. Eine differenzierte Standortbetrachtung sowie neue, gesunde und widerstandsfähige Arten sind erforderlich. Die bisherigen Ergebnisse des Projekts "Stadtgrün 2021" geben erste Hinweise. Aber auch in der GALK-Liste sowie in der Fachliteratur sind geeignete Arten mit ihren Eigenschaften und Ansprüchen beschrieben und zu finden. Die Auswahl ist groß - nicht nur in den Listen, sondern auch in den Quartieren der Baumschulen. Dieses Angebot gilt es zu nutzen!

Gutes Baumwachstum auch an Straßenstandorten ist kein Hexenwerk. Das zeigen die Zuwachsraten unserer Bäume im Projekt "Stadtgrün 2021", die teilweise über den in der Literatur genannten Werten liegen. Das "Geheimnis" besteht in der guten Standortvorbereitung, guten Baumqualität (von einigen ärgerlichen Ausnahmen abgesehen) sowie einer fachgerechten Pflanzung einschl. Pflanzschnitt (Dujesiefken, 2018) in Verbindung mit einer ausreichend bemessenen Fertigstellungs- und Entwicklungspflege. Die altbekannten gärtnerischen Grundregeln, die in unserer schnelllebigen Zeit immer wieder in Vergessenheit geraten oder aber aus verschiedenen Gründen schlichtweg ignoriert werden.

Literatur

  • Dujesiefken, D. (2018): Fit durch Schnitt - Gesunde Straßenbäume durch Jungbaumpflege nach neuer ZTV-Baumpflege. Veitshöchheimer Berichte 184, S. 57-61.
  • FLL Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. (Hrsg.) (2015): Empfehlungen für Baumpflanzungen - Teil 1: Planung, Pflanzarbeiten, Pflege. Bonn.
  • FLL Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. (Hrsg.) (2010): Empfehlungen für Baumpflanzungen - Teil 2: Standortvorbereitungen für Neupflanzungen; Pflanzgruben und Wurzelraumerweiterung, Bauweisen und Substrate. Bonn.
  • FLL Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. (Hrsg.) (2004): Gütebestimmungen für Baumschulpflanzen. Bonn.
  • Herrmann, J. V. (2017): "Stadt-Böden" als Baumstandorte - Herausforderungen und Lösungsansätze. Jahrbuch der Baumpflege, Haymarket Media, Braunschweig, S. 29-40.
  • Kehr, R., Rust, S. (2007): Auswirkungen der Klima-Erwärmung auf die Baumphysiologie und das Auftreten von Krankheiten und Schädlingen. ProBaum 4: 2-10.
  • Klemisch, M. (2017): Sind Stadtbäume in standardisierten Substraten unterversorgt? Jahrbuch der Baumpflege, S. 57-73.
  • Kopinga, J. (1997): Grundlagen für die Bemessung und Anlage von Wurzelräumen für Straßenbäume. Tagungsband Osnabrücker Baumpflegetage, S. II-1 bis II-19.
  • Roloff, A., Gillner, S., Bonn, S. (2008): Gehölzartenwahl im urbanen Raum unter dem Aspekt des Klimawandels. Sonderheft Grün ist Leben, Bund deutscher Baumschulen (Hrsg.), S. 30-42.
  • Rust, S., Roloff, A. (2008): Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Stadtbäume. Jahrbuch der Baumpflege, Haymarket Media, Braunschweig, S. 40-47.
  • Stadt München Baureferat Gartenbau (Hrsg.) (2016): Zusätzliche Technische Vorschriften für die Herstellung und Anwendung verbesserter Vegetationstragschichten (ZTV-Vegtra-Mü). München.
  • Taeger, C. (2017): Wurzelqualität ist Baumqualität - Balleneigenschaften und ihre Bedeutung für eine gelungene Pflanzung. Jahrbuch der Baumpflege, Haymarket Media, Braunschweig, S. 74-90.
  • Tomiczek, C., Perny, B. (2005): Aktuelle Schäden an Bäumen im Stadtbereich. Forstschutz aktuell 34: 2-6.

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