Stadtgrün Nord 2025: Projekt zu möglichen klimatoleranten Baumarten abgeschlossen

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Die Klimawandeltoleranz ist bei vielen Baumarten, die derzeit als potentiell zukunftsfähig diskutiert werden, noch nicht abschließend geklärt. Viele wirtschaftlich wichtige Stadtbaumarten haben jedoch aufgrund krankheitsbedingter Ausfälle beziehungsweise ihrer dadurch eingeschränkten Verkehrssicherheit eine schlechte Zukunftsprognose. Zum Erhalt der Wohlfahrtswirkung des Stadtgrüns und zur Förderung seiner extrem positiven Ökosystemleistung müssen Kommunen jedoch bereits heute klimawandelangepasste Baumarten pflanzen.

In der Wertschöpfungskette "Baumschulen, Landschaftsarchitekten und Kommunen" liegen dazu jedoch zur wenige für die Praxis belastbaren Ergebnisse oder Kenntnisse vor. Quasi als norddeutsche Ergänzung zum bayerischen Projekt "Stadtgrün 2021" wurde dieses Projekt deswegen geplant, da in Norddeutschland, insbesondere in Schleswig-Holstein im Bereich der Westküste, der Einfluss der salzhaltigen Luft (Gischt) sowie der fast permanent wehende Wind, der die Verdunstung aus dem Boden und die Transpiration über die Blätter erheblich steigert, als typische Stressoren für Bäume in Stadt und Land einen erheblichen Einfluss auf deren Wachstum und Vitalität ausüben. Bei der Zusammenstellung des zu prüfenden Baumsortimentes sind bereits erste Erkenntnisse aus Stadtgrün 2021 eingegangen.

Beschränkte Dauer der Förderung ermöglichte nur die Beurteilung des Anwachsverhaltens

Projektträger war die Service Grün GmbH, die die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein mit Leitung und Durchführung des Projektes betraut hat, das im Rahmen der Europäischen Innovations Partnerschaft (EIP) von der EU und dem Land Schleswig-Holstein gefördert wurde. Darin sollten 20 neuere Baumarten und -sorten, die sich in nationalen und internationalen Versuchssichtungen als möglicherweise klimawandeltolerant angeboten haben, an städtischen Realstandorten in Kiel, Lübeck, Heide und Husum mit jeweils fünf Exemplaren auf Praxistauglichkeit getestet werden. Untersucht wurde, aufgrund der leider auf lediglich drei Jahre begrenzten Förderung, die kostenneutral um ein weiteres Jahr verlängert wurde, nur die Anwachsphase der Bäume.

Im April 2016 wurden die in Tabelle 2 aufgeführten Hochstämme in Heide, Husum, Kiel und Lübeck gepflanzt und danach die in Tabelle 1 aufgeführten Parameter an jedem der Bäume über vier Jahre meist monatlich erfasst.

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Daneben erfolgte außerdem die Dokumentation der bei der Baumauswahl in der Praxis häufig leider viel zu wenig beachteten Standortbedingungen wie Klimadaten, Licht- und Windexposition, Verkehrsbelastung, Baumscheibengröße sowie Nährstoff-/pH-Situation im Boden. Auf dieser Basis erfolgte nach vier Standjahren, also zum Ende der Anwachsphase am Endstandort, die das Projekt abschließende Bewertung der Bäume/Baumentwicklung an ihren Standorten in den Städten Heide zusammen mit Husum, Kiel und Lübeck, wo sie im Stadt- beziehungsweise Stadtrandgebiet in Verantwortung der einzelnen Kommunen gepflanzt wurden, bei denen wir uns ausdrücklich für die hervorragende Zusammenarbeit und Kooperationsbereitschaft bedanken.

Die wichtigsten Beobachtungen und Ergebnisse des Projektes - kurz und kompakt

Im Rahmen des Projektes konnten wichtige, praxisrelevante Ergebnisse generiert werden, die für Gehölzproduzenten als auch -verwender von Interesse sein dürften.

  • Die Bäume wurden in Eigenregie der Städte Kiel, Lübeck, Heide (50 % des Sortimentes) und Husum (die 50 %, die in Heide nicht gepflanzt wurden) planmäßig gepflanzt, wobei Art und Weise der Pflanzung der Kommunen ortstypisch war und nicht zwingend entsprechend vorgegebener Normen oder Empfehlungen erfolgte (Tabelle 3). Da die individuelle Pflanzung immer noch der gängigen Praxis in mittelgroßen und kleineren Kommunen entspricht, war das, zwecks Abbildung der gängigen Praxis, im Projekt auch so gewollt.
  • Unter Praxisbedingungen konnte das komplette Sortiment an Stadtstandorten in Kiel, Lübeck, Heide und Husum mit einer Anwachsquote von 95 Prozent etabliert werden, wobei die Bäume jeweils an unterschiedliche Standorte in den Städten gepflanzt wurden, ohne das von Seiten der Projektleitung dazu Vorgaben oder Wünsche geäußert wurden. Tabelle 4 beschreibt die Standorte in den einzelnen Städten näher.
  • Die Einstufung der Standorte von Grünfläche über Anlieger-, Seiten-, Hauptverkehrsstraße bis hin zum Stadtring bildet tendenziell auch eine Zunahme der Stresssituation für die Bäume ab. Es ist zu erkennen, dass alle Baumarten in mindestens zwei (35 %), meist jedoch drei (65 %) verschiedenen Straßensituationen geprüft wurden.
  • In allen Städten entwickelte sich der Großteil der Bäume von 2016 bis 2019 gut bis sehr gut.
  • Die Bäume zeigten überwiegend eine deutliche Zunahme bei den Wachstumsmerkmalen Stammumfang, Kronenhöhe und -breite.
  • Ursachen für Ausfälle waren: Schädlingsbefall (3), Anwachsschwierigkeiten + Trockenstress (5), Vandalismus (2), extreme Staunässe (2), Anfahrschaden (1), Erhebliche Kratzschäden in der Rinde durch eine Hauskatze mit nachfolgender Rotpustelkrankheit (1), Ursache unbekannt (2). Alle Ausfälle wurden durch die gleiche Art/Sorte ersetzt.
  • Die Ungarische Eiche (Quercus frainetto) benötigt insbesondere an windexponierten Standorten über das vierte Jahr hinaus eine sichere Befestigung. Vergleichsweise langsames Anwachsen sowie Dickenwachstum des Stammes hatten zum Teil schiefe Kronen/Bäume zur Folge. Zusätzlich wiesen einzelne Bäume in Folge von Wasserstress einen Befall mit dem Eichensplintkäfer (Scolytus intricatus) auf, was zwei Ausfälle zur Folge hatte. Bei dieser Art ist daher eine besondere Sorgfalt beim Wässern in der Anwachsphase notwendig beziehungsweise, wenn möglich, eine vorbeugende Stammbehandlung mit einem für diesen Zwecke zugelassenen Insektizid.
  • Bei dem Perlschnurbaum (Sophora japonica 'Regent') "kippte" bei rund der Hälfte der Bäume die Mitte/Leittrieb deutlich zur Seite. An einem Standort brach bei zwei Bäumen ein Teil der Krone trotz Stäben heraus (vermutlich durch einen Windstoß eines Lkws). Für eine zukünftige Verwendung im unmittelbaren Straßenbereich sollten hier zunächst die Möglichkeiten/Grenzen der Kronengestaltung und deren Stabilität in Produktion und Verwendung geprüft werden.
  • Die Säulenform des Ginkgos (Ginkgo biloba 'Fastigiata') zeigte in Lübeck nach starkem Pflanzschnitt bei drei von fünf Exemplaren ebenfalls ein "Kippen" des Leittriebs in Windrichtung (Bäume seit Pflanzung gestäbt). Dies war bei einem mittleren beziehungsweise schwachen Pflanzschnitt nicht zu beobachten. Hier sollte die optimale Stärke des Pflanzschnitts angepasst werden.
  • Wiederholte Frostschäden waren beim Südlichen Zürgelbaum (Celtis australis) und Dreispitz-Ahorn (Acer buergerianum) festzustellen. Zumeist kam es zu einem moderaten Zurückfrieren dünner Triebe bis circa 20 Zentimeter. Ein Zürgelbaum wies jedoch eine starke Kronenschädigung auf, nachdem Äste und Leittrieb erfroren waren. Sehr windexponierte Exemplare des Dreispitz-Ahorns regenerierten sich nach Frosteinwirkung an der windzugewandten Seite deutlich schlechter und bildeten in der Folge eine auffallend einseitige, asymmetrische Krone aus.
  • Mittelstarke Stammrisse wurden bei zwei Bäumen des Dreispitz-Ahorns festgestellt. Das Überwallen setzte nachfolgend schnell ein. Als wahrscheinliche Ursache für einen mittelstarken Stammriss bei der Morgenländischen Platane (Platanus orientalis) kam eine zu stramme Gurtanbindung in Betracht.
  • In allen Städten zeigten ein bis zwei Exemplare der Hopfenbuchen (Ostrya carpinifolia) Schwierigkeiten beim Anwachsen in 2016 und 2017. Drei der 15 Bäume wuchsen schlussendlich nicht an und fielen aus. Bei zwei Exemplaren könnte Wasserkonkurrenz durch einen benachbarten, großen Altbaum die Ursache sein, da sie im Bereich seiner Kronentraufe standen. Daher ist auch bei dieser Baumart eine besondere Sorgfalt beim Gießen in der Anwachsphase notwendig.
  • Der trocken-heiße Sommer 2018 hat bis Ende 2019 zu keinen Ausfällen geführt. Trockenstresssymptome (kleines Laub, Blattnekrosen, lichte Kronen, vorzeitige Laubfärbung/Laubfall) konnten in allen Städten an vielen Bäumen beobachtet werden.
  • Im Laufe des Sommers konnten unterschiedlich stark ausgeprägte braune Blattflecken und/oder Ränder bei vielen Bäumen festgestellt werden. Insbesondere beim Eisenholzbaum aber zum Beispiel auch beim Dreispitz- und Französischen Ahorn, Zürgelbaum, Zelkove oder Ulme. Die genauen Ursachen konnten noch nicht abschließend geklärt werden. Vermutungen gehen in den Bereich der abiotischen Schäden wie Salzempfindlichkeit, Reaktion auf erhöhte pH-Werte, eventuell in Wechselwirkung mit Trockenheit und hohen Temperaturen (Einstrahlung). Zumeist ist es als eine optische Beeinträchtigung einzustufen und es wird vermutet, dass diese Symptome mit zunehmender Standzeit der Bäume zurückgehen werden.

Obwohl hier primär die negativen Beobachtungen genauer geschildert wurden, muss jedoch deutlich betont werden, dass der allergrößte Teil der Bäume sehr gut angewachsen ist und einen befriedigenden bis sehr guten Gesamteindruck zum Ende der Anwachsphase hinterlassen. Details zu den einzelnen Baumarten und -sorten zeigt Tabelle 5.

Tabelle 5

Dringend notwendige Fortführung des Projektes nur mit finanzieller Förderung möglich

Ein Projekt zur nachhaltigen Beurteilung des Zukunftspotenzials von in Deutschland bisher noch eher unüblichen Baumarten und -sorten, muss angesichts der Länge der Standzeit von Bäumen am Endstandort natürlich viel länger als nur bis zum Ende der Anwachsphase laufen. Die ursprüngliche Planung sah deswegen eine Projektlaufzeit von zehn Jahren vor, was bereits aus dem Titel des Projektes "Stadtgrün Nord 2025" ersichtlich wird. Leider umfasst die Förderung der in Gartenbau und Landwirtschaft üblichen Institutionen, die Versuchs- und Forschungsprojekte fördern, nur maximal drei Jahre. Diese Projekte können dann auf Antrag eventuell, zumeist dann auch nur kostenneutral, um ein weiteres Jahr verlängert werden, danach müssen die Projekte abgeschlossen sein, womit spätestens dann auch die finanzielle Förderung endet. Das trifft leider auch für dieses Projekt zu. Eine Fortführung aus eigenen Mitteln der LKSH wurde angestrebt, scheitert aber an der tatsächlichen Höhe der dazu notwendigen finanziellen Mittel.

Trotz ständiger Beteuerungen von allen Seiten, dass das Projekt unbedingt fortgeführt werden muss, da es unbedingt notwendige Daten für die nachhaltige Zusammensetzung des zukünftigen Stadtgrüns in Zeiten des fortschreitenden Klimawandels für Produzenten und Verwender liefere, konnte bisher keine Anschlussförderung gefunden werden.

 Thorsten Ufer
Autor

Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein

Dr. Andreas Wrede
Autor

Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein

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