Der Kommentar

Stadtgrün oder Naturstadt

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Das Weißbuch Stadtgrün war der große Hoffnungsträger der Branche. Alle wichtigen Funktionen von Grünflächen in der Stadt sind dort ausführlich mit ihrer hohen Bedeutung für das Wohlbefinden der Menschen dargelegt. Sogar, und das ist ganz neu, die Wichtigkeit der Pflege und Instandhaltung für die Qualität von Stadtgrün wird betont.

Weißbücher, die als Sammlung mit Vorschlägen zum Vorgehen bezeichnet werden, liefern häufig Grundlagen für die spätere Gesetzgebung. Flankiert wurde das Weißbuch von einem Städtebauförderprogramm "Zukunft Stadtgrün" in Höhe von 50 Millionen Euro. Alle Akteure der Branche haben sich so gefreut, dass Stadtgrün endlich die Bedeutung bekommt, die es verdient. Gedanken wie "Stadtgrün als Pflichtaufgabe" oder noch mehr Geld für Grün in der Stadt wurden schon diskutiert.

Das alles hat nun ein jähes Ende gefunden. Das Programm "Zukunft Stadtgrün" geht nun wieder im großen Topf der Städtebauförderung auf und aus Stadtgrün ist nun Masterplan Stadtnatur geworden. Letzteres ist Anfang Juni auch schon im Kabinett beschlossen worden. Aus Sicht einer wählerorientierten Politik sind diese Beschlüsse sehr logisch.

Nach den Diskussionen um Wohnungsnot in den Städten, die in der Forderung nach Enteignung von Unternehmen der Wohnungswirtschaft gipfelte, sind Wohnungen - vor allem niedrigere Mieten - wichtiger als Grünflächen. Sinkende Mieten werden vor allem mit mehr Angebot erreicht. Der Wohnungsbau und der damit verbundene Flächenverbrauch hat also Vorrang vor Grünflächen zum Wohlbefinden der Menschen. Das ist vielleicht zu spitz formuliert, aber im Kern bringen niedrige Mieten in den besten Lagen unserer Städte mehr Wählerstimmen als Parks.

Nach den Ergebnissen der Europawahl wird auch klar, dass sich mit dem Thema Schutz von Klima, Natur und Umwelt Wahlen gewinnen lassen, daher muss auch in der Stadt Naturschutz betrieben werden, um dem Artensterben entgegen zu wirken. Das klingt erst einmal komisch, aber Tatsache ist, dass die Biodiversität in den Städten durchaus höher ist als in der ausgeräumten Agrarlandschaft, die uns wiederum so gut ernährt. Also kann auch das Stadtgrün, wenn es zur Naturstadt wird, Wählerstimmen bringen. Denn anders als bei der Rodung von Wäldern am Amazonas sieht der Wähler, was die Regierung für den Erhalt der Arten tut. Zudem ist die Einflussnahme der Bundesregierung am Amazonas begrenzt. "Jetzt müssen wir aufpassen, dass im Masterplan Stadtnatur auch noch etwas für die Zweibeiner in der Stadt übrig bleibt", hat kürzlich ein Kollege aus der Branche sehr richtig kommentiert.

Die Diskussion zeigt, dass es immer enger wird in den Städten, in unserem Land, auf dem Globus, und dass sich alle Ziele, die wir gleichzeitig erreichen wollen, diametral gegenüberstehen. Wir müssen bei jedem Einzelvorhaben über die Bauleitplanung abwägen, zwischen Nahrung, Wohnen, Natur, Umwelt und nicht zuletzt dem Wohlbefinden der Zweibeiner. Es wird auf jeden Fall nicht einfacher, alles unter einen Hut zu bringen.

Ihr Martin Thieme-Hack

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Prof. Dipl.-Ing. (FH) Martin Thieme-Hack
Autor

Hochschule Osnabrück, Fakultät A&L

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