Leiter der Peter-Lenné-Schule zu Ausbildungsabbrüchen von Geflüchteten

Stephan Alker: "Zusatzkurse zum Erwerb der Fachsprache nötig"

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Immer öfter wird von Flüchtlingen berichtet, die ihre Ausbildung zum Landschaftsgärtner abbrechen. Und das, obgleich sie in Deutschkursen das erwünschte Sprachniveau B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens erreicht haben. Im Interview mit der Neuen Landschaft erklärt Stephan Alker, Schulleiter der Peter-Lenné-Schule, Oberstufenzentrum Natur und Umwelt, in Berlin die Gründe. Das Gespräch führte Christian Münter.

In den Bundesländern mehren sich die Meldungen, dass Geflüchtete ihre Berufsschulausbildung abbrechen. Es soll Probleme mit dem Spracherwerb und mit der beruflichen Orientierung geben. Was sind Ihre Erfahrungen an der Peter-Lenné-Schule in Berlin?

Stephan Alker: Ich denke, das sind die zwei Kernbereiche, die den Übergang von Schule zum Beruf für geflüchtete Menschen sehr schwierig gestalten. Betrachten wir zunächst einmal die sprachlichen Fähigkeiten: Oft sind Zertifizierungen des Sprachstandes nicht deckungsgleich mit den tatsächlichen sprachlichen Fähigkeiten, sodass die Eingliederung in berufsvorbereitende Lehrgänge und ihr Bestehen dann sehr schwierig ist. Zumal damit auch schulische Abschlüsse gekoppelt sind und Mindeststandards dann auch erfüllt werden müssen.

Das fällt den jungen Menschen dann besonders schwer, wenn sie neben dem Erwerb der deutschen Sprache zum Beispiel Mathematik, eine weitere Fremdsprache, Englisch, und vor allem auch die Fachsprache erlernen müssen. Da werden viele junge Menschen einfach überfordert sein.

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Wie steht es um die berufliche Orientierung?

Stephan Alker: Was wir hier in Berlin beobachten, ist eine deutliche Präferenz für bestimmte Berufsfelder. Das sind vor allem Kfz-Mechatronik, das Rechtswesen und das Gesundheitswesen. Viele dieser jungen Menschen stellen sich vor, sie hätten die Möglichkeit und die Fähigkeiten, in diesen Bereichen Studienmöglichkeiten zu bekommen, so dass sie zum Schluss Rechtsanwälte, Ärzte und Ingenieure werden. Wenn man es aber realistisch betrachtet, wird dieser Generation von jungen Geflüchteten das niemals gelingen.

Das gilt es abzustellen durch eine sehr gute Beratung. Das muss auch im Sinne der Qualitätssicherung eines gelungenen Übergangs von der Schule zum Beruf sichergestellt werden. Es geht um eine Beratung in Bezug auf die Möglichkeiten. Dabei müssen die eigenen Kompetenzen analysiert werden: Was kann ich, was vermag ich zu leisten? Auf der anderen Seite muss aber auch ehrlich gesagt werden, wo die Chancen liegen.

Wenn wir uns unsere Branche anschauen: Wir haben einen großen Fachkräftebedarf. Wir haben eine große Entwicklungsmöglichkeit in unseren Berufen. Das muss auch deutlich dargestellt werden. Das gilt für andere Branchen, die noch viel schlimmer mit dem Fachkräftemangel dran sind, genauso.

Wie kann man das Sprachproblem lösen?

Stephan Alker: Das erfordert ein großes, zusätzliches Engagement der Lehrkräfte über den eigentlichen Lehr- und Stundenplan hinaus. Das heißt, wir müssen Zusatzkurse anbieten, die beispielsweise den Erwerb der Fachsprache deutlich erleichtern. Förderkurse für Mathematik, Förderkurse für Englisch als Fremdsprache. Da muss sehr viel geleistet werden.

Es muss zudem sichergestellt werden, dass junge Geflüchtete Mindeststandards des Spracherwerbs erfüllen, bevor eine Maßnahme starten - damit meine ich einen berufsvorbereitenden Lehrgang oder eine Ausbildung im dualen System. Aus meiner Sicht sind B1 das Minimum für die Berufsvorbereitung und B2 das absolute Minimum für eine Ausbildung. Schließlich müssen sie in einer dualen Ausbildung auch die Abschlussprüfung bestehen, und die ist für alle gleich.

Sie sind ja der Auffassung, dass viele von den Zertifikaten allgemeinbildender Schulen, die Ihnen hier vorgelegt werden, oft zu schwammig sind.

Stephan Alker: Die Gründe dafür, warum diese Zertifikate nicht mit den tatsächlichen sprachlichen Fähigkeiten übereinstimmen, vermag ich nicht zu beurteilen. Es liegt wahrscheinlich an der sehr unterschiedlichen qualitativen Ausstattung mit DaZ/DaF-Lehrern, die in sehr großer Zahl in sehr kurzer Zeit an den Berliner Schulen eingestellt wurden. Es zeigt sich aber: Wenn wir Menschen bei uns im Eingang testen, dass es dann eine große Differenz zwischen den attestierten, zertifizierten Sprachkenntnissen und ihren tatsächlichen Sprachfähigkeiten gibt. Dann sehen wir uns oft gezwungen, Geflüchteten frühzeitig zu raten, das auszugleichen, bevor sie eine Maßnahme beginnen.

Im Grunde genommen geht es doch darum, nach der Quantität integrativer Angebote für junge Flüchtlinge nun mehr Qualität in ihre Ausbildung hineinzubringen?

Stephan Alker: Richtig. Die Willkommensklassen werden durchwachsen. Das heißt, dass sie in der Menge immer weniger werden. Die jungen Geflüchteten werden älter, gehen ein ins weiterbildende Schulsystem oder in den Beruf. Immer mehr junge Menschen werden sich in der Phase des Übergangs befinden. Genau da muss man frei werdende Kräfte, DaZ- und DaF-Lehrer zum Beispiel, binden, um geflüchtete Menschen in diesem Prozess, in Ausbildung oder Berufsvorbereitung zu unterstützen.

Was muss bundesweit getan werden, um die Herausforderungen zu bewältigen?

Stephan Alker: Es wird zurzeit viel über eine Aufhebung des Bund-Länder-Kooperationsverbots gesprochen. Ich halte das für einen Ansatz, um bundesweit Lösungen für die berufliche Bildung zu finden. Die schulischen Ressourcen könnten dann über die Länder verteilt vom Bund mitfinanziert werden und eine breite Wirkung entfalten.

Was erwarten Sie von den Berufsverbänden, zum Beispiel dem Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau sowie den GaLaBau-Landesverbänden?

Stephan Alker: Unsere Partnerverbände tun schon einiges. Sie setzen Willkommenslotsen ein. Das ist der richtige Weg. Sie müssen ihre Betriebe aber auch unterstützen, indem sie ihnen Ressourcen zugestehen, die eine sprachliche Bildung während der Ausbildung, im Betrieb, während der Praxis ermöglicht. Man muss notfalls Leute bereitstellen, die Kurse anbieten um im Bereich der Fachsprache das Deutsch bei den Geflüchteten zu verbessern.

Was können die Fachverbände tun, um die berufliche Orientierung zu verstärken?

Stephan Alker: Die berufliche Orientierung ist immer mit Praxisphasen durchsetzt. Es wäre gut, wenn diese Praxisphasen nicht in unseren Werkstätten, sondern in den Betrieben durchgeführt werden würden. Leider ist es so, dass männliche Geflüchtete unser Berufsfeld aus kulturellen Gründen meiden und andere Berufsfelder bevorzugen. Die Fachverbände sollten Geflüchteten Informationen darüber geben, welche Vorzüge das Berufsfeld bietet, welche Entwicklungsmöglichkeiten darin stecken und welche Verdienstmöglichkeiten es gibt.

Können wir damit rechnen, dass sich die Probleme ohne unser Zutun von selbst regeln?

Stephan Alker: Davor kann ich nur warnen. Wir müssen sehr viel Mühen und Ressourcen in die Bewältigung dieser Aufgaben stecken. Andernfalls bekommen wir ein gesellschaftliches Problem. Dann bekämen wir Menschen, die durch alle Gitter fallen, die vielleicht zu Sozialfällen würden. Dabei haben wir doch die Chance, die jungen Geflüchteten zu integrieren und zu guten Steuerzahlern zu machen. Und ich denke, das würde den Renten von uns allen ganz gut tun.

 Christian Münter
Autor

Leitender Redakteur

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