Thermische Spannungen in Verkehrsflächenbefestigungen der gebundenen Pflasterbauweise

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Platten Straßenbau und Verkehrswesen
Jährlich werden in Deutschland rund 2,5 Mio. m² Pflaster- und Plattenflächen mit Natur- und Betonwerkstein in gebundener Bauweise hergestellt. Foto: quick-mix/Tubag

Die hohe visuelle, technische und funktionale Qualität von Oberflächen stellt in der Landschaftsarchitektur ein elementares Gestaltungselement dar. Dabei werden Flächenbefestigungen in Pflaster- oder Plattenbauweise vermehrt in Belastungsbereichen eingesetzt, in denen die ungebundene Regelbauweise an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit stößt.

Hohe Verkehrslasten, ungünstige großformatige Plattenbeläge aber auch der Wunsch nach einer langfristig sauberen, nicht begrünten Fuge sind Argumente, durch die die gebundene Pflasterbauweise in den letzten Jahren stetig an Bedeutung gewonnen hat. Dies zeigt auch, dass in der kürzlich erschienenen ZTV Wegebau auch die gebundene Pflasterbauweise erstmals umfassend in einem bauvertraglich zu vereinbarendem Dokument enthalten ist.

Jährlich werden in Deutschland rund 2,5 Millionen Quadratmeter Pflaster- und Plattenflächen mit Natur- und Betonwerkstein in dieser Bauweise hergestellt. Nach einer Befragung von 30 Bau- und Planungsämtern in deutschen Städten zeigt diese Bauweise ein sehr heterogenes Erscheinungsbild.

17 Prozent der Flächen weisen merkliche Schäden und 29 Prozent geringe Schäden auf. Hierzu zählen unter anderem Risse (Abb. 1) oder Abplatzungen von den Fugen oder Pflastersteinen. Bei Herstellungskosten zwischen 100,- und 200,- Euro/m² ergibt sich daraus eine beachtliche Schadenssumme, die Jahr für Jahr in Verkehrsflächen investiert wird und nicht frei von Beanstandungen sind. Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch auch, dass ein Großteil der Flächen frei von Schäden ist (Abb. 2).

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Abb. 1: Rissbildungen und Abplatzungen im Belag. Foto: Jörn Buchholz
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Abb. 2: Belag frei von Schäden. Foto: Wigbert Riehl

Warum aber existieren Flächen mit Mängeln und warum gibt es Flächen die starken Belastungen ausgesetzt sind und dennoch frei von Schäden bleiben? Ein wesentlicher Faktor können Spannungen aus thermischen Belastungen sein. Zu diesem Ergebnis kommt die Dissertation von Dr.-Ing. Jörn Buchholz, der an der Universität Kassel dieses Thema untersucht hat.

Verändert sich die Temperatur eines Baustoffes, hat dieser das Bestreben sich - bei einer Abkühlung - zu verkürzen oder bei einer Erwärmung auszudehnen. Sind diese Dehnungen zum Beispiel durch eine Einspannung behindert, entstehen Spannungen. Die Größe der Dehnungen hängt grundsätzlich von zwei wesentlichen Faktoren ab. Jeder Baustoff hat einen individuellen thermischen Ausdehnungskoeffizienten. Dieser beschreibt wie stark sich ein Baustoff bei thermischer Belastung ausdehnt oder zusammenzieht.

Der zweite wesentliche Aspekt bei Verkehrsflächenbefestigungen in gebundener Bauweise ist die Temperatur, die während des Einbaus bzw. während der Hydratation des gebundenen Aufbaus vorherrscht. Bei dieser Temperatur - der sogenannten Nullspannungstemperatur - ist der Pflasterflächenaufbau frei von thermischen Spannungen. Steigt die Temperatur über diese, entstehen bei behinderter Dehnung Druckspannungen. Fällt Sie darunter, entstehen Zugspannungen. Wird eine gebundene Pflasterfläche bei niedrigen Temperaturen gebaut, entstehen im Sommer hohe Druckspannungen und im Winter verhältnismäßig geringe Zugspannungen. Wird bei hohen Temperaturen gebaut, entstehen im Winter hohe Zug- und im Sommer geringe Druckspannungen. Abbildung 3 zeigt das Wirkungsprinzip der Nullspannungstemperatur.

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Abb. 3: Wirkungsprinzip ab Nullspannungstemperatur. Grafik: Jörn Buchholz

Mörtel, die bei der Herstellung einer gebundenen Pflasterbauweise verwendet werden, können wesentlich höhere Druck- als Zugspannungen kompensieren. Daher wirken sich hohe Einbautemperaturen besonders negativ auf den langfristigen Spannungszustand aus. Bei hohen Einbautemperaturen oder starker Sonneneinstrahlung während der Herstellung können jedoch geeignete Nachbehandlungsmaßnahmen dazu beitragen, den langfristig wirksamen Spannungszustand positiv zu beeinflussen. Untersuchungen an Betondecken haben gezeigt, dass die wirksamste Methode, das Abdecken der Flächen mit feuchtzuhaltenden Geotextilien ist.

Dies hat bei gebundenen Pflasterdecken zwei wesentliche Vorteile: Zum einen führt die Beschattung der Pflasterfläche zu geringeren Nullspannungstemperaturen und damit zu einem günstigeren Spannungszustand der Flächen. Zum anderen verhindert die Feuchtigkeit ein unkontrolliertes Austrocknen und damit eine Schädigung des Pflasterfugenmörtels. Nachbehandlungsmaßnahmen stellen bei der Ausführung von gebundenen Pflaster- und Plattenbelägen eine elementare Arbeitsleistung dar und sollten daher bauvertraglich vereinbart werden.

Bei der Herstellung von gebundenen Pflaster- und Plattenbelägen werden von einigen Herstellern Haftschlämmen angeboten und beim Einbau vorgeschrieben, die den Haftverbund zwischen Pflasterstein und Bettungsmörtel verbessern sollen. Vor dem Pflastern wird der Stein oder die Platte in die Haftschlämme eingetaucht oder rückseitig bestrichen und dann frisch in frisch in den Bettungsmörtel versetzt. Um den Haftverbund nach dem Versetzen nicht zu schädigen ist es wichtig, dass die Elemente direkt mit dem Versetzen in die endgültige Position gebracht werden. Ein nachträgliches Ausrichten oder das Verwenden von Verdichtungsgeräten ist nicht zulässig.

Bei Untersuchungen an der Universität Kassel wurden sechs frei bewitterte Messfelder in eine Verkehrsfläche integriert. Bei unterschiedlichen Temperaturverhältnissen wurden im Jahresverlauf die Dehnungen der Versuchsfelder gemessen. Dabei hat sich gezeigt, dass sowohl bei Betonsteinen, als auch bei Natursteinen (Granit) mit bruchrauer Oberfläche durch die Verwendung eines Haftvermittlers die Ausdehnung und damit auch resultierende Spannungen um mehr als 50 Prozent reduziert werden können. Es wurde deutlich, dass der Haftverbund zwischen Pflasterdecke und Bettungsschicht eine wesentliche Bedeutung für den Spannungszustand von gebunden hergestellten Pflasterbelägen hat.

Über den hohen Verbund zwischen Belag und Bettungsmörtel können Spannungen, die aus Temperaturdehnungen entstehen, von dem gesamten Oberbau aufgenommen werden. Bei der gebundenen Bauweise ist es daher grundsätzlich das Ziel, eine möglichst homogene, lastverteilende Platte zu erstellen. Daher sollte bei gebundenen Pflaster- und Plattenbelägen grundsätzlich eine Haftschlämme verwendet werden, um spannungsarme Beläge herzustellen. Abbildung 4 zeigt einen Ausschnitt aus dem Untersuchungsprogramm der Universität Kassel.

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Abb. 4: Verschiebung von Beton- und Granit-belägen mit und ohne Haftgrund/Haftschlämme. Grafik: Jörn Buchholz

Der Haftverbund hängt neben der Verwendung einer Haftschlämme auch von der Gesteinsart und der damit verbundenen Porosität und Saugfähigkeit, sowie der Oberflächenbearbeitung der Steinunterseite sowie der Steinflanken ab. So ist es besonders wichtig die verwendeten Materialien vor dem Verfugen gründlich vorzunässen. Dadurch saugen sich die Pflastersteine mit Wasser voll und können somit dem Pflasterfugenmörtel kein für die Hydratation notwendiges Wasser entziehen. Aber auch verschmutzte Steinoberflächen führen zu einer deutlichen Reduzierung des Haftverbundes. Verschmutzungen durch Staub, Schalöl oder auch Schnittschlamm müssen vor dem Versetzen der Pflastersteine gründlich entfernt werden. Dies wird leider im täglichen Baubetrieb oft vernachlässigt.

Ein weiterer Aspekt des Verbundes zwischen Belag und Bettungsschicht ist die Größe eines Pflastersteins oder einer Platte. Eine mit zum Beispiel Kleinpflaster hergestellte Pflasterfläche weist einen wesentlich höheren Fugenanteil auf als ein Plattenbelag. Dies hat zur Folge, dass sich ein Belag aus Pflastersteinen intensiver mit dem Bettungsmörtel verzahnt als ein Plattenbelag. Außerdem wird beim Versetzen der Pflastersteine im Gegensatz zu einer Platte mit großem Flächenmaß jeder einzelne Stein verdichtend in den Bettungsmörtel eingeschlagen. Diese Kombination, die bessere Verzahnung und die gleichmäßigere Verdichtung des Bettungsmörtels führen dazu, dass der Verbund zwischen Bettungsmörtel und Belag bei Pflastersteinen insgesamt verbessert wird.

Neben der Einbautemperatur und dem Verbund kommt der Elastizität der Baustoffe, die sich als Werkstoffkennwert über den Elastizitätsmodul definiert, eine wesentliche Bedeutung zu. Der Elastizitätsmodul (kurz E-Modul) ist ein Baustoffkennwert der im linearelastischen Bereich beschreibt, welchen Widerstand ein Baustoff seiner Verformung entgegensetzt. Dies bedeutet, dass je größer der E-Modul ist, die Spannungen bei gleicher Dehnung proportional zunehmen. Für eine Pflasterfläche folgt daraus, dass je geringer der E-Modul der verwendeten Pflastersteine und Mörtel ist, desto spannungsärmer ist die Pflasterfläche. Die Kombination zwischen einem guten Haftverbund und einer hohen Elastizität der Fugenmörtel kann entstehende Spannungen optimal aufnehmen. Bei höher belasteten Verkehrsflächen sollte der E-Modul des Pflasterfugenmörtels jedoch nicht unter 15.000 N/mm² liegen. Bei geringeren E-Moduln führt die zu hohe Elastizität dazu, dass die Fuge nicht mehr in der Lage ist eine ausreichende Stützfunktion zu übernehmen. Dadurch steigt die Belastung auf die Bettungsschicht und den Haftverbund. In der Folge steigt das Risiko von Schäden.

Darüber hinaus benötigt jeder Belag in bestimmten Bereichen Bewegungsfugen. Bewegungsfugen sind Bauteile die Bewegungen aus Setzungen oder aus thermischen Dehnungen aufnehmen - und somit Spannungen reduzieren können. Insbesondere an aufgehenden Bauteilen, Gebäudeanschlüssen und Einbauten sind grundsätzlich Bewegungsfugen vorzusehen. Auch über bestehenden Bewegungsfugen oder bei Wechseln des Untergrundes beispielsweise im Bereich an dem eine Unterbauung endet, sind Bewegungsfugen bis in den Belag hochzuführen.

Das FGSV Arbeitspapier "Flächenbefestigungen mit Pflasterdecken und Plattenbelägen in gebundener Ausführung" (2007) empfiehlt darüber hinaus die Ausbildung von Bewegungsfugen in Längs- und in Querrichtung im Abstand zwischen 4 m und 6 m. Dabei sieht das FGSV Merkblatt zwei unterschiedliche Konstruktionen von Bewegungsfugen vor. Bei beiden Konstruktionen wird vorgesehen, dass die Unterlage frei von Eigenspannungen ist. Eine Dränbetontragschicht muss deshalb vor dem Überbauen geschnitten oder gekerbt werden. Dränasphaltschichten benötigen auf Grund ihres elastischeren Werkstoffverhaltens keine besonderen Vorkehrungen.

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Abb. 5: Bewegungsfuge nach FGSV-Arbeitspapier. Grafik: Jörn Buchholz
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Abb. 6: Stahlwinkel einer Bewegungsfugenkonstruktion nach FGSV-Arbeitspapier. Foto: Wigbert Riehl
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Abb. 7: Betonpflastersteine mit einer Haftschlämme versetzt. Foto: Jörn Buchholz
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Der Umgang mit witterungsbedingten Spannungen ist ein entscheidender Faktor bei der Herstellung von gebunden hergestellten Pflasterflächen. Fotos: quick-mix/Tubag
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Abb. 8: Nachträgliche Ausbildung einer Bewegungsfuge nach Schweizer Methode. Foto: Wigbert Riehl

Im befahrenen Bereich sieht das FGSV Arbeitspapier eine Konstruktion mit Stahlwinkeln vor (Abb. 5 und 6). Die Stahlwinkel sollen verhindern, dass Pflastersteine, die auf der Seite der Bewegungsfuge keine Abstützung erfahren, aus der Bettung kippen. Im fußläufigen Bereich wird die Bewegungsfuge durch das Einlegen eines Fugenbandes ausgebildet. Erfahrungen haben jedoch gezeigt, dass die Konstruktion mit Stahlwinkeln im Wesentlichen in Bereichen in denen hohe Schub- und Scherkräfte auftreten sinnvoll ist. In den übrigen Bereichen reicht zumeist das Einstellen von verformungsstabilen Kautschukbändern.

Orientiert man sich an den Vorgaben des FGSV-Arbeitspapiers für den Abstand von Bewegungsfugen stellt sich die Frage, ob der richtige Abstand von Bewegungsfugen bei 4m oder eher bei 6 m liegt. Im Folgenden werden Faktoren beschrieben, die den Abstand von Bewegungsfugen beeinflussen können.

Eine wesentliche Größe ist der Haftverbund (Abb. 7).

Liegt ein guter Haftverbund zwischen Bettungsmörtel und Pflasterstein vor, kann der Abstand der Fugen größer gewählt werden, als bei einem geringen Verbund. Es empfiehlt sich im Planungsprozess die Haftzugfestigkeit zwischen dem zur Ausführung kommenden Belagsstoff und dem Mörtelsystem prüfen zu lassen. Auch die Dicke der gesamten Belagplatte hat einen Einfluss auf den Abstand der Bewegungsfugen. Mit zunehmender Dicke kann der Abstand der Bewegungsfugen vergrößert werden. Beim Flächenmaß der Belagselemente können bei kleinen Größen die Abstände auf Grund einer besseren Verzahnung mit der Bettungsschicht größer gewählt werden als bei zum Beispiel Plattenbelägen.

Außerdem kommt der Nullspannungstemperatur eine wesentliche Bedeutung zu. Hohe Hydratationstemperaturen führen im Jahresverlauf zu hohen Zugspannungen im Belag. Daher sollte der Abstand der Dehnungsfugen der im Sommer hergestellten Beläge geringer sein, als bei der Herstellung bei ausgeglichenen Temperaturen.

In den Regelwerken der Schweiz (SN 640 480) und Österreich (RVS 8S.06.4) wird von Bewegungsfugen in belasteten Bereichen ausdrücklich abgeraten. Eventuelle entstehende Risse werden ggf. nachgeschnitten und anschließend dauerelastisch verfugt. Ein Verfahren das auch hierzulande schon positiv zur Anwendung kam (Abb. 8).

Der Umgang mit witterungsbedingten Spannungen ist ein entscheidender Faktor bei der Herstellung von gebunden hergestellten Pflasterflächen. Dabei ist es entscheidend, thermische Spannungen nicht als ein unbeeinflussbares Naturphänomen zu sehen, sondern diese in der Planung gut vorzubereiten und während der Ausführung positiv zu beeinflussen, um den Spannungszustand des Belages zu optimieren. Eine qualifizierte Planung, Ausschreibung und Ausführung sowie die Verwendung eines geeigneten Mörtelsystems aus Bettungs- und Verfugungsmörtel ermöglichen Pflasterdecken und Plattenbeläge in gebundener Ausführung mit einer hohen Funktionalität, Langlebigkeit und einer ausgeprägten ästhetischen Qualität.

Literatur

Buchholz, Jörn (2011): Gebundene Pflasterbauweisen in der Landschaftsarchitektur - Thermische Spannungen, Kassel University Press

FGSV Arbeitspapier 618/2 - Flächenbefestigungen mit Pflasterdecken und Plattenbelägen in gebundener Ausführung (2007)

Schneider, Wulf (2009): Gebundene Pflasterdecken und Plattenbeläge, in Straße + Autobahn 4/2009, Kirschbaum Verlag GmbH

Springenschmid, Rupert, E. Hiller, (1997): Einfluss der Temperatur während der Nachbehandlung von Betondecken, Betonstraßentagung 1997, Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen Heft 23, Bonn, Kirschbaumverlag

Dr.-Ing. Jörn Buchholz
Autor

Produktmanager quick-mix

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Universitätsprofessor

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