Training fürs Dachstübchen

von:
Pflanzenbestimmung Nachwuchsförderung
Grafik: Uwe Bienert
Pflanzenbestimmung Nachwuchsförderung
Grafik: Uwe Bienert

Die 104. Folge unserer Serie für den Nachwuchs erläutert das wichtigste GaLaBau-Grundlagenwissen vom Abstecken bis zum Zaunbau: Diesmal geht es um das Thema Pflanzenkenntnisse.

Nun, nachdem wir die ganze Vorarbeit mit dem Schaffen einer Arbeitsgrundlage im letzten Monat gelegt haben - vielleicht erinnert sich noch jemand an unseren dendrologischen Führer der letzten Folge - müssen wir uns intensiv ums Oberstübchen kümmern. Wie lerne ich das Ganze und erkenne Gehölze und Pflanzen ohne Buch?

Es steht ohne Zweifel, dass die Kenntnisse um Pflanzen und deren Erkennung ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal des Berufsstandes Landschaftsgärtner ist und dass uns dieses Merkmal einen Marktvorteil gegenüber anderen Berufsgruppen (z.B. Hausmeisterservice) bringen kann, wenn wir unser Handwerk beherrschen. Bevor man sich auf die Pflanzenkenntnis und den damit verbundenen Lernprozess stürzt, sollte man einige Betrachtungen nicht außer Acht lassen.

Es gibt Irrwege

Irrweg Nummer eins ist mit absoluter Sicherheit der Zwang. Wer glaubt - und das war vor rund fünf Jahren angestrebte Option im GaLaBau - mit Zwang, verschärfter Kontrolle und Kontrolldruck in Form von Tests Pflanzenkenntnisse vermitteln zu können oder dadurch sogar Interesse für den Bereich erwecken zu können, der ist im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Holzweg.

Wenn in der Meisterausbildung (nur als Beispiel) dem jungen angehenden Meister schon bei der Pflanzenerkennung mit verschärfter Kontrolle gedroht wird und dieser dann schon mit Frust ins Unterholz stapft, kann man von ihm nicht erwarten, seine Kenntnisse mit Freude und Enthusiasmus an die nächst jüngere Generation, sprich seinen späteren Azubi, weiter zu geben. Irrweg Nummer zwei ist die abwegige Vorstellung, das Erkennen von Pflanzen allein durchziehen zu können. Es ist von Nöten sich erfahrene Partner (Berufsschullehrer, Ausbilder, Azubis älterer Lehrjahre usw.) zu suchen und von deren Erfahrungen zu profitieren.


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Pflanzenbestimmung Nachwuchsförderung
Grafik: Uwe Bienert
Pflanzenbestimmung Nachwuchsförderung
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Irrweg Nummer drei: Pflanzenerkennung ist keine Stöckchenkunde! Ein weit verbreitetes Phänomen: In Thüringen habe ich einen Berufsschullehrer erlebt, der Generationen von GaLaBau-Azubis Knospensammlungen anlegen ließ. Donnerwetter, welch verschwendete Zeit. Pflanzenerkennung ist nicht nur Detailwissen über Pflanzen, sondern auch Standortkenntnisse, Pflege und Umgang mit Pflanzen.

Warnen möchte ich aber auch an dieser Stelle vor Irrweg Nummer vier - dem Standortwissen: Oft haben ich und meine Kollegen bemerkt, dass man sich beim Pflanzenlernen oft das Umfeld der Pflanze merkt. Beispiel: Man bestimmt bei der Oma im Vorgarten den Baum als Sommerlinde, ganz sicher mit allen seinen Merkmalen. Und wiederholt bei der eigenen Pflanzenkenntnis immer wieder diesen Baum, an diesem Standort - und prägt sich langsam aber sicher ein: "Bei Oma in Vorgarten steht eine Sommerlinde!" Würde man jetzt (nur theoretisch) über Nacht diese Sommerlinde gegen einen Spitzahorn austauschen, der Lernende würde beim nächsten Rundgang auf seinem Zettel wieder Sommerlinde schreiben, weil er nicht mehr die Merkmale prüft, sondern sich den Standort gemerkt hat.

Hilfe, ich seh` nicht mehr durch!

Bei so vielen Irrwegen muss es aber auch richtige Lernwege geben. Klar sollte man sich sein, dass das Erlernen von Pflanzen nicht so ganz einfach ist. Sie gliedert sich in vier Lernfelder:

  • Das Lernen der botanischen Namen, die auf der lateinischen Sprache beruhen.
  • Dem Lernen der einzelnen Pflanzenmerkmale, um sie untereinander zu unterscheiden.
  • Dem Erlernen botanischer Grundkenntnisse, um Rückschlüsse vom Aussehen auf den Standort ziehen zu können.
  • Dem Erlernen der Standort- und Umweltbedingungen der einzelnen Pflanzen.

Zugegeben, das ist hart und macht in der Anfangszeit auch nicht so richtig viel Spaß, aber mit der Zeit fällt es immer leichter. Helfen kann dabei der Gedanke, es in der Gemeinschaft von Gleichgesinnten sportlich zu nehmen und den Wettbewerb um die Kenntnisse von Pflanzen zu entfachen.

Pflanzenbestimmung Nachwuchsförderung
Grafik: Uwe Bienert
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Das Lernen der botanischen Namen

Beim Thema Lernen von Pflanzennamen muss ich immer an meinen alten Russisch-Lehrer denken, der acht Jahre unnachgiebig versucht hat, mir die Sprache und deren Vokabeln näher zu bringen und es ist ihm nicht gelungen. Zu seiner Ehrenrettung muss ich allerdings sagen - es fehlte auch der Wille meinerseits.

Und da sind wir schon wieder beim Thema: der Wille. Ohne diesen kleinen fest eingebauten Vertreter menschlicher Eigenschaften geht es im Fall "Lernen von Pflanzennamen" nicht! Man muss es wollen und sich leider auch manchmal dazu zwingen.

Zwei Sachen sind beim reinen Pflanzenvokabel-Lernen von Nutzen: Eselsbrücken und ein Faltzettel. Der Faltzettel ist leicht erklärt: Einfach ein A4-Blatt wie auf der Abbildung gefaltet, im Mittelteil eine ausgefüllte Pflanzentabelle mit 20-25 Pflanzennamen in Deutsch und "Botanesisch", die beiden Randtabellen zum Klappen fürs Vokabel-Lernen.

Die Eselsbrücken sind schon anspruchsvoller und erfordern vielleicht auch schon einige botanische Grundkenntnisse. Sie sind sehr individuell auf jeden einzelnen zugeschnitten und eine zweite Person kann damit in den meisten Fällen nichts anfangen.

Ein Beispiel:

Den Frauenmantel (Alchemilla mollis) habe ich mir als "Der Alten Milla molliger Mantel" gemerkt. Die meisten Buchstaben des botanischen Namens sind vorhanden.

Zweites Beispiel:

Beim Lernen von Heckenpflanzen nutze ich gleichfalls diese Eselsbrücken. Wenn ich also einen Sitzplatz mit einer Hecke umpflanzen will, pflanze ich "Ligustrum rum". Damit ist in meinem Kopf klar: Liguster (Ligustrum vulgare). Und über die Lorbeerhecke schaut "Bruno, der laute Cerasaurus" - Kirschlorbeer (Prunus laurocerasus).

Pflanzenbestimmung Nachwuchsförderung
Grafik: Uwe Bienert
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Pflanzenmerkmale - ein weites Feld

Bei den Merkmalen von Pflanzen ist das Ganze schon ein wenig komplexer. Hier würde ich für den Anfänger einen einfachen Bestimmungsschlüssel auf Tabellen-Basis empfehlen. Gute Bestimmungsbücher beinhalten diesen - da muss man auf dem Markt ein wenig forschen. Nur nicht zu wissenschaftlich, den es soll ja auch kein Frust aufkommen. Das Prinzip habe ich versucht, auf den nebenstehenden Tafeln zu erklären - sieht kompliziert aus, ist es aber nicht.

Im fortgeschrittenen Stadium kann man sich dann auf seine botanischen Kenntnisse verlassen und nach dem Ausschlussverfahren arbeiten. Hat man zum Beispiel ein Laubblatt, bei dem die Blattadern extrem in der Blattspitze zusammenlaufen, kann man sich bei der Bestimmung der Pflanze fast ganz sicher auf die Gattung der Hartriegel (Cornus) konzentrieren. Oder ist die Rinde eines Baumes weiß - Birke (Betula) - ganz klar.

Nehme ich ein Messer und kratze die Rinde eines Gehölzes bis auf das Kambium herunter und es erscheint in leuchtendem Zitronengelb, kann ich mir sicher sein, dass es sich um ein Berberitzengewächs handeln wird. Schaut man dann noch auf die Farbe der Frucht, kann man sagen, ob diese Pflanze immergrün oder sommergrün ist (blau/schwarz = immergrün; rot/orange = sommergrün). Dieses Wissen wächst mit der Zeit im Beruf und fängt irgendwann einmal an, auch Spaß zu machen.

Botanik - der Joker

Alles hat seine Zusammenhänge. Die Natur macht nichts just for fun. Dort hat alles seinen Sinn. Wenn man sich über diese Tatsache im Klaren ist, hilft dies nicht nur bei der Bestimmung der Pflanze, sondern hat auch seine Auswirkungen auf den Kenntnisstand zu den Standortbedingungen.

Ein Beispiel: Hat eine Pflanze schmale Laubblätter mit einer stark behaarten Blattoberfläche, die vielleicht auch noch silbrig glänzt, wird sie in der Regel wo wachsen? Richtig in der Sonne, weil sie durch die geringe Blattoberfläche die Verdunstungsfläche reduziert und mit der silbrigen Behaarung das Sonnenlicht reflektiert wird und damit die Photosynthese gesteuert wird. Wenn noch ein sehr aromatischer Geruch dazu kommt, könnte das die Kurzbeschreibung von Lavendel (Lavandula angustifolia) sein. Es ist deshalb ziemlich wichtig,

in Botanik gut zuzuhören und den Input zu speichern.

Pflanzenbestimmung Nachwuchsförderung
Grafik: Uwe Bienert

Mit Bildern lernen

Man kann noch einen draufsetzen: Schon bei den römischen Senatoren war, beim Einstudieren der ewig langen Senatsreden, das Lernen in Verbindung mit Bildern sehr angesagt. Auch heutige Gedächtniskünstler bevorzugen das Einstudieren von Fakten mittels ausgedachten Bilder-Stories. Nun soll keiner von uns zwingend an der Weltmeisterschaft im Zahlenmerken teilnehmen, aber das Grundprinzip, ein Bild mit einem Fakt zu verbinden, kann man durchaus auch beim Lernen von Pflanzen nutzen.

Was wäre das alles ohne ein Beispiel?

Also: An welche Pflanze kann man denken, wenn man folgende Begriffe hört? Feuerwerk, Speerspitze, Keule, Waldhorn, Brathähnchen, geplatzte Bratwurst, Wikingerboot

Die Lösung ist einfach: Der Habitus der Pflanze sieht aus wie ein explodierendes Feuerwerk. Die Form ihrer Laubblätter erinnert an die Speerspitzen der Steinzeitmenschen und ihre Stellung am Zweig an die Ruderstellung der Wikingerboote. Während die noch nicht geöffneten Blüten Keulen ähnlich sehen, erinnern die geöffneten Blüten an ein Waldhorn. Die einzelnen Fruchtstände sehen aus wie Brathähnchen und alte Zweige mit ihrer abblätternden Rinde wie geplatzte Bratwürste. Ganz sicher die Beschreibung für den Perlmuttstrauch (Kolkwitzia amabilis).

Für Jäger und Sammler

Ein letzter Satz zum Thema Herbarium: Ich finde es persönlich schade, dass dieses alte und wirkungsvolle Instrument vieler Generationen von Botanikern so stark vernachlässigt wird. Wie oft sehe ich in den Berichten zu den Pflanzen der Woche lieblos eingeklebte, seelenlose Bilder in der Größe einer Mikroverfilmung, ohne Aussagekraft und Wiedererkennungswert. Nicht nur, dass irgendein wichtiges Buch sinnlos zerschnipselt wurde (selbst vor den AuGaLa-Pflanzenbüchern wird da nicht halt gemacht), es besteht auch keine Verbindung zur Pflanze und kein Lerneffekt für den Verfasser des Berichtes.

Ich würde es viel besser finden, wieder dazu über zu gehen, Pflanzenteile zu sammeln, zu pressen und aufzukleben und damit den Kontakt zur Pflanze herzustellen. Dazu reicht allerdings nicht die Bereitschaft der Azubis dies zu wollen, man benötigt engagierte Ausbilder und Berufsschullehrer, die es wagen mit unserem Berufsnachwuchs in die Natur zu gehen, auch auf die Gefahr hin mal etwas nicht zu wissen und dieses auch noch zuzugeben, und echte Pflanzenkenntnis zu machen.

Im Rahmen einer Weiterbildung der Lehr- und Versuchsanstalten für Gartenbau in Deutschland hatte ich vor Jahren die Gelegenheit, an einem Unterricht über Pflanzenkenntnis bei Jean-Denis Godet, einem bekannten Buchautor und ehemaligem Berufsschullehrer aus der Schweiz, teilzunehmen. Meine Erwartungen waren ziemlich hoch und ich war überrascht, wie einfach es ist beim Thema Pflanzenbestimmung und -kenntnisse zu überraschen und zu fesseln. Dabei waren die Mittel sehr simpel. Herr Godet kam mit zwei ziemlich abgegriffenen Plastiktüten eines namhaften Discounters voll Pflanzenteilen in den Unterrichtsraum, schüttete diese auf einen Tisch zu einem riesigen grünen Berg, verteilte einige Bestimmungsbücher, setzte sich mitten unter uns und lud uns ein diese Pflanzen gemeinsam zu bestimmen. Das gemeinsame Bestimmen, das gemeinsame Suchen nach der Lösung war ein wunderbares Erlebnis.

Uwe Bienert

Quellen

Einheimische Laubgehölze (Hecker, Quelle & Meyer Verlag Wiebelsheim),
Grundkurs Gehölzbestimmung (Lüder, Quelle & Meyer Verlag Wiebelsheim),
Taschenlexikon der Gehölze (Schmidt/Hecker, Quelle & Meyer Verlag Wiebelsheim),
International standard ENA 2010-2015 (M.H.A. Hoffmann, ENA's European Plant Names Working Group),
Die Nadelgehölze (Krüssmann, Paul Paray Verlag Berlin/Hamburg 1955),
Wikipedia, www.baumkunde.de

Im Nächsten Monat lesen Sie: NPK - eine neue Partei?

 Uwe Bienert
Autor

Landschaftsgärtner-Meister und Ausbilder

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