Überflutungsanalyse in der Wohnungswirtschaft

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Ohne Wasser ist Leben unmöglich. Große Städte konnten nur in der Nähe eines Flusses entstehen und sich entwickeln. Sie dienten in erster Linie der Wasserversorgung der Bevölkerung, der Bewirtschaftung der Felder und zusätzlich als Transportmöglichkeit für den Handel. Heute kommen auch die Bedeutungen des positiven Lebensgefühls, des Kühlungseffektes, der Energieerzeugung und der Freizeitgestaltung hinzu. Aber Wasser kann für den Menschen gefährlich werden. Durch Überflutungen und Überschwemmungen hat Wasser eine zerstörende Wirkung. Das Phänomen von zu viel Wasser gab es schon immer – die Intensität und die Häufung haben allerdings in den letzten Jahren deutlich zugenommen.
Klimaanpassung Hochwasserschutz
Die Intensität von Überflutungen und Überschwemmungen hat zugenommen. Foto: Animaflora PicStock, Adobe Stock

Bedingt durch die Reduzierung von natürlichen Retentionsräumen, wie beispielsweise Auen- oder Moorgebiete und die Vergrößerung von versiegelten und somit versickerungsunfähigen Flächen, kommt es zu Überflutungen in besiedelten Gebieten mit verheerenden Folgen für Menschen und baulichen Anlagen. Bei starken Niederschlägen fehlen Speicherkapazitäten, die das Wasser zunächst aufnehmen und danach langsam wieder abgegeben. Hinzu kommen erhöhte Niederschlagsmengen, bedingt durch höhere Verdunstungsraten auf den Meeren. Diese entstehen wiederum durch höhere Temperaturen aufgrund des Klimawandels.

Um dem Phänomen und den Auswirkungen entgegenzutreten, bedarf es einer Mehrfachstrategie. Maßnahmen sind erforderlich, die den Klimawandel stoppen oder bestenfalls reduzieren können. Aber auch gegen die jetzt schon auftretenden Nachteile durch den Klimawandel müssen Maßnahmen umgesetzt werden. So hat der Gesetzgeber sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene Gesetze erlassen, die sich mit der Klimaanpassung befassen. Seit Ende des letzten Jahres gibt es das "Bundes-Klimaanpassungsgesetz". In dem Gesetz heißt es, dass die Bundesregierung bis zum September 2025 eine Klimaanpassungsstrategie mit messbaren Zahlen vorlegt. Die Strategie führt Themen sogenannte Cluster auf, die betrachtet werden sollen. In einem Cluster geht es um das Thema Wasser mit Schwerpunkten zum Hoch- und Niedrigwasser- sowie Starkregenrisikomanagement.

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Klimaanpassung Hochwasserschutz
Retentionsraum als Gestaltungselement. Foto: W. Telöken

In Nordrhein-Westfalen gibt es auf Landesebene das "Klimaanpassungsgesetz NRW" bereits seit dem Jahr 2021. Das Gesetz beabsichtigt, die Festlegung von Klimaanpassungszielen sowie die Erarbeitung einer Klimaanpassungsstrategie mit definierten Klimaanpassungsmaßnahmen. In der Strategie sind Handlungsfelder mit Maßnahmen festgelegt. Eine Maßnahme im Handlungsfeld "Wasserwirtschaft und Hochwasserschutz" bezieht sich auf die "Wassersensible Stadtentwicklung". Die Zielformulierung beinhaltet: "Entwicklung eines integrativen zukunftsorientierten Siedlungswassermanagements, das eine flexible Anpassung an klimawandelbedingte Veränderungen ermöglicht. Der Umgang mit Hochwasser, Sturzfluten, aber auch Wasser als Element der Stadtgestaltung soll frühzeitiger als bisher in die Stadtplanung einbezogen werden."

Die Gesetze müssen von der öffentlichen Verwaltung umgesetzt werden. Das bedeutet aber auch, dass Vorgaben auf unterschiedlichen Ebenen gemacht werden, die nicht nur die öffentliche Verwaltung betreffen wird. Ebenfalls werden Förderbedingungen Aspekte der Klimaanpassung wahrscheinlich stärker berücksichtigen. Nicht nur aus den genannten Gründen kann das freiwillige Durchführen von Klimaanpassungsmaßnahmen sinnvoll sein. Die Auswirkungen verursachen oft erhebliche Schäden mit finanziellen Folgen. Das sollte bei den Entscheidungen über Gegenmaßnahmen berücksichtigt werden. Selbst wenn einige Schäden versichert sind, wirkt sich das erhöhte Risiko auf die Höhe der Versicherungssumme aus.

Klimaanpassung Hochwasserschutz
1. In Blau Überschwemmungsflächen durch Hochwasser. Duisburg ist deutlich stärker betroffen als Essen. Quelle: Klimaatlas NRW
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2. In Blau Überflutungsflächen durch Starkregen im Bereich des Stadtgebietes von Essen. Quelle: Klimaatlas NRW
Klimaanpassung Hochwasserschutz
3. Der sogenannter "BlueSpot" stellt eine natürliche oder künstliche Senke/Mulde dar. Quelle: Dr.-Ing. René Burghardt, Burghardt u. Partner Ingenieure Kassel & Universität Kassel,

Die Allbau GmbH, ein Wohnungsunternehmen aus Essen, hat sich dafür entschieden, durch eine Analyse, das Risiko und das Gefahrenpotenzials durch Überflutung zu bewerten und gezielte Gegenmaßnahmen zu planen. Die Beweggründe sind vielschichtig. An erster Stelle steht der Schutz der Bewohner. In extremen Fällen ist dieser Aspekt von großer Bedeutung. Durch das Verhindern von Schäden wird auch der wirtschaftliche Aspekt berücksichtigt. Besonders in der nahen Zukunft wird wahrscheinlich das Thema der Nachhaltigkeitsbewertung für ein Wohnungsunternehmen immer mehr an Gewicht gewinnen. Ein Faktor in diesem Zusammenhang ist der nachhaltige Umgang mit dem Niederschlagswasser sowohl im Neubau als auch im Bestand.

Um für den eigenen Bestand eine Analyse durchzuführen, stehen immer mehr und genauere Daten zur Verfügung. Der Klimaatlas NRW und auch die Stadtverwaltungen stellen im Internet diverse Daten zur Verfügung. Unter anderem werden Flächen dargestellt, die bei bestimmten Szenarien sowohl durch starken Niederschlag als auch durch Hochwasser an Bächen und Flüssen mit Wasser überflutet werden.

Klimaanpassung Hochwasserschutz
4. Orginal Überflutungsfläche in Blau Quelle: Allbau GIS
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5. Nivellierte Überflutungsfläche Quelle: Allbau GIS
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6. Ausschnitt eines Wohngebietes neben der Universität in Essen. In Blau Überflutungsflächen – in Rot und Gelb Fließgeschwindigkeiten bei extremen Starkregen. Quelle: Klimaatlas NRW

In Essen ist die Gefahr der Überflutung durch Hochwasser deutlich geringer, als das zum Beispiel in Duisburg der Fall ist (siehe Abb. 1). Durch Starkregen hingegen sind auf dem Essener Stadtgebiet zwar keine großen Flächen betroffen, jedoch relativ gleichmäßig verteilt immer wieder mittelgroße bis kleinere Flächen mit einer Wassertiefe von bis zu 4 m und sogar darüber hinaus (siehe Abb. 2). Die abgebildeten Überflutungsflächen berechnen sich bei der Annahme eines Starkregens der Dauerstufe 60 min (d=60 min) mit einem Modellregen von unisono 90 mm, auch bezeichnet als "Extremer Starkregen". Die Darstellung der Flächen erfolgt farbabgestuft je nach Wassertiefe von bis zu 50 Zentimeter und bis zu über vier Meter. Die Abbildung 3 zeigt eine so berechnete Wasserfläche (BlueSpot) im Querschnitt.

Die im Klimaatlas NRW zur Verfügung gestellten Daten sind leider nicht vektorisiert und können daher nicht ausgewertet werden. Allerdings lassen sich die Daten umwandeln und können dann in einem GIS (Geografisches Informationssystem) nach vorgegebenen Parametern nicht nur grafisch dargestellt, sondern auch ausgewertet werden.

Vor der Auswertung erfolgte eine Nivellierung der Flächen. Kleine und somit für die Schadenspotenzialanalyse nicht relevanten Flächen mit einer Größe unter 25 m² wurden herausgerechnet. Zudem wurden die zum Teil sehr unregelmäßigen Flächen bis zu einem festgelegten Grad begradigt. Hierdurch sollen Kleinstauswirkungen, die das Ergebnis verfälschen können, verhindert werden (siehe Abb. 4 und 5).

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7. Ausschnitt eines Wohngebietes neben der Universität in Essen. Auswertung der Gebäude mit direkter Überflutungsflächenberührung. Quelle: Allbau GIS
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8. Ausschnitt eines Wohngebietes neben der Universität in Essen. Auswertung der Gebäude mit direkter und indirekter (Abstand 5 m) Überflutungsflächenberührung. Quelle: Allbau GIS
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9. Ausschnitt eines Wohngebietes neben der Universität in Essen. Auswertung der Gebäude mit direkter und indirekter (Abstand 10 m) Überflutungsflächenberührung. Quelle: Allbau GIS

Die so aufbereiteten Daten können nun mit den Bestandsdaten verschnitten und ausgewertet werden. Je nach Fragestellung lassen sich unterschiedliche Erkenntnisse und Bewertungen erzeugen. Für die Bewertung des Gefahrenpotenzials durch eine Überflutung wäre ein Kriterium die direkte Berührung der Wasserfläche mit dem Wohnhaus in Abhängigkeit mit der Wassertiefe (siehe Abb. 7). Die Gefahrenbewertung lässt sich beliebig verändern. Der Abstand zwischen den Wasserflächen und den Wohnhäusern sind in den Abbildungen 8 und 9 auf 5 und 10 m heraufgesetzt worden. Entsprechend sind mehr Häuser betroffen und je nach der Wassertiefe eingefärbt.

Als Ergebnis erhält man eine Häuserliste mit der Einstufung des Gefährdungspotenzials durch das Überflutungsrisiko. Hieraus können nun gezielt Schutzmaßnahmen festgelegt und umgesetzt werden. Jedoch egal welche Maßnahmen im Außenbereich, im Bereich Haustechnik oder bauliche Maßnahmen umgesetzt werden, können die in der Überflutungskarte aufgezeigten Überflutungsereignis ab einer bestimmten Wassertiefe nicht verhindert werden. Es gibt allerdings wesentlich häufiger Niederschlagsereignisse, die das angenommene Szenario nicht erreichen, aber durchaus schon Schäden verursachen können. Überflutungsbereiche sind auch bei geringerem Niederschlag gefährdet und weisen wahrscheinlich ein hohes Gefahrenpotenzial an feuchten Kellern auf. Bei extremer Wetterlage und stark gefährdeten Wohnhäusern bleibt in der Regel wohl nur Rettungsmaßnahmen für die dort wohnenden Menschen rechtzeitig vorzubereiten.

 Wolfgang Telöken
Autor

Lehrbeauftragter an der Universität Kassel, Allbau GmbH

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