Überflutungsvorsorge: Innovative Zusammenarbeit in Amsterdam

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Überflutungen Dachbegrünung
Interaktive Karte auf der Rainproof-Homepage mit der Verortung der Projekte, die entweder bereits umgesetzt, im Bau geplant sind. Jeder hat die Möglichkeit, hier ein neues Projekt einzustellen. Quelle: www.rainproof.nl

Amsterdam verfolgt mit dem Projekt "Rainproof" das Ziel, stadtweit das Überflutungsrisiko bei Starkregen zu reduzieren. Bei dieser Herangehensweise fallen fünf zentrale Aspekte auf, die diesen Ansatz auch für deutsche Städte interessant machen:

  1. der Mut, das Projekt zu initiieren - ohne entsprechenden politischen Rückhalt,
  2. das Team außerhalb der Verwaltungsstrukturen zu etablieren, zahlreiche Akteure in die Umsetzung einzubinden und ein weitreichendes Netzwerk aufzubauen,
  3. eine digitale Plattform für die Öffentlichkeitsarbeit einzurichten, diese laufend zu aktualisieren und
  4. Social Media zu nutzen sowie
  5. keine fertigen Planungen vorzugeben sondern auf Überzeugung und Freiwilligkeit zu setzen.

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Überflutungen Dachbegrünung
Amsterdam – De Omval: Beispiel für einen wachsenden Stadtteil in einem ehemaligen Gewerbe- und Industriegebiet in Amsterdam, das direkt an der Amstel gelegen ist und einen neuen Uferpark erhalten hat. Foto: Elke Kruse
Überflutungen Dachbegrünung
Amsterdam – De Omval: Beispiel für einen wachsenden Stadtteil in einem ehemaligen Gewerbe- und Industriegebiet in Amsterdam, das direkt an der Amstel gelegen ist und einen neuen Uferpark erhalten hat. Foto: Elke Kruse

Amsterdam ist eine wachsende Stadt. Bis 2040 sollen 70.000 neue Wohnungen innerhalb der bereits dicht bebauten Stadtgrenzen entstehen.¹ Das städtebauliche Leitbild "Structural Vision Amsterdam 2040" (auf Niederländisch "Structuurvisie Amsterdam 2040") von 2011 sieht vor, dass das zukünftige Wachstum der Stadt durch Innenentwicklung geschieht.

Durch diese Nachverdichtung erhöht sich der Anteil der versiegelten Flächen. Diese Entwicklung wird dadurch verstärkt, dass zum einen immer mehr Hausbesitzer ihre (Vor-) Gärten befestigten. Zum anderen ist es nach einer gesetzlichen Änderung möglich, dass Gebäude nun ohne Baugenehmigung bis zu 4,00 m (anstatt vormals 2,50 m) innerhalb der rückseitigen Gärten erweitert werden können. Hinzu kommen ein hoher Grundwasserstand und ein sehr komplexes Wassersystem, so dass in einigen Stadtteilen die Versickerung nur sehr bedingt möglich ist, in anderen dagegen dringend notwendig wird.

Angestrebtes Ziel des städtebaulichen Leitbildes ist, dass die urbanen Gebiete mindestens 50 mm Niederschlag pro Stunde ohne Schaden standhalten. Obwohl dieser Aspekt bereits 2011 in das städtebauliche Leitbild eingeflossen ist, war nur wenigen Experten bewusst, dass auch die niederländische Stadt vulnerabel gegenüber Starkregen ist. Lediglich ein kleines internes Team innerhalb von Waternet, dem Amsterdamer Wasserver- und entsorgungsunternehmen,² beschäftigte sich unter dem Projektnamen "Rainproof" mit diesem Thema. Die Umsetzung der Überflutungsvorsorge war bis dato ein langsamer Prozess mit nur geringen Erfolgen und keinerlei finanziellem Budget.

Erst die Präsentation einer Mitarbeiterin der Stadtverwaltung Kopenhagen im März 2013 im Rahmen eines Rainproof-Symposiums hat vor allem viele Verwaltungsmitarbeiter in Amsterdam wachgerüttelt, einschließlich der Geschäftsleitung von Waternet. Insgesamt 300 Teilnehmer aus Amsterdam hörten Berichte aus Kopenhagen, Portland und Philadelphia - alles Städte, die in den letzten Jahren große Veränderungen zur Verbesserung der Wasserqualität in den Gewässern und/oder zur Reduzierung des Überflutungsrisikos angestoßen haben.

Insbesondere der Bericht über das extreme Starkregenereignis in Kopenhagen vom Juli 2011, bei dem innerhalb von zwei Stunden fast 150 mm Niederschlag pro Quadratmeter auf die dänische Hauptstadt fielen und das Schäden in Höhe von fast einer Milliarde Euro verursacht hat (siehe Neue Landschaft 12/2016 ), wirkte wie ein Weckruf für Amsterdam sich mit dem Thema "Überflutungsvorsorge" intensiver auseinanderzusetzen. Im Folgenden werden die fünf zentralen Besonderheiten des Amsterdamer Modells aufgeführt, die diesen Ansatz auch für deutsche Städte interessant machen. Am Ende des Artikels wird das Amsterdamer und Kopenhagener Modell gegenübergestellt und Schlüsse für die Übertragbarkeit auf deutsche Städte gezogen.

Der Artikel basiert auf einer Auswertung der entsprechenden Pläne, Broschüren und Präsentationen sowie auf Interviews mit zentralen Personen des Rainproof-Teams im August 2016, die am Ende des Artikels aufgeführt sind. Darüber hinaus sind Informationen von der digitalen Plattform www.rainproof.nl ausgewertet worden. Eine Überprüfung der Inhalte erfolgte durch die Architektin Lot Locher, die im Rahmen des Teams als Programm-Strategin tätig und für die Rainproof-Produkte verantwortlich ist. Die Interviews und Analysen wurden im Rahmen des Projektes KLIQ - "Klimaanpassung innerstädtischer hochverdichteter Quartiere in Hamburg" durchgeführt, das die HafenCity Universität Hamburg im Auftrag der Behörde für Umwelt und Energie Hamburg bearbeitet hat.

Überflutungen Dachbegrünung
Drei Mitglieder des Rainproof-Teams auf dem nachträglich begrünten Dach des ZOKU Hotels Amsterdam. Foto: Elke Kruse
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Das neue Dach dient nun als Empfangs-, Aufenthalts- und Essensbereich. Es ist auch für Nicht-Hotelgäste frei zugänglich. Foto: Elke Kruse

1. Der Mut: "Rainproof" als externes Projekt initiieren - ohne entsprechenden politischen Rückhalt

Die Geschäftsleitung von Waternet beauftragte einen Mitarbeiter direkt im Anschluss an das Symposium, ein Konzept für eine erfolgreiche Umsetzung der Überflutungsvorsorge in Amsterdam zu entwickeln. Grundlage des Konzeptes waren einfache Fließweg-und Senken-Analysen mit Hilfe eines topographischen Modells, um Bewusstsein für die Problematik zu schaffen und die Entscheidung für die Neuorganisation des Projektes voranzubringen.

Auf Grundlage dieses Konzeptes hat die Geschäftsleitung von Waternet im Oktober 2013 das Projekt bewilligt, um die notwendigen Veränderungen einleiten zu können. Offiziell ist die Initiative "Amsterdam Rainproof" ("Regensicheres Amsterdam") am 01.01.2014 gestartet und sollte ursprünglich bis Mitte 2015 laufen. Nun wurde es bis 2017 verlängert. Das Projekt wird durch Abwassergebühren finanziert und umfasst Personalkosten sowie Kosten für Produkte (z. B. Starkregenkarten, Schadensmodelle, wirtschaftliche Berechnungen), Kommunikation und organisatorische Aufgaben. Die Finanzierung von Projekten ist nicht vorgesehen. Das Budget betrug zunächst 1,5 Mio. Euro für zwei Jahre und ist nun mit insgesamt 2,5 Mio. Euro auf vier Jahre verlängert worden. Da der politische Rückhalt zunächst fehlte und die konkreten Ziele erst im Laufe des Projektes definiert und entschieden wurden, war das ein sehr mutiger Schritt.

Am 28. Juli 2014 wurde Amsterdam von einem Starkregen getroffen, der zu Überflutungen von Straßen, Bahnstationen, Kellern und Geschäften führte. Dort wurde deutlich, dass die Arbeit des Rainproof-Teams einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung des Überflutungsrisikos und der Minimierung der Schäden leistet.

2. Das Rainproof-Team: Ein interdisziplinäres Team außerhalb der Verwaltungsstrukturen gründen

Ein zentraler Aspekt des Konzeptes war, das Team außerhalb der bestehenden Verwaltungsstrukturen aufzubauen, um unabhängiger und innovativer arbeiten zu können. Das wird dadurch unterstrichen, dass das Team eigene Büroräume angemietet hat und nicht direkt beim Unternehmen oder in einem Verwaltungsgebäude angesiedelt ist. Dadurch wird deutlich, dass Waternet zwar die Initiative ins Leben gerufen hat, jedoch nur einer von zahlreichen Akteuren ist.

Das Team besteht aus insgesamt zehn Mitarbeitern und wird von einem Siedlungswasserwirtschaftler mit langjähriger Verwaltungserfahrung geleitet. Drei Mitarbeiter werden von Waternet und zwei von der Stadtverwaltung für einen Teil ihrer Arbeitszeit in der Woche freigestellt. Die anderen Mitarbeiter haben keinen Verwaltungshintergrund, sondern haben zuvor teilweise für private Büros gearbeitet und wurden speziell für das Projekt angestellt. Die Mitarbeiter stammen aus den Bereichen Siedlungswasserwirtschaft, Stadtplanung, Architektur und Urban Design, Bauingenieurwesen, Hydrologie, Ökologie sowie Ökonomie. Das Team setzt sich aus erfahrenen Experten sowie jungen Mitarbeitern zusammen, die neue und innovative Ideen einbringen und umsetzen können (z. B. das Nutzen sozialer Netzwerke). Die Struktur des Projektes ermöglicht es, dass das Team sich nicht an Kommunikationsvorgaben von Waternet oder der Verwaltung orientieren muss, sondern eine eigene Marke und einen eigenen Kommunikationsstil entwickeln kann.

Langfristiges Ziel von "Amsterdam Rainproof" ist, die Stadt bis zum Jahr 2050 regensicher zu gestalten, indem Maßnahmen zur Überflutungsvorsorge in sämtliche physikalischen Transformationsprozesse in der Stadt integriert werden, die sowohl von öffentlicher als auch privater Hand umgesetzt werden. Insbesondere an den sogenannten "wetspots" - den Überflutungsschwerpunkten - soll das möglichst schnell geschehen.

Um das zu erreichen, fokussiert sich das Team auf die folgenden Aspekte:

  • das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer Überflutungsvorsorge bei allen relevanten Akteuren in der Stadt zu stärken;
  • Überflutungsvorsorge in sämtlichen städtischen Prozessen, Plänen, Vorschriften und Förderprogrammen zu berücksichtigen;
  • den sogenannten "spongeeffect" (Schwammeffekt) innerhalb der städtischen Strukturen zu vergrößern, so dass inm Falle eines Starkregens möglichst viel Wasser aufgenommen werden kann und gleichzeitig Schäden reduziert werden;
  • das Regenwasser stärker zu nutzen, smarter zu investieren sowie Stadtquartiere aufzuwerten.

Im aktuellen Abwasserplan von Amsterdam für 2016 bis 2021 wurde dieses Ziel bereits aufgenommen und weiter konkretisiert, um die Prozesse schneller voranzubringen. Dabei sollen 60 mm Niederschlag pro Stunde keine Schäden an Gebäuden oder kritischer Infrastruktur bewirken. 20 mm Niederschlag werden vom unterirdischen Kanalsystem aufgenommen, 40 mm müssen im städtischen Freiraum, das heißt auf öffentlichen und privaten Flächen zurückgehalten werden.

3. Das Netzwerk: Ein Netzwerk aufbauen und in die Umsetzung einbeziehen

Für die Umsetzung einer "regensicheren" Stadt ist es essentiell, sämtliche öffentliche und private Akteure einzubeziehen, die zu der Realisierung beitragen können. Dazu hat das Team ein Netzwerk aufgebaut, dass aus kommunalen Behörden und Ämtern, Waternet, regionalen Wasserbehörden, dem nationalen Delta-Programm, Wissensinstituten, sozialen Wohnungs(bau)gesellschaften, Unternehmen, Schulen, Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs) sowie Bürgerinitiativen besteht. Das Rainproof-Team prüft, inwieweit die Anliegen der verschiedenen Akteure mit ihren Zielen kombiniert werden können. Für die Umsetzung sind die Akteure verantwortlich. Das Rainproof-Team steht dabei beratend zur Seite und stellt gegebenenfalls den Kontakt zu weiteren Akteuren her, falls diese zu einer besseren Gestaltung beitragen können. Mit dem Ansatz hatte Waternet bereits bei dem Projekt "WATERgraafsmeer" sehr gute Erfahrungen gemacht.

Auf diese Weise soll der Rainproof-Ansatz bei sämtlichen Transformations-, Umbau- und Neubauprozessen innerhalb der Stadt durch Private, Unternehmen oder die öffentliche Hand Berücksichtigung finden. Nur wenn dieses nicht gelingt und es ein Projekt mit einer hohen Dringlichkeit ist, besteht die Möglichkeit, Extra-Gelder zu beantragen.

Im Rahmen der Netzwerkarbeit analysiert das Team in fünf Abstufungen, in welcher Weise die Akteure beitragen:

  • aware - Bewusstsein vorhanden;
  • like - mögen den Ansatz;
  • capable - haben die Möglichkeit, beizutragen;
  • act - agieren entsprechend;
  • persevere-bemühen sich dauerhaft.

Wichtig ist vor allem der letzte Punkt, um sicherzustellen, dass der Ansatz dauerhaft in den Aktivitäten der Akteure verankert ist.

Teil der Netzwerkarbeit ist, Kampagnen zu starten und sie entsprechend zu vermarkten. So lautet beispielsweise eine Kampagne "Der wasserfreundliche Garten", die zusammen mit der Gartenbranche organisiert wird, um Gartenbesitzer und -nutzer an der Umsetzung der Rainproof-Ziele zu beteiligen. Mit Hilfe der Kampagne soll die zunehmende Befestigung privater Flächen verhindert und deren Versickerungs- und Speicherkapazität erhöht werden. Das Team bezieht sämtliche Gartencenter in Amsterdam ein, zeigt ihnen, wie sie ihre Kunden zu dem Thema informieren und welche Produkte sie entsprechend anbieten können. Zusätzlich werden Workshops mit Landschaftsarchitekten organisiert, die den Kunden zeigen, wie ein Garten regensicher gestaltet werden kann.

Eine andere Kampagne bezieht sich auf die nachträgliche Begrünung bestehender Flachdächer. Die Dächer werden zudem durch ein Förderprogramm der Stadtverwaltung mit bis zu 50 Prozent der Baukosten bezuschusst.

Überflutungen Dachbegrünung
Das Daklab auf dem Dach der Hogeschool Amsterdam. Foto: Elke Kruse
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Auf dem nachträglich implementierten Dachlabor werden Studien zur Rückhaltung und Verdunstung von Niederschlagswasser durchgeführt. Foto: Elke Kruse

4. Digitale Plattform und Social Media: Eine digitale Plattform zur Öffentlichkeitsarbeit aufbauen, permanent aktualisieren sowie Twitter und Facebook nutzen

Da die Projekte teilweise sehr kleinteilig sind und viele durch Unternehmen oder Private auf ihren Grundstücken oder Dächern umgesetzt werden, ist es umso wichtiger, sie einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Auf der Homepage werden die Projekte auf einer interaktiven Karte lokalisiert und dienen als Anreiz für Dritte, selbst tätig zu werden. Zusätzlich werden Hintergrundinformationen rund um den letzten Starkregen in Amsterdam im Juli 2014, Infografiken zum Hintergrund des Projektes, Informationen zu möglichen Maßnahmen mit Beispielen für die Umsetzung und entsprechende Erfahrungsberichte bereitgestellt. Es wird auf aktuelle Veranstaltungen, Neuigkeiten und Erfolge hingewiesen. Twitter und Facebook werden aktiv eingesetzt für den direkten Kontakt mit den Nutzern. Langfristig ist geplant, eine Liste mit Projekte und ihrem Rückhaltevermögen zu erstellen, die auf der interaktiven Karte verortet sind.

5. Der Planungsansatz: Akteure überzeugen für eine freiwillige Mitarbeit statt fertige Planungen vorzugeben

Durch den Slogan "Elke druppelttelt" (auf Deutsch: "Jeder Tropfen zählt") wird deutlich, dass viele Akteure in Amsterdam zur Umsetzung der Überflutungsvorsorge beitragen können. Die zentrale Fragestellung dabei ist: Können wir das, was wir immer machen, auf eine andere Art und Weise umsetzen, so dass die Stadt regenfest wird? Das Rainproof-Team setzt dabei ganz gezielt auf eine leicht verständliche Kommunikation. Dazu werden die zentralen Dokumente so "übersetzt", dass jeder Bürger sie verstehen kann und schnell erkennt, wie er zur Umsetzung beitragen kann. Man setzt insgesamt auf Überzeugung und Freiwilligkeit, jedoch nicht auf Zwang und fertig vorgegebene Planungen.

Darüber hinaus wurden zu Beginn stadtweit die Überflutungsschwerpunkte identifiziert: dies sind insgesamt 97 sogenannte "Wet Spots". Bei der Hälfte der "Wet Spots" sind in den nächsten fünf Jahren Umbaumaßnahmen geplant, so dass hier die Rainproof-Ziele integriert werden können. In diesem Fall sind die Mitarbeiter von Waternet, die für die Einzugsgebiete der Kanalisation zuständig sind, dafür verantwortlich, dass die Überflutungsvorsorge beim Umbau berücksichtigt und mögliche Maßnahmen mit sämtlichen Akteuren gemeinsam entwickelt werden. Bei den zehn größten Schwerpunktgebieten, unterstützt das Rainproof-Team und kümmert sich um die Organisation und Kommunikation mit sämtlichen Akteuren.

Nach Ende 2017 ist geplant, dass das ausgegliederte Team nicht mehr nötig sein wird und sich die Idee mehr oder weniger von allein trägt. Rainproof wird dann voraussichtlich nur noch aus einem kleinen Hauptteam innerhalb von Waternet bestehen, das aus dem Programm-Manager und der Community Managerin besteht.

Überflutungen Dachbegrünung
Die gezüchteten Kräuter werden auf Präsentationstischen innerhalb der Hochschule ausgestellt und die Maßnahme "Dachbegrünung" wird erläutert. Foto: Elke Kruse
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Vorgehensweise zur Reduzierung des Überflutungsrisikos Abb.: Elke Kruse

Fazit: Amsterdam und Kopenhagen im Vergleich und "Lessonslearnt"

In diesem und dem vorherigen Artikel (siehe Neue Landschaft 12/2016 [1]) wurden die Vorgehensweise zur Reduzierung des Überflutungsrisikos von Kopenhagen und Amsterdam vorgestellt. Wie deutlich wird, unterscheidet sich diese in wesentlichen Punkten, die in der Tabelle auf Seite 37 gegenübergestellt und anschließend näher erläutert werden.

Die Kopenhagener Stadtverwaltung hat zusammen mit dem städtischen Ver- und Entsorgungsbetrieb Hofor in relativ kurzer Zeit mit dem Cloudburst Management Planeinen gesamtstädtischen Plan erstellt, um flächendeckend das Überflutungsrisiko in der Stadt zu minieren. Die Politiker haben sich für eine Lösung aus oberirdischen Maßnahmen in Kombination mit dem Ausbau des Kanalsystems entschieden und ein Budget von 1,5 Mrd. Euro für die Planung und die Realisierung von Projekten für bewilligt. Für sämtliche Einzugsgebiete wurden insgesamt 300 Projekte definiert, die über die nächsten 20 Jahre umgesetzt werden sollen. Grund hierfür waren die Häufung der Starkregen in den letzten Jahren sowie die immensen Schäden, die dadurch verursacht wurden. Durch eine Gesetzesänderung war es möglich, das Budget durch Abwassergebühren zu finanzieren.

In Amsterdam ist dagegen die Dringlichkeit einer flächendeckenden Überflutungsvorsorge nicht so hoch wie in Kopenhagen, da Amsterdam bisher noch nicht in der Häufigkeit und Intensität von Starkregen betroffen ist. Dennoch hat sich das städtische Wasserver- und entsorgungsunternehmen Waternet mit Blick auf die Kopenhagener Erfahrungen dazu entschieden, das Thema Überflutungsvorsorge aktiv anzugehen. Waternet hat das Projekt "Rainproof" außerhalb der bestehenden Verwaltungsstrukturen initiiert und ein Budget von 2,5 Mio. Euro für vier Jahre bereitgestellt. Es werden darüber Kosten für das Rainproof-Team, für Produkte, Kommunikation und Organisation finanziert, jedoch keine Projekte finanziert. Der Rainproof-Ansatz besteht darin, Überflutungsvorsorge in sämtliche bestehenden Planungsinstrumente zu integrieren. Die Planung und Umsetzung soll durch sämtliche Akteure innerhalb der Stadt erfolgen und wird mit der Unterstützung des Rainproof-Teams entwickelt. Das Motto "Jeder Tropfen zählt" macht deutlich, dass alle in der Stadt dazu beitragen können - egal wie kleinteilig das Projekt ist.

Beiden Städten gemein ist, dass die Überflutungsvorsorge bei sämtlichen laufenden öffentlichen Bauvorhaben und Transformationsprozessen der Stadt ein integraler Bestandteil werden soll. Gleichzeitig wird eine Aufwertung von Stadtquartieren angestrebt, um die Stadt attraktiver zu gestalten. Hinzu kommt, dass beide Städte den Mut haben, innovative Projekte anzugehen und die gewonnenen Erfahrungen für zukünftige Verbesserungen nutzen wollen. Überflutungsvorsorge ist ein komplexes Thema, das zuvor noch nicht in diesem Umfang bearbeitet wurde. "Erst wenn man startet, findet man heraus, was alles geändert werden muss" [2].

Die hier vorgestellten Planungsansätze lassen sich im Prinzip auf deutsche Städte übertragen - auch wenn kulturelle Unterschiede zu Deutschland bestehen: Dies sind zum einen die stärker ausgeprägten Hierarchien, zum anderen die oftmals fehlende Offenheit innovativen Ansätzen gegenüber. Besteht jedoch eine hohe Wahrscheinlichkeit häufiger Starkregen in Kombination mit hohen Schäden - oder sind diese sogar bereits schon in der Vergangenheit eingetreten, sollte man ein gezieltes Vorgehen wählen mit einer flächendeckenden Planung und festgesetzten Umsetzungsschritten. Bedingung hierfür ist jedoch, dass ein ausreichendes Budget zur Verfügung steht und dies politisch beschlossen wird. Auf diese Weise hat man die Möglichkeit, relativ schnell das Überflutungsrisiko innerhalb der relevanten Bereiche zu reduzieren. Ist es jedoch die Dringlichkeit nicht so ausgeprägt, kein ausreichendes Budget vorhanden oder eine entsprechende politische Entscheidung nicht absehbar, stellt das integrierte Vorgehen einen sinnvollen Ansatz dar.


Dieser Artikel wurde ebenfalls in der Korrespondenz Wasserwirtschaft veröffentlicht.


Pläne/Broschüren/digitale Platform

Gemeente Amsterdam (Hrsg.) 2011: Structuurvisie Amsterdam 2040. Economischsterk en duurzaam. Amsterdam

PaulienHartog 2015: Amsterdam Rainproof. A network approach for making the city resilient to cloudburst events. Präsentation im Rahmen der Amsterdam International WaterWeek (AIWW) im November 2015

www.rainproof.nl (Zugriff am 30.08.2016)

StadsdeelOost und Waternet (Hrsg.) 2014: WATERgraafsmeer. Spiegelen, dwarsdenken&vlottrekken. Amsterdam


Interviews, 2016

Lot Locher/Rainproof -Team, Programm-Strategin (23.08.2016)

Daniel Goedbloed/Rainproof-Team, Programm-Manager (23.08.2016)

Irene Poortinga/Rainproof- Team, Community-Managerin (23.08.2016)

PaulienHartog/Rainproof- Team + Waternet, Koordinatorin - national + international + Kommunikation (25.08.2016)

Renze van Houten/Waternet, Direktor für Trinkwasser und Abwasser, verantwortlich für Rainproof (25.08.2016)


Literatur

1) Kruse, Elke 2016: Kopenhagen: Vorreiter beim Thema "Überflutungsvorsorge", Neue Landschaft 12/2016, S. 32-35

2) Hartog, Paulien - Interview am 25.08.2016 n

Dr.-Ing. Elke Kruse
Autorin

Landschaftsarchitektin, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der HafenCity Universität Hamburg (HCU), Fachgebiet Umweltgerechte Stadt- und Infrastrukturplanung

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