GaLaBau und Recht: Bau-Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt

Überhängende Äste: Häufiger Grund für Nachbarstreit

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Baumschnitt
Nachbarschaftsstreit droht oft bei überhängenden Ästen von Bäumen. Foto: JackF, Adobe Stock

Immer wieder werden GaLaBau-Betriebe wegen der Beseitigung von überhängenden Ästen angefragt. Ein solcher Auftrag kann für den Unternehmer unter Umständen viel Ärger mit sich bringen, wenn er dabei in eine Nachbarstreitigkeit mit hineingezogen wird. Diese Auseinandersetzungen werden oft von den Parteien mit einer Verbissenheit ausgetragen, wie man es ansonsten nicht so oft erlebt.

In Pfungstadt bei Darmstadt ärgerte sich eine 80-jährige Dame über einen nahe ihrer Grundstücksgrenze stehenden großen Walnussbaum, der mit seinen Ästen massiv in ihr Grundstück hineinragte. Besonders das Herbstlaub des Baumes, das auf dem hellen Plattenbelag ihres Grundstücks fiel und dort Flecken hinterließ, war Stein des Anstoßes. Die alleinstehende, alte Dame, die sonst wenig Abwechslung hatte, verfügte aber über ausreichend Geld und beschäftigte längere Zeit ein örtliches Rechtsanwaltsbüro mit dem Ziel, den Baum des Nachbarn beseitigen zu lassen.

Als ich von dem Fall und der Intensität, mit der dieser Streit ausgetragen wurde, hörte, fiel mir der Satz ein: "Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt". Der jahrelange Streit endete schließlich vor Gericht und mit dem Ergebnis, dass der Eigentümer des Nussbaumes sämtlichen Überhang beseitigen musste, was dazu führte, dass selbst die Krone des Baumes stark einseitig dezimiert wurde. Da ich damals in der Nachbarschaft zu tun hatte, konnte ich mir selbst ein Bild von dem total verunstalteten, zurückgeschnittenen Wallnussbaum machen. Es hat mich nicht gewundert, dass der Eigentümer seinen Baum später gefällt hat, weil er den verunstalteten Baum-Rest nicht mehr ertragen konnte.

Die Rechtslage beim Überhang

Wie bei einem Überhang von Ästen auf das Nachbargrundstück die Rechtslage zu beurteilen ist, zeigt ein vom Oberlandesgericht Koblenz im Jahre 2013 entschiedener Rechtsstreit (Az. 3 U 631/13). Vom Nachbargrundstück ragten bis zu 7 m lange Äste auf das Grundstück des Klägers. Dieser hatte den Nachbarn mehrfach unter Fristsetzung zum Rückschnitt der Äste aufgefordert, was jedoch nicht den gewünschten Erfolg hatte. Deshalb ließ der Kläger in Selbsthilfe einen sachkundigen Unternehmer die Äste von etwa 80 Bäumen bis zur Grundstücksgrenze zurückschneiden und verlangte von dem untätigen Nachbarn die Erstattung der dafür angefallenen Kosten, die nicht unerheblich waren.

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Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz

Das Oberlandesgericht Koblenz gab dem Kläger in II. Instanz Recht und sprach ihm die Kosten für den Rückschnitt der Äste zu. Das Gericht stützte seine Entscheidung damals auf § 910 Abs. 1 BGB, dem sogenannten Selbsthilferecht. Das Oberlandesgericht Koblenz stellte fest, dass ein Grundstückseigentümer vom Nachbargrundstück überhängende Äste nach fruchtlosem Ablauf einer gesetzten Frist selbst beseitigen beziehungsweise einen Unternehmer mit der Beseitigung beauftragen darf. Das Gericht sah durch die überhängenden Äste eine erhebliche Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks als gegeben an. Da der Nachbar der Beseitigungsaufforderung trotz Fristsetzung nicht nachgekommen war, billigte das Gericht dem Kläger ein Selbsthilferecht zu, so dass der beklagte Nachbar die entstandenen nicht unerheblichen Kosten für die Beseitigung der Äste durch ein Unternehmen zu tragen hatte.

Vorsicht beim Selbsthilferecht gem. § 910 Abs. 1 BGB

Oft schneiden Nachbarn störenden Äste, die vom Nachbargrundstück herüberragen, einfach ab und meinen, dazu aufgrund ihres Eigentumsrechts und dem gegebenen Selbsthilferecht berechtigt zu sein. Das ist nicht der Fall. Ehe man zum Mittel der Selbsthilfe greift, muss man auf alle Fälle erst einmal den Nachbarn unter Setzung einer angemessenen Frist auffordern, die überhängenden Äste zu beseitigen. Erst wenn eine gesetzte Frist fruchtlos abgelaufen ist, kann überhaupt ein Selbsthilferecht gegeben sein. Viel zu wenig wird allerdings bei Ausübung des Selbsthilferechtes § 910 Abs. 2 BGB beachtet.

Nach der Vorschrift besteht ein Selbsthilferecht stets nur dann, wenn von den herüberhängenden Zweigen tatsächlich eine Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung ausgeht. Die Rechtsprechung verlangt dabei einen objektiven Beurteilungsmaßstab, was letztendlich dazu führt, dass ein Gericht jeweils einen Sachverständigen beauftragt, der beurteilen soll, ob der Überhang von Ästen und Zweigen eine Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung mit sich bringt. Das Selbsthilferecht wird weiter dadurch eingeschränkt, wenn der verlangte Rückschnitt außer Verhältnis steht, dies gilt insbesondere dann, wenn von dem Baum nach dem Rückschnitt nicht mehr so viel übrigbleibt und gegebenenfalls sogar ein Absterben des Baumes, verursacht durch den Rückschnitt, befürchtet werden muss. Zu beachten ist, dass nach § 910 BGB nicht die Beseitigung eines Baums sondern lediglich ein Rückschnitt der überhängenden Äste verlangt werden kann.

Risiken für den GaLaBau-Unternehmer

Wenn ein Unternehmer einen Auftrag zum Rückschnitt überhängender Äste angenommen hat, sollte er jeweils zuvor prüfen, ob er überhaupt berechtigt ist, einen derartigen Rückschnitt vorzunehmen. Dem Unternehmer sei dringend angeraten, sich über die Bestimmungen kundig zu machen, die örtlich gegeben sein können. So gibt es in den letzten Jahren immer mehr Kommunen, in denen Baumschutzsatzungen gelten. Derartige Baumschutzsatzungen, die in unterschiedlichster Form existieren, schränken oft das Selbsthilferecht des Nachbarn nach § 910 BGB ein. Werden im Schutzbereich der Baumschutzsatzung fallende Bäume des Nachbargrundstückes von denen Äste herüberragen unter Annahme eines Selbsthilferechtes gem. § 910 BGB zurückgeschnitten, kann dies allzu leicht ein Verstoß gegen die örtliche rechtmäßige Baumschutzsatzung darstellen.

Bei einer wirksamen Baumschutzsatzung handelt es sich um ein für jedermann geltendes Recht, das nicht nur von dem Nachbarn sondern auch vom GaLaBau-Unternehmer beachtet werden muss, der den Rückschnitt vornehmen soll. Verstößt der GaLaBau-Unternehmer gegen diese wirksame örtliche Baumschutzsatzung, muss er unter Umständen mit der Verhängung eines empfindlichen Bußgeldes rechnen. Insoweit geht die geltende Baumschutzsatzung dem zivilrechtlichen Selbsthilferecht des Nachbarn nach § 910 BGB vor. Existiert eine örtliche Baumschutzsatzung, sollte ein GaLaBau-Betrieb sich immer erst darüber informieren, welche Arbeiten die Baumschutzsatzung an den geschützten Bäumen zulässt und welche nicht.

Wie weit geht die Baumschutzsatzung im Einzelnen?

Oft ist eine gewisse geregelte Pflege der Bäume durchaus nach der Baumschutzsatzung zulässig. Soll der GaLaBau-Unternehmer darüber hinaus für den Nachbarn an den geschützten Bäumen Arbeiten verrichten wollen, sollte immer erst an die Beantragung einer Ausnahmegenehmigung bei der zuständigen Behörde gedacht werden. Die Beantragung einer derartigen Ausnahmegenehmigung setzt bei manchen Kommunen regelrecht die Bürokratie in Gange. Es kommt fast immer zu einem Ortstermin, bei dem die Beteiligten ihre widerstreitenden Interessen vortragen können. Bei einem Streitfall in einer Kleinstadt südlich von Frankfurt am Main, konnte man eine Behörde nur mit aller größten Mühe von einem ablehnenden Bescheid für die Beseitigung von größeren Ästen abhalten und einen Ortstermin erreichen. Am Tag des Ortstermins war ein recht heftiger Herbststurm.

Als der Sachbearbeiter der Kommune den angeblich so schützenswerten Baum besichtigte und man eine Diskussion befürchtete, welcher Ast abgeschnitten und welcher bleiben muss, kam es aufgrund des Sturmes völlig anders. Eine Böe ergriff den Baum in einer Art und Weise, dass sich einseitig der Boden erheblich wölbte und der Vertreter der Kommune größte Angst hatte, dass der Baum vielleicht sogar dem Wind nicht gewachsen ist. Aufgrund der Gefahr im Verzuge wurde der Baum sogar noch am gleichen Tag gefällt, so dass die überhängenden Äste gar kein Thema mehr waren. Manchmal muss ein Nachbar auch Glück haben.

Verstoß gegen Baumschutzsatzung

Will man in einem von einer Baumschutzsatzung geschützten Gebiet Bäume fällen, so wird das oft ein teures Vergnügen. Immer wieder wird für einen gefällten Baum eine entsprechende Ersatzbepflanzung behördlich verlangt, wobei es dann nicht um kleine Setzlinge sondern oft um größere schon recht teurere Bäume geht. Jedem Grundstückseigentümer sei deshalb angeraten, sich in Gebieten einer Baumschutzsatzung genau zu informieren, welche Bäume man pflanzt und bei welchen man es lieber lässt. In einer hessischen Stadt wurde vor einigen Jahren eine neue Baumschutzsatzung länger diskutiert und später auch in Kraft gesetzt, so dass fast alle Nadelbäume und viele Laubbäume unter den Schutz der Baumschutzsatzung fallen sollten.

Ein findiger Jurist, der ein größeres hauptsächlich mit Tannen bewachsenes Grundstück besaß, das als Bauerwartungsland galt, lies vor Inkrafttreten der Baumschutzsatzung seine sämtlichen Nadelbäume fällen und von einem GaLaBau-Betrieb diverse Apfelbäume unterschiedlichster Sorten neu pflanzen. Hintergrund seiner Aktion war die Feststellung, dass seine Tannen unter die Baumschutzsatzung fallen würden, nicht jedoch Obstbäume. In weiser Voraussicht der kommenden Bebaubarkeit des Grundstücks, hat er damit jeglichen behördlichen Streit wegen einer gültigen Baumschutzsatzung vermieden und kann bei einer späteren Verwirklichung eines Bauvorhabens die Apfelbäume ohne weiteres entfernen, ohne gegen die Baumschutzsatzung zu verstoßen.

 Rainer Schilling
Autor

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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