"Bange machen gilt nicht" (Teil 4):

Und zum Schluss die Pflanze?

von:
GaLaBau Wissen Pflanzenverwendung

126. Folge Unsere Serie für den Nachwuchs erläutert das wichtigste GaLaBau-Grundlagenwissen vom Abstecken bis zum Zaunbau: Diesmal geht es um das Thema Praktische Prüfung - Teil "Pflanzenkenntnis".

In unserem Beruf scheiden sich die Geister, wenn es um das Thema "Pflanzenkenntnis" geht immer wieder extrem. Und ich weiß, dass dieser Beitrag nicht den uneingeschränkten Beifall aller meiner Berufskollegen finden wird. Trotzdem will ich hier meine Überlegungen zu diesem Thema vorstellen.

Pflanze - du bist erkannt!

Das Lager der Gärtner teilt sich, wenn es um Pflanzenerkennung und Pflanzenkenntnisse geht, im Prinzip in zwei Hauptrichtungen. Da wären zum Ersten, nun, ich will sie mal provokativ die "Knüppelkundler" nennen. Bei dieser Gruppe stehen die Faktenkenntnisse an erster Stelle. Wichtig für sie sind das Erkennen der Pflanze am möglichst kleinen Pflanzenteil und natürlich der richtige Botanische Name mit (auch selbstverständlich) richtiger orthografischer Schreibweise. Sie "kleben" am Bestimmungsbuch und diskutieren stundenlang darüber, ob das Blatt der Pflanze hellgrün bis mittelgrün oder lindgrün bis tannengrün ist. Ich kann Ihnen an dieser Stelle eine gewisse Ironie nicht ersparen, da genau diese Herangehensweise für mich nichts ist.

Die zweite Gruppe, ich nenne sie liebevoll "Pflanzenfreaks", liegt mir in ihrer Arbeitsweise bedeutend näher. Hier stehen die Zusammenhänge der Lebensprozesse, das Aussehen der Pflanze, ihr ökologisches Umfeld an erster Stelle und erst danach, ohne sie zu vernachlässigen, kommen die Fakten zur Pflanzenbestimmung; einschließlich Namensgebung. Warum gehe ich hier am Anfang auf diese beiden Gruppen ein? Ein Erklärungsversuch: Fakt ist, dass Pflanzenkunde während der Zeit der Ausbildung nicht zu den beliebtesten Sachgebieten gehört und auch nach deren Abschluss recht stiefmütterlich behandelt wird. Warum ist das so?

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Grafik: Uwe Bienert

Dieses Phänomen hat viele Gründe. Einer davon ist die fehlende Liebe zum Ausbildungsberuf. Machen Sie das Experiment, in der Berufsschulklasse oder im Betrieb, und stellen den Kollegen die Frage: "Wer hat mit dem Beruf des Gärtners seinen Traumberuf gefunden?" Ein betretenes Schweigen macht sich breit und maximal 15 Prozent melden sich bei dieser Frage zustimmend. Mit zunehmender Berufspraxis ändert sich das zum Positiven. Damit ist auch klar, dass der Interessenmangel, der zwangsläufig durch diesen Fakt entsteht, auch die Unwilligkeit zur Wissensaneignung nach sich ziehen wird.

Ein zweiter Grund ist die Tatsache, dass mancher Berufsschulunterricht, gerade die Pflanzenkunde, wenig oder gar keinen Spaß macht. Hardliner werden jetzt sagen: Ausbildung soll Wissenszuwachs bringen und ist keine Spaßveranstaltung.

Da gehe ich zu 50 Prozent mit! Wissenszuwachs soll das Ergebnis sein. Den größten Zuwachs erreicht man aber, wenn der Lernprozess interessant aufbereitet ist, der Lehrende das Thema überzeugend an die Frau oder den Mann bringen kann und wenn die ganze Sache noch…Spaß macht!

Ein dritter Grund ist die fortschreitende Entfernung zur Natur. Ein erschreckendes Thema, welches eher ein gesellschaftliches und politisches Problem ist, als ein reines Problem der Berufsausbildung.

Pflanze - warum machst du das?

Spätestens seit den Büchern eines Peter Wohlleben über das geheime Leben der Pflanzen ist bekannt, das Pflanzen nicht nur die stumpfsinnigen, gefühllosen Luftverbesserer sind, für die man sie immer wieder hält. Sie sind soziale Lebewesen mit komplizierten Organisations- und Kommunikationsstrukturen. Und das ist genau der Ansatzpunkt für den Erwerb von Pflanzenkenntnissen. Es ist an der Zeit, den Forscherdrang der Auszubildenden zu aktivieren, ihr Interesse für dieses Thema "Pflanze" zu wecken und klar zu machen, dass die Pflanze und die Zusammenhänge um sie herum der Punkt in der Ausbildung und in unserem Beruf ist, der für unsere Berufsgruppe das Alleinstellungsmerkmal darstellt und uns am Ende vom Straßenbauer unterscheidet.

Dazu, finde ich, sind wichtige Änderungen in der Herangehensweise an die "Pflanzenkunde" notwendig. Zwingend ist hier erstens eine viel stärkere Verknüpfung von Botanik (als Faktenspender), reiner Pflanzenkunde und Gestaltung von Pflanzflächen und landschaftsgärtnerischen Außenanlagen. Schlussfolgernd daraus erfordert diese Lernmethode eine Neustrukturierung des Unterrichts an Berufsschulen und überbetrieblichen Ausbildungsstätten.

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Grafik: Uwe Bienert

Ich möchte hier betonen, dass mein Interesse an der Bestimmung von Pflanzen und die Kenntnisse über ihren Einsatz auch erst mit den Jahren gewachsen sind. Ich wurde noch mit der sprichwörtlichen "Knüppelkunde" an das Thema herangezwungen. Das änderte sich von einem Tag auf den anderen; ich hatte ein Schlüsselerlebnis, das mich über dieses Thema nachdenken ließ. Während einer Weiterbildung in Bad Zwischenahn hatte ich die Gelegenheit, an einem Vortrag von Jean-Denis Godet über die Bestimmung von Pflanzen teilzunehmen. Der lief anders ab, als ich es bisher kannte und auch selbst in meinem Unterricht praktizierte. Godet kam mit zwei Plastiktüten voll Pflanzenteilen in den Raum, schob vier Tische zusammen, kippte den Inhalt der Beutel auf die Tische und ließ uns selbst die Pflanzen erforschen. Da waren Teile dabei, die ich vorher noch nie gesehen hatte und trotzdem setzte sich nach und nach ein Bild jeder Pflanze zusammen. Was habe ich aus dieser Unterrichtsform gelernt?

(1) Bei der Arbeit in der Gruppe bringen viele Teilnehmer auch viel Wissen bei der Bestimmung mit - frei nach dem Motto "Zehn Augen sehen mehr als zwei".

(2) Eine fachliche Betreuung, die im Hintergrund die "Fäden" zieht, ist zu bei der Pflanzenkunde unerlässlich.

(3) Zeitlicher Druck ist unangebracht, Neugier wecken und gemeinsam mit Spaß an der Sache zum Erfolg ist das Ziel.

(4) Gute Fachliteratur steigert den Erfolg und bringt zusätzliche Informationen.

(5) Nur Pflanzenteile zu nutzen ist kontraproduktiv - besser sind ganze Pflanzen oder große Teile. Das steigert die Anzahl der Merkmale.

Diese Fakten legte man in Hessen/Thüringen bei der Neukonzeption der beiden Pflanzenkurse an der Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau (LVG) in Erfurt zu Grunde. Es entstanden zwei Wochenkurse, bei denen die Auszubildenden sehr viel Zeit für die Bestimmung von Pflanzen zur Verfügung gestellt bekommen. Die Anzahl der Pflanzen, die in einer Woche zu lernen sind, beschränkt sich auf 50 Exemplare, die den jungen Kollegen als vollständiges Exemplar im Container zur Verfügung stehen. Zur Verfügung stehen heißt, dass man auch nach Feierabend seine Pflanzenkenntnis noch weiter festigen kann. Dass die Jugendlichen das Angebot gern annehmen zeigt, dass dieser Schritt eine gute Entscheidung war. Lernen kann man nur, wenn man es selbst will - und das kann auch von der Tageszeit abhängig sein.

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Grafik: Uwe Bienert
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Grafik: Uwe Bienert

Im Mittelpunkt der immer wieder geführten Gespräche zu den Pflanzen steht die Frage: Warum? Warum ist das so? Warum macht die Pflanze das?

Die Gespräche sind offene Gruppengespräche unter Leitung eines Ausbilders, der mehr als Moderator fungiert und dabei sozusagen als "lebendes Lexikon" Fakten beisteuert. Dabei hat sich gezeigt, dass noch zwei weitere Punkte zu den fünf oben genannten hinzukommen müssen:

(6) Pflanzenbestimmung muss mit einem gemeinsamen Tun verbunden sein. Man lernt schneller und intensiver, wenn man sich dabei bewegt und nichts liegt näher als bei einer Pflanzung zu lernen - im Betrieb sicher leicht möglich.

(7) Pflanzenkenntnis kann auch schnell zur Ortskenntnis werden.

Wie ist das zu verstehen? Dieses Phänomen tritt in der Mehrzahl der Fälle bei Berufsneueinsteigern auf, die bei Pflanzenkunde unter Zeit- oder Erfolgsdruck stehen. Aufgefallen ist es uns Ausbildern bei einer "Helferklasse". Zum Abschluss der Woche gehört natürlich auch ein Test. Dabei muss eine gewisse Anzahl von Pflanzen erkannt und mit botanischem Namen benannt werden. Bei der Vorbereitung der Pflanzen für den Test sind zwei Pflanzen (eine Forsthia x intermedia im orangen Container und ein Cornus alba 'Sibirica' im schwarzen Container mit einem Riss) aus dem Behältnis gerutscht und von dem Ausbilder in den jeweils anderen Topf eingesetzt worden. Über 50 Prozent der Teilnehmer haben auch die Pflanzen im Test verwechselt. Das heißt, dass diese Teilnehmer oberflächlich geprüft und unterbewusst "Nebenmerkmale" verinnerlicht haben: oranger Topf = Forsythia.

Pflanzen - verwenden wir sie richtig?

Falls ich mit meinen bisherigen Ausführungen den Eindruck erweckt haben sollte, Pflanzennamen (insbesondere Botanische Namen) wären nicht wichtig, dann will ich das mal ganz schnell korrigieren. "Olle" Linné hat sich mit der Nomenklatur so eine Mühe gegeben - und sie sind wichtig. Nicht nur als Ordnungssystem, sondern vor allem als globales Verständigungsmittel unter Gärtnern.

Auch kann man aus den Botanischen Namen unterschiedliche Rückschlüsse auf die Pflanze ziehen, wenn man ansatzweise der lateinischen Sprache (sie ist die Grundlage aller botanischen Fachbegriffe) mächtig ist. Gärtner können das!!! Und außerdem, seien wir ehrlich: Es ist doch ziemlich cool, über eine Art Geheimsprache zu verfügen, oder? In der untenstehenden kleinen Tabelle findet man einige ausgewählte Beispiele für diesen Sachverhalt.

GaLaBau Wissen Pflanzenverwendung

Steigt man an dieser Stelle richtig und kombiniert scharf findet man viele versteckte Hinweise im Namen. Schon an der Endung kann man Einiges ablesen: -folia, folius = das Blatt betreffend; -florus = die Blüte betreffend.

Das wichtigste Ziel bei der Pflanzenerkennung und bei der Pflanzenkunde ist allerdings, genauestens über die Verwendung der Pflanzen Bescheid zu wissen. An dieser Stelle sind die Landschaftsgärtner als Fachkräfte gefragt. Diese Kenntnisse unterscheiden unseren Berufstand wieder von jedem Hausmeisterservice und jedem Straßenbauer - ohne dem letzteren Böses zu wollen.

Aus diesem Grund wurden in den letzten Jahren große Anstrengung von Seiten des Fachverbandes, der Zuständigen Stellen, der Berufsschulen und überbetrieblichen Ausbildungsstellen unternommen, die Pflanzenverwendung mehr und mehr in den Fokus zu rücken. Das spiegelt sich auch in der Herangehensweise in den Zwischen- und Abschlussprüfungen wider, in denen verstärkt auf die Verwendung von Pflanzen Bezug genommen wird.

Es gibt dazu eine Menge guter Fachliteratur, allen voran die Pflanzenbücher der AuGaLa in zwei Bänden, die eine gute Basis für das Thema Pflanze bilden.

Zusatzinfos findet man in den Pflanzenkatalogen der großen Baumschulen, die meist einen Teil über die Verwendung von Pflanzen als Anhang in Tabellenform beinhalten. Diesen kann man selbständig auf die geforderten Pflanzen für die Ausbildung herunterbrechen und man hat ein handliches Nachschlagewerk.

Nicht zuletzt möchte ich an dieser Stelle nochmals auf das gute alte Herbarium verweisen: Ein Lernmittel, das ich jedem an dieser Stelle nochmal ans Herz legen möchte. Besser kann man nicht lernen - man muss sich selbst bewegen zum Sammeln, man muss die Teile bestimmen und katalogisieren, man mutiert zum Autor seines eigenen Nachschlagewerkes und ganz wie von selbst prägen nnsich auch die Botanischen Namen und andere Fachbegriffe ein.

Pflanzenkunde in der Prüfung

In der Prüfung unterscheidet man zwischen der Pflanzenerkennung und der Pflanzenverwendung. Die Pflannzenverwendung wird sowohl in der schriftlichen Prüfung als auch in der mündlichen Prüfung abgefordert. Während in der schriftlichen Prüfung mehr Fakten abgefragt werden, beispielsweise "Nennen Sie fünf Sträucher mit blauen Früchten!", konzentriert man sich im mündlichen Teil mehr um das "Drumherum" (Standort, Pflanzung, Pflege und dergleichen).

Pflanzenerkennung ist genau das, was man vermutet: Eine Art "Knüpnpelkunde", allerdings ist in den vergangenen Jahren auch hier ein Fortschritt sichtbar geworden. Die Pflanzenteile werden größer und einige Bundesländer und Prüfungsbereiche fragen sogar (in tabellarischer Form im "Ankreuzsystem") einige Punkte aus der Verwendung der jeweiligen Pflanze mit ab (etwa Heckenpflanze, Straßenbaum, Kletterpflanze und dergleichen).

Quellen:

Bilder Uwe Bienert, Farbatlas Krankheiten und Schädlinge an Zierpflanzen, Obst und Gemüse, (Bernd Böhmer, Walter Wohanka; Ulmer-Verlag), Der Gärtner 1 (Martin Degen, Karl Schrader; Ulmer-Verlag), Schädlinge & Krankheiten (Pippa Greenwood, Andrew Halstead; Dorling Kinderley Verlag), Einheimische Laubgehölze (Hecker, Quelle & Meyer Verlag Wiebelsheim), Grundkurs Gehölzbestimmung (Lüder, Quelle & Meyer Verlag Wiebelsheim), Taschenlexikon der Gehölze (Schmidt/Hecker, Quelle & Meyer Verlag Wiebelsheim), International standard ENA 2010-2015 (M.H.A. Hoffmann, ENA's European Plant Names Working Group), www.kiefernspezi.de, Wikipedia, www.hortipedium.de

 Uwe Bienert
Autor

Landschaftsgärtner-Meister und Ausbilder

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