Der Kommentar

Vergaberecht - ein Buch mit sieben Siegeln

Seit Ende der neunziger Jahre hat sich das Vergaberecht zu einer ganz neuen Rechtsdisziplin entwickelt. Anfangs konnten noch einfache Ingenieure entscheiden, wer nach einer öffentlichen Ausschreibung den Auftrag bekommen soll. Heute müssen Juristen diese Frage beantworten und auch die können es nicht wirklich.

Die Intention des Gesetzgebers, die Vergabe von öffentlichen Mitteln - also Steuergeldern - so transparent wie möglich zu machen, keinem den Zugang zum Markt zu erschweren und die leider am Bau latent vorhandene Korruption zu bekämpfen, ist sicher durchweg zu befürworten. Was sich aber daraus bis heute entwickelt hat, entzieht sich in weiten Teilen dessen, was die durchschnittliche Vergabestelle zu leisten vermag.

Anfang Oktober fand nun zum dritten Mal der Bauvergabetag in Osnabrück statt. Teilnehmer waren fast ausschließlich Fachjuristen des Vergaberechtes. Den Diskussionen konnten selbst die Fachleute nicht immer folgen. Fragen wie die Abgrenzung VOB und VOL sind danach mehr als strittig. Darf ein Nebenangebot gewertet werden, wenn der Preis einziges Wertungskriterium ist? Muss das Nebenangebot vielleicht als alternatives Hauptangebot gewertet werden, obwohl Nebenangebote ausgeschlossen wurden?

Wie werden Nebenangebote überhaupt gewertet, wenn es die "Gleichwertigkeit" nicht mehr gibt? Sind die technischen Spezifikationen "weit", das heißt auch die Anforderungen aus dem Leistungsverzeichnis gelten für Nebenangebote, oder "eng" (nur das, was Normen fordern, gilt für die Wertung von Nebenangeboten) auszulegen? Und natürlich die Frage, ob das alles auch gilt, wenn es sich um Bauvorhaben handelt, die unter dem Schwellenwert liegen und damit national vergeben werden können?

Wenn Sie nun nicht mehr wissen, worum es geht: Willkommen im Club. Und auch das scheint mir sicher zu sein, all diese Fragen sind strittig unter den Fachjuristen. Hartmut Mehdorn hat als Bahnchef einmal gesagt, dass das Vergaberecht die Vertragspartner zu Feinden macht. Er bezog es darauf, dass immer der Billigste den Auftrag bekommt. Wer das Vergaberecht als Auftraggeber ernst nehmen will, hat nicht den Auftragnehmer zum Feind, sondern das Vergaberecht selbst. Da die Wahrscheinlichkeit einer fehlerhaften Auftragsvergabe sehr hoch geworden ist, haben in der Folge immer mehr übergangene Bieter Anspruch auf Schadenersatz - also auf Geld für einen Auftrag, den ein anderer zu Unrecht bekommen hat.

Leidtragende dieser Situation sind in erster Linie die Bauämter, da sie kaum noch in der Lage sind, rechtssicher Aufträge zu vergeben. Wenn Beschwerden, vielleicht auch bedingt durch eine schlechtere Konjunktur, zunehmen, können Schadenersatzklagen gegen öffentliche Auftraggeber, mit gutem juristischem Beistand, regelrechte Gewinnbringer sein.

Ob sich das der Gesetzgeber so gedacht hatte? Ich glaube nicht. Es wird also Zeit, das Vergaberecht so zu schreiben, dass Ingenieure wieder Aufträge vergeben können und nicht Juristen.

Ihr Martin Thieme-Hack

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