Junge Landschaft

Vermehrung - Wie geht das?

von:
GaLaBau Wissen Ausbildung und Beruf
Grafik: Uwe Bienert

114. FOLGE Unsere Serie für den Nachwuchs erläutert das wichtigste GaLaBau-Grundlagenwissen vom Abstecken bis zum Zaunbau: Diesmal geht es um das Thema Vermehrung.

Um einige Sachen kommst du als Lebewesen auf dieser Erde nicht herum. Dazu zählen unter anderem Nahrungsaufnahme, Atmen und eben auch Vermehrung. Vernachlässigst du eines davon kann es sein, dass die Tage deines genetischen Materials gezählt sind. Genauso ist es auch bei Pflanzen; mal abgesehen davon, dass Pflanzen durchaus flexibler in ihren Strategien sind, wenn es um Vermehrung geht. Während der Mensch sich noch Gedanken darüber macht, ob es moralisch vertretbar ist, aus eigenem Gewebe im Labor Leben zu erschaffen, setzt die Pflanze dieses Problem schon erfolgreich in der Praxis um.

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Vermehrungsarten bei Pflanzen

Jeder wird jetzt sagen: "Vermehrung ist doch einfach! Männlein - Weiblein - Zack und fertig!"; stimmt im Prinzip auch, wenn man es auf den doch stark begrenzten Vermehrungsprozess der angeblich hochentwickelten Lebewesen (beispielsweise Mensch) beschränkt. Schnuppern wir mal rein:

Das Ganze geht schon damit los, dass Pflanzen sich zwischen verschiedenen Vermehrungsarten entscheiden können. Das ist insofern genial, da es die Überlebenschancen erheblich erhöht. Pflanzen können sich auf geschlechtliche (generativ) und auf ungeschlechtliche (vegetativ) Art vermehren.

Die generative Vermehrung erfolgt durch Samen. Bei dieser Form der Vermehrung ist eine genetische Streuung möglich. Die großen Vorteile sind hierbei, die riesige Stückzahl, fast keine Übertragung von Pflanzenkrankheiten oder Schädlingen und die lange Haltbarkeit des Saatgutes ohne große Keimkraftverluste.

Bei der vegetativen Vermehrung werden Teile einer Mutterpflanze zur Bewurzelung gebracht; die neu entstandene Pflanze hat die gleiche Erbgutinformation wie die Mutterpflanze. Der Nachteil der vegetativen Vermehrung sind die Gefahr der Verschleppung von Pflanzenkrankheiten und geringere Pflanzenmenge als bei der generativen Vermehrung. Für den Gärtner überwiegen die Vorteile (einheitliche genetisch gleiche Pflanzen, kürzerer Züchtungsprozess). In der Evolution ist diese Form der Vermehrung sicher nur als Notlösung angedacht gewesen.

Während in der Natur die vegetative Vermehrung mittels der eigenen Wurzel funktioniert, hat sich der Mensch noch einige Tricks ausgedacht bei denen er in der Lage ist, Pflanzen auf fremder Wurzel zu vermehren - die Veredelungen.

Was geht ab bei der "Generativen"

Wie ein Samen gebildet wird und welche Prozesse dazu im Vorfeld ablaufen, kann man in jedem guten Gartenbau-Lehrbuch nachlesen. Deshalb beginnen wir gleich mit dem für uns Wesentlichen: Grundsätzlich kann unterschieden werden zwischen Direktsaat in den Garten oder Anzucht in Saatschalen im Gewächshaus.

Den Samen dafür bezieht der Gärtner aus dem Fachhandel vom zertifizierten Züchter. Das sichert die Qualität. Die Saat wird in der Regel mit der 1-2-fachen Dicke des Samens mit Erde bedeckt. Sehr feine Samen werden nur aufgestreut und eventuell angedrückt. Die Samen benötigen ausreichend Bodenkontakt, Feuchtigkeit und Wärme zur Keimung. Bei manchen Arten ist jedoch auch eine Kälte-Phase zur erfolgreichen Keimung erforderlich (Stratifizierung).

Als Substrat für die Aussaat wird meistens Aussaaterde verwendet, aber auch Mischungen aus Sand oder anderen mineralischen Bestandteilen haben ihre Vorzüge. Ein hoher mineralischer Anteil und weniger organische Bestandteile haben viele Vorteile. Es entsteht nicht so schnell Staunässe und somit haben Fäulnis und Schimmel weniger Chancen sich auszubreiten. Vor allem bei Saatgut mit sehr langer Keimdauer sollten Mineralische Substrate wie zum Beispiel Sand gewählt werden.

Die meisten Pflanzensamen brauchen ein feuchtwarmes Klima zum Keimen. Die ideale Bodentemperatur beträgt meistens 22 bis 24 °C. Die meisten Gemüsearten werden direkt in das Gartenbeet oder Feld gesät. Wichtig ist die richtige Vorbereitung des Bodens. Er sollte locker sein aber auch noch genug Festigkeit aufweisen um den Kontakt mit der tieferliegenden, wasserführende Schicht anzuschließen.

So, der Samen ist in der Erde und es geht hoffentlich bald los! Ja, weit gefehlt. Fast alle Samen durchlaufen nach ihrer Reife zunächst eine Samenruhe, die sogenannte Dormanz bevor die Keimung erfolgen kann. Dies dient dazu, die Keimung bereits an der Mutterpflanze zu verhindern und die Keimung unter ungünstigen Bedingungen wie beispielsweise dem Winter zu vermeiden. Unter der Keimdauer im näheren Sinn versteht man die Zeit von Aussaat bis Keimung. Diese kann zwei Tage oder auch bis zu 90 Wochen (!) betragen. Die meisten Samen keimen jedoch recht schnell. Allerdings gibt es einige Gehölze und Palmen die Jahre in der Erde liegen bis die Saat aufläuft. Die eigentliche Arbeit beginnt eigentlich erst mit dem Auflaufen der kleinen Sämlinge. Genau wie bei uns: Ist der kleine "Schreihals" da, geht die Arbeit erst richtig los. Nachdem die Sämereien zur Keimung gebracht wurden, müssen die Sämlinge umgepflanzt werden. Dies geschieht meistens, nachdem sich zwei bis drei echte Blattpaare gebildet haben. Dabei versenkt man sie etwas tiefer in der Erde. Dazu benutzt man ein spezielles Werkzeug, das Pikierholz. Damit wird ein kleines Pflanzloch in die Erde gebracht und nach dem Einpflanzen leicht angedrückt. Um die Wurzelbildung zu stimulieren, ist es besser seltener reichlich als oft wenig zu gießen.

Viele Sämlinge sind zunächst sehr empfindlich gegen trockene Luft, Temperaturschwankungen und Sonnenlicht. Daher müssen sie behutsam daran gewöhnt werden (Abhärten).

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Grafik: Uwe Bienert
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Tabelle: Uwe Bienert

Spezialbehandlungen

Einige wenige Samen benötigen eine spezielle Behandlung ohne die keine Keimung erfolgt.

… und bei der "Vegetativen"?

Vegetative Vermehrung ist ein weitläufiges Feld und kann hier beim besten Willen nicht vollständig ausführlich abgehandelt werden. Beginnen wir mal mit den Strategien, die ohne Zutun des Menschen auch in der Natur ablaufen.

Die Pflanze als vegetativer Stratege

Vegetative Vermehrung ist in der Natur weiterverbreitet, als man eigentlich glaubt. Selbst höhere Lebewesen sind dazu in der Lage. Aber bleiben wir bei der Pflanze und durchleuchten einmal deren natürlichen Reproduktionsprozess.

Sicher fallen jedem als Erstes die Stolonen ein, oder nicht? Erdbeere? Jeder hat im Garten schon einmal Erdbeerpflanzen gesehen, die sehr viele kleine Seitensprosse bilden, an denen sich jeweils kleine Erdbeerpflanzen bilden. Na bitte - das sind Stolonen. Nicht nur die Erdbeere, sondern auch andere Pflanzenarten entwickeln oberirdisch oder unterirdisch kriechende, verlängerte Seitensprosse, die von der Stängelbasis, der Blattrosette oder vom Wurzelhals ausgehen. An den Nodien der Ausläufer können sich Wurzeln und aufrecht wachsende Triebe entwickeln: Wenn die verbindenden Sprossen danach absterben, entstehen so unabhängige, mit der Ausgangspflanze genetisch identische Pflanzen.

Die zweite Strategie ist die Kindelbildung. Ein Kindel ist eine vollständige kleine Pflanze, die zunächst an der Mutterpflanze wächst und der vegetativen Vermehrung dient. Gelangt ein Kindel mit einem geeigneten Substrat in Berührung, so wächst es als eigenständige Pflanze weiter. Kindel verfügen über mindestens ein Blatt, eine Sprossachse und Wurzeln oder zumindest Wurzelansätze. Sie können je nach Pflanzenart an Blütensprossen oder an Seitensprossen wachsen. Die Seitensprosse sind oft als über- oder unterirdische Ausläufer ausgebildet, damit die Kindel zum einen in einer Mindestentfernung zur Mutterpflanze anwachsen und zum anderen ein größeres Gebiet schnell von der Mutterpflanze ausgehend besiedelt werden kann. Kurze Seitensprosse mit Kindeln dienen hingegen der schnellen Bildung dichter Bestände.

Drittens: Adventivbildungen bezeichnen Teile einer Pflanze, die nicht aus dem Hauptvegetationspunkt entstehen, sondern aus sekundär wieder teilungs- und wachstumsfähig gewordenen Geweben einer Pflanze an einer Wundstelle. Oft geht eine Verletzung der Pflanze voraus, oder sie werden gebildet, wenn durch einen Kälteeinbruch im Frühjahr frische Triebe teilweise oder gänzlich abgefroren sind. Man unterscheidet zwischen Adventivknospen (bilden sich nicht an Sprossspitzen oder in Blattachseln, sondern an anderen Stellen der Achse an Blättern oder Wurzeln), Adventivsprosse (z. B. Stockausschläge) und Adventivwurzeln. Die Schwarz-Erle bildet Adventivwurzeln aus, um auf die schwankenden Wasserstände in ihrem Biotop zu reagieren.

Ein Sonderfall ist die Adventivembryonie. Darunter ist die Adventivbildung von Embryonen aus vegetativen Zellen der Samenanlage zu verstehen. Sie lässt in Samen viele Embryonen entstehen.

Die Knospung oder Sprossung ist die vierte natürliche Form der vegetativen Vermehrung. Dabei entstehen bei Pflanzen durch örtliche Wachstumsvorgänge Auswüchse, die sich mehr oder weniger vollständig von der Mutterpflanze lösen.

Unbekannter dürften die Brutkörper (Gemmen der Moose) und Brutknospen (Bulbillen) sein. Diese sind mehr- bis vielzellige Organe der Pflanzen, die der vegetativen, ungeschlechtlichen Vermehrung dienen.

Zum Schluss noch etwas Bekanntes: die Knollen.

Eine Pflanzenknolle ist ein fleischiges, verdicktes Speicherorgan von Pflanzen, das unter der Erde wächst. Pflanzenknollen sind Metamorphosen der pflanzlichen Grundorgane Sprossachse (Sprossknolle) oder Wurzel (Wurzelknolle). Die Knolle dient den Pflanzen neben der Speicherung von Reservestoffen auch der Vermehrung, da aus ihr eine identische Tochterpflanze entstehen kann.

Gärtner sind schlau und erfinderisch

Zusätzlich zu den natürlichen Reproduktionsformen auf vegetativen Gebiet haben sich die Gärtner über viele Jahre zusätzliche Möglichkeiten geschaffen, Pflanzen vegetativ zu vermehren. Dazu gehören: Stecklinge und Steckhölzer, Absenker, Ableger, Abmoosen, Teilen, Klonen, Veredeln… um nur die Wichtigsten zu nennen.

Einige wenige aus der Aufzählung möchte ich hier kurz beschreiben. Das wichtige Thema "Veredeln" wird uns in einem separaten Artikel nochmal beschäftigen.

Stecklinge und Steckhölzer

Mutterpflanzen sollten gesund, schädlingsfrei, in gutem Ernährungszustand und wüchsig sein. Blühende und in der Fruchtbildung befindliche Pflanzen sind zur Stecklingsgewinnung nicht so gut geeignet wie Pflanzen in vegetativer Wachstumsphase. Bei Kopf- und Stammstecklingen sind zu weiche und zu stark verholzte Stecklinge nach Möglichkeit zu vermeiden. Zum Schneiden ist ein scharfes, möglichst desinfiziertes Messer zu verwenden, um Quetschungen zu verhindern. Der Schnitt sollte knapp unterhalb eines Nodiums erfolgen, da sich die neuen Wurzeln aus dem Nodium herausbilden. Der Steckling sollte vor dem Einpflanzen einige Stunden mit der Schnittstelle nach oben gelagert werden, damit die Schnittstelle austrocknet und dadurch weniger durch Infektionen gefährdet ist. Um Austrocknung und Verdunstungsstress zu vermeiden, ist es notwendig die relative Luftfeuchte hoch zu halten (ca. 90 %). Um dies zu ermöglichen, ist die Stecklingsvermehrung unter Gewächshausbedingungen ratsam. Verdunstungsstress, Infektionen durch Pilze und Bakterien, Lichtmangel, zu hohe Lichteinstrahlung, zu hohe wie zu niedrige oder zu sehr schwankende Temperaturen behindern die Wurzelbildung. Als Kultursubstrat wird eine lockere und nährstoffarme Anzuchterde verwendet.

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Grafik: Uwe Bienert
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Absenker, Ableger und Abmoosen

Für die Absenkerbildung werden meist junge Sprosse von Pflanzen genutzt. Der Spross wird auf den Boden gebogen und dort fixiert. Anschließend wird er soweit mit Erde bedeckt, dass das Sprossende herausschaut. Nach der Bewurzelung wird der Spross von der Mutterpflanze getrennt, wodurch eine zweite, selbstständige Pflanze entsteht.

Eine ähnliche Vermehrungsart ist das Ablegerverfahren. Hierbei wird ein junger Spross über eine größere Länge in eine Erdrinne gelegt, fixiert und mit Erde gefüllt. Mit der Zeit bilden sich an der Oberseite des abgelegten Sprosses neue Sprosse. Nach erfolgter Bewurzelung werden die neuen Sprosse einzeln abgetrennt, wodurch selbstständige Pflanzen entstehen. Diese Methode eignet sich zur Erzeugung einer größeren Zahl Jungpflanzen.

Das Abmoosen ist ein Verfahren für die vegetative Vermehrung, besonders von Gehölzen (Klappt ziemlich gut bei Rhododendren). Das Ziel des Abmoosens ist es, den abzumoosenden Pflanzenteil zur Wurzelbildung anzuregen, obgleich sich dieser nicht im Erdboden befindet. Hierzu wird in "luftiger Höhe" ein Trieb angeschnitten (nicht durchtrennt!) und mit saugfähigen Material (Torfmoos, Zellstoff) umwickelt und gleichbleibend feucht gehalten. Vorteilhaft ist die Nutzung von Bewurzlungspulver und die Umwicklung mit einer wasserdichten Ummantelung (Plastiktüte), um die Feuchtigkeit zu erhalten. Nach Wurzelentwicklung wird der Trieb endgültig abgetrennt und eingepflanzt.

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Tabelle: Uwe Bienert

Stock- und Rhizomteilung

Die Stockteilung wird bei Pflanzen angewendet, aus deren Wurzelstöcken mehrere Triebe wachsen. Sie beinhaltet das Zerteilen des Wurzelstocks so viele Teilstücke, wie sich Triebe oder Knospen daran befinden. Ihre Anwendung findet sie im Freiland bei Stauden und kleinen Sträuchern. Sie gilt als sehr sichere Vermehrungsmethode und erlaubt in einigen Fällen die Vermehrung von auf andere Arten nur sehr schwierig zu vermehrenden Pflanzen.

Im Unterschied zur Stockteilung muss bei der Rhizomteilung keine Rücksicht auf Wurzeln genommen werden. Das Rhizom ist keine Wurzel, sondern ein unterirdischer Ausläufer der Sprossachse. Die Sprossachse wird mit einem scharfen Messer in mehrere kurze Stücke geteilt, aus denen wieder ganze Pflanzen sprossen können.

Uwe Bienert



Nächsten Monat lesen Sie :
"Der Garten am Wegesrand"


Quellen:

Der Gärtner 1 (Martin Degen, Karl Schrader; Ulmer-Verlag), Einheimische Laubgehölze (Hecker, Quelle & Meyer Verlag Wiebelsheim), Grundkurs Gehölzbestimmung (Lüder, Quelle & Meyer Verlag Wiebelsheim), Taschenlexikon der Gehölze (Schmidt/Hecker, Quelle & Meyer Verlag Wiebelsheim), International standard ENA 2010-2015 (M.H.A. Hoffmann, ENA's European Plant Names Working Group), www.hortipedium.de

 Uwe Bienert
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Landschaftsgärtner-Meister und Ausbilder

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