Vermeintliche Mängel bei ingenieurbiologischen Ansaaten und Böschungssicherungen

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1. Nassansaat auf eine zuvor mit Erosionsschutzgewebe gesicherte Böschung auf einer Industriehalde. Foto: Fa. Bender

In den letzten Jahren ist - offensichtlich einhergehend mit der zu beobachtenden Intensivierung von Witterungsextremen - eine Zunahme von Mängelanzeigen hinsichtlich des Begrünungserfolges und des Erosionsschutzes bei ingenieurbiologischen Ansaaten und Böschungssicherungen zu beobachten. Fast ausschließlich handelt es sich hierbei um fachlich unbegründete und damit vermeintliche Mängel. Offenkundig weit verbreitete Fehleinschätzungen hinsichtlich Eigenschaften, Entwicklung und Etablierung von Ansaaten und Sicherungsbauweisen führen zur Anzeige vermeintlicher Mängel mit der Folge von zusätzlichem - für alle Beteiligten zum Teil beträchtlichem - "bürokratischem", letztlich unnötigem Aufwand.

Fachgerecht ausgeführte ingenieurbiologische Leistungen führen zu einer deutlichen Reduzierung oder Vermeidung des Bodenabtrags. Professionelle Böschungsansaaten werden in der Regel mit dem Nassansaatverfahren (auch: Anspritzbegrünung, Hydroseeding) gemäß DIN 18918 realisiert (FLL 1998, DIN Deutsches Institut für Normung 2003, Stalljann 2000) (Bild 1).

1. Ingenieurbiologische Ansaaten

1.1 Mängelanzeigen zum Auflauftermin von Ansaaten

Der mit Abstand am häufigsten angezeigte Mangel bezieht sich auf den Auflauftermin der Ansaat. Nicht selten wird vom Auftraggeber oder Bauherrn ein Keimungserfolg oder Begrünungsergebnis bereits nach kurzer Zeit erwartet. In manchen Fällen wird eine Mängelanzeige bereits Tage oder wenige Wochen nach der Ansaat zugestellt. Derartige Erwartungen sind utopisch und allein der Ungeduld des Bauherrn geschuldet.

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2. Der Sommer 2016 – hier am Beispiel Offenbach – war vielerorts bis in den Herbst hinein zu trocken, um eine Keimung von Ansaaten zu ermöglichen. Kurze Schauer und Gewitter, die von längeren Perioden ohne oder mit nur marginalen Niederschlägen gefolgt wurden, waren nicht geeignet, das Auflaufen der Saat vor dem Herbst herbeizuführen. Quelle: WetterOnline
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3. Typisches Bild einer aufgelaufenen Ansaat, die durch eine Trockenperiode an Wassermangel leidet. Aber nicht alle Pflanzen sterben ab; diese Junggräser (Festuca spec.) werden sich erst dann weiterentwickeln, wenn feuchtere Bedingungen eintreten Foto: Fa. Bender
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4. Gut aufgelaufene Ansaat auf bindigem Boden, die durch eine Trockenperiode (erkennbar an den Schrumpfungsrissen) in ihrer Entwicklung unterbrochen wurde. Auch diese Gräser werden sich erst bei feuchteren Bedingungen weiterentwickeln. Foto: Fa. Bender
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5. Mulchdecken aus Langstroh werden mit speziellen Gebläsen auf Ansaatflächen appliziert. Sie sind effektiver als Kurzstrohhäcksel und beschleunigen Keimung und Vegetationsentwicklung durch eine deutliche Reduzierung der Verdunstung und weitere Schutzeffekte. Foto: Fa. Bender

Das Keimungsverhalten hängt vom verwendeten Saatgut ab und wird darüber hinaus von zahlreichen, die Keimphysiologie beeinflussenden Faktoren gesteuert. Diese können zu einer deutlichen Verzögerung der Vegetationsentwicklung führen (Stalljann 2000). Die relevanten DIN-Normen geben keinen Zeitrahmen für die Erzielung des abnahmefähigen Zustandes an (Blomer & Diekhoff 2013, DIN Deutsches Institut für Normung 2003).

1.1.1 Abhängigkeit des Auflauftermins von der verwendeten Saatgutmischung

Die Art der eingesetzten Saatgutmischung muss bei der zu erwartenden Keimdauer berücksichtigt werden. Diese ist abhängig von der Keimruhe (Dormanz), die in Abhängigkeit von der jeweiligen Art stark variieren kann. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die durchschnittliche Keimdauer einiger heimischer Gräserarten unter optimalen Freilandbedingungen. Die Fristen variieren zwischen einer Woche bis 24 Tagen je nach Art.

Deutlich längere Dormanzen weisen viele dicotyle (zweikeimblättrige) Kräuterarten auf (Tabelle 2), verursacht zum Beispiel durch die eingeschränkte Durchlässigkeit der Samenschale für Wasser (Hartschaligkeit) oder die physiologische Unreife des pflanzlichen Embryos im Samen. Die Samen einiger Arten müssen eine komplizierte Folge enzymatischer und biochemischer Prozesse, die sogenannte Nachreife, durchlaufen, bevor sie keimen können. Diese Prozesse werden durch bestimmte Umweltbedingungen wie niedrige Temperaturen, Feuchtigkeit, mechanische Beschädigung der Samenschale, Lichteinwirkung, Säure etc. hervorgerufen. Einige Samen vermögen sehr lange Zeiträume im Ruhezustand zu verweilen und können Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte überdauern (Geyer 2010). Bei Kräutermischungen entwickeln sich manche Arten daher oft erst nach einigen Vegetationsperioden (Johhannsen & Spundflasch 2012).

Auf den meist trockenen Böschungsstandorten haben vor allem trockenheitstolerante Arten eine Chance auf Etablierung; bei diesen Arten handelt sich überwiegend um Langsamkeimer. Eine umfangreiche tabellarische Übersicht mit Angaben zur Brechung der Keimruhe für viele Gräser und Kräuter findet sich in Internationale Vereinigung für Saatgutprüfung1993, S. 177.

Mitunter deutlich längere Dormanzen sind bei Gehölzansaaten zu beachten. Aufgrund einer teilweise sehr komplexen Keimphysiologie ist mit Mindestauflaufzeiten von mehreren Monaten auszugehen. Gehölzspezifische Aspekte der Keimruhe können dazu führen, dass die Keimung - je nach Individuum, Art, Witterung und Standort - auch einen deutlich längeren Zeitraum bis zu einigen Jahren beansprucht (Bloemer 2014 a, Hacker & Johannsen 2012, Mac Carthaigh & Spethmann 2000, Bärtels 1989). In Rohde (1985) und Internatione Vereinigung für Saatgutprüfung (1993) findet sich eine Übersicht mit Angaben zur Brechung der Keimruhe beziehungsweise Stratifikation für eine Reihe von Gehölzarten.

Die Keimruhe hat enorme Bedeutung für die Überlebenschancen einer Pflanzenart. Wird diese erst durch die Nachreife gebrochen, so ist meist sichergestellt, dass die Umweltbedingungen zum Zeitpunkt der Keimung für das Wachstum günstig sind. Wildkräutermischungen, zu denen auch gebietseigenes Saatgut (z.B. Regiosaatgut) zählt, entwickeln sich daher - zumal auf Böschungen - langsam und keimen nur unter für sie optimalen Bedingungen.

Mit dem Zusatz von schnell keimenden Ammengräsern (z. B. Bromus secalinus oder Getreide) kann die Frist bis zum Begrünungserfolg zum Teil deutlich verkürzt werden, vorausgesetzt, Wasserangebot und Temperaturen sind für diese anspruchsloseren Arten ausreichend. Handelsübliches Rasensaatgut und weidelgrasreiche Mischungen bringen bei problematischen Böschungsstandorten und Bodenverhältnissen mitunter zwar einen schnelleren, jedoch meist keinen nachhaltigen Begrünungserfolg, weil sie nicht aus robusten Wildarten, sondern standortfremden Zuchtsorten zusammengesetzt sind (Bloemer 2016).

1.1.2 Abhängigkeit des Auflauftermins von Witterungs- und Umweltbedingungen

1.1.2.1 Trockenheit

Der regionale Witterungsverlauf und lokale mikroklimatische Faktoren spielen eine dominierende Rolle bei dem zu erwartenden Auflauftermin und der nachfolgenden Vegetationsentwicklung. Entscheidend für den Keimvorgang ist das Wasserangebot an der Bodenoberfläche. Bei überwiegend trockenen Witterungsverhältnissen, die besonders häufig in den warmen und verdunstungsreichen Sommermonaten auftreten, kann sich die Keimfrist durch die oben beschriebene Keimruhe (Dormanz) deutlich ausdehnen. Aber auch extreme Frühjahrs- und Herbstdürren (wie z. B. in 2011) können zu stark verzögerten Auflauf- und Entwicklungszeiten führen. Für solche Fälle stellt die Keimruhe sicher, dass die Samen nur unter optimalen Bedingungen auflaufen, um die Überlebenschancen der jungen Pflanze zu maximieren. Würde die Saat während trockener Bodenbedingungen keimen, würde dies ihren sicheren Tod durch Wassermangel bedeuten. Die Dormanz dient also dem Fortbestand der Art und kann bei ungünstigen Bedingungen dazu führen, dass der Begrünungserfolg erst Monate später, etwa nach einer längeren kühlen und niederschlagsreichen Witterungsperiode im Herbst, eintritt (Bild 2). Dieses Keimverhalten von Wildpflanzen ist genetisch programmiert und nicht zu beeinflussen.

Nach Stolle muss die Feuchteperiode zur Überwindung der Dormanz umso länger sein (oft drei bis vier Wochen, bisweilen kombiniert mit hohen Temperaturen), je trockener die natürlichen Standorte der Arten sind, etwa bei Kalk- und Sandtrockenrasen. Wird die Feuchteperiode unterbrochen, werden die Samen erneut dormant, bis günstigere Bedingungen eintreten (Stolle 2012 per E-Mail). Spätsommer- und Herbstansaaten bis etwa Mitte Oktober führen aufgrund der in diesem Zeitraum günstigen Temperatur- und Feuchtigkeitsbedingungen meist zu einem beschleunigten Auflaufergebnis. In besonders milden Gegenden wie etwa im Rheintal können sich diese günstigen Bedingungen erfahrungsgemäß bis weit in den November und darüber hinaus ausdehnen. Sommerliche Schauer und Starkregen, die von weitgehend trockenen Tagen gefolgt werden, reichen in der Regel nicht aus, um den Keimvorgang einzuleiten, da ein Großteil des Wassers oberflächig abläuft und verdunstet, sodass die Bodenoberfläche sehr schnell wieder austrocknet (Bild 2). Gerade auf exponierten Böschungen sind Oberflächenabfluss und Verdunstung deutlich erhöht, die Verfügbarkeit von Wasser ist im Vergleich zu ebenen Flächen merklich reduziert. Deshalb sind Bewässerungen von Böschungsflächen mit mobiler Technik nicht sinnvoll, da es sich hierbei um künstlich erzeugte Schauer handelt. Der bereits messbare Klimawandel dürfte die Problematik verzögerter Keimfristen durch eine stärker ausgeprägte Sommertrockenheit bei gleichzeitig zunehmenden Starkregen und höheren Temperaturen in Zukunft noch verschärfen (Bloemer 2008, Spekat et al. 2007). Trifft eine Trockenperiode nach bereits erfolgter Keimung und eingesetzter Vegetationsentwicklung ein, was in erster Linie Ansaaten im Frühjahr und Frühsommer betrifft, kann ein Teil der Pflanzen absterben. Manche Arten überleben die Trockenheit jedoch, indem sie in ihrem frühen Entwicklungsstadium verharren, bis bessere (feuchtere) Bedingungen eintreten (Bild 3 und 4). Auch dies stellt keinen Mangel dar, sondern ist die natürliche Reaktion der Vegetation auf Trockenstress.

Die keimungs- und entwicklungsverzögernden Auswirkungen von hohen Verdunstungsraten und Trockenheit können durch geeignete, Feuchtigkeit speichernde Maßnahmen reduziert und abgemildert werden, was die Keimung oftmals wirksam beschleunigen kann (Tab. 3). Besonders hilfreich ist zum Beispiel die Aufbringung einer Mulchdecke aus Langstroh (Bild 5) oder Strohhäckseln gemäß DIN 18918, wobei mit Langstroh bei gleicher Aufwandmenge eine bessere und langlebigere Bodenabdeckung und damit ein effizienterer Verdunstungsschutz erzielt werden (Florineth 2004, Begemann & Schiechtl 1986) (Bild 6). Besonders hilfreich und dauerhaft - aber vergleichsweise kostenintensiv - ist die Abdeckung der Ansaat mit Erosionsschutzmatten (Bloemer & Diekhoff 2013).

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Tabelle 1: Durchschnittliche Keimdauer wichtiger Rasengräserarten unter optimalen Freilandbedingungen nach Boksch 2001
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Tabelle 2: Durchschnittliche Keimdauer einiger Kräuterarten unter optimalen Freilandbedingungen nach Sauerwein 1985
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6. Vergleich der Temperaturentwicklung im Tagesverlauf auf einer vegetationsfreien Oberfläche und einer gemulchten Rasenfläche auf einer Südböschung aus dunklem Substrat im Sommer. aus: Stalljann 2000
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7. Niederschlags- und Flächenänderung einer Böschungsfläche in Abhängigkeit zum Neigungsverhältnis bezogen auf eine waagerechte Fläche. aus: Stalljann 2000

1.1.2.2 Temperatur

Auch die Temperatur entscheidet über die Keimung des Saatguts, die Photosyntheserate und das Pflanzenwachstum. Die Toleranz gegenüber Kälte ist allerdings artspezifisch. Roggen (Secale cereale), der auch als Ammenpflanze ("Schnellbegrüner") fungiert, keimt schon bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt, während die Mindestkeimtemperatur für die meisten Rasengräser bei ?5,0°C liegt. Optimale Keimtemperaturen für Rasengräser liegen zwischen 16 und 23° (Boksch 2001). In Abhängigkeit von Witterung und Höhenlage herrscht in Mitteleuropa demnach etwa von November bis März weitgehende Keimruhe. Mildes Wetter kann jedoch auch im Winter zur Keimung von späten Ansaaten führen; dabei besteht die Gefahr, dass nachfolgende Kahlfröste zum Absterben der Keimlinge führen (Frosttrocknis), weil das Ausfrieren des Bodenwassers die Feuchtigkeitsaufnahme durch die Pflanzen verhindert (Blomer & Diekhoff 2013).

Nicht nur Fröste, sondern auch hohe Bodentemperaturen von über 45 °C, die im Sommerhalbjahr auf exponierten Böschungen nicht ungewöhnlich sind, verzögern Keimung und Vegetationsentwicklung. Solche Temperaturen können Keimlingen irreversiblen und tödlichen Schaden zufügen (Boksch 2001). Auf südlich ausgerichteten Böschungen können Oberflächentemperaturen von mehr als 60 °C gemessen werden, bei dunklem Untergrund sogar bis 70° (Stalljann 2000). Bild 6 zeigt eindrucksvoll die ausgleichende Wirkung einer gemulchten Rasenfläche im Vergleich zu einer vegetationsfreien, mit über 60° wesentlich heißeren Oberfläche im Sommer; die Differenz kann deutlich über 20° erreichen.

Temperaturausgleichende Maßnahmen können mit einer Mulchschicht gemäß DIN 18918 erreicht werden (DIN Deutsches Institut für Normung 2003). Mulchlagen schützen Saat und Keimlinge gleichermaßen gegen Hitze, Kahlfrost und weitere schädigende Einflüsse (Bild 6). Effektiver als Kurzhäckselstroh ist auch hier Langstroh, das ersterem in den genannten Eigenschaften überlegen ist (Bild 5). Der wirksamste und nachhaltigste Effekt wird wiederum mit Erosionsschutzmatten aus Stroh, Kokos oder einer Mischung dieser Fasern erzielt.

1.1.3 Abhängigkeit des Auflauftermins von den Standortbedingungen

1.1.3.1 Böschungslagen

Da Böschungen in mehrfacher Hinsicht eher ungünstige bis extreme Bedingungen aufweisen, sind Angaben zur durchschnittlichen Keimdauer unter optimalen Bedingungen wie in Tabelle 1 und 2 in der Praxis nicht anwendbar. Zum einen erhalten geneigte Flächen im Vergleich zu ebenem Gelände weniger Wasser: Je steiler die Böschung, desto geringer ist je Flächeneinheit die den Boden erreichende Niederschlagsmenge (Bild 7). Eine Böschungsneigung von 1:1,5 hat eine Reduzierung der Niederschläge je Flächeneinheit um 16,7 Prozent zur Folge. Ab einem Neigungswinkel von ca. ? 1:2 dehnen sich die Auflaufzeiten von Ansaaten deshalb deutlich aus (Stalljann 2000). Durch den Oberflächenabfluss geneigter Flächen geht überdies ein mehr oder weniger großer Anteil des Niederschlagswassers verloren.

Zum anderen verstärken böschungsspezifische, mikroklimatische Einflüsse wie Strahlungsintensität (höhere Temperaturen!) und Wind die Gesamtverdunstung (Evapotranspiration). Sofern Böschungen nicht nordexponiert sind, heizen sie sich durch hohe Strahlungswirkung stärker auf, was den Hitze- und Dürrestress der Vegetation erhöht mit der Folge stark verzögerter Auflauf- und Entwicklungszeiten (Bild 6). In Abhängigkeit von anderen Standortfaktoren, vor allem der Bodenart (Korngrößenverteilung), kann die Vegetation auf solchen Böschungen in manchen Fällen dauerhaft lückig bleiben, bei nicht standortgerechtem Saatgut sogar ausfallen.

Geeignete Maßnahmen zur Optimierung und Beschleunigung der Vegetationsentwicklung sind auch hier Mulchapplikation, Erosionsschutzmatten und der Einsatz Wasser speichernder Bodenverbesserungsstoffe. Durch die bauseitige Herstellung eines hangparallelen Mikroreliefs kann die Rückhaltung des für die Pflanzen nutzbaren Niederschlagswassers schon bei der Herstellung der Böschung optimiert werden (Bild 8). Ein zusätzlich ungünstiges Mikrorelief entsteht durch Wasser ableitende, hangsenkrechte Strukturen wie Erosionsrinnen und Bearbeitungsspuren (Bild 9). Solche Strukturen sollten vor der Ansaat unbedingt beseitigt werden!

1.1.3.2 Exposition und Strahlungsintensität

Entscheidend für den zeitlichen Verlauf von Keimung und Vegetationsentwicklung ist auch die Exposition geneigter Flächen, also die Lage bezogen auf die Himmelsrichtung und damit die Sonneneinstrahlung. Sonneneinstrahlung beeinflusst erheblich mikroklimatische Faktoren wie Temperatur und Verdunstung und damit den Keimverlauf. Auch die direkte Einstrahlung der Sonne spielt eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Vegetation. Entscheidend sind hier Intensität und Dauer sowie die Qualität der eintreffenden Strahlung (Gandert & Bures 1991). Die Strahlungsintensität ist durch große Unterschiede auf nord- und südexponierten Flächen geprägt. Vor allem auf südlich gerichteten Böschungen kann sie so intensiv sein kann, dass sie Begleitfaktoren wie Temperatur und Verdunstung in einen für das Pflanzenwachstum schädlichen Bereich bringt; auf nach Norden geneigten Flächen ist meist das Gegenteil der Fall: durch den flachen Einfallwinkel oder die Schattenwirkung ist die Intensität der Sonneneinstrahlung wesentlich geringer, und Temperatur und Feuchtigkeit unterliegen kaum extremen Schwankungen. Auf nördlich exponierten Böschungen führt dies während der warmen Jahreszeit in der Regel zu einem deutlich schnelleren Auflaufen der Saat, während sich nach Süden geneigte und daher oft extrem trockene Flächen oft einige Wochen, teilweise aber erst Monate später begrünen. Im Herbst, Winter und zeitigen Frühjahr kann dies genau umgekehrt sein, weil nordexponierte Böschungen dann zu kalt sind und die Keimung zuerst auf den wärmeren, der Sonne zugewandten und in dieser Jahreszeit oft ausreichend feuchten Hangbereichen erfolgt.

Auch eine zu starke Beschattung der Ansaatflächen kann zur Verzögerung oder gar Verhinderung des Auflaufens der Ansaat und der Vegetationsentwicklung führen, insbesondere beim Einfluss von Gehölzbeständen auf die Ansaatfläche. Durch auf Oberbodenandeckungen häufig auftretenden Spontanbewuchs ("Unkraut") mit hohen und breitblättrigen Kräutern (typisch sind beispielsweise Gänsefußgewächse wie Chenopodium und Atriplex) kann die Oberfläche so stark beschattet werden, dass die Lichtintensität nicht für eine erwartungsgemäße Keimung und Entwicklung der Pflanzen ausreicht (siehe Abschnitt 1.2).

1.1.3.3 Bodensubstrat

Die Geschwindigkeit der Keimung und Vegetationsentwicklung hängt gleichfalls von pedologischen Faktoren ab. Als wichtigste Größe gilt die Bodenart, also die Korngrößenverteilung. Böden mit hohem Skelettanteil (grobkörnige Textur) und geringem Tongehalt wie Sande, Kiese, Grus, Schotter und steinige bis felsige Standorte sind durch eine geringe Wasserspeicherkapazität charakterisiert. Das Wasser versickert hier schnell in größere Tiefen und kann von den Wurzeln nicht erreicht werden (Scheffer & Schachtschabel 1998). Solche Standorte trocknen schnell aus und erlauben oft erst dann eine Keimung, wenn eine längere und kühle Niederschlagsperiode den Boden feucht hält (Bild 10). Das gilt gleichfalls für die meisten technogenen Substrate wie zum Beispiel Bauschutt, Industrieschlacken oder Bergematerial (Bloemer 2012 a). Feinkörnige, bindige Substrate speichern deutlich mehr Wasser, weshalb der Begrünungserfolg auf solchen Böden meist früher eintritt. Auch der Humusgehalt des Bodens korreliert positiv mit der Wasserspeicherfähigkeit.

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8. Solch eine hangparallele Mikroreliefierung des Bodens auf Böschungen kann durch das hangsenkrechte Befahren der Böschung mit Raupen hergestellt werden; damit wird eine Wasser speichernde Rauigkeit der Bodenoberfläche erzielt. Foto: Fa. Bender
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9. Im Gegensatz zu hangparallelen Bodenstrukturen verstärken diese hangsenkrechten Formen sowohl Erosion als auch Wassermangel und sollten daher bei der Herstellung von Böschungen unbedingt vermieden werden. Foto: Fa. Bender
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10. Auflaufende Saat auf einem steinigen, stark schotterhaltigen Rohboden. Auf solchen Standorten ist grundsätzlich mit einer deutlich verzögerten Vegetationsentwicklung zu rechnen. Foto: Fa. Bender

Hohe Tonanteile im Boden von Böschungen führen jedoch trotz guter Wasserspeicherfähigkeit vor allem im Sommerhalbjahr meist nicht zu einer Verbesserung der Wasserversorgung, weil die Infiltrationsrate (Wassermenge, die je Zeiteinheit versickert) in solchen Substraten durch den geringen Anteil an Grobporen und aufgrund der Neigung zu Verschlämmung und Krustenbildung stark herabgesetzt ist (Scheffer & Schachtschabel 1998). Die hydrophoben (Wasser abstoßenden) Eigenschaften ausgetrockneter Oberflächen erschweren die Wasseraufnahme nach trockenen Perioden noch zusätzlich.

Gegenmaßnahmen sind verdunstungsreduzierende bzw. Feuchtigkeit speichernde Maßnahmen, die bereits in den vorhergehenden Abschnitten beschrieben wurden (Tab. 3).

1.2 Unerwünschte oder fehlende Arten

1.2.1 Mängelanzeigen aufgrund von Unkrautbewuchs

Bei Oberbodenbegrünungen bemängeln Auftraggeber und Bauherren nicht selten eine vermeintlich misslungene Ansaat auf Oberboden durch starken Unkrautbewuchs.

Bei der Andeckung von Böschungen mit humosem Oberbodenmaterial wird - ungewollt, aber unvermeidlich - auch das natürliche, bodenbürtige Diasporenpotenzial (die natürliche Samenbank des Bodens) auf den neuen Standort übertragen. Die zur Verfügung stehenden Oberböden wurden vormals zumeist landwirtschaftlich genutzt. Daher lassen sich die in diesen Böden enthaltenen Arten überwiegend den Getreideunkraut-Gesellschaften (Secalietea), den Hackunkraut- und Ruderalgesellschaften (Chenopodietea) und den Stickstoff-Krautfluren (Artemisietea) zuordnen. Leider handelt es sich hierbei um unerwünschte Arten, so genannte Unkräuter (Johannsen et al. 2015) (Bild 11).

Auf Oberbodenandeckungen besonders häufig sind Ackerunkräuter wie zum Beispiel Echte Kamille (Matricaria chamomilla), Geruchlose Kamille (Tripleurospermum inodorum), verschiedene Gänsefußgewächse (Chenopodiaceae) und Ackersenf (Sinapis arvensis). Oberböden, die ehemaligen Weideflächen entstammen, bringen häufig Rotklee (Trifolium pratense) hervor. Im Siedlungsraum der Ballungsgebiete und entlang der Flussläufe, inzwischen aber auch im ländlichen Raum, treten vielfach invasive Neophyten wie beispielsweise Schmalblättriges Greiskraut (Senecio inaequidens), Beifußblättrige Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia), Drüsiges Springkraut (Impatiens glandulifera) und Hühnerhirse (Echinochloa crus-galli) als Unkräuter auf (LFU 2005 a und b, aktualisiert 2014 a und b, Sukopp et al. 2005). Den meisten dieser Arten ist gemein, dass sie im ersten Jahr häufig dichte Dominanzbestände bilden. Dieses Phänomen ist typisch und auch durch frühzeitige Ansaaten nicht zu vermeiden, weil es sich bei den betreffenden Arten um annuelle (einjährige) Gewächse handelt, die rasch keimen und sehr schnell wachsen, um zwecks Arterhalt vor dem Ende der Vegetationsperiode rechtzeitig Blüten- und Samenstände auszubilden.

Leichter Unkrautbewuchs mit moderater Beschattung kann durch eine Ammenfunktion für die Entwicklung der Ansaat durchaus förderlich sein. Dichter Wildkrautbewuchs und die hierdurch verursachte Konkurrenzsituation kann die in der Ansaat enthaltenen Spezies jedoch zunächst unterdrücken oder in ihrer Entwicklung behindern. Viele Arten keimen zwar auf und beginnen sich zögerlich zu entwickeln, können sich jedoch - vor allem aufgrund von Lichtmangel - zunächst nicht durchsetzen (Bloemer & Diekhoff 2013). In diesem Stadium sind sie meist nur für Fachkundige als spärliche Jungpflänzchen unter dem Blätterdach der Unkräuter erkennbar (Bild 12). Spätestens nach der ersten Mahd oder nach dem Verkahlen und Absterben des Spontanwuchses gegen Ende des Sommers erhalten Keimlinge und Jungpflanzen genug Licht, um sich weiterzuentwickeln. Gewöhnlich setzen sich die mit der Ansaat ausgebrachten Arten dann relativ schnell durch. Da die Unkräuter zur Keimung auf offene, weitgehend unbewachsene Böden angewiesen sind, kommen sie im nachfolgenden Jahr in der Regel nicht mehr oder nur noch vereinzelt auf.

Durch einen Schröpfschnitt angesäter und verunkrauteter Flächen kann die Ansaat wirksam gefördert werden. Ein derartiger Schnitt muss aber mit Sorgfalt im Hinblick auf noch nicht aufgelaufenes Saatgut, Keimlinge und Jungpflanzen durchgeführt werden. Das Mähgut sollte gemulcht werden, wenn die Mulchlage nicht zu dick ist und den Aufwuchs beeinträchtigt. Die Mahd verunkrauteter Flächen entspricht hierbei nicht der Leistung "Rasen mähen", weil Stängeldicke und Biomasseaufkommen mit einer rasen- oder wiesenartigen Vegetation nicht vergleichbar sind.

Extrem kritisch sein kann die Präsenz ausdauernder, also staudenartiger und sich rasant ausbreitender Neophyten wie die Kanadische Goldrute (Solidago canadensis), der Japanische Knöterich (Fallopia japonica, syn. Reynoutria japonica) oder der Sachalin-Staudenknöterich (Fallopia sachalinensis, syn. Reynoutria sachalinensis). Diese Arten sind durch Mahd und andere Maßnahmen häufig kaum zurückzudrängen und für die betroffenen Bereiche daher jahrelang oder dauerhaft höchst problematisch.

Das Problem bodenbürtiger Unkräuter kann durch den Verzicht auf Oberbodenandeckungen nahezu vollständig vermieden werden. Hierbei werden die jeweiligen Rohböden per Nassansaat mit speziellen Begrünungsrezepturen beaufschlagt. Rohbodenbegrünungen entsprechen dem aktuellen Stand der Technik und stellen - korrekt angewendete Fachkenntnisse vorausgesetzt - auch hinsichtlich standortkundlicher, vegetationsökologischer, sicherungstechnischer, ästhetischer und ökonomischer Aspekte meist die bessere Alternative dar (Bloemer 2014 b und 2003, Kirmer & Tischew 2006, FLL 1998).

1.2.2 Mängelanzeigen aufgrund angeblicher Aussaat unerwünschter Arten/Unkräuter

Ein gleichfalls vermeintlicher Mangel bezieht sich auf angeblich ausgesäte, unerwünschte Arten, die nicht Bestandteil des Ausschreibungstextes sind. Dieser Aspekt steht in direktem Zusammenhang mit der zuvor behandelten Problematik, denn in diesem Falle wird gleichfalls der Unkrautbewuchs bemängelt, jedoch mit der kurios anmutenden Unterstellung, das Begrünungsunternehmen selbst habe ebendiesen ausgesät. Dabei werden die betreffenden Arten (z. B. die besonders häufigen Chenopodiaceen wie Gänsefuß- und Meldearten) entweder gar nicht vermehrt und sind somit im Saatguthandel nicht erhältlich, oder sie sind vielfach so teuer (wie z. B. die gleichfalls häufig auftretende Geruchlose Kamille), dass ihre Aussaat wirtschaftlich keinen Sinn ergäbe.

Aus begrünungstechnischer Sicht würde die Ansaat von Pflanzen, welche die Zielarten durch die Ausbildung von Dominanzbeständen verdämmen (unterdrücken) und oft mit zusätzlichem Pflegeaufwand verbunden sind, keinen Sinn ergeben.

1.2.3 Mängelanzeigen aufgrund angeblich nicht ausgesäter Arten oder Saatgutmischungen

Mitunter beziehen sich Mängelanzeigen auf in der verwendeten Saatmischung enthaltene Arten, die auf der Begrünungsfläche jedoch nicht zu finden sind. Dies kann besonders bei arten- und kräuterreichen Mischungen der Fall sein. Kommen bestimmte Arten anfänglich nicht auf, so liegt dies meistens in deren spezifischem Keimverhalten beziehungsweise der Dormanz begründet (siehe Abschnitt 1.1.1). Die Dauer der Dormanz ist, wie bereits ausführlich dargestellt, abhängig von genetischen Faktoren und verschiedenen Umwelteinflüssen, die je nach Art variieren können (Geyer 2010, Stolle 2012 per E-Mail). Es ist daher eher unwahrscheinlich, dass bereits in den ersten Monaten nach der Ansaat beziehungsweise in der ersten Vegetationsperiode sämtliche ausgesäten Arten auflaufen. Aus diesem Grunde ist eine Bestandsaufnahme vor dem zweiten oder dritten Jahr meist wenig sinnvoll.

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Tabelle 3: Gründe von Auflaufverzögerungen sowie mögliche Gegenmaßnahmen und deren Wirkung
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11. Dichte Bestände von unerwünschtem Spontanwuchs (hier: Weißer Gänsefuß, Chenopodium album) sind typisch für Oberbodenandeckungen und unterdrücken die Ansaat vor allem durch Lichtmangel zunächst nahezu vollständig. Foto: Fa. Bender
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12. Das Foto zeigt eine nur scheinbar misslungene Ansaat; für den Laien schwer erkennbar sind die aufgelaufenen Kräuter einer angesäten Regiomischung (hier v. a. Wiesenmargerite und Schafgarbe) inmitten des gleichfalls aufgekommenen, recht dichten Unkrautbewuchses. Foto: Fa. Bender
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13. Erosionsschutzmatten und -gewebe stellen keine Sicherung gegen Hangrutschungen oder Oberbodenabgänge dar und werden bei solchen Ereignissen mit dem Bodenkörper hangabwärts transportiert. Foto: Fa. Bender

Dennoch ist erfahrungsgemäß die Wahrscheinlichkeit, dass 100 Prozent des ausgesäten Artenspektrums nach dieser Frist auf der Begrünungsfläche zu finden ist, als eher gering einzuschätzen. Das hochkomplexe standortspezifische Beziehungs- und Kausalitätsgeflecht aus klimatischen und mikroklimatischen Aspekten, bodenchemischen und -physikalischen Eigenschaften, zoogenen, parasitären und pathogenen Faktoren und Konkurrenzmechanismen kann durchaus dazu führen, dass eine oder mehrere Arten nicht aufkommen oder sich nicht entwickeln können. Dies stellt folglich keinen Mangel dar, sondern ist die Folge eines natürlichen, kaum zu beeinflussenden Durchsetzungsprozesses.

Lassen sich aber nur sehr wenige oder überhaupt keine Arten der geforderten Saatgutmischung auf der Begrünungsfläche bestimmen, muss tatsächlich davon ausgegangen werden, dass nicht ausschreibungskonformes Saatgut verwendet wurde. Werden beispielsweise statt gefordertem kräuterreichem und/oder gebietseigenem Saatgut (z. B. Regiosaatgut) gewöhnliche und deutlich billigere RSM-Rasenmischungen oder vergleichbares Handelssaatgut eingesetzt, ist ein zum Teil hohes finanzielles Einsparungspotenzial erzielbar. Solchem Betrug kann nur durch lückenlose und konsequente Kontrollen begegnet werden. Neben der Forderung nach Originallieferscheinen und Herkunftszertifikaten müssen vor Ort Rückstellproben gezogen, geladene Massen überprüft sowie Art und Menge der tatsächlich verwendeten Materialien dokumentiert werden. Diese Maßnahmen erscheinen zwar aufwändig, sind im Hinblick auf das Betrugspotenzial aber mehr als gerechtfertigt.

2. Erosionsschutzmatten und -gewebe

Geotextilien wie Erosionsschutzmatten (ES-Matten) und Erosionsschutzgewebe (ES-Gewebe) werden meist in Verbindung mit Nassansaaten angebracht, es sei denn, es handelt sich um Begrünungsmatten mit integriertem Saatgut. Zwecks optimalem, zur Keimung erforderlichem Kontakt des Saatguts mit dem Boden sollte auf Begrünungsmatten verzichtet werden zugunsten einer Ansaat in Kombination mit saatgutlosen Geotextilien.

2.1 Mängelanzeigen wegen abgegangener Bodenmassen trotz ES-Matten oder ES-Gewebe

Nicht selten wird bemängelt, dass Oberbodenandeckungen trotz eingebauter ES-Matten oder ES-Gewebe abgegangen seien, oder dass sich trotz der Geotextilien ein Hangrutsch ereignet habe (Bild. 13).

In diesem Zusammenhang ist es - gerade auch für ausschreibende Stellen - von erheblicher Bedeutung, die Funktion dieser Geotextilien genau zu kennen und keiner Verwechselung mit der Wirkung anderer ingenieurbiologischer Bauweisen zu unterliegen.

ES-Matten und ES-Gewebe dienen durch verschiedene Mechanismen in erster Linie dem Schutz der Bodenoberfläche vor den typischen linearen Erosionsschäden (Rillen- und Rinnenbildung und die daraus erwachsende Graben- und Tunnelerosion) auf geneigtem Gelände für den Zeitraum bis zur vollständigen Vegetationsetablierung. Ihre Funktion ist daher - je nach Standort, Jahreszeit und Witterung - temporär auf einige Monate, in manchen Fällen und je nach Material auch auf wenige Jahre begrenzt. Feldversuche belegen eine deutliche Reduzierung des Bodenabtrags nach Starkregen durch ES-Gewebe und -Matten. Auch entsprechende Laboruntersuchungen zeigen, dass die Oberfläche sehr wirksam gegen Erosion durch Wasser geschützt wird (SKZ-KFE GmbH & Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau 2011) (Tab. 3).

Ein weiterer durch ES-Matten und ES-Gewebe erzielter Effekt ist die Mulchwirkung durch die Bodenabdeckung. Eine Mulchabdeckung verbessert das Mikroklima und schützt vor Witterungseinflüssen. Sie verringert die Verdunstung und mildert Temperaturextreme ab. Die Bodenoberfläche bleibt länger feucht, was sowohl die Keimung als auch die weitere Entwicklung der Vegetation fördert und beschleunigt (Hacker & Johannsen 2012). Im Schutz von Geotextilien verläuft der Keimungsvorgang meist nicht nur schneller, sondern auch gleichmäßiger. Ausfälle durch dürrebedingten Stress sind seltener. Der Schutzfaktor gilt durch die Pufferung von Frost- und Windeinwirkung auch für die kalte Jahreszeit. Da ES-Matten einen höheren Flächenabdeckungsfaktor aufweisen als ES-Gewebe, ist die beschriebene Wirkung bei Matten jeweils größer (Bloemer 2012 b).

Den häufig erwarteten Schutz vor Erosionserscheinungen, die nicht auf die Oberfläche begrenzt sind, sondern auch tiefere Bodenlagen erfassen, können ES-Matten und ES-Gewebe dagegen nicht leisten. Zu diesen Erscheinungen zählen Massenversatz wie Oberbodenabgänge, Stürze, Rutschungen, Bodenkriech- und Fließbewegungen und Steinschlag. Diese Massenbewegungen werden durch geologische, hydrologische, geomechanische, gravitative und menschlichen Einflussgrößen verursacht (Blume 2005). Solche Massenbewegungen sind meist großflächige und großvolumige Erosionserscheinungen mit einer relativ großen Tiefenwirkung, die durch oberflächig wirkende Geotextilien nicht wirksam beeinflusst werden können. Kommt es zum Massenversatz (z. B. Rutschung von Oberbodenandeckungen) auf mit Geotextilien gesicherten Böschungen, werden die Matten einfach mitgerissen (Bild 13). Oberbodenandeckungen müssen mit eigens für diesen Zweck konzipierten Sicherungstechniken wie dem Faschinenverbau fixiert werden (Bloemer 2012 b). DIN 18915 und 18918 fordern zudem eine Verzahnung zwischen Untergrund und Oberbodenauftrag, zum Beispiel durch Aufrauen des Baugrunds (DIN Deutsches Institut für Normung e. V. 2003). Fehlt diese Verzahnung, etwa bei häufig zu beobachtendem, glatt abgezogenem Rohbodenplanum, besteht erhöhte Rutschungsgefahr für Oberbodenandeckungen. Aus diesem Grunde sollte auf das Andecken von Oberboden auf Böschungen möglichst vollständig verzichtet werden (siehe auch Abschnitt 1.2.1).

3. Ausblick

Die obigen Ausführungen zeigen, dass Mängelanzeigen zum Begrünungserfolg und Erosionsschutz in den meisten Fällen fachlich unbegründet beziehungsweise einem nicht realistischen zeitlichen Erwartungsrahmen geschuldet sind. Eine Vielzahl natürlicher, nicht zu beeinflussender Faktoren kann sowohl die Keimung als auch die weitere Entwicklung von Erosionsschutzansaaten mäßig bis erheblich verzögern. Hierbei handelt es sich nicht etwa um Mängel in der Ausführung oder im Ergebnis der jeweiligen Maßnahme, sondern um natürliche, biologisch vorgegebene Phänomene, die durch Witterung, Mikroklima und Standorteigenschaften hervorgerufen werden. Mit geeigneten Mitteln ist in gewissem Rahmen eine Gegensteuerung durch Abmilderungseffekte und damit eine Beschleunigung des Begrünungserfolges möglich.

Dieser Artikel möchte dazu beitragen, allen Beteiligten bei ingenieurbiologischen Begrünungs- und Sicherungsmaßnahmen zu einem tieferen und umfassenderen Verständnis natürlicher Vorgänge zu verhelfen, um tatsächliche von vermeintlichen Mängeln unterscheiden zu können. Vor dem Hintergrund des Klimawandels und der sich damit in Zukunft noch verstärkenden Wetterextreme könnte auf diese Weise der in den letzten Jahren deutlich zugenommene bürokratische Aufwand für die Bearbeitung von Mängelanzeigen zumindest reduziert werden. Gleichzeitig sollten ausschreibende Stellen Maßnahmen zur Beschleunigung der Keimung und der Entwicklung von ingenieurbiologischen Ansaaten auch zwecks Vermeidung kostspieliger Erosionsschäden künftig stärker berücksichtigen.

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M.A. (Geogr.) Stephan Bloemer
Autor

Wissenschaftlicher Berater, Niederlassungsleiter der Bender GmbH & Co. KG

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