Vertikale Gärten - warum in die Höhe gärtnern?

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Vertikale Gärten Bauwerksbegrünung
Vertikaler Garten von Patrick Blanc im Hotel Pershing Hall in Paris. Fotos: Alexander Dorn

Franziska Kirchner I Vertikale Gärten sind in aller Munde. Welche Objekte sind die bekanntesten? Wofür werden vertikale Gärten überhaupt gebraucht? Und wie steht es um Kosten, Technik sowie Wartung? Das vielleicht Wichtigste aber ist die Einbettung der vertikalen Gärten in städtebauliche Konzepte. Denn das schönste Angebot nutzt nichts, wenn es keine Nachfrage gibt.

Vertikale Gärten liegen im Trend.1Vor allem Unternehmen schmücken sich derzeit gern mit vertikalen Gärten, denn sie waren und sind der angesagte Ausdruck von Exklusivität. Der 1953 in Paris geborene Botaniker und Gartenkünstler Patrick Blanc bedient dieses kostspielige Bedürfnis nach Luxus und Exklusivität gern.2 Im vornehmen Pariser Hotel Pershing Hall etwa kommt nur derjenige in den Genuss von Blancs mur végétal, der es sich leisten kann, dort zu übernachten oder zu speisen. Blancs 2010 realisierter vertikaler Garten für das Museum of Modern and Old Art in der Hauptstadt Tasmaniens ist in einem Innenhof versteckt und auch hier nur auserwählten Gästen zu privaten Empfängen zugänglich. Zur Living Wall, die der weltweit gefragte und stets in floralen Motiven gekleidete und mit grünen Haarsträhnen geschmückte Pionier der vertikalen Begrünung 2007 für die Qantas Lounge im Flughafen von Melbourne gestaltete, haben nur Passagiere mit einem First Class Ticket Zutritt.

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Demokratisierung des vertikalen Gartens

In den letzten zwei Jahren ist jedoch eine allmähliche Demokratisierung der vertikalen Gärten festzustellen. Sie sind nicht mehr ausschließlich in der ausgrenzenden Exklusivität anzutreffen. Das vertikale Grün öffnet sich mehr und mehr dem kommerziellen Raum und erobert ihn, noch immer mit der Motivation, sich von anderen Unternehmen der Branche abzuheben und die eigene Besonderheit zu unterstreichen. In Boutiquen in Düsseldorf und Antwerpen fungiert die grüne Wand als backdrop, als Kulisse für die davor drapierte elegante Kleidung. In Paris stehen vertikale Gärtchen im Schaufenster, um das Edle der italienischen Mode zu unterstreichen. In New York befindet sich das Phyto Spa in der obersten Etage eines Gebäudes und ist mit einer durchgehenden Glasfensterfront ausgekleidet. Zu sehen ist ein üppiger vertikaler Garten, der vom Boden bis zur Decke ragt. Nachts wird das urwaldähnliche Grün angestrahlt, so dass man es schon aus der Ferne wahrnimmt. Die Illumination funktioniert wie ein Billboard, also eine typisch amerikanische, beleuchtete Werbetafel, die für das Pflanzen-Spa wirbt und in den Stadtraum ausstrahlt.

Auch das Kulturkaufhaus Dussmann leistet sich die teure Vertikale von Patrick Blanc und lässt seine potentiellen Kunden und Mitarbeiter an dem unkonventionellen Gartenerlebnis teilhaben. Betritt man das Geschäft, fällt die grüne Rückwand des Geschäfts ins Auge. Über sechs Etagen erstreckt sich ein 270 m2) großer, üppig bepflanzter vertikaler Garten. 2012 konnte die Dussmann Unternehmensgruppe den 18 m hohen und mit weit mehr als 6600 tropischen Pflanzen aus 157 Arten gestalteten Garten einweihen. Die Pflanzenwand ragt aus einem dekorativen Wasserbassin, das tropische Zierfische beherbergt. Im Untergeschoss des Gebäudes befindet sich ein Café, in dem das Pflanzenrelief aus nächster Nähe erlebt werden kann. Sitzt man direkt am Garten, hört man das Plätschern der Bewässerung, die Luft ist angenehm feucht, es duftet intensiv nach dem Grün. Der Blick wandert hinauf zu einem "Gemälde" aus unterschiedlichen Blattformen und Blüten, Farben und Texturen. Großflächig gezackte blaugrüne Blätter wechseln sich ab mit dunkelgrünen, weiß geäderten Begonienblättern.

Weiße, orange und rosa Blüten bilden Farbtupfer auf den unterschiedlich grünen Farbfeldern. Zarte Farne hängen neben saftig grünem Moos. Sogar Bäume wachsen aus dem Pflanzenbild. Das dezente Vogelgezwitscher aus versteckten Lautsprechern erzeugt eine beruhigende Geräuschkulisse und verstärkt den Eindruck einer ruhigen Oase inmitten der Stadt. Einem ähnlichen Konzept folgt das David Rubenstein Atrium, das zum New Yorker Lincoln Center gehört und zwei vertikale Gärten beherbergt, die von der Firma Plantwalldesign angelegt wurden: vertikale Gärten für potentielle Kunden. Zusätzlich geht es hier um Selbstdarstellung. An beiden Eingängen wächst eine großflächige Pflanzenwand in den Raum hinein, der von Passanten genutzt wird, die in dem Atrium verweilen, das ansässige Café nutzen oder auch vergünstigte Eintrittskarten für die Metropolitan Opera und für die Theater des Lincoln Center erwerben möchten.

Eine radikale Demokratisierung der an sich kostspieligen Begrünung findet in den und vor allem durch die Medien statt. So gibt es im Fernsehen Sendungen, die den Zuschauer praktisch anleiten, sich seinen eigenen vertikalen Garten etwa mithilfe von Europa-Paletten zu bauen.3 Im Internet finden sich zahllose Videos mit Tipps zum Selbermachen sowie Anbieter von Do-it-yourself-Baukästen für das vertikale Grün.4

Warum überhaupt in die Höhe gärtnern?

Der vertikale Garten ist ein urbanes Phänomen. Dort, wo Platzmangel herrscht und Grund und Boden zu teuer sind für konventionelle Grünflächen, wird nun in der Vertikale begrünt. Die großflächige Begrünung ist in der Lage, das Mikroklima zu verbessern. Bedenkt man, dass besonders Ballungszentren von der Klimaerwärmung betroffen sind, ist es wichtig, im urbanen Raum gegenzusteuern. Durch dichte Bebauung entstehen problematische Hitzeinseln. Vertikale Gärten können hier Abhilfe schaffen. Großflächige Wandbepflanzungen vermögen es, die Bildung von Hitzeinseln zu reduzieren und zwar auf kleinstem Raum, da sie in die Höhe gehen.

Vertikale Gärten können wesentlich zur Verbesserung der Luftqualität beitragen. Pflanzen binden Stickstoffdioxid von Autoabgasen ebenso wie den schädlichen Feinstaub und schaffen es, andere Schadstoffe aus der Luft filtern. Die Luftverschmutzung könnte auf diese Art und Weise um 30 Prozent reduziert werden, die nicht nur in Schwellenländern ein gravierendes Gesundheitsproblem darstellt.5

Vertikale Gärten sparen Energie. Sie bilden nicht nur einen Windschutz, sondern auch eine Wärmedämmung beziehungsweise Isolation gegen Kälte. Ähnlich wie im Innenraum tragen sie auch draußen erheblich zur Schallabsorption und damit zur Lärmverminderung bei.6 Außerdem schaffen vertikale Gärten Biotope für Fauna und Flora. Sie ziehen Vögel und Insekten an und bieten ihnen neuen Lebensraum in einem urbanen Umfeld. Das erfolgt in einem konventionellen Garten zwar ebenfalls. Der entscheidende Unterschied besteht jedoch darin, dass die Wirkung sofort erfolgt. Studien belegen, dass die positiven Auswirkungen bei horizontaler Bepflanzung erst nach einem Zeitraum von circa drei Jahren sichtbar und messbar werden.7

Aber auch im Innenraum bietet die vertikale Begrünung viele Vorteile. KU 64 Berlin: der Patient vergisst hier fast, dass er sich in einer Zahnarztpraxis befindet. Die in einem Sonnenblumengelb gehaltene Praxis wurde 2005 von den Graft Architekten entworfen und besitzt modernen Lounge-Charakter. Dazu tragen auch die drei von der schwedischen Firma Green Fortune 2010 angelegten vertikalen Gärten in hohem Maße bei. Ihre wesentliche Funktion besteht darin, den für eine Zahnarztpraxis typischen und oftmals mit Angst assoziierten Geruch zu neutralisieren. Die großflächige Bepflanzung reguliert die Raumtemperatur und bildet eine natürliche Klimaanlage, so dass auf eine kostenintensive Kühlung der Räume verzichtet werden kann.8

Außerdem bindet die Begrünung Staubpartikel, neutralisiert schädliche Dämpfe und Umweltgifte und verbessert so als Luftfilter die Raumluft. Pflanzen erzeugen auch eine hohe Luftfeuchtigkeit und sind somit hygienische Luftbefeuchter. Ferner vermögen Pflanzen durch Schallabsorption Geräusche zu mildern und für eine bessere Akustik zu sorgen. Pflanzen tragen zur Beruhigung bei, was gerade für Zahnarztpatienten von großer Relevanz ist, und bilden im stressigen Arbeitsumfeld einen wohltuenden Ausgleich.9

Kosten, Technik und Wartung

Wenn man sie nicht selber baut, sind vertikale Gärten nichts für den kleinen Geldbeutel. Während eine konventionelle Bepflanzung nur wenige Euro kostet, müssen für die Begrünung in der Vertikale mindestens 400 bis 1000 Euro pro Quadratmeter berechnet werden. Beim Regalsystem liegt der Quadratmeterpreis zwischen 700 und 1000 Euro, beim Panelsystem zwischen 1500 und 4000Euro.10 In einem Radiointerview erläutert Patrick Blanc seine Konstruktion augenzwinkernd: "Da wird sozusagen ein Putzlappen in einem Plastikrahmen aufgehangen. Ganz oben, aus einem gelöcherten Gartenschlauch, läuft Wasser die Wand herunter. Getragen wird das Ganze von einem Metallrahmen, der zur Belüftung des Mauerwerks mit einem gewissen Abstand auf die Gebäudewand montiert wird."11 An anderer Stelle erklärt er:"Die Pflanzen werden von einer Schicht aus synthetischem Filz gehalten. Diese ist 3 mm dick und alle 10 cm mit kleinen (...) Löchern versehen. Das Wasser fließt von oben herab und die Pflanzen nehmen sich die Menge an Wasser, die sie benötigen. Der Unterschied zu herkömmlichen Pflanzkübeln liegt darin, dass das Wasser nicht stehen bleibt, sondern in Bewegung ist. Die Wurzeln sind die ganze Zeit über im Kontakt mit der Luft und nicht von der Erde umgeben. Das ist entscheidend. Auf diese Weise können auch Pflanzen, die sehr viel Wasser brauchen, neben anderen wachsen, die sehr wenig Wasser benötigen, ohne dass es zu Problemen kommt.12

Blanc entwickelte eine Anbringung, die auf Erdreich verzichten kann.13 Als Substrat wählt er synthetischen, also nicht verrottenden, mehrlagigen Filz aus Polyamid, in den die Pflanzen gesteckt werden und ausreichenden Halt finden. Hinter dem Filz befindet sich eine PVC-Platte zur Abdichtung, so dass die Wand bzw. im Außenraum die Fassade keinen Schaden nimmt. Der Rahmen, in denen PVC und Filz eingespannt werden, besteht aus einer Stahlkonstruktion. Die Begrünung ohne Erdreich hat ihre Vorteile: sie ist leichter, das Gewicht liegt bei weniger als 30 kg/m2).

Bei einer Füllung mit Erdreich wird die Konstruktion schwerer, und das Wasser, das sich den Weg zu den Wurzeln erst einmal suchen muss, beschwert die Wand zusätzlich. Bei dem System von Patrick Blanc fließt das mit Nährstoffen angereicherte Wasser direkt zur Wurzel, wodurch die Wasserersparnis erheblich ist. Schaumplatten gelten als alternatives Substrat. Steinwolle erweist sich als langfristig ungeeignet wegen ihrer ungleichmäßigen Verdichtung, wodurch es entweder zu Fäulnisbildung oder Verdorrung kommt.

Bei den vertikalen Gärten verhindert der Abstand zwischen Fassade und Stahlkonstruktion eine mögliche Beschädigung des Gebäudes. Auch muss nicht die Wand oder Fassade die Last der Begrünung tragen, sondern die Stahlkonstruktion. Die vorgehängten und hinterlüfteten Systemwände können sowohl im Innen- als auch im Außenraum Verwendung finden.

Vertikale Gärten müssen immer künstlich bewässert werden. Das erhöht die Unterhaltskosten zusätzlich und macht sie anfällig für Schäden. Fällt der Strom für die automatisierte Bewässerung aus, bekommen die Pflanzen keine Nahrung. Auch sind die Gärten wartungsintensiv, sie müssen alle drei bis sechs Wochen kontrolliert werden. Grundlegend für einen vertikalen Garten, abgesehen von einer funktionierenden Bewässerung, ist daher auch die Auswahl der Pflanzen: sie müssen dem Klima entsprechen und den meteorologischen Bedingungen gewachsen sein.

Paris

Die ultimative Demokratisierung der vertikalen Begrünung zeigt sich in dem ambitionierten Plan der Pariser Bürgermeisterin Anne Hildalgo, die ihre Stadt bis 2020 mit einer Million Quadratmeter Dach- und Fassadenbegrünung versehen will.14 Auslöser dieses Vorhabens war unter anderem die Hitzewelle im Sommer 2003, die problematische Wärmeinseln in der Stadt entstehen ließ und die Temperatur um acht Grad anhob im Vergleich zur restlichen Ile-de-France-Region. Ziel des Projekts ist es außerdem, die Lebensqualität und Attraktivität der französischen Hauptstadt zu steigern. Im Gegensatz zu Unternehmen, die vertikale Gärten als Werkzeug des Marketings anwenden, hat die Pariser Bürgermeisterin mit ihrem Plan das Wohl der Bürger vor Augen. Jeder Bürger soll von den positiven Auswirkungen der vertikalen Gärten profitieren und an ihnen teilhaben. Um die Pariser mit dem Projekt zu identifizieren, wurden sie aufgefordert, Vorschläge für geeignete Orte einzureichen und Arten der Begrünung vorzuschlagen. In einem Drittel der Vorschläge kam der Wunsch nach vertikaler Begrünung zum Ausdruck.

Anmerkungen

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