GaLaBau und Recht: Bau-Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt

Vertragsstrafe: Muss man sie wirklich zahlen?

von:

Rainer Schilling

Fachanwalt für Bau- und ArchitektenrechtSMNG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Königsberger Str. 2

60487 Frankfurt am Main

r.schilling@smng.de

Im Baubereich werden auf Betreiben der Auftraggeber häufig Vertragsstrafen in den Vertragstext aufgenommen. Mit deren Vereinbarung versprechen sich Auftraggeber zum Beispiel ein zusätzliches Druckmittel, den Auftragnehmer anzuhalten, die für die Erfüllung des Vertrages vereinbarten Zwischen- und Endfristen einzuhalten.

Vertragsstrafenvereinbarungen sind bei Auftraggebern unter anderem deshalb beliebt, weil man bei Verzug des Auftragnehmers in Höhe der Vertragsstrafe keinen dem Auftraggeber tatsächlich entstandenen Schaden nachweisen muss. Ein solcher Nachweis ist nur erforderlich, wenn ein Auftraggeber einen über die Höhe der Vertragsstrafe hinausgehenden Verzugsschaden geltend machen will. Die Vertragsstrafe stellt demnach keine Obergrenze für den vom Auftraggeber geltend gemachten Verzugsschaden dar. Sie ist auch zu zahlen, wenn der Auftraggeber durch die Verzögerung am Bau im konkreten Fall gar keinen Schaden erlitten hat. Etwas anderes mag nach Treu und Glauben allenfalls bei einem öffentlichen Auftraggeber gelten.

Viele Bauprozesse zur Vertragsstrafe

Da Auftragnehmer die Geltendmachung einer Vertragsstrafe durch den Auftraggeber oft als ungerecht empfinden, gibt es in Bauprozessen immer wieder Streit, ob eine solche überhaupt wirksam vereinbart wurde beziehungsweise eine solche gerechtfertigt ist. Es gibt eine Fülle von Rechtsprechung zu den Vertragsstrafenthemen, wobei die Gerichte zum Teil zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt sind.

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Dennoch haben sich in den letzten Jahren immer mehr feste Grundsätze herausgebildet, die die Vertragsparteien bei der Vereinbarung einer Vertragsstrafe unbedingt beachten sollten.

Wo ist die Vertragsstrafe gesetzlich geregelt?

Die gesetzliche Grundlage der Vertragsstrafe bilden die §§ 339 bis 345 BGB bei Bauverträgen. Nach der VOB kommt ergänzend noch § 11 VOB/B zur Anwendung. Die Vertragsstrafe ist nach § 339 BGB ein Versprechen des Auftragnehmers gegenüber dem Auftraggeber für den Fall, dass er seine Verbindlichkeit nicht oder nicht in gehöriger Weise erfüllt, eine Geldsumme als Strafe zu zahlen hat. Dies gilt insbesondere für Vereinbarungen betreffend nicht fristgerecht erfüllter Bauleistungen.

Vertragsstrafe nur bei Verschulden

Eine Vertragsstrafe fällt prinzipiell nur an, wenn der Auftragnehmer in Verzug gerät, das heißt er die Verzögerung verschuldet hat. Es ist einem Auftragnehmer deshalb stets zu raten, während der Ausführung der Baumaßnahme nicht verschuldete Einflüsse auf die Bauzeit - insbesondere wenn sie vom Auftraggeber herrühren - zu dokumentieren und gegebenenfalls rechtzeitig Behinderung anzumelden. Auch sollte stets beachtet werden, ob eine vom Auftraggeber angeordnete Änderung, Erweiterung oder Reduzierung der vertraglichen Leistungen Auswirkungen auf die vereinbarte Bauzeit haben kann. Sachverhalte, die Einfluss auf die Vertragsstrafe haben, sollte der Auftragnehmer nicht erst im Rahmen der Schlussabrechnung präsentieren, wenn der Auftraggeber meint, eine Vertragsstrafe geltend machen zu können.

Höhe der Vertragsstrafe in Allgemeinen Geschäftsbedingungen

In der Rechtsprechung ist es unbestritten, dass auch in Vertragstexten, die als Allgemeine Geschäftsbedingungen angesehen werden, wirksam Vertragsstrafen vereinbart werden können. Die maximale Höhe einer solchen Vertragsstrafe in Allgemeinen Geschäftsbedingungen beträgt nach der Rechtsprechung 5 Prozent der Auftragssumme, wobei im Einzelfall streitig sein kann, ob es um eine Netto- oder Bruttoauftragssumme geht. Höhere Prozentsätze sind nur bei einer tatsächlich individuellen Vereinbarung möglich, wobei die Rechtsprechung hierfür recht strenge Kriterien aufgestellt hat.

Woran sollte man die Vertragsstrafe knüpfen?

In Vertragstexten sieht man immer wieder Klauseln, bei denen Vertragsstrafen an Kalender-, Werk- oder Arbeitstage geknüpft sind. Da es über Werk- und Arbeitstage immer wieder Streit gibt (die Werktage sind zum Teil in den Bundesländern unterschiedlich; was ist, wenn samstags gearbeitet wird?), sollte man Vertragsstrafen möglichst stets an Kalendertage knüpfen. Ratsam ist eine Vertragsstrafe, die nach Kalendertagen bemessen ist, nicht höher als 0,2 Prozent der Auftragssumme pro Kalendertag zu vereinbaren. Ein Tagessatz von 0,5 Prozent der Auftragssumme ist hingegen selbst bei Einhaltung der Obergrenze von 5 Prozent der Auftragssumme nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung unangemessen hoch und damit unwirksam.

Vertragsstrafenvorbehalt bei Abnahme

Häufig scheitert für Auftraggeber die Geltendmachung der Vertragsstrafe, weil § 341 Abs. 1 BGB bzw. im VOB-Vertrag auch § 11 Abs. 4 VOB/B nicht beachtet wurde. Beide genannten Vorschriften sehen vor, dass der Auftraggeber neben seinem Erfüllungsanspruch die Vertragsstrafe nur verlangen kann, wenn er sich die Vertragsstrafe bei der Abnahme ausdrücklich vorbehält. Versäumt er dies, so verliert er den Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe. Ein Fall, der in der Praxis häufig vorkommt.

Der Vertragsstrafenvorbehalt ist eine Willenserklärung des Auftraggebers, die er bei der Abnahme der Auftragnehmerleistung unmissverständlich kundtun muss, um seinen Vertragsstrafenanspruch aufrechtzuerhalten. Der Vorbehalt muss grundsätzlich ausdrücklich erklärt werden. Ein stillschweigender Vorbehalt ist regelmäßig nicht ausreichend. Die gesetzliche Formulierung und auch die der VOB ist sehr eindeutig. Der Vorbehalt muss bei der Abnahme der Bauleistung vorbehalten werden, das heißt nicht vorher und nicht nachher. Zu früh oder zu spät erklärte Vorbehalte sind unwirksam und können die vom Auftraggeber verlangte Vertragsstrafe nicht mehr retten.

Erfolgt eine förmliche Abnahme der Auftragnehmerleistung, so ist der Vertragsstrafenvorbehalt in das Abnahmeprotokoll aufzunehmen. In Formularbüchern gibt es vorbereitete Texte für förmliche Abnahmeprotokolle, bei denen bereits der Vorbehalt der Vertragsstrafe vorgesehen ist. Derartige Texte empfehlen sich allerdings nur für Auftraggeber. Es macht keinen Sinn, dass Auftragnehmer gegen sich die Vertragsstrafe vorbehalten und sich damit selbst schaden.

Vorbehalt der Vertragsstrafe bei fiktiver Abnahme

Insbesondere § 12 Abs. 5 VOB/B sieht eine fiktive Abnahme vor; das heißt eine Leistung gilt bereits nach Ablauf von sechs Werktagen nach Beginn der Benutzung als erfolgt beziehungsweise nach Ablauf von zwölf Werktagen nach schriftlicher Mitteilung über die Fertigstellung der Leistung. In einem solchen Fall muss innerhalb der Sechs- beziehungsweise Zwölf-Werktagsfrist der Vorbehalt vom Auftraggeber gegenüber dem Auftragnehmer erklärt werden. Ansonsten verliert der Auftraggeber seinen Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe. Zu beachten ist, dass selbstverständlich nach wie vor bei der Berechnung der Frist der Samstag als Werktag gezählt wird.

Vertragsstrafe bei Zwischen- und Endfertigstellungsfristen

In den letzten Jahren gab es immer mehr Entscheidungen, die sich mit der wirksamen Vereinbarung von Vertragsstrafen bei Zwischenfristen befassten. Gegenwärtiger Stand der Rechtsprechung ist wohl, dass die Höhe einer Vertragsstrafe für Zwischenfristen nicht an die gesamte Auftragssumme, sondern nur an den Teil des Auftragswerts geknüpft werden kann, der bis zum Eintritt der Zwischenfrist tatsächlich wertmäßig auch nach dem Vertrag erfüllt werden sollte. Auch gibt es größere Probleme mit der Kumulierung von Vertragsstrafen, wenn mehrere Zwischenfristen und die Endfrist vertragsstrafenbewehrt vereinbart werden sollen. Hier hilft zumeist nur anwaltlicher Rat. Prozessfeste Formulierungen sollten in einem solchen Fall von einem Juristen, der von der Baumaterie etwas versteht, individuell formuliert werden.

Vermeidung der Vertragsstrafe

Oberstes Ziel eines Auftragnehmer sollte es sein, pünktlich und vertragsgerecht die übernommene Leistung zu erfüllen und damit von vorneherein eine Vertragsstrafe zu vermeiden. Da nahezu alle Vertragsstrafen im Baubereich an die Fertigstellung der Unternehmerleistungen geknüpft sind, kommt es entscheidend darauf an, ob diese fertig gestellt sind oder nicht. Auf eine durchgeführte Abnahme der fertig gestellten Leistung kommt es für die Vertragsstrafe nicht an. In diesem Zusammenhang hat das Oberlandesgericht München eine für Auftragnehmer wichtige Entscheidung verkündet, deren Leitsatz gekürzt wie folgt lautet:

"Ist eine Vertragsstrafe an die Fertigstellung einer Leistung geknüpft, löst eine rechtzeitig fertig gestellte, aber nicht mit wesentlichen Mängeln behaftete Leistung keinen Vertragsstrafenanspruch des Auftraggebers auf." (vgl. Urteil des OLG München vom 21.03.2006, Az. 13 U 5102/05)

Das heißt so lange keine wesentlichen Mängel vorhanden sind, fällt bei einer fertig gestellten Leistung keine Vertragsstrafe an. Es kann deshalb durchaus im Interesse eines Auftragnehmers sein, erst einmal die Leistung mängelbehaftet fertig zu stellen und damit eine Vertragsstrafe zu vermeiden. In diesem Fall würde durch den Nichtanfall der Vertragsstrafe Pfusch am Bau ausnahmsweise einmal belohnt. Die Vertragsparteien seien daran erinnert, dass das Wort "Vertrag" sich ableitet von "sich vertragen". Der beste Vertrag ist der, den die Parteien einmal schriftlich geschlossen haben, ihn nie mehr zur Hand nehmen mussten und aufgrund rechtzeitiger Fertigstellung der Baumaßnahme überhaupt kein Gedanke an eine Vertragsstrafe auf Auftraggeberseite aufkommen konnte.

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