Vom Umgang mit Regenwasser bei Bauprojekten

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Landschaftsbau Landschaftsarchitektur
Abb. 1:. Voll ausgenutztes, zum Großteil unterbautes Grundstück, kleinteiliges Versickerungskonzept mit Stauraum kanälen, Nürnberg. Plan: G-S&P

Mittlerweile gibt es kaum noch ein Bauprojekt, bei dem nicht schon im ersten Kick-off-Termin zur Verteilung der Zuständigkeiten gefragt wird: "… und wer kümmert sich um das Regenwasser?" Das ist einerseits ein Fortschritt, weil sich (zumindest in den Ballungsräumen) herumgesprochen hat, dass dieser Themenbereich nicht ignoriert oder mit einer Einleitung in den städtischen (Mischwasser-)Kanal erledigt werden kann. Andererseits hat sich noch keine klare Zuständigkeit herauskristallisiert, weil die Bewirtschaftung von Regenwasser mehrere Gewerke und Planer berührt und viele Büros und Firmen jeweils nur Teilaspekte beherrschen. Oft ist dann unklar, wer diese Teilaspekte zu einem sinnvollen, wirtschaftlichen Ganzen zusammenführen kann - und am Ende wohl auch dafür haften wird.

Aus meiner Sicht sollte das die Landschaftsarchitektur und der Landschaftsbau sein, weil diese beiden am Ende des Planungs- und Bauprozesses das Regenwasser in ihrem Zuständigkeitsbereich vorfinden werden. Um hier nicht in (womöglich unlösbare) Zwangslagen zu kommen, müssen sie sich daher wohl oder übel bereits zu Beginn in die Diskussion einbringen und im besten Fall auch die Moderation des Themas übernehmen. Um das oben geschilderte zu verdeutlichen, möchte ich einige Beispiele aus unserer Planungspraxis mit den jeweils gelungenen oder weniger gelungenen Abstimmungsprozessen beschreiben.

Frühe Vorabstimmung

Im Idealfall stellt der Investor oder die Kommune schon zu Beginn des Projektes das ganze Planungsteam zusammen und prüft dabei, welche Kompetenzen die jeweiligen Büros mitbringen. Das kann nämlich sehr unterschiedlich sein. Manche Architekturbüros kennen sich zum Beispiel hervorragend mit Brandschutz aus, so dass später der Brandschützer eigentlich nur noch zu nicken braucht. In anderen Konstellationen muss ein sachkundiges Büro für Brandschutz von Anfang an dabei sein und den Architekten unterstützen, weil sonst viele Entwurfsarbeit verworfen werden müsste. Ähnlich ist es mit dem Thema Regenwasser/Dachbegrünung. Hier kann Sachkunde und Erfahrung vorhanden sein, oder sich auch mit der Kenntnis der Telefonnummer des Systemherstellers erschöpfen.

Auch bei den HLS- beziehungsweise TGA-Planern ist oft eine Spezialisierung anzutreffen, die eben nicht unbedingt das Themengebiet Regenwassermanagement betrifft. Differenzen gibt es hier nicht nur bezüglich der Zuständigkeit, sondern auch bezüglich der Zuordnung der honorarfähigen Kosten. So weist die DIN 276 die Baukosten zum Teil anderen Gewerken/Kostengruppen zu, als jenen, die sich am Ende darum kümmern beziehungsweise dafür haften. Hier ist gleich zu Beginn ein offenes Wort nötig und eine faire Verteilung der Verantwortung und Kompetenzen.

In den frühen Planungsphasen wird auch oft vergessen oder ignoriert, dass in Bebauungsplänen oder etwaigen beigefügten Entwässerungskonzepten schon sehr klare Vorgaben zum Thema Regenwassermanagement gemacht wurden, die zu berücksichtigen sind. Viele Städte haben mittlerweile auch eigene Satzungen oder Positionspapiere dazu, die durchaus von Stadt zu Stadt sehr variieren können.

Ein weiteres grundlegendes Thema im Vorfeld ist das Baugrund- beziehungsweise Bodengutachten. Noch immer wird es oft nicht für nötig erachtet, dieses bereits zu den frühen Planungsphasen einzuholen. Oder es liegt nur eine Einschätzung im Hinblick auf die Gründung des Gebäudes vor. Solche Gutachten können zwar eine Ahnung von der Versickerungsfähigkeit des Bodens vermitteln, die Bohrpunkte liegen dann aber meist nur im Bereich des zu errichtenden Gebäudes - also nicht dort, wo später die Versickerung stattfinden muss. Sind die Bodenwerte grenzwertig oder kritisch, muss dann ein zweites Gutachten erstellt werden, man hat also nichts gespart und nur Zeit verloren.

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Abb. 2: Hochkomplexes Versickerungskonzept, Wohnviertel, unterbaut, mächtige Tonschichten im Untergrund, Lkr. Fürth. Plan: G-S&P


Positives Szenario: Der Investor stellt die Auszüge der kommunalen Bauleitplanung sowie ein belastbares Bodengutachten zur Verfügung. Die Planerrunde diskutiert die Zuständigkeiten. Die Landschaftsarchitektur signalisiert ihre Kompetenzen im Thema Regenwassermanagement und übernimmt die gewerkeübergreifende Koordination der Maßnahmenbausteine.

Negatives Szenario: Die Landschaftsarchitektur wird beauftragt, weil beim Versuch der Baueingabe aufgefallen ist, dass sich niemand um das Gelände und die Regenwasserbewirtschaftung gekümmert hat (Zuständigkeits-Vakuum). Das Dach wurde als Foliendach geplant und von der Tragwerksplanung auch so berechnet, ein eilig befragter Systemhersteller hat die Vordimensionierung (inklusive Kosten) von unterirdischen Versickerungsanlagen übernommen - da kein belastbarer Kf-Wert vorliegt, mit entsprechenden Sicherheiten.

Die Kostenberechnung geht erstmal in die Knie. Die Freifläche besteht aus Nebengebäuden, Feuerwehrzufahrten und einer "Schachtdeckel-Ausstellung" der diversen unterirdischen Zuleitungen und Ausbauten. Der Investor richtet sich im Ersttermin mit den Worten an die Landschaftsarchitektur: "Unser Planungsteam ist fertig, wir wollen nächste Woche eingeben. Sie können uns doch bestimmt ganz schnell eine günstige Grünplanung erstellen, so mit Bäumen und sowas. Die Behörde ist echt unkooperativ."

Nein, das ist keine Satire, so etwas kann man (Gott sei Dank selten) auch im Jahr 2020 noch erleben.

Planungsprozess

Im günstigsten Fall können für die konkrete Planung praxisnahe Vorgaben aus dem BP oder dem Entwässerungskonzept übernommen werden. Das kann Dachbegrünung sein, ein Trennsystem mit Rückhaltebecken oder Vorschläge für die Gestaltung von Baumscheiben zur Aufnahme von Oberflächenwasser.

Wenn eine Dachbegrünung möglich und der Kf-Wert gut ist (also besser als 10-6), steht einer völlig entspannten Versickerung des Regenwassers auf der Geländeoberfläche kaum etwas im Wege. Falls das Gelände stark versiegelt und/oder unterbaut ist, muss man sich noch einige Gedanken zur Führung und Retention im Gelände machen beziehungsweise im Worst-Case-Szenario auch einmal Parkplätze oder Feuerwehrzufahrten als Retentionsflächen heranziehen.

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Abb. 3: Wohnanlage, Innenhof, unterbaut, Versickerungskonzept ausschließlich über Geländemodellierung, Nürnberg. Foto: Peter Dörfel, Nürnberg
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Abb. 4: Gleiche Wohnanlage in der Bauphase, Bodengefüge noch nicht leistungsfähig: langsame Versickerung. Foto: Daniela Bock
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Abb. 5: Unkomplizierte, flächige Versickerung, Wohnanlage nicht unterbaut, gut durchlässiger Sandboden, Nürnberg. Foto: Daniela Bock

Einschränkende Faktoren sind: Satteldächer (z. B. aufgrund des Einfügegebotes nach §34 BauGB - sprich: in der Umgebung sind nur Satteldächer und deshalb wäre ein begrüntes Flachdach ein Fremdkörper), die kein Regenwasser zurückhalten können, schlechte Bodenwerte (Kf-Wert schlechter als 10-6) bei gleichzeitigem Mangel an Freiflächen (kleines Grundstück, Nachverdichtung, hoher Versiegelungsgrad), geringer Überdeckung auf der TG-Decke.

Bei solchen Vorbedingungen kann es mühsam sein, eine Versickerung auf der Grundstücksoberfläche zu bewerkstelligen. Leider fällt auch der Einbau von Rigolen oft schon früh als Lösungsmöglichkeit aus, da sie bei schlechten Versickerungswerten zu große Dimensionen annehmen würden. Meistens entsteht dann ein kleinteiliges Versickerungskonzept, das mit vielen technischen Hilfsmitteln arbeiten muss: Rinnen, Notabläufe, Retentionsboxen auf Dach oder TG-Decke und das Einbeziehen der kompletten Geländefläche inklusive Parkplätzen, FW-Zufahrt und privaten Gärten.

Auch punktuelle Durchstiche in der Tiefgarage, um so doch Bodenanschluss zu erreichen, sind denkbar.Ausschlussfaktoren sind vor allem zwei: hoher Grundwasserstand und großflächig/tiefgründig bindiger Boden (Tonschichten mit mehreren Metern Dicke). Unter solchen Bedingungen ist es schon schwierig genug, im Gelände die übrigen Funktionen zu erfüllen (Gründung von Nebengebäuden und Spielgeräten, Pflanzen von Bäumen, Entwässerung von Fußwegen etc.). Eine weitere Beaufschlagung des Grundstücks mit Regenwasser von Dächern oder großen versiegelten Flächen ist dann oft nicht mehr möglich.

Es gilt dann nur noch, die Möglichkeiten für den Einsatz von Rückhaltesystemen auf dem Dach und die Lage für den Stauraumkanal beizusteuern. Dann muss mit der Kommune die Wassermenge ausgehandelt werden, die gedrosselt in das Kanalsystem eingeleitet werden darf. In großen Städten sind solche Flächen oft nur punktuell (und dementsprechend "überraschend" vorhanden). Die meisten Kommunen mit großflächigen Tonvorkommen oder hohem Grundwasserstand kennen jedoch die Problematik - überrascht ist dann eher der externe Investor/Planer ohne Ortskenntnis.

Man sollte annehmen, dass in Kenntnis des oben Geschilderten eigentlich schnell im Planungsprozess Klarheit herrscht und Lösungen gefunden werden. Bedauerlicherweise kommt es trotzdem immer wieder zu Schwierigkeiten - sei es aus Ignoranz der Planungsbeteiligten oder des Investors oder aus Sachzwängen, die den derzeitigen Umständen in Planungs- und Bauprozessen geschuldet sind.

Die Grundstücke, die zur Bebauung in Ballungsräumen noch zur Verfügung stehen, sind oft lange Jahre aus gutem Grund nicht bebaut gewesen beziehungsweise erst aus dem Blickwinkel der Nachverdichtung in den Fokus gerückt. Daher hat man auf diesen Grundstücken meist mit einem ganzen Strauß von Schwierigkeiten zu kämpfen: Grundstückszuschnitt und -topographie, Erschließbarkeit, Lärm, naturschutzfachliche Belange, Baumschutz, Nachbarschaftsschutz. Trotzdem sind die Grundstücke teuer und sollen optimal ausgenutzt werden. Hinzu kommen die Auflagen der Kommunen in punkto Nachhaltigkeit sowie sozialer und infrastruktureller Folgekosten, Grünflächenausgleich etc. Heraus kommen Projekte mit hoher Dichte und hohem Versiegelungsgrad.

Da im Gebäude jeder Raum ausgenutzt wird und die kommunalen Auflagen hoch sind, befinden sich viele Nebengebäude in den Freianlagen (Müll, Fahrräder, Kellerersatzräume oder Abstellräume). Aufgrund des höheren Bedarfs an kleineren Wohnungen sind viele Grundrisse nicht durchgesteckt (die Wohnung also nicht von beiden Gebäudeseiten erreichbar), so dass rings um die (hohen) Häuser Feuerwehrzufahrts- und -aufstellflächen gebaut werden müssen.

Gerade in Hofsituationen ein planerischer und gestalterischer Alptraum, wenn gleichzeitig private Gartenflächen und Spielbereiche nachzuweisen sind. So kommt es, dass Retentionsflächen auf Feuerwehrzufahrten entstehen, die in KiTa-Freiflächen oder privaten Gärten liegen. Oder dass zwei TG-Stellplätze geopfert werden müssen, um einen Versickerungsweg durch die Tiefgarage zum darunterliegenden Boden zu schaffen. Manche Dächer müssen komplett eingestaut und nur an einem Punkt entwässert werden, weil das Gebäude ringsum nur von öffentlichen Flächen umgeben ist. Hier gilt es wirklich, im Team technisch kreativ zu sein.

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Abb. 6: Einlauf Versickerungsfläche, bei Starkregen ... Foto: Daniela Bock
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Abb. 7: … und zwei Stunden später. Foto: Daniela Bock
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Abb. 8: Frisch angesäte Rasenfläche nach Starkregen und Einstau. Foto: Daniela Bock
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Abb. 9: Überlastete Bodenschichten im Spielplatzbereich auf TG, nach Starkregen, ungeeignetes und schlecht durchwurzeltes Bodenmaterial, verschlämmte Dränschicht. Foto: Daniela Bock

Bauprozess

So hitzig im Planungsprozess noch die Beteiligten um Lösungen gerungen haben und das Thema Regenwasser beim Investor und den Planenden präsent war, so leicht reißt der Faden, wenn es in die Umsetzung geht. Gerade bei GU-Ausschreibungen gehen mühsam mit allen Gewerken ausgehandelte Kompromisse wieder verloren. Einige Beispiele:

  • Ja, klar wird der Zuständige für den Verbau mit ausschreiben, dass die Verfüllung mit strukturstabilem und gut wasserdurchlässigem Material erfolgen muss.
  • Natürlich werden im Rohbau-LV alle für die Versickerung nötigen Durchbrüche enthalten sein.
  • Selbstverständlich wird die produktneutrale Ausschreibung der Dachbegrünung genau das gewünschte und geplante Ergebnis mit entsprechender Dicke und Wasserhaltefähigkeit erbringen.
  • Beim Bauen geht es halt nicht so genau zu. Warum sind diese 10 cm Höhenunterschied ein Problem?
  • Ach ja, das Regenrohr hat dort bei der Pflanzfläche irgendwie gestört, wir haben es nun gleich da drüben, in der Ecke neben der Eingangstür, angebracht.

Ähnlich wie in der Planung mit den verschiedenen Ingenieuren und Architekten, fehlt es den am Bau Beteiligten oft an der Kenntnis der Zusammenhänge und Abhängigkeiten. So ist dem Dachdecker, der beispielsweise einen günstigen Alternativ-Vorschlag für die Dachbegrünung und die -abläufe gemacht hat, nicht klar, dass er damit die komplette Berechnung der Wassermenge zerschießt, die der Innenhof überhaupt aufnehmen kann. Der Rohbauer versteht nicht, warum das ganze Projekt absäuft, nur weil sein Durchbruch an der falschen Stelle/Höhe sitzt oder der Verbau aus Kostengründen doch nicht gezogen sondern mit Beton verfüllt wurde.

Der Elektriker ist erstaunt, dass durch seine zeit- und kostensparend verfüllten Gebäudedurchbrüche das Wasser eintritt, weil leider das anstehende Gelände eine Retentionsmulde ist, in der auch allen Ernstes manchmal Wasser steht. Ausbaugewerke wissen nicht, dass Dränschichten tatsächlich Wasser führen, das dann in wasserempfindliche Bauteile einzieht. Und auch dem Landschaftsbau ist oft nicht klar, dass die Geländeplanie in einem Versickerungskonzept kein Vorschlag zur Annäherung ist, sondern existentiell werden kann, wenn zum Beispiel Notabläufe an Hochpunkten landen und das zurückgehaltene Regenwasser stattdessen erst durch die barrierefreie Terrassentür läuft oder sich der Sandkasten in einen kinderverschlingenden Sumpf verwandelt.

Sicherlich ist es die Aufgabe einer Gesamtbauleitung, hier über die Abhängigkeiten und die Kongruenz von Planung und Ausschreibung/Ausführung zu wachen. Aber zum einen gibt es die nicht immer oder sie ist nicht in die Vorüberlegungen einbezogen gewesen. Und zum anderen müssen mittlerweile viele Gewerke durchaus selber wissen, dass es bei heutigen Bauabläufen kritische Berührungspunkte und Abhängigkeiten gibt. Gerade im Landschaftsbau ist es wichtig, die Planung zu hinterfragen, um solche Fallstricke zu entdecken.

Es sollte ein Bewusstsein dafür entstehen, dass Versickerungskonzepte, die mit der Geländeoberfläche arbeiten, komplexe Systeme sind, bei denen es auf jede einzelne Komponente ankommt. Landschaftsarchitektur und Landschaftsbau müssen hier auch zusammenarbeiten, wenn es beispielsweise um fehlerhafte Vorleistungen geht. So kam es schon zu Schäden, weil der Landschaftsbau, ohne sie zu prüfen, seine Notabläufe an vorhandene Durchbrüche angeschlossen hatte und die Gräben sofort wieder verfüllte. Als dann das Wasser sich im Laufe der Zeit immer weiter aufstaute, stellte sich heraus, dass die Höhe der Durchbrüche (und im übrigen auch die Höhenlage der Abläufe) komplett falsch gewesen waren und der Hof sich überhaupt nicht entwässern konnte.

Inbetriebnahme

Sobald das Projekt in Betrieb geht beziehungsweise die Abnahme ansteht, verlässt es den oftmals geschützten Bereich der Planenden und Ausführenden. Nun betreten die Nutzer und Sachverständigen die Bühne. Verständlicherweise haben Laien sich nie darüber Gedanken gemacht, was wohl in einer Stadt mit dem Regenwasser geschieht. Im besten Fall vermuten sie, dass es wohl in einem Rohr unter die Erde verschwindet und irgendwo hingeleitet wird. Über der Oberfläche endende Regenrohre und die Möglichkeit, in einem Gelände temporär stehendes Wasser vorzufinden, werden mit unfertiger und/oder mangelhafter Bauleistung assoziiert.

Medienberichte über Starkregenereignisse und Überflutungen machen bewusst, dass von Regenwasser Gefahr ausgeht. Entsprechend verunsichert und misstrauisch reagieren die Nutzer auf innovative Regenwasserkonzepte. Es ist schon schwierig genug, während des Bauablaufs zu vermitteln, dass ein gestörtes Bodengefüge beziehungsweise ein unbewachsener Bodenkörper nur unzureichende Versickerungsleistungen erbringen kann und dass sich das nach Setzung, Frost und Etablieren der Pflanzendecke von selbst erledigt. Wenn aber oben geschilderte Mängel hinzukommen und ein zeitweiliges Versagen des Systems erlebt wurde, ist es sehr schwer, das Vertrauen zurückzugewinnen.

Ein Problem ist auch, dass die oberflächliche Versickerung sich meist über einige Wochen oder Monate einspielen muss, bis Rasen und Bäume angewachsen sind und sich ein Bodenleben und -gefüge eingestellt hat. Wie soll der Gutachter bei der Abnahme reagieren, wenn er keine Erfahrung mit solchen Versickerungssystemen hat? Er sieht gegebenenfalls nur, dass das Wasser im Gelände steht oder den Grassamen immer wieder wegspült. Es könnte sich ja durchaus ein Baumangel dahinter verbergen. Also alles wieder aufgraben? Ständig nachbessern oder erst einmal abwarten? Das ist ein Dilemma.

Damit die Regenwasserkonzepte nicht nur kurzfristig, sondern über viele Jahre ihre Leistung erbringen, muss den Nutzern unbedingt ein Pflege- und Entwicklungskonzept übergeben werden. Schließlich würde man das auch für eine technische Anlage erwarten. Gerade beim Übergang vom Eigentümer zu einem Nutzer muss nachvollziehbar sein, was die Bausteine des Konzeptes sind und welche Nutzungen es eventuell schädigen oder zerstören.

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Abb. 10: Regenrohrauslässe, die ungünstigerweise im Bereich privater Terrassen angebracht wurden. Foto: Daniela Bock
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Abb. 11: Gefährdung durch verständliche, aber unpassende Nutzung der Entwässerungsrinnen. Foto: Daniela Bock

Fazit

Die Bereitschaft, ein innovatives Regenwasserkonzept in eine Planung einzubeziehen, ist deutlich gewachsen. Allerdings werden darunter oft rein technische Systeme verstanden und nicht erkannt, dass das Gebäude und das Grundstück selbst der Hauptbaustein der Regenwasserbewirtschaftung sind und nicht nur ein zusätzliches, unterirdisches, technisches Bauwerk.

Es ist unabdingbar, dass frühzeitig im Projekt die Zuständigkeiten und Kompetenzen der Beteiligten hinsichtlich solcher Konzepte geklärt werden und dass das Zusammenspiel der Gewerke moderiert wird. Verspätetes Einbeziehen der Landschaftsarchitektur kann ein solches Konzept unmöglich machen oder zumindest erheblich verteuern, bei zumeist starken gestalterischen Einbußen. Die am Bau Beteiligten müssen darüber aufgeklärt werden, wie vielschichtig ein Versickerungskonzept in den Planungs- und Ausführungsprozess hineinspielt. Es muss ein Verständnis dafür wachsen, dass Entscheidungen des einen schwere Konsequenzen für den anderen haben können und welche Themenbereiche das hauptsächlich sind.

Da Landschaftsarchitektur undLandschaftsbau die Verantwortung für das komplette Grundstück und die

Einbettung des Gebäudes dort übernehmen können (und sollten), müssen sie gemeinschaftlich und ganzheitlich das Projekt betrachten. Die Landschaftsarchitektur, indem sie möglichst viel während des Planungsprozesses beeinflusst und moderiert und der Landschaftsbau, indem er während der Ausführung auf die etwaigen Schwachstellen und mangelhaften Vorleistungen aufmerksam macht - und auch selbst die Komplexität von Regenwasserkonzepten ernst nimmt.

Dipl.-Ing. Daniela Bock
Autorin

MBA. Inhaberin PartG mbB. Landschaftsarchitektin & Stadtplanerin

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