CO2-Berechnungen für Planungs- und Bauentscheidungen

Was bedeutet CO2-Neutralität für die Landschaftsarchitektur?

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Abb. 1: "Climate Positive Design"(Pamela Conrad, ASLA, CMG Landscape Architecture, 2018), Landscape Architects: Now Is the Time for Climate Action by Wright, Andrew. Online-Ressource. Abbildung: Laue, Parhoun

Der Bausektor ist nach aktuellen Studien für mehr als 40 Prozent weltweiter Energieverbräuche verantwortlich und somit unmittelbar in vorderster Front der Folgekette von CO2 und anderer Treibhausgasemissionen, globaler Erwärmung und Klimawandel einzuordnen. Die Landschaftsarchitektur und der Landschaftsbau als "grüner Teil" des Bausektors tragen mit ihren Projekten einen Teil dieser Verantwortung, haben aber mit dem Potential möglicher Sequestrierungen vielleicht auch eine Schlüsselrolle in der Notwendigkeit langfristig CO2-Neutralität zu erreichen.

An der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe (OWL) am Fachgebiet "Spezialbauweisen im Landschaftsbau" erarbeitet eine Masterthesis die Grundlagen dafür und veranschaulicht in Form von Berechnungsvarianten Möglichkeiten zur Reduktion, zum Ausgleich sowie zur Speicherung von CO2.

Die Forderung nach CO2-Neutralität und mögliche Folgen für den Berufsstand

Das Pariser Klimaabkommen aus dem Jahre 2015 (COP21) beschließt zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte rechtsverbindliche, weltweite Klimaschutzvereinbarungen. Die Mitgliedstaaten der europäischen Union zählten zu den Vertragsparteien. Um das maximale 2 °C-Erwärmungspotential deutlich zu unterschreiten, sollen in diesem Zusammenhang die Kohlenstoffemissionen bis 2050 auf den Faktor 0 reduziert werden. Die Menschheit ist durch massive Verbräuche fossiler Brennstoffe und damit verbundene Treibhausgasemissionen, Energieverbräuche und Ressourcenabbau nach dem IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change - Weltklimarat, 2007) letztendlich für prognostizierte Temperaturerhöhungen von 1,1 bis 6,4 °C bis zum Ende des Jahrhunderts (im Verhältnis seit der industriellen Revolution) verantwortlich. Um die oben genannten Ziele zu erreichen, müssen gemäß IPCC die Kohlenstoffemissionen langfristig jährlich um 6 Prozent abnehmen solang keine CO2-Sequestrierungen (CCS -carbon dioxide capture) mit eingerechnet werden. Nach Aussagen des Umweltbundesamtes (2020) muss Deutschland die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent (gegenüber den von 1990) senken und bis zum Jahre 2050 weitestehend eine Treibhausgasneutralität erreichen. Was bedeutet das letztendlich für unseren Berufsstand? Fest steht, auch unser Berufsstand steht mit in der Verantwortung diese Ziele umzusetzen. Es wird massive Veränderungen für übliche Planungs- und Bauhandlungen, für eingeführte Ressourcennutzungen (Baustoffe, Bauprodukte) und für die Prozessbetrachtungen im Rahmen des Lebenszyklus eines Projektes (Bestand, Planung, Bau, Nutzung und Pflege) geben und notwendig machen. Es ist dabei noch nicht genau abzusehen, wie einzelne Veränderungsschritte ablaufen können. Jedoch lohnt sich der Blick auf grundsätzliche Prozesse und Zusammenhänge u. a. auf das CO2-Budget, um zukünftige Notwendigkeiten und Veränderungen besser einordnen zu können. Es wird vermutlich in wenigen Jahren bereits üblich sein, alle Bauprojekte unseres Berufsstandes hinsichtlich ihres Lebenszyklus auf CO2-Neutralität zu überprüfen. Welche Planungsentscheidungen zum Material, zur Pflanzenauswahl zur Prozessplanung führen zu welchen Bilanzen? Welche Parameter sind dabei entscheidend und wann kann ein Projekt als CO2-neutral angesehen werden? Die Landschaftsarchitektur als Planungsdisziplin und der Landschaftsbau als ausführende Disziplin unserer Branche sind dabei viel näher an Lösungsoptionen (wie bspw. durch zirkuläres oder transformatives Denken) als benachbarte Disziplinen aus Planung und Bau. Sie arbeiten primär mit lebendem Inventar. In diesem Zusammenhang sei zunächst die eigentliche Selbstverständlichkeit der genauen Analyse des Eingriffes in die Naturgüter Wasser, Boden, Klima, Pflanzen und Tiere nochmal zu erwähnen. Welche in Fachkreisen diskutierten Ökosystemdienstleistungen bestehen, gehen gegebenen falls verloren oder können neu erschaffen werden? Welche Kohlenstoffkreisläufe existieren, wo wird emittiert, wo sind sie gebunden und wo können Prozesse der Sequestrierung erschaffen oder erhalten werden? Als einfaches Beispiel können hier mögliche Bestandsgehölze eines Projetortes mit ihren Kohlenstoff speichernden Eigenschaften als Ökosystemdienstleitung genannt werden. In diesem Zusammenhang sind aber nicht nur die reinen sequerstrierenden Eigenschaften zu betrachten sondern daneben auch Leistungen zur Verdunstungskühlung als ein Baustein klimafreundlicher Planung von vielen. Grundsätzlich kann man zukünftiges klimaneutrales Planen und Bauen in unserer Branche mit zwei Handlungsmaximen verknüpfen: 1. Minimierung von Ressourcenverbräuchen (Materialien, Baustoffe, Energieaufwand bei Herstellung, Transport und Betreiben) und 2. die Maximierung Kohlenstoff sequestrierender Möglichkeiten (Pflanzen, gesunde Böden, Materialrecycling oder Sicherung dieser für lange Zeiträume).

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Abb. 2: Vier Varianten einer exemplarischen 2500 m² großen Platzgestaltung (Eine CO2-Minimalvariante "Steinerner Platz" – CO2-Neutralität nicht fokussiert/zwei real vorstellbare Zielvarianten in Abstufungen – in 20 Jahren CO2-Neutral/eine CO2-Maximalvariante "Waldcharakter" – CO2-Neutralität so schnell als möglich) an den Standorten Höxter/Deutschland, Latina/Italien und Trondheim/Norwegen. Die Umgebung ist als städtisch verdichtet definiert. Abbildung: Laue, Parhoun

Handlungsebenen für CO2-neutrale Prozesse

Um nachhaltiges Handeln auch in dem aufgezeigten Bereich erreichen zu können, müssen zunächst Qualitäten der Nachhaltigkeit hinreichend bekannt und als Status Quo gesetzt sein: eine gleichberechtigte soziale, wirtschaftliche und ökologische Schnittmenge zum Vorteil des ganzheitlichen nachhaltigen Ziels. Die Idee von CO2-Neutralität in unserer Branche basiert dabei auf einer Teilmenge von "Nachhaltigkeit", bei der es um Umweltschutz und Ressourcenverbrauch oder genau genommen auch um Ökobilanzen geht. In Ökobilanzen werden potenzielle Umweltauswirkungen von Produkten und Projekten analysiert. In diesem Zusammenhang können unserer Berufsdisziplinen nur sinnvolle Ergebnisse zu verbesserten Umweltaus wirkungen erzielen, wenn alle Projektphasen gleichbleibend auf die Fragestellung von Einfluss und Wirkung hin überprüft und synergetisch fortgeführt werden. Erwähnenswert ist, dass die Ökobilanz an sich mehrere Schlüsselindikatoren der Umweltauswirkungen betrachtet. Also nicht nur das CO2-Äquivalent für den Treibhausgaseffekt, sondern auch weitere Äquivalente für Versauerung oder beispielsweise für Eutrophierungsprozesse. Als erster analytischer Näherungsschritt zu einer möglichen CO2-Bilanzierung sind einfache Rechenmodelle der Kohlenstoffbilanzierung zum Beispiel aus dem Hochbau oder aus dem privaten Bereich ("meine" CO2-Bilanz, zahlreiche Rechner sind zu finden) hilfreich. Hier lassen sich ansatzweise die ersten Entscheidungsparameter und größere Einflussfaktoren zu Materialwahl oder energetischer Aufwand zu Kohlenstoffemissionen etc. evaluieren. Der nächste Schritt könnte der konkreten Ermittlung von Emissionen und letztendlich auch der CO2-Neutralität in X Jahren entwurflicher Varianten dienen. Im Rahmen der Masterthesis wurde die Plattform "Climatepositivedesign.com" mit inkludierter "App" der amerikanischen Landschaftsarchitektin Pamela Conrad verwendet. Die Plattform lässt sich für verschiedenen Projekttypologien wie Parkanlagen, Plätze, Gründächer, Wohnflächen oder auch für Straßen anwenden. Die Basis-Aussagen lassen sich wie folgt zusammenfassen: "This free, web-based application allows registered users to estimate the carbon footprint and time to carbon neutral for landscape projects based on site design and management. (. . . ) The output is the Climate Positive Design Scorecard, which includes estimated years to carbon neutral for the project, amount of carbon sequestered and net impact over time up to 100 years, and embodied carbon profile". (www.landscapeperformance.org). Dabei ist zu erwähnen, dass diese App bei ihrer Kalkulation mehr Entwurfsprojekte und Neuanlagen fokussiert und weniger Bestandsanlagen. Die Möglichkeiten sind hier in Teilen auch begrenzt beziehungsweise ausbaufähig. Nach Auswahl von Projektort und Typologie zum Projekt können in einem weiteren Schritt tiefergehende Informationen zu Materialien, zur Bepflanzung oder zur späteren Pflege eingegeben werden. Für diese aufgeteilten "sections" gibt es "subsections", also Unterkategorien wie beispielsweise Pflaster, Bordsteine aber auch bauliche Elemente wie Zäune, Tore. Daneben können Angaben zur Bewässerung oder Entwässerung getroffen werden. Angaben zum Boden und seinen Eigenschaften sind ebenfalls wichtige Abfragen. Und natürlich werden geplante Pflanzungen und ihre Besonderheiten evaluiert. Für den Lebenszyklus müssen in einem letzten Eingabeschritt Pflege bezogene Fragen zur Düngung oder beispielsweise zu den Pflegemaschinen (Elektrisch, Benzin betrieben etc.) beantwortet werden. Durch die Eingabe in jedem Arbeitsschritt wird die Menge des emittierten oder gebundenen Kohlenstoffs (kg) berechnet. Ergänzend werden Vorschläge für die Gestaltung getätigt (vgl. auch app.climatepositivedesign.com). Entscheidend sind auch sogenannte CO2 -Neutralitäts-Targets/Ziele für unterschiedliche Freiraumtypologien: CO2-Neutralität nach 5 Jahren für Wohn-, Mischnutzungs- oder auch Parkflächen sowie 20 Jahre für Plätze oder Straßen (vgl. auch landscapeperformance.org). Hier wurden neben Extremvarianten genau dieses Ziel einer angestrebten 20-jährigen CO2-Neutralität für gerechnete Platzvarianten in dem unten genannten Projekt verfolgt (und auch erreicht).

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Abb. 3: Die Übersicht verwendeter Materialeinheiten in Kubikmeter der vier Varianten gemäß Abb. 2, Anteilig sichtbar die hohen Betoneinsätze durch Pflaster und Beton in Reinform als Oberflächenbelege. Abbildung: Laue, Parhoun
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Abb. 4: Der gewählte Pflanzeneinsatz in Stückzahlen, hier Gehölzanteile belaubt und immergrün der vier Varianten gemäß Abbildung 2, die Gehölze sind unterschiedliche Größen von Kleinbaum bis Großbaum. Abbildung: Laue, Parhoun

Im Zusammenhang zur Anwendung dieser App lassen sich im Vorfeld Thesen zum CO2-Verbrauch und somit auch für eine noch zu erreichende CO2-Neutralität für unseren Berufsstand benennen:

Materialeinsatz: Übliche verwendete Materialien wie Beton, Stahl, Kunststoffe sind in der Regel mit hohem Energieaufwand für Gewinnung und Herstellung verbunden und sind somit auch für hohe CO2-Ausstöße verantwortlich. Die Bilanzen werden insbesondere durch die Parameter Transport und Energieaufwand bei der Herstellung bestimmt. In dem Zusammenhang spielt auch die Infrastruktur und Besonderheit eines Ortes eine Rolle (Welche Möglichkeiten bieten sich vor Ort? Wie fördern und mindern vorhandene Strukturen die Bilanzen?). Für Produkte und Baustoffe sind sie in diesem Zusammenhang unbedingt zu hinterfragen Die Verwendung von recycelten Produkten sowie von verwendeten regionalen Produkten könnte zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes beitragen. Zudem weisen natürliche Materialien wie beispielsweise Holz (u. a. auch als regionales Produkt) wesentlich weniger Kohlenstoffemissionen auf. Beton, als ein wesentliches Baumaterial auch bei Projekten der Grünen Branche, verursacht weniger Kohlenstoffemissionen, wenn die Zusammensetzung der Zuschläge des Zements (u. a. weniger Zementklinker) sich in Zukunft zugunsten des Energieaufwands verbessert. Das gilt auch für Asphalt.

Begrünung und Pflanzen: Umso mehr Bäume gepflanzt werden umso mehr lassen sich CO2-Bilanzen auch für das Projekt verbessern. Bäume haben sequestrierende Eigenschaften, das ist klar. Aber inwieweit beeinflussen Klimazonen und dementsprechende Verortungen auf der Erde unterschiedliche rWachstumsmöglichkeiten die CO2-Bindungsfähigkeit oder CO2-Verbräuche? Zudem sind in diesem Zusammenhang besondere Vegetationstypologien interessant. Unter anderem speichern zum Beispiel besondere Feuchtgebiete Kohlenstoff wesentlich besser als andere (5 bis 10x effektiver). In dem Zusammenhang können nach Conrad und Holmes, 2017 in "Landscape Architects leading the charge for climate action" beispielsweise auch bestimmte Bambusarten hoch effektiv Kohlenstoff mehrere Jahrhunderte im Boden speichern. Im Weiteren, wenn es keine Möglichkeiten zur Begrünung vor Ort gibt, können begrünte Dächer oder vertikale Gärten CO2-Verbesserungen erreichen.

Böden und Wasser: Gesunde Böden speichern mehr CO2. Übermäßige CO2-Emissionen können bei gesunden belebten oder teilbelebten Böden kompensiert werden. Zu diesem Grundsatz sind auch minierte Materialeinsätze für befestigte Flächen zu rechnen. Wassergebundene Wegedecken und durchlässige Pflastersteine verbessern CO2-Bilanzen von Freianlagen erheblich. Funktionierende Wasserkreisläufe und Wasserbilanzen, angelehnt an die Bilanzen der natürlichen Standorte, verbessern nicht nur klimatische Ökosystem-Dienstleistungen sondern auch die CO2-Aufnahmefähigkeit der Böden.

Pflege: Entscheidender sind dabei die Pflegezyklen bezogen auf die Art der notwendigen Pflege. Hier sind zum einen die festgelegten "Bilder" durch die Intensität der Pflege zu hinterfragen (der kurz gemähte Rasen ist schön, notwendig etc.), die wirtschaftliche oder auch soziale Notwendigkeit dafür aber sicherlich auch die Notwendigkeit durch die geschaffene Ausgangslage (Welche Pflanzentypologien, welche Materialwahl benötigt welche Pflegeintensität?). Daneben verringert der Einsatz erneuerbarer Energien bei Pflegemaßnahmen die Emissionen unter anderem von CO2. Und auch mögliche Biomasseproduktionen sollten in die Gesamtrechnung als Leistung mit einbezogen werden. Es ist schwer nachzuvollziehen, dass in diesem Zusammenhang die Leistungen von Grünanlagen derzeit selten zur Energieproduktion genutzt werden. Ergänzend sollten weitere erneuerbare Energieleistungen beispielsweise aus Sonne oder Wasserkraft auch für Projekte unserer Branche mit integriert werden. Und nicht zuletzt sind klassische Entwässerungen mit Wasserabführungen in das Kanalnetz wahre Energiefresser für die Bilanz. Das ist nicht nur sichtbar auf der eigenen privaten Abrechnung für die Abwasserkosten, sondern auch in CO2-Kalkulationsprogrammen für Bauprojekte. Hier liefern nachhaltige Versickerungs- oder Verdunstungslösungen auch nachhaltige Ergebnisse.

Alle diese ansatzweise beschriebenen Thesen zur Verbesserung der CO2-Bilanz können nach Kjaersgaard und Evans in "Guide to low Carbon landscapes (. . . )",2019 durch die folgenden Schlagwörter "Denk lokal", "Bedecke so viel wie möglich mit Grün", "verwende wieder und recycle" und "vernetze" betitelt werden.

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Abb. 5: Climate Positve Design Scorecard/"Ergebniskarte" für den Standort Höxter, CO2-Neutralität hier für Variante 1,3 und 4, 313 bis 9 Jahre Dauer zur CO2-Neutralität, Impervious area = undurchlässig, Permeable area = durchlässig allgemein bzw. Pflanzflächen oder offene Bodenflächen, 50 Jahre Lebensdauer (Projekt Lifespan), Sequestrierung in Prozent (Offset percentage), demnach erreicht das Projekt bereits nach 17 Jahren eine 100 Prozent-Neutralität und eine Sequestrierung von circa 300 Prozent nach 50 Jahren. Abbildung: Laue, Parhoun

Testprojekte und Ergebnisse im Vergleich

Um diese Thesen in Teilen zu veranschaulichen, wurden im Rahmen der Masterthesis vier Varianten für eine exemplarische Platzgestaltung von 2500 m²2 entwickelt. Dabei sei erwähnt, dass diese Platzvarianten zur besseren Vergleichbarkeit keine realen Projekte sind, wohl aber unterschiedliche Verortungen aufweisen (1. Deutschland/Standort der Hochschule in Höxter, gemäßigtes Klima ohne Trockenzeit mit warmen Sommern, 2. Italien, Latina bei Rom, gemäßigtes Klima mit heißen und trockenen Sommern, Mittelmeerklima und 3. Norwegen, Trondheim, gemäßigt kühles Kontinentalklima mit feuchten aber eher kühleren Sommern). Die These zur Verortung in Europa mit Mittel-, Süd- und Nordeuropa geht dabei der Frage lokaler Besonderheiten nach. Inwieweit sind gleiche Planungsentscheidungen lokal unterschiedlich im Ergebnis? Die vier Varianten stufen sich insbesondere durch Begrünung und Befestigung der Flächen ab. Eine minimal CO -Variante 1 mit fast annähernder Befestigung (2400 m² befestigt, undurchlässig) mit nur geringem Grünanteil (5 Laub-Großgehölze), eine Variante 2 mit abgemilderten Befestigungsanteil (2000 m²) aber mit wesentlich höherem Grünanteil (20 Laubgehölze, 15 immergrüne Gehölze, kleinere teilgemähte Wiesenflächen, Drainagen), eine Variante 3 mit weiter abgemilderten Befestigungsanteil (1800 m²), ergänzenden offenporigen Flächen und Versickerungssystemen sowie größeren teilgemähten Rasenflächen (700 m²/größere Gehölzbestände mit 35 großen und 20 kleinen Gehölzen immergrün und laubabwerfend) und eine maximal CO2 -Variante 4 mit nur geringem Befestigungsanteil (500 m², undurchlässig), maximale Gehölzüberstellung (35 großen und 50 kleinen Gehölzen immergrün und laubabwerfend, Waldcharakter) und großen teilgemähten Wiesenflächen (2000 m²).

Die ausgewerteten Resultate konnten erwartet signifikante Unterschiede der Standorte nicht bestätigen wohl aber die enormen Einflussmöglichkeiten über Grünanteile und Bodenoberflächen. Die Minimalvariante "Steinerner Platz" kann an allen Standorten faktisch keine CO2-Neutralität erreichen (nach 313 Jahren). Die Maximalvariante, sinngemäß als "Waldcharakter" zu bezeichnen, weist im Kontrast dazu eine CO2-Neutralität bereits rein rechnerisch nach 6 bis 9 Jahren auf. Die angelehnt real vorstellbaren Varianten 2 und 3 erfüllen die Zielvorgabe von CO2-Neutralität in circa 20 Jahren mit Ergebnissen von 17 bis 28 Jahren an den unterschiedlichen Standorten. Alle Varianten sind gerechnete Varianten, die bestimmte ökologische Leistungsfähigkeiten aber auch angesetzte Materialeigenschaften sowie Standort bezogene Fragestellungen annehmen. Im Ergebnis können insofern die Berechnungsgrundlagen nicht weiter analysiert werden. Jedoch lassen sich Verhältnisse untereinander sehr gut vergleichen.

Die Abbildung 6 fasst alle Varianten und alle Standorte zusammen. Signifikante Unterschiede sind zwischen den Varianten deutlich erkennbar aber weniger für die Standorte. Interessant ist aber dennoch, die kleinen Unterschiede zwischen den Standorten zu hinterfragen. Wieso weist die 4. "Waldvariante" für Italien eine schnellere (6 Jahre) Kompensation auf? Wieso in der 3. Variante eine langsamere (21 Jahre) Kompensation und wieso sind in Norwegen bei der 2. Variante längere Kompensationszeiten im Vergleich zu Deutschland und Italien zu erwarten? Denkbar ist, dass höhere oder geringere Energieeinträge rechnerisch aber auch faktisch Wachstum beeinflussen und sich hier niederschlagen (Italien mehr). Bei der Eingabemaske wird eine regionale Pflanzenauswahl abgefragt (central, south, north). Für Trondheim wurde "North" gewählt (Höxter und Latina "Central") und damit ist die längere Kompensation in der 2. Variante mit weniger immergrünen Gehölzen im Vergleich zur 3. Variante (Idealstandort Skandinavien mit immergrünen Gehölzen) zu erklären (28 Jahre bei Variante 2, 17 Jahre bei Variante 3 kann durch Erhöhung des immergrünen Gehölzanteils den Nachteil zum Standort Deutschland ausgleichen). Zudem scheinen funktionierende Bodenaktivitäten zum Beispiel durch Wasserverfügbarkeit (3. Variante am Standort Latina in Italien benötigt mehr Kompensationszeit) dieses zu beeinflussen. Die Abbildungen 7, 8, und 9 lassen weitere interpretierende Differenzierungen zu: Die Abbildung 7 fasst emittierte CO2-Äquivalente der verwendeten Materialien zusammen. Hier ist insbesondere der Unterschied bei Pflaster an den drei Standorten interessant. Die geringen Werte für den Standort in Deutschland (ca. 3 t CO2) im Vergleich zu Italien und Norwegen (15 t und 18 t CO2) lassen sich vermutlich durch gerechnete Verfügbarkeiten und verbesserte Transportwege in Deutschland erklären. Die Abbildung 8 und 9 setzt sequestriertes CO2 durch Bäume und Vegetation im Allgemeinen der Variante 1 und 3 in Bezug. Deutlich wird die enorme Zunahme von im Mittel 9 t CO2 im Vergleich zu der deutlich stärker begrünten Variante 3 mit 15 bis 21 t CO2. Es ist davon auszugehen, dass die Begrünung zu einem großen Anteil für eine Verbesserung der CO2-Neutralität verantwortlich ist. Daneben erzielt eine Differenzierbarkeit bei der Eingabe der Vegetationstypologien (hier für Norwegen "Norden"/"North" eingesetzt) bei gleichzeitig stark erhöhter Anteile auch unterschiedliche Ergebnisse.

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Abb. 6: Climate Positve Years/"Klimapositive Jahre" aller Standorte und Varianten, Ab wann sind die Projektvarianten an den drei Standorten als CO2-neutral anzusehen? Große Unterschiede der Varianten aber nur minimale Unterschiede zwischen den Standorten. Abbildung: Laue, Parhoun
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Abb. 7: Kalkuliertes CO2 in kg der Variante 3 bezogen auf den Materialeinsatz (Mauern, Bodenoberflächen, Drainage/Versickerung und Boden). Abbildung: Laue, Parhoun
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Abb. 8: Kalkuliertes sequestrierendes CO2 in kg der Variante 1 bezogen auf Vegetation, Gehölze und Wiesenflächen. Für den Standort Trondheim in Norwegen wurde in der Simulation die Pflanzenauswahl "Norden"/"North" im Vergleich zu "Gemäßigt"/"central" bei den beiden anderen Varianten eingesetzt (automatisiertes Verfahren nach Standortwahl), da aber in der Variante 1 nur Laubgehölze mit geringem Anteil angesetzt waren, ergab sich hier kein signifikanter Unterschied. Abbildung: Laue, Parhoun
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Abb. 9: Kalkuliertes sequestrierendes CO2 in kg der Variante 3 bezogen auf Vegetation, Gehölze und Wiesenflächen. Für den Standort Trondheim in Norwegen wurde in der Simulation die Pflanzenauswahl "Norden"/"North" im Vergleich zu "Gemäßigt"/"central" bei den beiden anderen Varianten eingesetzt (automatisiertes Verfahren nach Standortwahl). In der Variante 3 im Vergleich zu Variante 1 wurde a) der Gehölzanteil deutlich erhöht und auch b) zwischen laubabwerfend und immergrün differenziert. Hier zeigt sich im Vergleich zu Abb. 8 ein deutlicher Unterschied durch die Standortwahl und durch erhöhten differenzierten Gehölzanteil (mehr Bindungsfähigkeit durch geeignete Auswahl am Standort Trondheim). Abbildung: Laue, Parhoun

Zusammenfassend sind Teile der aufgestellten Thesen bestätigt worden:

Einfluss von Material, Belegung und Verteilung: Ein intensiver Materialeinsatz (in diesem Fall hauptsächlich Beton) bedeutet teilweise keine Möglichkeiten mehr, CO2-Neutralität zu erreichen (313 Jahre bei Variante 1 im Vergleich zu 6 bis 9 bei Variante 4 und bis 28 Jahre bei Variante 2 und 3). Teilweise sind auch kleinere Standort bezogene Unterschiede erkennbar (unterschiedliche Verfügbarkeiten, Infrastruktur, Produktionsbedingungen etc.). Größere vermutete Unterschiede lassen sich bezüglich des Materialeinsatzes vermutlich nur bei Vergleichen zwischen europäischen mit beispielsweise Entwicklungsländern ablesen. Leider sind bei der verwendeten Software auch keine tiefergehenden Differenzierungen hinsichtlich der Bestandssituation oder zum Recycling möglich gewesen. Das hätte vermutlich auch deutlichere Ergebnisse erzielt.

Einsatz von Vegetation, Umgang mit Boden und Wasser: Geringere Versiegelung, verbesserte Bodensituationen durch mehr funktionierende Wasserkreisläufe und eine zunehmende Begrünung mit beispielsweise unterschiedliche Vegetationsstrukturen trägt eindeutig zur schnelleren CO2-Neutralität bei. Im Mittel konnte mit den eher realen Varianten 2 und 3 definierte Ziele von 20 Jahren erreicht werden. Die Variante 4 als "Waldcharakter" entwickelt zeigt eine CO2-Neutralität bereits nach 6 bis 9 Jahren.

Aktuelle und zukünftige Entwicklungen zur Berechnung von CO2-Neutralität

Die Simulationen konnten nur ansatzweise alle möglichen Parameter nutzen. So wurde hier auch die Pflege in ihren Abstufungen von Intensiv bis Extensiv oder der Energieeinsatz bei der Pflege durch geeignete Maschinen nicht weiter differenziert. Das wäre möglich gewesen, hätte aber die Komplexität in der späteren Vergleichbarkeit zu stark erhöht und undurchsichtig gemacht. Es ist aber davon auszugehen, dass sich dadurch die Ergebnisse weiter ausdifferenziert hätten (viel oder wenig Pflege mit benzinbetriebenen oder akkubetriebenen/ggf. CO2-neutral betriebenen Maschinen aus erneuerbaren Energien). Aber die Ergebnisse zeigen deutlich den Einfluss des Planers, Erbauers und Betreibers einer Freianlage: Die Entscheidungen für Materialeinsatz, Umgang mit Boden oder auch insbesondere die Ausgestaltung mit Vegetation hat einen riesigen Einfluss auf die Bilanz. Zukünftig wird auch die vermutlich notwendige Sequestrierung eine stärkere Rolle einnehmen: Hier hat die Landschaftsarchitektur und der Landschaftsbau, wie eingangs erwähnt, eine Sonderrolle. Ein notwendiger Materialeinsatz und Verbrauch bei Bauprojekten wird nur sehr selten in einem kurzen Nutzungszeitraum CO2-neutral sein können. Dort besteht aber eine Notwendigkeit in der Forderung "in spätestens 30 Jahren komplett CO2-neutrale Prozesse" zu haben. Aber in der Gesamtbilanzierung eines Projektes (u. a. auch vor allen Dingen mit Gebäudebezug, mit Hoch- und Tiefbaubezug) wird es a) wichtig sein, auf einen festgelegten Zeitraum bezogen, eine Gesamtkompensation von "Outputs" und "Inputs" zu erreichen und b) dieses kann durch unterschiedliche Gewerke mal mehr oder weniger unterstützt werden. Das heißt, wann ist eine CO2-Neutralität zu erreichen? Welches Gewerk kann wie und in welcher Zeit gemeinsam mit den anderen diese Kompensation erreichen? Hier wird der Freiraum als primär biotisches System gegenüber dem abiotischen System zum Beispiel "Gebäude" Vorteile und Plusbilanzen beisteuern können. Ein sogenannter "Kohlenstoffmarkt und Kohlenstoffhandel" ist bereits im Kontext des Emissionshandels zwischen Staaten und Kontinenten entstanden (auf Basis des Kyoto-Protokolls von 2005). Wird dieser Handel bald auf Projektebene fortgesetzt (z. B. "Wir dürfen hier nur einen Park mit X Outputeinheiten und Y Inputeinheiten CO2 entwerfen und bauen")? Bezogen auf unseren Berufsstand werden sich nationale oder supranationale Vorgaben definitiv lang- oder gegebenenfalls auch kurzfristig auf unser konkretes Handeln beziehen. Die CO2-Emissionsrechnungen müssen vermutlich bald standardisiert auf Nutzungszeiträume unserer Projekte angewendet werden.

Artikelgrundlage/Basis des Artikels: Sara Parhoun M.Sc., CO2 Neutral Landscape Architecture - Reducing Carbon Footprint in the Context of Life Cycle Assessment and Landscape Architecture Disciplines, Masterthesis TH-OWL., Prof.Dr. Laue, Juli 2020

Literatur/Internetquellen (Auswahl):

Conrad, Pamela. Asla. CMG Landscape Architecture. (2018): Landscape Architects: Now Is the Time for Climate Action by Wright, Andrew. Online-Ressource.

IPCC (Intergovernmental Panel On Climate Change (2007): An Assessment of the Intergovernmental Panel on Climate Change, Summary for Policymakers (in Pijpers van Esch, Marjolein (2015) Designing the Urban Microclimate).

Padgett Kjgaard, Sara. Evans, Catherine B. Harris, Mike S. (2019): Guide to Low Carbon Landscapes. Law Carbon Living CRC. Supported by the Cooperative Research Centres program, an Australian Government initiative. Online-Ressource.

Sorvig, Kim. Thompson, J.William. (2018): Sustainable Landscape Construction- A Guide to Green Building Outdoors. Third Edition. Washington, Covelo, London. Island Press. Online-Ressource.

Athena Impact ESTIMATOR FOR BUILDINGS V5.2 SOFTWARE AND DATABASE Overwiev. (2017). Athena Sustainable Materials Institute, Ontario, Canada. Online-Ressource.

Roth, Michael. et al. (2018). Renewable Energy and Landscape Quality. Jovis. Online-Ressource.

www.carbonfootprint.com

www.landscapeperformance.org

www.climatepositivedesign.com

www.app.climatepositivedesign.com

Prof. Dr.-Ing. Hendrik Laue
Autor

Hochschule Ostwestfalen-Lippe
M. Sc. Sara Parhoun
Autorin

Fachgebiet „Spezialbauweisen im Landschaftsbau“ Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe

Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe

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