GaLaBau und Recht: Bau-Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt

Was tun, wenn beauftragte Leistungen vom Auftraggeber nicht abgerufen werden?

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Bei Werkverträgen - jeder Bauvertrag ist ein Werkvertrag - kann der Auftraggeber weitgehend bestimmen, was gemacht wird und was nicht. Der Auftraggeber hat (fast) das alleinige Sagen, ob, wann, was und wie gebaut wird. Schließlich soll er für die Leistungen des Unternehmers auch die vereinbarte Vergütung bezahlen. Dieser allgemeine Grundsatz gilt sowohl für den BGB- als auch für den VOB-Vertrag.

Sowohl im BGB (§ 648 BGB) als auch in der VOB (§ 8 VOB/B), steht dem Auftraggeber bis zur Vollendung der Leistung des Auftragnehmers das Recht zu, den bestehenden Vertrag jederzeit kündigen zu können. In § 8 VOB/B findet sich im Übrigen eine recht umfassende Regelung zur Kündigung, die es in der Form im BGB nicht gibt. Beide Vorschriften sehen unabhängig voneinander vor, dass dem Auftragnehmer die vereinbarte Vergütung zusteht. Er muss sich jedoch anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages an Kosten gespart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft und seines Betriebes erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt (§ 8 Nr. 2 VOB/B unter Bezugnahme auf § 648 BGB).

Kündigung durch den Auftraggeber

In diesem Beitrag möchte ich auf die Kündigungsgründe nicht eingehen, die dem Auftraggeber wegen eines Fehlverhaltens des Auftragnehmers zustehen. Hieran ist in erster Linie an Leistungsverzug, Mängel etc. zu denken. Es sei lediglich anzumerken, dass ein häufiger Kündigungsgrund die Zahlungsunfähigkeit des Auftragnehmers beziehungsweise die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen ist (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B). Der Bundesgerichtshof hat in zwei Entscheidungen klargestellt, dass die von der VOB vorgesehene Kündigung wegen Insolvenz des Auftragnehmers rechtens ist und einer AGB-rechtlichen Überprüfung standhält.

Kündigung nach § 2 Abs. 4 VOB/B

Einen besonderen Kündigungsgrund kennt die VOB in § 2 Abs. 4 VOB/B, wenn nach Vertragsschluss der Auftraggeber Leistungen übernehmen will, die bereits dem Auftragnehmer übertragen sind. Diese Teilkündigung des Vertrages ist eine besondere Form der freien Kündigung und führt zu denselben Rechtsfolgen, die bereits oben zugunsten des Auftragnehmers beschrieben sind.

Besonderer Fall des Leistungsverzichts

Es kommt am Bau immer wieder vor, dass in einem Einheitspreisvertrag fest vereinbarte Leistungspositionen nicht zur Ausführung gelangen, weil sie vom Auftraggeber nicht abgerufen werden. Fraglich ist dann, ob und was der Auftragnehmer für solche nicht ausdrücklich gekündigte aber dennoch nicht zur Ausführung gelangte Positionen abrechnen kann. In dieser Situation macht es keinen Unterschied, ob es sich um einen VOB- oder einen BGB-Vertrag handelt. Letztendlich sind die Rechtsfolgen identisch.

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§ 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B einschlägig?

In der vorgenannten Bestimmung ist der Fall geregelt, wenn bei einem Einheitspreisvertrag ohne eine Anordnung des Auftraggebers Mehr- oder Mindermassen für die beauftragte Leistung erforderlich waren. Die Bestimmung führt für Massenmehrungen über 110 Prozent beziehungsweise Massenminderungen unter 90 Prozent zu einer entsprechenden Preisanpassung. Obwohl bei einer vom Auftraggeber nicht abgerufenen Leistung der Sachverhalt dem des § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B sehr ähnelt, wendet die Rechtsprechung diese Bestimmung nicht an, da der Entfall der Leistung durch das Eingreifen des Auftraggebers in Form des Nichtabrufs der Leistung verursacht wurde. Die Bestimmung findet nach herrschender Meinung immer nur dann Anwendung, wenn der Auftraggeber oder sein Erfüllungsgehilfe (Architekt) in keiner Weise eingegriffen hat und es dennoch zu Mehr- oder Mindermassen gekommen ist.

Was ist die richtige Anspruchsgrundlage des Auftragnehmers gegen den Auftraggeber?

Gelangen einzelne Positionen des vertraglichen Leistungsverzeichnisses nicht zur Ausführung, greift die Rechtsprechung in direkter oder analoger Anwendung auf die Kündigungsbestimmungen des § 8 VOB/B bzw. auf § 648 BGB (freie Kündigung) zurück. Man will damit dem Umstand Rechnung tragen, dass der ursprüngliche Gesamtauftrag die Kalkulationsgrundlage des Auftragnehmers gewesen ist. Die Anwendung der Kündigungsvorschriften soll der Situation mehr gerecht werden, da das Berechnungssystem bei Anwendung der Kündigungsbestimmungen für den Auftragnehmer am besten zu einem gerechten Ausgleich der entfallenen Positionen führt. Kann ein Auftragnehmer aus irgendwelchen Gründen gewisse Positionen besonders günstig anbieten, weil er besondere Kenntnisse oder Einkaufsmöglichkeiten hat, würden bei einer Anwendung zum § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B diese geschmälert oder ganz untergehen. Dagegen bleiben diese Vorteile bei einer Anwendung des Kündigungsrechts voll erhalten. Da beim Kündigungsrecht lediglich die ersparten Kosten in Wegfall geraten, bleibt dem Auftragnehmer der kalkulierte Gewinn voll erhalten.

Folge der Anwendung der Kündigungsvorschriften

Um für den Auftragnehmer einen Ausgleich zu schaffen, soll ihm nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B beziehungsweise § 648 BGB für die entfallenen Positionen die Vergütung abzgl. der durch den Wegfall ersparten Kosten zustehen. Bei den angebotenen Positionen, die nicht zur Ausführung gelangen, muss er lediglich sich die ersparten Kosten gegenrechnen lassen, ohne dass sich dadurch der Gewinn schmälert. Es geht dann lediglich um die Frage, welche Kosten er durch den Wegfall der Position erspart hat. Wird zwischen den Parteien zu diesem Punkt keine Einigung erzielt, lässt sich der Streit nur durch einen Sachverständigen klären.

Anrechnung der Mehrmengen in anderen Positionen?

Bei der Berechnung des Anspruchs des Auftragnehmers für entfallene Positionen ist bei Anwendung der Kündigungsvorschriften kein Ausgleich zu berücksichtigen, was der Auftragnehmer durch Erhöhung der Mengen ggf. in anderen Positionen zusätzlich erhalten hat. Es erfolgt insoweit kein Ausgleich, wie es ansonsten § 2 Abs. 3 VOB/B vorsieht. Der Anspruch leitet sich ausschließlich aus den Kündigungsbestimmungen ab, die einen derartigen Ausgleich nicht kennen.

Was sagt die neuste Rechtsprechung?

Bei Nichtausführung von Positionen des Leistungsverzeichnisses hat die Rechtsprechung sich stets für das Kündigungsrecht und damit für den Auftragnehmer entschieden. So zuletzt das Oberlandesgericht München durch Beschluss vom 02.04.2019, Az. 28 U 413/19/Bau. Der vom OLG München entschiedene Fall betraf einen Einheitspreisvertrag. Die Rechtsprechung ist aber nicht auf diesen Vertragstyp beschränkt. Auch bei Pauschalverträgen kann es durchaus zum Wegfall ganzer ursprünglich vorgesehener Leistungen kommen. Auch hier wird lediglich ermittelt, was der Auftragnehmer durch Wegfall erspart hat.

Bei einem Globalpauschalvertrag sei den Auftragnehmern angeraten, Wert darauf zu legen, die zu erbringende Leistung möglichst detailliert beschreiben zu lassen, damit im Falle des Wegfalls von Teilleistungen eine Basis für die Ermittlung der ersparten Kosten gegeben ist. In der Baupraxis hört man immer wieder "pauschal ist pauschal", das soll bedeuten, dass eine Einzelabrechnung bei unterschiedlichen Massen nicht gelten soll. In dieser allgemeinen Form ist der Satz nicht richtig.

Sowohl bei Mehrungen als auch bei Minderung von Leistungen muss geschaut werden, was die Ursache hierfür ist. So schützt ein Pauschalvertrag den Auftraggeber nicht davor, wenn er zusätzliche Leistungen in Auftrag gibt bzw. Anordnungen trifft, die zu Mehrungen führen. Genauso verhält es sich zugunsten des Auftragnehmers, wenn nach Auftragserteilung Leistungen in Wegfall geraten.

Was sollte beim Vertragsschluss besonders berücksichtigt werden?

Wegen der finanziellen Konsequenzen für den Auftraggeber sei der ausschreibenden Stelle beziehungsweise dem für den Auftraggeber tätigen Architekten dringend angeraten, nur die Leistungen anbieten zu lassen, und zum Gegenstand des Bauvertrages zu machen, die tatsächlich auch zur Ausführung gelangen sollen. Für die Positionen, für die man nur einen Preis erkunden will, sollte man lediglich ein verbindliches Angebot verlangen, aber keinen Auftrag erteilen. Beauftragt ein Auftraggeber verbindlich Nachträge, die dann doch nicht zur Ausführung kommen, gilt ebenfalls die für den Auftragnehmer aufgezeigte günstige Rechtsprechung. Das bedeutet, auch für weggefallene verbindlich erteilte Nachträge hat der Auftragnehmer einen Anspruch.

 Rainer Schilling
Autor

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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