GaLaBau und Recht: Bau-Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt

Welche Folgen hat ein Irrtum im Geschäftsleben?

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Wenn man einen Juristen auf einen Irrtum anspricht, fragt er wahrscheinlich erst einmal, über was man sich geirrt hat. Für den Juristen ist nicht Irrtum gleich Irrtum. Nicht ganz zu Unrecht sagt man den Juristen zum Teil haarspalterische Fähigkeiten nach, so dass es nicht verwundert, wenn man zwischen verschiedenen Irrtümern mit zum Teil unterschiedlichen Rechtsfolgen unterscheidet. Im besten Juristendeutsch versteht man bei einer Willenserklärung unter einem Irrtum: "Das unbewusste Auseinanderfallen von Wille und Erklärung".

Im BGB befasst sich § 119 Abs. 1 und 2 BGB mit dem Irrtum und der Anfechtbarkeit der aufgrund eines Irrtums abgegebenen Willenserklärung. Die recht kurze Vorschrift hat folgenden Wortlaut:

"1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.

2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden."

Nach der Vorschrift unterscheidet man im Wesentlichen drei Irrtumsarten, den Erklärungsirrtum (§ 119 Abs. 1, Alt. 2 BGB), den Inhaltsirrtum (§ 119 Abs. 2, Alt. 1 BGB) sowie den Eigenschaftsirrtum (§119 Abs. 2 BGB). Insbesondere beim Inhaltsirrtum unterscheiden Lehre und Rechtsprechung diverse Unterformen, auf die ich hier nicht besonders eingehen möchte.

A. Erklärungsirrtum

Rechtlich bereitet der Erklärungsirrtum am wenigsten Schwierigkeiten. Ein solcher liegt stets vor, wenn die von einer Person abgegebene Erklärung nicht mit dem Willen des Erklärenden übereinstimmt. Beispielsweise wenn der Erklärende sich verspricht, verschreibt oder vergreift, oder ein Angebot von 10 Euro macht, statt eines von 100 Euro. Die Person, die irrtümlich etwas Unzutreffendes erklärt hat, muss sich an der Erklärung nicht festhalten lassen. Sie kann die Erklärung anfechten. Die Anfechtung muss allerdings ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Erklärende vom Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Maßgeblich ist dabei die rechtzeitige Absendung der Erklärung (§ 121 BGB). Unterlässt der Anfechtungsberechtigte die rechtzeitige Anfechtung seiner Erklärung, ist er an seine irrtümliche Erklärung gebunden. In einer Streitigkeit, bei der ich einen Mandanten derzeit vertrete, hat der Gegner trotz früher Kenntnis seines Irrtums die Erklärung erst nach Monaten angefochten, so dass er jetzt mit seiner irrtümlichen Erklärung und den äußerst negativen Folgen leben muss. Die verspätete Anfechtung kann den Gegner im speziellen Fall mehrere 10.000 Euro kosten.

B. Inhaltsirrtum

Ein Inhaltsirrtum ist anzunehmen, wenn der Erklärende zwar die Erklärung ihrer äußeren Gestalt nach abgeben wollte, sich aber über deren inhaltliche Tragweite irrte, und er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben hätte (bspw. Irrtum über die Person des Vertragsgegners oder über den Gegenstand des Geschäfts etc.). Beim Inhaltsirrtum stimmt der äußere Tatbestand einer Erklärung mit dem Willen des Erklärenden überein, doch irrt sich dieser über die rechtliche Bedeutung oder Tragweite seiner Erklärung. Subjektiv misst der Erklärende seiner Erklärung eine andere Bedeutung bei, als ihr objektiv zukommt. Immer wieder kommt es vor, dass Personen eine Urkunde beziehungsweise einen Text ungelesen unterschreiben, ohne sich des Inhalts des Textes den man unterschrieben hat bewusst zu sein. Derartige Fälle fallen nicht unter den Inhaltsirrtum und berechtigen nicht zur Anfechtung. Grundsätzlich gilt dies auch für Personen, die der Sprache, in der der Text abgefasst ist, unkundig sind. Auch beim Inhaltsirrtum muss die Anfechtung unverzüglich erfolgen.

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C. Eigenschaftsirrtum

Bei einem Eigenschaftsirrtum (§ 119 Abs. 2 BGB) stimmen Wille und Erklärung überein, während die Vorstellung des Erklärenden von der Wirklichkeit abweicht. In der Praxis wird ein Eigenschaftsirrtum angenommen, wenn sich der Erklärende über solche Eigenschaften der Person oder Sache irrt, die im Verkehr als wesentlich angesehen wird. Eigenschaften der Person sind zum Beispiel die Kreditwürdigkeit und die Zahlungsfähigkeit des Geschäftspartners bei einem Kreditgeschäft oder bei einem Arbeitsvertrag das Alter und Geschlecht einer Person. Eigenschaften eines Gegenstandes über den man sich irrt, wurden zum Beispiel von der Rechtsprechung bei der Echtheit eines Bildes oder bei der Bebaubarkeit eines Grundstücks angenommen. Wenn man als Laie eine Willenserklärung wegen Eigenschaftsirrtum anfechten will, rate ich stets dazu, anwaltlichen Rat einzuholen. So ist der Wert einer Sache kein Anfechtungsgrund, wohl aber aller wertbildenden Faktoren einer Sache. So liegt beispielsweise kein Anfechtungsgrund bei Irrtum über den Wert eines gekauften Miethauses vor, anders dagegen bei Irrtum über die Jahresmieteinnahmen. Hier kann die Einschaltung eines Rechtsanwaltes durchaus eine große Hilfe sein, um die Anfechtung als Eigenschaftsirrtum zutreffend darzustellen. Auch hier gilt die notwendige Unverzüglichkeit der Anfechtung.

D. Kalkulationsirrtum

Von besonderer Tragweite ist im Baubereich der Kalkulationsirrtum. Häufig berufen sich Auftragnehmer bei nicht auskömmlichen Preisen auf einen Kalkulationsirrtum und versuchen die Preise "nachzubessern", was oft nicht gelingt.

Beim Kalkulationsirrtum, manchmal auch Berechnungsirrtum genannt, irrt der Erklärende entweder bei einem Berechnungsfaktor oder bei der Berechnung selbst und dem sich daraus resultierenden Ergebnis. Immer wieder musste ich in der Vergangenheit von Unternehmern hören, die bei Vergaben preislich vor den Mitbewerbern lagen, dass sie einen Teil des Materials oder der Lohnkosten vergessen hatten zu kalkulieren und so ihr besonders günstiger Preis zustande gekommen ist. In einem solchen Fall hat der Unternehmer oft Pech. Längst nicht jeder Kalkulationsirrtum berechtigt den Auftragnehmer zur wirksamen Anfechtung seiner Willenserklärung. Soweit in der Literatur überhaupt eine einheitliche Meinung existiert, unterscheidet man zwischen einem offenen und einem verdeckten Kalkulationsirrtum.

a. Offener Kalkulationsirrtum

Beim offenen Kalkulationsirrtum wird die Kalkulation erkennbar mit zum Gegenstand der Vertragsverhandlungen und des späteren Vertrages gemacht. Der verlangte oder angebotene Preis ist erkennbar durch eine bestimmte Kalkulation zustande gekommen. Ist hier ein Kalkulationsirrtum des Bieters ersichtlich, soll ihm dann das Recht zustehen, die Anfechtung zu erklären. Bei einem Vergabeverfahren kann diese Anfechtung schon während der Bindefrist erfolgen. Die Anfechtung eines abgegebenen Angebotes führt in einem solchen Fall zum Ausscheiden aus dem Vergabeverfahren. Der Preis kann nicht einseitig nachgebessert werden.

b. Verdeckter Kalkulationsirrtum

Erhält der Erklärungsempfänger lediglich das Ergebnis einer Berechnung, nicht aber deren Grundlage, anhand derer man die Kalkulation nachvollziehen kann, spricht man von einem verdeckten Kalkulationsirrtum. Dieser ist nach herrschender Rechtsprechung unbeachtlich und berechtigt nicht zur Irrtumsanfechtung. Dies soll nach Meinung des BGH laut einer Entscheidung des Gerichts von 1995 sogar dann gelten, wenn der Erklärungsempfänger den Irrtum hätte erkennen können, aber nicht erkannt hat, nach einer weiteren Entscheidung des Gerichts aus 1998 sogar, wenn der Erklärungsempfänger den Irrtum positiv kannte. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob ein beachtlicher Kalkulationsirrtum vorliegt oder nicht, soll bei einem Angebotsverfahren nach VOB der Zeitpunkt der Zuschlagserteilung sein. Die Rechtsprechung ist in einem solchen Fall relativ hart. Kannte der Erklärungsempfänger den Irrtum und besteht er dennoch auf Durchführung des Vertrages, so kann dies eine unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) darstellen, falls es dem Auftragnehmer schlechthin nicht zumutbar ist, den Vertrag zu erfüllen. Dies insbesondere, wenn er dadurch in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät.

In diesem Zusammenhang ist eine neue Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden von Interesse. Bei einem öffentlichen Auftrag lag ein Bieter im Vergabeverfahren mit einem Vorsprung von 24 Prozent an erster Stelle. Direkt nach der Eröffnung der Angebote teilte der an erster Stelle liegende Bieter mit, dass sein Angebot auf einem Kalkulationsfehler beruhe, da in seinem Kalkulationsprogramm versehentlich ein zu geringer Faktor für die Leistungsstunden hinterlegt gewesen sei. Er bat deshalb um Ausschluss aus der Wertung. Die Vergabestelle erteilte dennoch den Zuschlag. Der Bieter weigerte sich den Auftrag auszuführen, so dass der zweitplatzierte die Ausführung übernahm. Die Preisdifferenz zwischen und ersten und zweiten Bieter war sodann Gegenstand der Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden (Beschluss vom 02.07.2019, Az. 16 U 975/19). Das Gericht meinte zwar, zwischen den Parteien sei ein wirksamer Bauvertrag zustande gekommen, die Auftragserteilung eine unzulässige Rechtsausübung des Auftraggebers gewesen, wenn er einen Auftrag erteilt, obwohl er wusste, dass das Angebot auf einem Kalkulationsirrtum des Erklärenden beruhte und die Durchführung des Auftrags für den betroffenen Bieter eigentlich unzumutbar ist.

Gebot der Rücksichtnahme

Es ist zwar richtig, dass man normalerweise als Bieter keinen Anspruch auf Ausschluss von der Wertung hat. Der weite Abstand des Erstbietenden von den übrigen Bietern, war jedoch ein deutliches Indiz für den Kalkulationsirrtum. Aus der Sicht eines verständigen öffentlichen Auftraggebers könne bei einem irrig kalkulierten Preis und sofortiger Offenlegung des Kalkulationsirrtums nach Angebotseröffnung dem Auftragnehmer nicht mehr geglaubt werden, die vertragliche Leistung zu erbringen. Das Oberlandesgericht Dresden meint sogar, die gebotene Rücksichtnahme auf die Interessen des Bieters greife nicht erst ein, wenn dessen wirtschaftliche Existenz auf dem Spiel stünde. Das Gericht nimmt vielmehr eine Bewertung aller Umstände des Einzelfalles vor und kommt danach zu dem Ergebnis, dass der Auftraggeber bei Abwägung aller Umstände gegen das Rücksichtnahmegebot, das ein Auftraggeber zu beachten hat, verstoßen habe. Selbst wenn es sich nicht um einen so krassen Fall von 24 Prozent Abstand zum nächsten Bieter handelt, kann bereits ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot gegeben sein. Das Oberlandesgericht Brandenburg hat in einer Entscheidung vom 17.03.2016, Az. 12 U 76/15, bei einem Preisabstand von nur 7,3 Prozent schon einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot angenommen.

Unzulässige Rechtsausübung

Bei einem verdeckten Kalkulationsirrtum ist der Bieter aufgrund der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze durchaus nicht ganz chancenlos, einen Auftrag nicht ausführen zu müssen. Die beiden vorgenannten Entscheidungen der Oberlandesgerichte Dresden und Brandenburg sind zu dem Ergebnis allerdings nicht aufgrund einer Irrtumsanfechtung gekommen, sondern nahmen jeweils eine unzulässige Rechtsausübung gemäß § 241 Abs. 2 beziehungsweise § 242 BGB an. Wenn jemand ein Kalkulationsirrtum erlitten hat und einen erheblichen Schaden befürchten muss, sollte er trotz der ungewissen Chancen im Einzelfall die Flinte nicht ins Korn werfen und sein Recht suchen. Man erlebt es immer wieder, dass Gerichte auch in einem solchen Fall zumindest zu helfen versuchen.

E. Arglistige Täuschung

Einen weiteren Anfechtungsgrund kennt § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung oder Drohung. § 123 Abs. 1 BGB lautet wie folgt: "Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten."

Anders als bei den zuvor behandelten Irrtumsanfechtungen sieht das Gesetz nicht die Notwendigkeit einer unverzüglichen Anfechtung vor. Der Anfechtungsberechtigte hat hierfür gem. § 124 BGB eine Frist von einem Jahr, ab Kenntnis des Anfechtungsgrundes, für seine Anfechtung, maximal 10 Jahre. Eine arglistige Täuschung liegt vor, wenn ein Irrtum durch Vorspiegeln falscher oder durch Verschweigen wahrer Tatsachen, trotz bestehender Aufklärungspflicht, erregt oder aufrechterhalten wird. Die arglistige Täuschung setzt Vorsatz voraus. Der Täuschende muss sich seines unlauteren Erfolgs zumindest bewusst sein. Am häufigsten beschäftigen sich die Gerichte mit der arglistigen Täuschung beim Gebrauchtwagenverkauf (Zusicherung der Unfallfreiheit eines Kfz oder ähnliches). Gleiches gilt auch im Immobilienbereich beim Verkauf von Häusern und Grundstücken. Hier werden oft Mängel verschwiegen, obwohl diese gegenüber dem Käufer offenbarungspflichtig sind. In vielen Fällen steht dem arglistig Getäuschten nicht nur das Recht zur Seite, seine Willenserklärung anzufechten, häufig stehen dem Getäuschten auch Schadenersatzansprüche zu. Die Vorschriften über die arglistige Täuschung selbst enthalten derartige Anspruchsgrundlagen nicht. Hier sind insbesondere die Schadenersatzvorschriften aus unerlaubter Handlung (§ 823 BGB) sowie wegen sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) einschlägig. Darüber hinaus kommen in einem solchen Fall auch Gewährleistungsansprüche in Betracht.

Wie oben im Einzelnen ausgeführt, kennt unser deutsches Recht im BGB zahlreiche Gründe, Willenserklärungen anzufechten. Wie man die Anfechtung im Einzelnen erklärt und gegenüber dem Vertragspartner agiert, sollte jedoch zuvor gut überlegt werden.

 Rainer Schilling
Autor

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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