GaLaBau und Recht: Bau-Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt

Wenn ein Auftraggeber den Rückzieher macht: Ist der Bieter immer der Dumme?

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Bei einem Werkvertrag kann der Auftraggeber in jedem Stadium der Ausführung der Leistung bestimmen, ob der Auftrag durchgeführt, geändert oder storniert wird. Im Zweifel muss er allerdings die finanziellen Folgen tragen, d. h. gegebenenfalls dafür zahlen. Insoweit es darum geht, nach welchen Bestimmungen ein abgeschlossener aber noch nicht durchgeführter oder vorzeitig beendeter Vertrag zu beurteilen ist, unterscheiden sich die Regelungen des BGB (§ 648 BGB) und die VOB nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 VOB/B nicht.

Die pauschale Abgeltung des § 648 BGB

§ 648 BGB sieht zusätzlich eine Vermutung vor, dass ein Auftragnehmer auf den noch nicht erbrachten Teil der Werkleistung 5 Prozent der entfallenen Vergütung erhalten soll. Nach herrschender Meinung wird diese Vorschrift zumindest analog auch auf den VOB-Vertrag angewandt. Zu beachten ist dabei, dass auf den fünfprozentigen Betrag wohl keine Mehrwertsteuer zu entrichten ist (fehlender Leistungsaustausch). Will der Auftragnehmer von der fünfprozentigen, pauschalen Abgeltung allerdings keinen Gebrauch machen, steht ihm bei einer freien Kündigung des Auftraggebers die vereinbarte Vergütung zu. Er muss sich jedoch das anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages an Kosten erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft und seines Betriebes erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt (§ 648 BGB bzw. § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B). In einem solchen Fall vernehmen die Gerichte regelmäßig die Mitarbeiter des Auftragnehmers, ob und was sie in der fraglichen Zeit getan haben und wodurch der geltend gemachte Schaden entstanden sein soll. Derartige Beweisaufnahmen, die ich als Rechtsanwalt schon erlitten habe, dauern oft lange und sind äußerst unerfreulich.

Soll man die pauschale Abgeltung verlangen?

Es gibt durchaus Fälle, bei denen der Auftragnehmer mit einer genauen Abrechnung des Schadens deutlich günstiger fährt, als mit der pauschalen Fünf-Prozent-Regelung. Ist der Auftragnehmer beispielsweise ein nicht ausgelasteter Architekt im eigenen Haus, kann er unter Umständen fast 100 Prozent der vereinbarten Vergütung verlangen, da er kaum Kosten erspart und auch keine andere Arbeit zur Kompensation zur Verfügung steht. Der Verfasser rät, nur in begründeten Ausnahmefällen einmal von der pauschalen fünfprozentigen Abgeltung abzuweichen. Mit dieser Pauschalregelung erspart man sich den Nachweis eines Schadens oder einer Kompensation. Erfahrungsgemäß sind Streite, bei denen mehr als fünf Prozent als Abgeltung verlangt werden, oft aufwendig und lassen sich ohne gerichtliche Beweisaufnahme kaum entscheiden.

Der Schutz des Auftragnehmers bei einer freien Kündigung durch den Auftraggeber ist sowohl im BGB, als auch in der VOB recht groß. Die Bestimmungen gelten allerdings nur für einen zustande gekommenen Werkvertrag zugunsten des Auftragnehmers nicht aber für den Bieter, der erst den Erhalt eines Auftrags erstrebt.

Wie ist die Situation für den Bieter?

A. BGB-Regelung

Im BGB gibt es in § 632 Abs. 3 BGB eine eindeutige Regelung, wonach ein Kostenvoranschlag, auch Kostenanschlag genannt, vom Auftraggeber nicht zu vergüten ist, es sei denn, die Parteien haben etwas anderes vereinbart. Muss der Bieter zum Zwecke der Ausarbeitung eines Angebotes intensive, kostenaufwendige Vorarbeiten erbringen, die über das übliche Maß hinausgehen, so ist dem Bieter stets zu empfehlen, vor Beginn solcher Planungs- oder Projektierungsarbeiten eine Vereinbarung mit der ausschreibenden Stelle zu treffen (z. B. Heizung inklusive Wärmebedarfsberechnung). Der Bieter kann normalerweise bei einer Aufhebung des Vergabeverfahrens nicht mit einer Entschädigung rechnen.

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B. VOB-Regelung

Teilweise anders ist die Situation, wenn der Ausschreibung die VOB zugrunde gelegt wurde. Auch dort sieht § 8 b Abs. 2 Satz 1 VOB/A vor, dass für die Bearbeitung des Angebots keine Entschädigung gewährt wird. Diese Kosten des Bieters fallen regelmäßig unter seine allgemeinen Geschäftskosten und sind nicht zu vergüten. Abweichend vom BGB sieht aber § 8 b Abs. 2 Satz 2 VOB/A folgende zugunsten des Bieters besondere Regelung vor. Die Bestimmung lautet wie folgt:

"Verlangt jedoch der Auftraggeber, dass der Bieter Entwürfe, Pläne, Zeichnungen, statische Berechnungen, Mengenberechnungen und andere Unterlagen ausarbeitet, insbesondere in den Fällen des § 7 c, so ist einheitlich für alle Bieter in der Ausschreibung eine angemessene Entschädigung festzusetzen. Diese Entschädigung steht jedem Bieter zu, der ein der Ausschreibung entsprechendes Angebot mit den geforderten Unterlagen rechtzeitig eingereicht hat."

Zu beachten ist dabei, dass die Bestimmung für die vom Auftraggeber verlangten Leistungen, die über das übliche Maß hinausgehen, den Bietern eine Entschädigung, jedoch keinen Schadenersatzanspruch gewähren. Eine Entschädigung ist regelmäßig weniger, als ein Schadenersatzanspruch. Insbesondere gibt es normalerweise bei einer Entschädigung keinen Ersatz für entgangenen Gewinn oder Gemeinkosten.

Vorvertragliches Vertrauensverhältnis

Zwischen Auftraggebern und Bietern entsteht nach herrschender Meinung ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis, welches beide Seiten nicht grundlos zerstören dürfen, d. h. insbesondere dürfen sie nicht die sich anbahnende vertragliche Bindung gefährden oder gar vereiteln. Dieses gegenseitige Vertrauensverhältnis löst beiderseits Sorgfaltspflichten aus. Wegen des Verhaltens des Auftraggebers, kann bei Verstoß gegen Sorgfaltspflichten es sogar so weit gehen, dass aus einem Entschädigungsanspruch ein Schadenersatzanspruch wird. Hat ein Auftraggeber überhaupt keine konkrete Bauabsicht und nimmt er dennoch eine Ausschreibung vor, um für andere Zwecke Preise zu erhalten, so ist dies ein schuldhaftes Verhalten des Auftraggebers, wenn er dies den Bietern nicht von Anfang an hinreichend konkret deutlich gemacht hat. In einem solchen Fall wird allerdings kaum ein Auftraggeber halbwegs reelle Preise erhalten. Der Auftraggeber macht sich dann schadenersatzpflichtig.

Ausreichende Mittel zum Bau als Voraussetzung

Gleiches gilt, wenn ein Auftraggeber überhaupt nicht über die Mittel verfügt, um die ausgeschriebene Leistung realisieren zu können. Jede vorbehaltlos vorgenommene Ausschreibung indiziert beim Bieter, dass die Leistung tatsächlich auch realisiert werden soll und der Auftraggeber über die entsprechenden Mittel verfügt oder entsprechende Fremdmittel vorhanden sind. Schreibt ein Auftraggeber Arbeiten aus, von denen er weiß oder bei entsprechender vorheriger Überprüfung wissen muss, dass diese keinesfalls seinem Budget entsprechen, muss er den Bieter bereits von Anfang an entsprechend aufklären und auf das gegebene Risiko hinweisen. Andernfalls macht sich der Auftraggeber wegen des beim Bieter in Anspruch genommenen und später enttäuschten Vertrauens schadenersatzpflichtig. Hier gelten die nach der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der "culpa in contrahendo". Je mehr der Bieter auf die Ernsthaftigkeit und Verbindlichkeit einer Ausschreibung vertrauen durfte, desto wahrscheinlicher ist ein Anspruch auf Schadenersatz des aussichtsreichen Bieters, wenn es nicht zu einem Zuschlag kommt und das Bauvorhaben nicht durchgeführt wird.

Ausschreibungen der öffentlichen Hand

Besonderes Vertrauen genießen Ausschreibungen der öffentlichen Hand, sei es Bund, Länder, Städte und Gemeinden sowie Körperschaften des öffentlichen Rechts. Bei solchen Auftraggebern kann der Bieter regelmäßig davon ausgehen, dass dieser eine realistische Kalkulation der verlangten Leistung vorgenommen und nur dann ausgeschrieben hat, wenn er über die etatmäßigen Mittel verfügt. Ansonsten bedarf es unbedingt eines Finanzierungsvorbehalts durch den Auftraggeber. Stellt sich später heraus, dass der öffentliche Auftraggeber nicht über die notwendigen Mittel verfügt und auch keine Finanzierungszusagen hatte, macht sich der öffentliche Auftraggeber wegen des beim Bieter in Anspruch genommenen Vertrauens schadenersatzpflichtig.

Aufhebung des Vergabeverfahrens durch öffentliche Auftraggeber

Verletzt der öffentliche Auftraggeber seine Rücksichtnahmepflicht im vorvertraglichen Schuldverhältnis, indem er ein Vergabeverfahren rechtswidrig aufhebt (kein Aufhebungsgrund nach § 17 Abs. 1 VOB/A vorhanden) steht dem Bieter, auf dessen Angebot bei Vergabe des Auftrags der Zuschlag zu erteilen gewesen wäre, ein Schadenersatzanspruch zu. Der Anspruch ist auf den Ersatz des Schadens gerichtet, der dem Bieter durch die mangelnde Beachtung der für das Verfahren und seine mögliche Aufhebung maßgeblichen Vorschriften entstanden ist (vgl. BGH-Urteil vom 08.12.2020, Az.: XIII ZR 19/19).

Der zu ersetzende Schaden

Dieser zu ersetzende Schaden besteht grundsätzlich in den Aufwendungen, die der Bieter zur Wahrnehmung seiner Chance auf einen Zuschlag vorgenommen hat und hierzu für erforderlich halten durfte. Rechtsgrundlage sind dabei die §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 und 249 BGB. Personalkosten für die Angebotserstellung sind dabei auch ohne konkreten Nachweis des Bieters, dass er ohne diesen Aufwand durch deren Tätigkeit anderweitige Einnahmen erwirtschaftet hätte, ersatzfähig. Diese vom Bundesgerichtshof vertretende Meinung ist allerdings nicht unumstritten. Es gibt in der Literatur zahlreiche Stimmen, die die Personalkosten so ohne weiteres nicht zusprechen wollen. Die Rechtsprechung gewährt dem geschädigten Bieter normalerweise einen Schadenersatzanspruch in Höhe des "negativen Interesses", d. h. der Bieter ist so zu stellen, wie er stünde, wenn er sein Angebot nicht erarbeitet und abgegeben hätte. Zu erstatten sind dann in erster Linie nutzlose Aufwendungen, die der Bieter im Vertrauen auf die Gültigkeit des Geschäfts gemacht hat (z. B. kostenpflichtige Einschaltung eines Statikers etc.). Ein Anspruch auf Erstattung des "positiven Interesses" wird von der Rechtsprechung fast nie gewährt. Hierunter würden insbesondere neben Gewinn auch anteilige Gemeinkosten fallen.

Regelwidrige Aufhebung des Vergabeverfahrens und anderweitiger Zuschlag

Ein Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns kommt nach Meinung des XIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn das Vergabeverfahren mit einem Zuschlag abgeschlossen wurde, der Zuschlag jedoch nicht demjenigen Bieter erteilt worden ist, auf dessen Angebot bei Beachtung der maßgeblichen vergaberechtlichen Vorschriften allein ein Zuschlag hätte erteilt werden dürfen. Dem Abschluss eines Vergabeverfahrens mit Zuschlag an einen nicht zuschlagberechtigten Bieter ist es gleichzustellen, wenn der öffentliche Auftraggeber ein wirtschaftlich und wertungsmäßig entsprechendes Ergebnis dadurch herbeiführt, dass er die Ausschreibung aufhebt, ohne dass ein anerkannter Aufhebungsgrund vorliegt, und den Auftrag außerhalb eines förmlichen Vergabeverfahrens oder in einem weiteren Vergabeverfahren an einen Bieter vergibt, an den der Auftrag nach dem Ergebnis des aufgehobenen Vergabeverfahrens nicht hätte vergeben werden dürfen.

Festzuhalten ist, dass in den vorgeschilderten Fällen zumindest regelmäßig das "negative Interesse" und nur in seltenen Ausnahmefällen das "positive Interesse" von der Rechtsprechung als schadenersatzpflichtig angesehen wird.

 Rainer Schilling
Autor

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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