Osnabrücker Baumpflegetage 2018

Wessolly: "Altbäume einfach sterben zu lassen, ist keine Option"

"Nehmen Sie etwa einem alten Mann die Krücke weg, um ihn in Würde sterben zu lassen?", fragte Dr. Lothar Wessolly spitz während seines Vortrags über Bäume in der Zerfallsphase. Die rund 300 Baumfachleute, die Anfang September aus allen Teilen der Republik an die Hochschule Osnabrück gekommen waren, lachten.

Doch die Botschaft des Baumsachverständigen hatte jeder im Saal verstanden: Altbäume sollten nicht vorschnell abgeschrieben werden, Baumerhalt bis zum Äußersten sei das Gebot der Stunde.

Ein halbtoter Baum vitaler als ein Jungbaum

Wessolly legte munter nach, indem er feststellte: "Ein halbtoter Baum ist vitaler als ein Jungbaum, wenn man bedenkt, wie viel Leben er beherbergt." Welchen hohen Wert Bäume als Solitär-Biotope besitzen, erläuterte der Stuttgarter am Beispiel der Eiche: Allein 500 Tierarten sind auf diese heimische Spezies angewiesen, weitere 500 nutzen sie zumindest teilweise. Wessollys Fazit war klar: "Altbäume einfach sterben zu lassen, ist unverantwortlich."

Den zwangsläufig auftretenden Sicherheitsbedenken setzte Wessolly seine jahrzehntelange Erfahrung als Baumkontrolleur entgegen. Er verwies darauf, dass aufgelöste Tragstrukturen - wie alte, pilzzerfressene Bäume - sehr leistungsfähig seien; der Pariser Eiffelturm sei dafür ein überzeugendes Beispiel. Vollholzige Bäume seien per se also nicht sicherer als hohle Bäume; ein Erhalt beider sei in jedem Fall anzustreben. Alte Hohlbäume bedürften eben nur jener symbolischen Krücke, deren Nennung zuvor die Lacher auf Wessollys Seite gebracht hatte. Hohlkonstruktionen, so der Stuttgarter weiter, bräuchten zunächst genaue Messungen, um deren Tragfähigkeit zu ermitteln. Hier seien die Baumkontrolleure gefragt: Mit einem Baumbewahrungs-Arsenal aus Sicherheitsdiagnostik und statischen Hilfen müssten sie in der Zerfallsphase auf den Plan treten.

Die Mittel, derer sie sich zur Baumsicherung bedienen könnten, seien mannigfaltig. Um etwa der Belastung durch Windkraft Herr zu werden, sei eine Kronensicherung mit speziellen Ringen die beste Lösung. Wenn seitliche Kräfte bei auseinanderbrechenden Bäumen stabilisiert werden müssen, verspreche eine "A-Stütze" Erfolg. Wohin es führen kann, wenn statische Hilfen verweigert werden, machte Wessolly anhand eines Beispiels aus Oberbayern deutlich: Die bundesweit bekannte Bavaria-Buche durfte der Baumsachverständige dort zwar in Augenschein nehmen, mehr aber auch nicht. Statt einer Krücke erhielt die Buche eine Umzäunung, die Mensch und Tier fernhalten sollte. Das Ergebnis: Der Baum starb in Schönheit. Und war ein halbes Jahr später kollabiert.

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Altbäume als bewahrenswerte Landmarken

Auch auf der Berliner Pfaueninsel wird die Bewahrung von Altbäumen groß geschrieben, wie Jan Uhlig von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG) die Tagungsteilnehmer wissen ließ. Das hat mehrere Gründe: Der Baumbestand auf der Insel zählt einerseits zu den ältesten in ganz Berlin und Brandenburg, andererseits erfüllen vor allem die Eichen vor Ort eine ganz wesentliche Gestaltungsfunktion in dem romantischen Landschaftsgarten. Mit rund 23 Prozent des Gesamtbestandes stellt die Trauben-eiche die prägende Baumart des idyllischen Eilands dar und dient in dessen Wegenetz oft als Orientierungspunkt.
Übereifrige Fällungen, so Uhlig, kämen wegen der landschaftsarchitektonischen Bedeutung der Altbäume daher überhaupt nicht in Betracht. Wenn eine der zweimal im Jahr vollzogenen Baumkontrollen eine mangelnde Bruchsicherheit ans Licht bringt, bestehe die übliche Maßnahme auf der Pfaueninsel im Einkürzen des Baumes durch Abbrechen. Uhlig stellte heraus, dass es sich bei dieser gängigen Vorgehensweise um ein notwendiges Übel handele; jedoch erlaube es die begründete Hoffnung, dass die gekürzten Bäume Sekundärkronen ausprägen. Durch Abbruch-Maßnahmen könne die SPSG Altbäume bewahren, deren Verlust für die Pfaueninsel schmerzlich wäre: Schließlich markieren sie auf dem Eiland Sichtachsen und fungieren auch als Wegweiser für Besucher. Diese Funktion können sie letztlich auch als ästhetisch anmutendes Totholz erfüllen, wenn die Sekundärkrone sich nicht ausprägt. Dass Altbäume trotz Sicherheitsbedenken grundsätzlich immer bewahrenswert sind, wurde in Uhligs und Wessollys Vorträgen gleichermaßen deutlich. Die Argumentationslinien der beiden Redner ergänzten einander: Während Wessolly aufzeigte, welch reichhaltige Bio-Diversität Altbäume beherbergen, stellte Uhlig heraus, dass sie als Landmarken in gärtnerischen Gesamtkunstwerken unverzichtbar sein können. Wenn uns der ökologische und kulturelle Wert von Altbäumen einen Auftrag erteilt, ist es dieser: Das Leben der altehrwürdigen Gehölze so weit wie möglich zu verlängern. Hendrik Behnisch



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