GaLaBau und Recht: Bau-Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt

Wichtige Urteile zum Jahresbeginn

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Es kommt leider häufiger vor als man denkt, dass sich ein Unternehmer bei seiner Kalkulation irrt und Angebote zu Preisen abgibt, die er so eigentlich gar nicht abgeben wollte. Wir sprechen hierbei nicht über geringfügige Abweichungen bei einzelnen Einheitspreispositionen im Leistungsverzeichnis, sondern über gravierende Kalkulationsfehler, die sich deutlich im Angebotspreis niederschlagen. Mit einem solchen Fall hatte sich das Oberlandesgericht Dresden in seiner Entscheidung vom 02.07.2019 (OLG Dresden, Az.: 16 U 975/19) zu befassen.

1. Beauftragung des Auftragnehmers trotz gravierender Kalkulationsfehler

Zum Sachverhalt

Bei einer öffentlichen Ausschreibung einer Gemeinde gab ein Unternehmer ein Angebot über 160 592 Euro netto ab. Seine Mitbewerber lagen betragsmäßig deutlich höher mit 210 506,97 Euro netto beziehungsweise 225 755,43 Euro netto. Als der billigste Unternehmer von dem Ergebnis des Eröffnungstermins erfuhr, stellte er fest, dass sein überaus günstiges Angebot auf einem erheblichen Kalkulationsfehler beruhte. Aufgrund eines fehlerhaften Kalkulationsprogrammes, war nur die Hälfte der erforderlichen Leistungsstunden kalkuliert worden. Der Unternehmer bittet deshalb die Gemeinde, sein Angebot von der Wertung auszuschließen. Die Gemeinde erteilte ihm dennoch den Zuschlag. Daraufhin weigert er sich, den Auftrag für die Gemeinde auszuführen. Die Gemeinde erteilte deshalb dem zweitgünstigsten Bieter den Auftrag und verlangt von dem günstigsten Bieter Schadenersatz wegen Nichterfüllung, wobei die Gemeinde den Schaden mit 64 938,18 Euro als Mehrkosten berechnet, die sie an den zweitgünstigsten Bieter zahlen musste.

Die Entscheidung des Gerichts

Die Gemeinde ist beim Oberlandesgericht Dresden mit ihrer Klage unterlegen. Es ist zwar richtig, dass ein Bieter nach Angebotseröffnung an sein Angebot gebunden ist und als günstigster Bieter mit einem Zuschlag rechnen muss.

Im vorliegenden Fall konnte der Auftraggeber aber wegen des weiten Preisabstandes zum Zweitbietenden von etwa 24 Prozent erkennen, dass mit dem Angebot des Billigstbietenden unter Umständen etwas nicht stimmen kann. Wenn ihm dann der Bieter auch noch nachvollziehbar erklärt, dass sein Angebot auf einem Kalkulationsirrtum beruht, verletzt der Auftraggeber seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) auf die Rechte und Rechtsgüter des Bieters, wenn er trotz des Kalkulationsirrtums dem Billigstbietenden den Auftrag erteilt. Das Gericht geht bei seiner Entscheidung von einer Unzumutbarkeit für den Bieter aus, den Auftrag zu dem fehlkalkulierten Angebotspreis ausführen zu müssen. Es sah die Weigerung des Bieters, den Auftrag auszuführen, als gerechtfertigt an. Die Klage der Gemeinde in Höhe der angeblichen Mehrkosten war dementsprechend nicht erfolgreich.

2. Kosten für Schutt- und Müllbeseitigung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu Lasten des Auftragnehmers

Zum Sachverhalt

Umlageklauseln für alle möglichen Leistungen des Auftraggebers führen zwischen den Bauvertragsparteien immer wieder zu Streitigkeiten. Insbesondere dann, wenn der Prozentsatz für die Umlagen hoch angesetzt ist und der Auftraggeber unter Umständen mehr mit der Umlage erzielt, als die eigentlich umzulegenden Kosten ausmachen. In einem vom Oberlandesgericht Brandenburg entschiedenen Rechtsstreit, hatte der Auftraggeber dem Auftragnehmer in der Auftragsverhandlung eine Umlageklausel vorgelegt, bei der diverse Kosten, wie Baustrom, Wasser und auch die Kosten für die Beseitigung von Bauschutt enthalten waren. Hinsichtlich des Prozentsatzes betreffend den Abzug von der Vergütungshöhe, war in dem Text eine Lücke enthalten. Dort sollte der Auftragnehmer auf Wunsch des Auftraggebers 0,8 Prozent handschriftlich eintragen, was er auch tat. Später, als es zur Endabrechnung des Bauvorhabens kam und der Auftraggeber die 0,8 Prozent Umlage von der ermittelten Vergütung abziehen wollte, berief sich der Auftragnehmer auf die Unwirksamkeit der Klausel.

Die Entscheidung des Gerichts

In einem anschließenden Rechtsstreit gab ihm das Oberlandesgericht Brandenburg zweitinstanzlich mit Urteil vom 20.08.2020, Az.: 12 U 34/20 recht. Hinsichtlich der Schuttbeseitigung weicht die Klausel maßgeblich von dem Grundgedanken des § 634 BGB ab, wonach der Auftraggeber erst dann berechtigt sein soll, den Bauschutt selbst zu beseitigen, und Ersatz der Kosten zu verlangen, wenn der Auftragnehmer sich weigert, den Schutt zu beseitigen oder mit der Beseitigung in Verzug geraten ist. Unabhängig davon, ob bei dem Gewerk des Auftragnehmers überhaupt Schutt oder Abfall angefallen sind oder ob er seinen Schutt gem. DIN 18299, Abschnitt 0.1 selbst beseitigt hat, wird er durch die Klausel mit der Umlage für die Schuttbeseitigung herangezogen. Nach Meinung des Oberlandesgerichts Brandenburg benachteiligt eine solche Klausel den Auftragnehmer in unangemessener Weise und ist damit nach § 307 BGB unwirksam. Das Gericht wies im Übrigen ausdrücklich darauf hin, dass es von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgeht, deren Angemessenheit zu prüfen war. Daran ändere auch die Lücke in der Klausel nichts, wenn dort der Auftragnehmer handschriftlich den Betrag von 0,8 Prozent eintragen sollte. Auch wenn die Klausel mit Gegenstand der Vertragsverhandlung war, ging das Gericht dennoch nicht davon aus, dass die Umlageklausel zwischen den Parteien "ausgehandelt" worden war, so dass das Gericht von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausging, die den Auftragnehmer unangemessen benachteiligen.

3. Die nachträgliche Bestimmung von Fristen durch den Auftraggeber ist zumeist unzulässig

Zum Sachverhalt

Bei einem Bauvertrag hatten die Parteien lediglich verbindliche Fristen für den Baubeginn und für die Fertigstellung der Leistung vertraglich schriftlich vereinbart. Später legte der Architekt des Auftraggebers aufgrund eines Bauzeitenplanes zur Koordinierung der einzelnen Gewerke verbindliche Fristen fest, die der Auftragnehmer nicht als verbindlich akzeptieren wollte. Es kam zum Prozess.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Oberlandesgericht Koblenz gibt in seiner Entscheidung vom 21.04.2020, Az.: 3 U 1895/19 dem Auftragnehmer recht. Legt der Bauvertrag keinerlei Zwischenfristen fest, so muss sich der Auftragnehmer an den vereinbarten Baubeginn und an den Fertigstellungstermin halten. Zwischenfristen könne der Auftraggeber einseitig für den Auftragnehmer nicht nachträglich verbindlich festsetzen. Um einen rechtzeitigen Baubeginn anzunehmen, reiche es völlig aus, mit einer im Leistungsverzeichnis beschriebenen Arbeit zu beginnen. Der Baubeginn kann bereits in einer Baustelleneinrichtung gesehen werden. Möchte der Auftraggeber selbst oder durch seinen Architekten Einfluss auf den Ablauf einer Bauleistung nehmen, was durchaus bei der Koordinierung der einzelnen Gewerke Sinn machen kann, so muss er im Bauvertrag mit dem Auftragnehmer verbindliche Zwischenfristen vereinbaren. Ist dies nicht geschehen, ist der Auftragnehmer in seiner Disposition weitgehend frei, wann er welche Leistungen im Einzelnen erbringen will. Er muss nur dafür sorgen, dass er zum Schluss fristgerecht fertig wird. Im Falle des Oberlandesgerichts Koblenz hatte der Auftraggeber wegen Nichteinhaltung der Zwischenfristen und angeblichen Verzuges den Vertrag gekündigt. Das Gericht sah den Auftragnehmer mit seinen Leistungen nicht im Verzug, weil es die Verbindlichkeit der Fristen verneinte. Die aus Gründen des Verzuges vom Auftraggeber ausgesprochene Kündigung wurde dementsprechend vom Gericht als freie Kündigung angesehen, was für den Auftraggeber äußerst nachteilige Folgen mit sich brachte.

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4. Sind Nachträge bei einer Bauhandwerkersicherung mit abgesichert?

Zum Sachverhalt

Ein Auftraggeber hatte auf Verlangen des Auftragnehmers eine Bauhandwerkersicherheit gem. § 650 f BGB in Form einer Bankbürgschaft gestellt. In dem Bürgschaftstext heißt es unter anderem:

"Der Bürge übernimmt dem Bürgschaftsgläubiger gegenüber für den Vergütungsanspruch, einschließlich dazugehörender Nebenforderungen des Bürgschaftsgläubigers aus dem Bauvertrag vom 16.01.2012, die selbstschuldnerische Bürgschaft . . ."

Bei dem Bauvorhaben kam es später im Zuge des Baufortschritts zu diversen Nachträgen, die der Auftragnehmer weisungsgemäß ausführte. Der Auftraggeber beantragte gegen Ende der Baumaßnahme die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über sein Vermögen. Der Auftragnehmer glaubte mit der Bürgschaft ausreichend abgesichert zu sein und nahm die Bank aus der Bürgschaft in Anspruch. Diese leistete lediglich den Betrag, der auf die ursprünglich vertraglich vereinbarte Leistung entfiel. Sie weigerte sich jedoch auch für die Nachträge Zahlung zu leisten. Deshalb nimmt der Auftragnehmer die Bank auf Zahlung des weiteren Betrages, der auf die Nachträge entfällt, vor dem Oberlandesgericht München in Anspruch.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Gericht gab der bürgenden Bank mit Urteil vom 11.07.2017, Az.: 9 U 2437/16 recht. In dem Bürgschaftstext sei keine Bezugnahme auf etwaige Nachträge enthalten, die zwischen den Parteien vereinbart wurden. Der Text "einschließlich dazugehörender Nebenforderungen" beziehe sich nicht auf Nachforderungen, sondern lediglich auf etwaige Gebühren und sonstige Nebenkosten. Wenn durch die Bürgschaft auch Nachträge hätten abgesichert werden sollen, hätte dies im Text näher zum Ausdruck gebracht werden müssen.

Die Entscheidung des Gerichts ist richtig, da ansonsten die Vertragsparteien ohne Kenntnis der Bürgin mit erheblichen Nachträgen den Haftungsumfang der Bürgin erweitern könnten. Wenn die Bürgschaft auch für Nachträge haften soll, hätte dies bereits im ursprünglichen Bürgschaftstext zum Ausdruck gebracht werden müssen. Auch eine nachträgliche Erklärung der Bank, für Nachträge haften zu wollen, wäre jederzeit möglich gewesen. Man kann einer Bürgin nicht zusätzliche Risiken aufbürden, für die sie überhaupt keine Kenntnis hat und für die im Zweifel auch kein Wille bestand, für Nachträge haften zu wollen.

Die zuvor angeführten vier besprochenen Entscheidungen zeigen, wie sehr es sich lohnt, als GaLaBau-Unternehmer Kenntnisse von den einschlägigen Vorschriften und der Rechtsprechung zu haben. Fast alle Verbände des Garten- und Landschaftsbaus bieten im Übrigen zur ersten Orientierung ihren Mitgliedern kostenlosen Rechtsrat an.

 Rainer Schilling
Autor

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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