Kündigung durch Auftraggeber und Schadenersatz bei Überschreitung des Kostenvoranschlags möglich?

Wie gut ist die Position des Auftragnehmers?

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Im Heft 11/2011 dieser Zeitschrift hatte ich mich schon einmal mit den Folgen einer Überschreitung des für ein Vertragsverhältnis maßgeblichen Kostenvoranschlags befasst. Nachdem mehrfach GaLaBau-Unternehmer bitteres Lehrgeld beim Überschreiten des Kostenvoranschlags zahlen mussten, möchte ich auf die Situation nochmals speziell eingehen, in die Auftragnehmer allzu leicht geraten können.

§ 650 BGB - eine den Auftragnehmern wenig bekannte Vorschrift

Wenn die Parteien Einheitspreise vereinbart haben, zeichnet sich das Werkvertragsrecht im Baubereich besonders dadurch aus, dass die Vordersätze oft deutlich abweichen von den später tatsächlich ausgeführten Massen, ohne dass die Parteien eine nachträgliche Leistungsänderung oder zusätzliche Leistung vereinbart haben. Gerade bei Verträgen zwischen Privatleuten, im Gesetz in § 13 BGB als Verbraucher bezeichnet, gibt es immer wieder Streit, weil die in Auftrag gegebene Leistung deutlich teurer auszufallen droht, als man als privater Auftraggeber mit beschränktem Budget kalkuliert hatte. Erkennt der Auftraggeber, dass die beauftragten Leistungen wesentlich teurer kommen, wird er darüber nachdenken, wie er der Situation begegnen kann. Bei einer ernsten Situation wird er sich im Zweifel auch Rechtsrat einholen, um den Konflikt zu lösen. Spätestens bei der Konsultation eines Rechtsanwalts kommt dann die in der Bevölkerung wenig bekannte Vorschrift des § 650 BGB ins Spiel. Die für den Auftragnehmer folgenschwere Vorschrift lautet wie folgt:

"(1) Ist dem Vertrag ein Kostenanschlag zugrunde gelegt worden, ohne dass der Unternehmer die Gewähr für die Richtigkeit des Anschlags übernommen hat, und ergibt sich, dass das Werk nicht ohne eine wesentliche Überschreitung des Anschlags ausführbar ist, so steht dem Unternehmer, wenn der Besteller den Vertrag aus diesem Grund kündigt, nur der im § 645 Abs. 1 bestimmte Anspruch zu.

(2) Ist eine solche Überschreitung des Anschlags zu erwarten, so hat der Unternehmer dem Besteller unverzüglich Anzeige zu machen."

Die Vorschrift des § 650 BGB ist zweistufig aufgebaut. Die erste Stufe räumt dem Auftraggeber (im Gesetz Besteller genannt) ein relativ folgenneutrales Kündigungsrecht ein, was auch oft in der Literatur als Sonderkündigungsrecht bezeichnet wird. Ein solches Kündigungsrecht steht dem Auftraggeber oft schon zu, ohne dass der Auftragnehmer auch nur im Geringsten mit einer solchen Möglichkeit gerechnet hätte.

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Verbindlichkeit der Vordersätze

Auch wenn der Auftragnehmer für die Richtigkeit der Vordersätze nach Gesetz eigentlich keine Gewähr übernommen hat und der Kostenvoranschlag unverbindlich gewesen sein soll, wird der Auftragnehmer dennoch an den Vordersätzen festgehalten, indem man den Kostenvoranschlag quasi zu einer Art Geschäftsgrundlage macht. Allerdings darf nach Meinung des Bundesgerichtshofs das Überschreiten des Kostenvoranschlags nicht auf fehlerhaften Angaben des Auftraggebers beruhen. Sowohl die BGB- als auch die VOB/B-Einheitspreisverträge sollen nach herrschender Meinung unter die Regelung des § 650 BGB fallen, wobei allerdings beim VOB/B-Vertrag unter Umständen die Anpassungsregelungen des § 2 VOB/B nicht unberücksichtigt bleiben können. Wird bei einem Werkvertrag ein Kostenvoranschlag zugrunde gelegt (das kann zum Beispiel schon ein Unternehmerangebot sein), führt bereits die "wesentliche Überschreitung" der Vordersätze zu einem Kündigungsrecht des Auftraggebers. Hierbei kommt es nicht auf eine einzelne Position des Leistungsverzeichnisses an. Maßgeblich ist vielmehr bei der Prüfung, ob eine wesentliche Überschreitung vorliegt, eine Gesamtschau.

"Wesentliche Überschreitung"

Die Frage, wann von einer "wesentlichen Überschreitung" der Vordersätze im Sinne des § 650 BGB ausgegangen werden kann, wird im Streitfall immer ein Richter nach seinem individuellen Ermessen entscheiden. Es sei auf alle Fälle hier darauf hingewiesen, dass es zahlreiche Urteile gibt, bei denen eine Überschreitung von 10 bis 20 Prozent gegenüber der Gesamtsumme des Kostenvoranschlags bereits als ausreichend angesehen wurde. Oft waren bei den Entscheidungen allerdings die Gesamtumstände und die Motive der Parteien bei Vertragsabschluss maßgeblich. Von besonderer Bedeutung waren dabei stets aber die wirtschaftlichen Verhältnisse des Auftraggebers.

Was ist die Folge der wesentlichen Überschreitung des Kostenvoranschlags?

Dem Auftraggeber steht nach § 650 Abs. 1 BGB in der Bauphase ein Kündigungsrecht zu, wenn das Werk nicht ohne die wesentliche Überschreitung der Vordersätze ausgeführt werden kann. Die dem Auftragnehmer zustehenden Rechte richten sich dann nach § 645 Abs. 1 BGB. Die Rechte des Auftragnehmers sind nach dieser Vorschrift gegenüber der Position des Auftraggebers recht bescheiden. Der Auftragnehmer kann danach lediglich für die bereits geleisteten Arbeiten einen entsprechenden Teil der Vergütung und den Ersatz der in der Vergütung nicht mit inbegriffenen Auslagen verlangen; mehr aber auch nicht. Lediglich bei einem Verschulden des Auftraggebers ist eine weitergehende Haftung möglich (siehe § 645 Abs. 2 BGB). Eine Überschreitung des Kostenvoranschlags und einer dadurch gegebenen Kündigungsmöglichkeit für den Auftraggeber kommt in der anwaltlichen Praxis eines auf dem Gebiet des Baurechts tätigen Rechtsanwalts häufiger als gedacht vor. Freilich wird nur ein geringer Bruchteil dieser Fälle gerichtlich entschieden. Zumeist kommt es zu einer einvernehmlichen vergleichsweisen Regelung. In nahezu allen Fällen muss man allerdings feststellen, dass das in § 650 BGB normierte Sonderkündigungsrecht greift und der Auftragnehmer allzu leicht das Nachsehen hat.

Schadenersatz nach § 650 Abs.2 BGB für den Auftraggeber?

Viel größere Bedeutung als die Kündigung durch den Auftraggeber hat die Regelung in Abs. 2 des § 650 BGB. Unterlässt es ein Auftragnehmer, den Auftraggeber während der Ausführung der Arbeiten auf erkannte wesentliche Massen- und damit Kostenüberschreitungen hinzuweisen, macht sich der Unternehmer schadenersatzpflichtig! Der Auftraggeber hat zwar bis zur Wesentlichkeitsgrenze anfallende Massenmehrungen hinzunehmen. Erst danach greifen dem Grunde nach Schadenersatzansprüche, die den Auftragnehmer hart treffen können. So hat das Oberlandesgericht Celle mit Urteil vom 9. 8. 2012 entschieden, dass der Werkunternehmer bei einem unterlassenen Hinweis auf die erkannten Massenmehrungen im Wege des Schadenersatzes auf die im Vertrag ursprünglich vereinbarte Vergütung sitzen bleiben soll, das heißt der Unternehmer soll die Mehrmassen trotz Ausführung überhaupt nicht bezahlt erhalten.

Wie sich der Schadenersatzanspruch des Auftraggebers gegen den Auftragnehmer im Einzelfall errechnen soll, ist weitgehend dem Richterrecht vorbehalten. Zum Teil gibt es in der Literatur hierzu die wildesten Theorien, die schon aus Platzgründen hier nicht geschildert werden können. Festzuhalten bleibt allerdings das Ergebnis: Ohne Schadenersatzleistung kommt wohl kein Auftragnehmer davon, wenn er während der Bauphase von ihm erkannte wesentliche Mehrmengen dem Auftraggeber nicht rechtzeitig mitteilt und damit den Auftraggeber schädigt, indem das Budget des Auftraggebers maßgeblich überzogen wird.

Mitteilung des Auftragnehmers an den Auftraggeber

Wie eine vom Gesetz vorgesehene Mitteilung der wesentlichen Überschreitung der Vordersätze erfolgen kann, wird man zumeist nur im Einzelfall entscheiden können. Die Mitteilung des Auftragnehmers muss zeitnah und für den Auftraggeber verständlich erfolgen, wobei die Anforderungen bei einem unerfahrenen privaten Auftraggeber sicherlich andere sind als bei einem Profi. Rechnet ein Auftragnehmer stets zeitnah nach Baufortschritt ab und sind in diesen Abschlagsrechnungen die Vordersätze der einzelnen Positionen des Einheitspreisvertrages klar ersichtlich, so kann unter Umständen bei einem bauerfahrenen Auftraggeber schon die zeitnahe Übersendung der Abschlagsrechnungen ausreichen, um den Schadenersatzansprüchen des Auftraggebers nach § 650 Abs. 2 BGB zu entgehen. Wenn am Bau beide Vertragsseiten sich während der Bauphase gehörig um das Bauvorhaben kümmern und die Abrechnungen des Auftragnehmers nicht deutlich hinterherhinken, müsste es eigentlich stets möglich sein, einen Streit zwischen den Parteien zu vermeiden.


Rainer Schilling, Frankfurt am Main,
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

 Rainer Schilling
Autor

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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