Zur Lebensdauer von Straßenbäumen in der Stadt

Wie viele Bäume sind genug?

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Einige kommunale Politiker werben damit, dass sie in kurzer Zeit eine große Anzahl von Bäumen in ihrer Stadt pflanzen lassen. Die gewählten Größenordnungen wirken dabei häufig willkürlich, zum Beispiel "Million Trees for New York City" Programme, oder orientieren sich ausschließlich am verfügbaren Budget, zum Beispiel Berliner Stadtbaumkampagne. Der Blick wird dabei jedoch nur auf die absolute Anzahl zu pflanzender Bäume gerichtet und weniger auf ihren langfristigen Erhalt.

Die zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel garantieren in der Regel die Lieferung der Pflanzware, das Pflanzen und eine Anwachspflege für nur ein Jahr beziehungsweise etwa für drei bis vier Jahre (Fertigstellungs- und evtl. Entwicklungspflege). Danach gehen diese Bäume in den Pool des vorhandenen Baumbestandes über und sind dem ortsüblichen Pflegemanagement unterworfen, zum Beispiel dem Berliner Pflegestandard für Straßenbäume (https://www.berlin.de/senuvk/umwelt/stadtgruen/stadtbaeume/downloads/Standards_Pflanzung_GALK-Berlin-2011.pdfhttps://www.berlin.de/senuvk/umwelt/stadtgruen/stadtbaeume/downloads/Standards_Pflanzung_GALK-Berlin-2011.pdfwww.berlin.de/senuvk/umwelt/stadtgruen/stadtbaeume/downloads/Standards_Pflanzung_GALK-Berlin-2011.pdf.). Ein anderer Nachteil solcher Vorgehensweisen liegt auf der Hand. In kurzer Zeit wird eine große Anzahl von Bäumen neu gepflanzt und dadurch verändert sich die Altersstruktur des vorhandenen Bestandes erheblich. Wenn dann in der Folgezeit nur die üblichen finanziellen Mittel für die Pflege zur Verfügung gestellt werden, gerät dieses System aufgrund der vielen Bäume in einer Altersstufe unter Umständen in Schwierigkeiten.

Andererseits werben zahlreiche Metropolen damit, besonders grün zu sein und eine größere Anzahl an Parkanlagen oder an Straßenbäumen je Einwohner zu besitzen als andere Städte. Diese Werbung kann jedoch nur wirken, wenn die Einwohner und Besucher einer Stadt den Eindruck haben, dass dort dauerhaft ein Bestand etabliert und erhalten wird, der seine vielfältigen Funktionen für das Stadtbild und für die Stadthygiene erfüllen kann. Um einen dauerhaften Bestand an Bäumen zu sichern sind regelmäßige Nachpflanzungen erforderlich. Von Seiten des Naturschutzes wird deshalb oft gefordert, einen Ausgleich für die jährlichen Fällungen durchzuführen. Die dafür zugrunde gelegte Bilanzierung stützt sich vor allem auf die Anzahl der kurz zuvor gefällten Bäume (www.stadtentwicklung. berlin.de/Straßenbaeume). Häufig werden hierbei nur die gefällten Altbäume einbezogen.

Schon vor fast 40 Jahren wurde diese Praxis in Frage gestellt. Richards (1979) fragte wie stichhaltig die gängige Praxis ist, den Umfang für Ersatzpflanzungen von Bäumen auf die aktuelle Anzahl gefällter (alter) Bäume zu beziehen. Er kam zu dem Schluss, dass es mindestens drei Quellen für Verluste von Straßenbäumen gibt: (a) Verluste in der Etablierungsphase von Jungbäumen wegen Vandalismus, Pflegemängeln und Unfällen, (b) Verluste, die altersunabhängig infolge von neuartigen Krankheiten und Schaderregern auftreten, infolge von Unfällen und infolge von Beschädigungen bei Straßenbaumaßnahmen und (c) Verluste durch Eingriffe an älteren und alten Bäumen wegen der Verkehrssicherungspflicht, durch schädliche Umwelteinflüsse und durch altersbedingte Abgänge.

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In seinen Untersuchungen anhand von Daten zu Straßenbäumen in Syracuse, New York, kam er zu dem Ergebnis, dass die Verluste unter a) jährlich etwa fünf Prozent in den ersten zehn Jahren am Standort ausmachen, ohne dabei artspezifische Einflüsse zu berücksichtigen. Er nahm weiterhin an, dass die Verluste unter b) über mehrere Jahrzehnte hinweg etwa gleichbleiben. Hierbei dürfte die Baumart jedoch von Bedeutung sein. Die Verluste unter c) sind stark von der Langlebigkeit der einzelnen Baumarten abhängig. Sie haben jedoch einen deutlich geringeren Einfluss auf die jährlich notwendige Anzahl von Ersatzpflanzungen als die Verluste im Jungbaumstadium. Richards schlussfolgerte, dass die Anzahl der Fällungen älterer und alter Straßenbäume keine geeignete Grundlage zur Festsetzung der notwendigen Anzahl für Ersatzpflanzungen darstellt, um einen bestimmten Straßenbaumbestand dauerhaft zu erhalten. Eine gute Pflege von Jungbäumen zur Sicherstellung von deren Überleben und Funktionsfähigkeit innerhalb der ersten zehn Jahre ist dagegen wichtiger als die Investitionen in den Unterhalt alter Bäume, wenn die Anzahl notwendiger Ersatzpflanzungen effektiv begrenzt werden soll.

Zielstellung

Obwohl es heute in zahlreichen Kommunen und Ämtern aufgrund von Katastern eine Fülle von Daten zu den Bäumen beziehungsweise Straßenbäumen im eigenen Verantwortungsbereich gibt, ist noch relativ wenig darüber bekannt, welches durchschnittliche Alter zum Beispiel Straßenbäume in der Stadt erreichen. Damit ist nicht gemeint wie alt einzelne Exemplare maximal werden können. Dazu gibt es einige Aussagen. Balder et. al. (1997) geben als erreichbares Lebensalter von Bäumen am Straßenstandort eine Spanne von 20 bis 40 Jahren für Apfel-Zierformen (Malus spp.) bis 50 bis 100 Jahre für Rot-Eiche (Quercus rubra) und Winter-Linde (Tilia cordata) sowie bis 60 bis 100 Jahre für Platane (Platanus x acerifolia) an. Roloff (2013) schätzt die heutige geringe Lebenserwartung von Stadtbäumen (etwa 50 % ihrer potenziellen Altersspanne) und von Straßenbäumen (nur etwa 25 % der potenziellen Altersspanne). Für einen Spitz-Ahorn (Acer platanoides) mit einer potenziellen Lebenserwartung von 180 Jahren hieße das maximal 90 Jahre als Stadtbaum und maximal 45 Jahre als Straßenbaum.

Aus den USA liegen andere Angaben vor, die sich jedoch häufig auf eine durchschnittliche Lebenserwartung der Stadtbäume beziehen. Moll (1989) stellt fest, dass die durchschnittliche Lebenserwartung von Bäumen im Innenstadtbereich (downtown trees) nur sieben Jahre beträgt im Vergleich zu Bäumen im Vorstadtbereich (suburban trees) mit 32 Jahren. Skiera & Moll (1992) berichten über eine durchschnittliche Lebenserwartung von 13 Jahren für Bäume im Innenstadtbereich, von 37 Jahren für Bäume in Wohngegenden (residential sites), von 60 Jahren in den besten Stadtlagen (best city sites) und von 150 Jahren in ländlicher Umgebung (rural sites). Richards (1979) gibt in seinem Modell für Syracuse (NY) die durchschnittliche Funktionszeit (years of service) für vier Straßenbaumarten wie folgt an: Gleditsia triacanthos 30 Jahre, Acer platanoides 55 Jahre, Acer saccharum 57 Jahre und Acer saccharinum 73 Jahre. Der Parameter durchschnittliche Funktionszeit meint hier jedoch offensichtlich das beobachtete Alter von Altbäumen und es fehlen zudem klare Angaben darüber wie viele Bäume es als Straßenbaum von der Pflanzung bis zur Altersphase schafften.

Im Mittelpunkt des vorliegenden Artikels soll deshalb die Auswertung einer Meta-Analyse zur Ermittlung der Überlebensrate von Straßenbäumen stehen, die von Roman & Scatena (2011) veröffentlicht wurde. Sie schätzen darin ab, wie groß die jährliche Absterberate von innerstädtischen Straßenbäumen ist, ob Jungbäume gefährdeter sind als Altbäume und wie sich Vorhersagen treffen lassen, die in effektive Planungen für künftige Pflanzprogramme einfließen können.

Diese Ausführungen sollen durch eigene Untersuchungsstichproben an Linden-Jungbäumen (Tilia cordata 'Greenspire') entlang von Straßen im Südosten Berlins ergänzt werden. Es soll gezeigt werden, welche Daten und welcher Aufwand notwendig sind, um entsprechende Informationen zur aktuellen Überlebensrate von Straßenbäumen im eigenen Verantwortungsbereich erhalten zu können.

Begrifflichkeiten

Es ist deutlich geworden, dass die Angaben zum maximal erreichbaren Alter von einzelnen Baumarten als innerstädtischer Straßenbaum wenig Aussagekraft besitzen, wenn nicht klar ist, wie viele Individuen aus einer ehemals gepflanzten Gruppe überhaupt ein solches Alter erreichen. Deshalb ist es wichtig, an dieser Stelle einige Begriffe zu definieren, die den Sachverhalt auf verschiedene Weise beschreiben.

Stellen wir uns ein fiktives Beispiel vor. Es gibt eine definierte Gruppe von 100 Straßenbäumen (in einer Straße), die zum Zeitpunkt des Absterbens beziehungsweise der Fällung das jeweils folgende Alter aufwiesen:

Die durchschnittliche Lebenserwartung für diese Gruppe würde 49 Jahre betragen ((7 x 10) + (15 x 15) + (35 x 25) + (50 x 30) + (80 x 20)/100). Nur 20 Prozent der ursprünglich gepflanzten Bäume würden das maximal mögliche Lebensalter erreichen (20 Stück). Aber die Hälfte der Gruppe (50%) wäre bereits nach 35 Jahren abgestorben/gefällt.

Die maximal mögliche Lebenserwartung/das maximal mögliche Lebensalter beschreibt demnach die maximale Lebensspanne, die mindestens ein Baum aus einer ehemals gepflanzten Gruppe von Bäumen, zum Beispiel an einer Straße, erreichen kann. Das hängt von mehreren Einflussfaktoren ab, unter anderem von der artspezifischen Lebenserwartung der Baumart (genetische Voraussetzungen), von der Vitalität und dem Zustand des einzelnen Individuums sowie von den äußeren Einflüssen, die auf die Bäume einwirken.

Die durchschnittliche Lebenserwartung/das durchschnittliche Lebensalter für Bäume innerhalb einer Gruppe ist demnach der rechnerisch ermittelte Mittelwert. Im Mittel werden die Bäume dieser Gruppe, zum Beispiel die Bäume in einer Straße 49 Jahre alt (siehe fiktives Beispiel). Dieser Wert besitzt den Nachteil aller arithmetischen Mittelwerte. Aufgrund der fehlenden Angabe zur Streuung der Einzelwerte, hat der Mittelwert nur eine theoretische Bedeutung. Wahrscheinlich wird keiner der 100 Bäume dieser Gruppe genau nach 49 Jahren absterben oder genau dann gefällt werden.

Viel interessanter ist jedoch eine andere Frage: Welcher Zeitraum vergeht, bis von einer Gruppe Bäume, zum Beispiel 100 Stück an einer neu bepflanzten Straße, nur noch die Hälfte der Bäume vorhanden ist? Diese Angabe lässt sich nur errechnen, wenn man die jährliche Absterberate dieser Straßenbäume kennt. Wenn die jährliche Absterberate von innerstädtischen Straßenbäumen mit zum Beispiel 3,5 bis 5,1 Prozent angenommen wird (Roman & Scatena 2011), dann sind von ehemals 100 gepflanzten Bäumen in einer Straße nach etwa 13 bis 20 Jahren nur noch 50 Bäume (die Hälfte) vorhanden. Roman & Scatena (2011) nennen diesen Parameter population half life. Man könnte im Deutschen den Begriff Halblebenszeit verwenden, der unter anderm in der Populationsdynamik bei Pflanzen Anwendung findet (Urbanska 1992). Diese Sichtweise verdeutlicht, dass die Anzahl der ehemals gepflanzten Bäume im Laufe der Zeit nach und nach absterben und regelmäßig Jahr für Jahr ersetzt werden müssen, um einen bestimmten Bestand wenigstens dauerhaft zu erhalten.

Auswertung der Literatur

In der amerikanischen Literatur haben sich mehrere Autoren damit beschäftigt, die jährliche Absterberate von Straßenbäumen zu bestimmen. Im Mittelpunkt standen Fragen zu artspezifischen Unterschieden, zur Abhängigkeit der Absterberate vom Alter der Bäume, zu den möglichen äußeren Einflussfaktoren und zur Höhe der jährlichen Absterberate an unterschiedlichen Standorten. Dabei beschreibt die Absterberate die Anzahl abgestorbener Bäume innerhalb eines bestimmten Zeitraumes. Die Angabe erfolgt in Prozent. Die Überlebensrate bedeutet das Gegenteil.

Nowak et al. (1990) stellten fest, dass bereits zwei Jahre nach der Pflanzung 34 Prozent der neu gepflanzten Bäume (Robinien, Magnolien, Platanen) in Berkeley und Oakland, Kalifornien, abgestorben waren. Die durchschnittliche jährliche Absterberate betrug 19 Prozent und es gab keine signifikanten Unterschiede zwischen den Arten und den Jahren. Als hauptsächlichste Probleme für Straßenbäume werden eine ungenügende Wasserversorgung, Nährstoffdefizite, Vandalismus, Bodenverdichtung und mechanische Beschädigungen angesehen. Es gab einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Absterberate von neu gepflanzten Straßenbäumen und dem sozio-ökonomischen Status der Standortgegend. Je mehr Arbeitslosigkeit an einem Standort herrschte, desto größer war dort die Absterberate von Straßenbäumen.

Miller & Miller (1991) untersuchten die Absterberate von mehreren Straßenbaum-Arten über einen Zeitraum von vier Jahren in Milwaukee, Stevens Point und Waukesha, Wisconsin. Etwa die Hälfte der Bäume war während der ersten vier Jahre abgestorben und musste ersetzt werden. Die Pflanzungen stabilisierten sich erst nach vier Jahren. An einem Standort hatte die Herbstpflanzung einen größeren Erfolg als die Frühjahrspflanzung; an den beiden anderen Standorten gab es keinen Unterschied zwischen Herbst- und Frühjahrspflanzung.

Polanin (1991) untersuchte das Alter aus einer zufälligen Auswahl von 500 Straßenbäumen (Platanen, Spitz-Ahorn), die in einem Zeitraum von zehn Jahren (1975-1985) gefällt worden waren. Als Ursachen für die Fällungen wurden vier Hauptgründe angegeben: abgestorbener Baum, Gehwegausbau, Fällantrag und andere Gründe. Die ausgewählten Platanen erreichten ein Lebensalter von 35 bis 42 Jahren zum Zeitpunkt der Fällung und die Spitz-Ahorn ein Alter von 47 bis 50 Jahren.

Nowak et al. (2004) haben dann erstmals detailliert und in großem Umfang die jährliche Absterberate von Straßenbäumen in Baltimore, Maryland, ermittelt und versucht, daraus ein Modell zu entwickeln. Sie konnten zeigen, dass vier Faktoren die Absterberate von Straßenbäumen signifikant beeinflussen: die Baumgröße (Alter), die Baumgesundheit (Zustand), die Baumart und die angrenzende Flächennutzung. Die durchschnittliche jährliche Absterberate betrug 6,6 Prozent. Sie war am höchsten bei Jungbäumen (Stammdurchmesser bis 7,6 cm gegenüber Stammdurchmesser 15,3 bis 45,7 cm) und bei stark geschädigten Bäumen sowie bei angrenzenden Verkehrsflächen (gegenüber wenig verdichteten Wohngebieten). Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass das aktive Management von Jungbäumen (Auswahl von guter Pflanzware, Bewässerung, Düngung, Schutzmaßnahmen) zur Reduzierung von frühen Ausfällen während der Etablierungsphase beiträgt und signifikant die Lebenserwartung und damit die dauerhafte Vorteilswirkung von Straßenbäumen erhöhen kann.

Lu et al. (2010) haben die Absterberate von jungen Straßenbäumen in New York City untersucht. Sie verweisen zunächst auf ähnliche Studien aus Nord-England (Gilbert & Bradshaw 1985, 1990). Dort betrug die Absterberate bei 10.000 neu gepflanzten Straßenbäumen nach einem Jahr 9,7 Prozent. Die Ausfälle waren zum Beispiel mit 22,7 Prozent nach drei Vegetationsperioden im Innenstadtbereich größer als mit 17 Prozent in den Außenbezirken von Liverpool. In New York ermittelten die Autoren in den Jahren 1999 bis 2003 eine Absterberate von 8,7 Prozent nach zwei Jahren (n = 45.000 Jungbäume an Straßen). Ein Teil der überlebenden Bäume wurde in den Jahren 2006 und 2007 nochmals untersucht. Im Ergebnis war die Ausfallrate (nach 8 bis 9 Jahren) mit 25,7Prozent am höchsten in den Jahren nach der Pflanzung und wurde außerdem wesentlich durch die Nutzung der angrenzenden Flächen beeinflusst. Die höchste Überlebensrate hatten Straßenbäume in Wohngegenden mit Ein- oder Zweifamilienhäusern (82,7 %); die niedrigste Überlebensrate hatten Straßenbäume in Industriegebieten, auf Freiflächen und auf freien unbebauten Grundstücken (60,3 bis 62,9 %).

Die umfangreichste Studie liegt jedoch von Roman & Scatena (2011) vor. Die Autoren haben eine Meta-Analyse von insgesamt 16 Veröffentlichungen zum Thema Überlebensrate von innerstädtischen Straßenbäumen vorgenommen. Neben der Literaturauswertung untersuchten die Autoren zusätzlich Straßenbäume in Philadelphia zwei bis zehn Jahre nach deren Pflanzung und verglichen ihre Ergebnisse mit denen aus der Literatur. Sie verwendeten dabei verschiedene statistische Verfahren, um eine Vergleichbarkeit der Studienergebnisse zu gewährleisten. Sie ermittelten eine jährliche Überlebensrate der Straßenbäume von 94,9 bis 96,5 Prozent (entspricht jährlicher Absterberate von 3,5 bis 5,1 %). Die Halblebenszeit der Straßenbaumpopulationen betrug 13 bis 20 Jahre und die berechnete durchschnittliche Lebenserwartung lag bei 19 bis 28 Jahre. Die Erhebungen aus Philadelphia ähnelten denen aus der Literaturauswertung.

Die Autoren ermutigen alle, die mit der Planung von Programmen für Straßenbaumpflanzungen befasst sind, solche Untersuchungen zur Überlebensrate/Absterberate von Straßenbäumen in regelmäßigen Abständen im eigenen Verantwortungsbereich durchzuführen. Sie selbst haben dazu erfolgreich auch demografische Methoden herangezogen. Während in menschlichen und tierischen Populationen die Zugänge und die Abgänge in das System von der Anzahl der Geburten, der Tode, der Einwanderungen und der Auswanderungen abhängen, wird eine Straßenbaumpopulation durch Neupflanzungen, Absterben, Fällungen und vorzeitige Entnahmen verändert. Um die Vergrößerung eines Straßenbaumbestandes zu erreichen muss die Anzahl der jährlich neu gepflanzten Bäume die Verluste durch Absterben, durch Fällungen und durch vorzeitige Entnahmen übersteigen. Ein in der Altersstruktur ausgeglichener Straßenbaumbestand ist auch deshalb so wichtig, weil nunmehr bekannt ist, dass neu gepflanzte Jungbäume in den ersten Jahren der Etablierung eine größere Absterberate aufweisen als ältere Bäume (Roman et al. 2013).

In ihren Veröffentlichungen listen Roman & Scatena (2011) und Roman et al. (2013) nochmals alle in der Literatur aufgefundenen Ursachen für das Absterben, die Fällungen und die vorzeitigen Entnahmen von innerstädtischen Straßenbäumen auf: (1) schlechte Bodenbedingungen wie (a) zu hoher pH-Wert, (b) Gifte und Schadstoffe, (c) hohe Temperatur, (d) zu kleine Pflanzgruben beziehungsweise durchwurzelbarer Raum, (e) Bodenverdichtung, (f) Nährstoffmangel beziehungsweise -überschuss, (g) geringe Sauerstoffaustauschrate, (h) Wasserstress; (2) schlechte atmosphärische Bedingungen wie (a) hohe Temperatur, (b) Gifte und Schadstoffe, (c) hohe Evapotranspiration; (3) natürliche Störungen wie (a) Stürme, (b) Eisregen, (c) invasive Krankheiten und Schaderreger; (4) störende Einflüsse durch den Menschen wie (a) Vandalismus, (b) Baumaßnahmen und mechanische Beschädigungen, (c) Konflikte mit Gehwegen, (d) Konflikte mit Ver- und Entsorgungsanlagen, (e) Mängel in der Pflege und Unterhaltung, (f) Mängel in der Qualität von gelieferten Pflanzen und in der Qualität der Pflanzung. Hinzu kommen Fällungen, die sich aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht ergeben.

Eigene stichprobenartige Untersuchungen

An mehreren Straßen im Südosten von Berlin sind in den vergangenen Jahren neue Straßenbaumbestände angepflanzt oder Lückenbepflanzungen vorgenommen worden. Für diese Straßen konnten die entsprechenden Katasterunterlagen aus dem zuständigen Bezirksamt eingesehen werden. Daraus geht unter anderem hervor, in welchem Jahr die Erstbepflanzung mit wie vielen Bäumen je Straße erfolgt war und wie viele Nachpflanzungen aufgrund von Ausfällen jeweils durchgeführt werden mussten. Bei Ortsterminen wurden diese Angaben um eventuelle aktuelle Fehlstellen Ende des Jahres 2017 ergänzt. Als Untersuchungsbaumart diente in allen Straßen die Stadt-Linde (Tilia cordata 'Greenspire'). Im Gegensatz zu den Angaben über junge Straßenbäume in amerikanischen Städten sind die hier vorgefundenen Ausfälle in den ersten Jahren vergleichsweise gering. Von zehn stichprobenartig untersuchten Straßen in Berlin waren in sechs Straßen keine Ausfälle in den ersten Jahren nach der Pflanzung zu verzeichnen. Das heißt, alle neu gepflanzten Bäume sind dort angewachsen und leben noch. Über die Ursachen dafür kann hier keine abschließende Aussage abgegeben werden. Als vorteilhaft kommen jedoch eine qualitativ hochwertige Pflanzware in bewährter Pflanzgröße (Alleebaum 3x verpflanzt, Stammumfang 18 bis 20 cm) und eine Pflege über mehrere Jahre nach der Pflanzung durch externe Firmen und eigene Arbeitskräfte (insbesondere Bewässerung) in Frage. Zudem gilt die Art/Sorte Tilia cordata 'Greenspire' als relativ leicht verpflanzbar und wächst gut an. Bei anderen Baumarten, an anderen Standorten und unter andere Bedingungen dürften abweichende Resultate zu erwarten sein.

Fazit und Empfehlungen

Aus einer Fülle von Untersuchungen in der Literatur und aus einer Vielzahl an eigenen Erfahrungen ist gut belegt und bekannt, dass sich die Standortbedingungen für Straßenbäume in Städten deutlich von den Bedingungen in innerstädtischen Parkanlagen und noch einmal deutlich von den Bedingungen in naturnaher Umgebung unterscheiden. Straßenbäume leiden unter zahlreichen negativen Einflüssen. Als Spiegelbild dafür können die Ausfälle von Straßenbäumen während des Zeitraumes ihrer Funktionserfüllung und ihr eingeschränktes Alter dienen. Wir sollten uns bewusst sein, dass einzelne Straßenbäume in der Stadt durchaus mehrere Jahrzehnte alt werden können. Das gilt jedoch längst nicht für alle Bäume, die zum Beispiel bei der Erstbepflanzung einer Straße gepflanzt worden waren.

Es gibt mehrere Möglichkeiten, den Anteil der Ausfälle von Straßenbäumen zu vermindern und dadurch den Zeitraum ihrer Funktionserfüllung zu verlängern: (a) die Auswahl von standortgerechten Baumarten und Sorten unabhängig von deren natürlicher Herkunft, (b) das Herstellen eines pflanzenbaulich geeigneten Standortes mit genügend durchwurzelbarem Bodenvolumen, (c) die Auswahl und fachgerechte Pflanzung von qualitativ hochwertiger Pflanzware, (d) eine mehrjährige professionelle Pflege (Bewässerung und Schnittmaßnahmen zur Verhinderung von Fehlentwicklungen) und (e) die Umsetzung von konsequenten Schutzmaßnahmen bei Bauarbeiten im Wurzelbereich. Heute liegen aufgrund von regelmäßig und detailliert geführten Baumkatastern in den Kommunen und in den Ämtern so viele Informationen zu den einzelnen Straßenbäumen vor wie noch nie zuvor. Diese Informationen werden jedoch noch zu wenig als Planungs- und Steuerungsinstrument sondern überwiegend zu Dokumentationszwecken genutzt. Wenn man weiß, wie viele Straßenbäume nach der Pflanzung nach und nach ausfallen und laufend ersetzt werden müssen, dann kann die Frage nach der Effektivität von Straßenbaumpflanzungen in der Stadt besser beantwortet werden, als wenn dazu nur die Angaben zu den gefällten Altbäumen herangezogen werden.

Wenn beispielsweise aus politischen Gründen zu einem Zeitpunkt oder innerhalb eines kurzen Zeitraumes sehr viele Jungbäume gepflanzt werden, dann verändert sich die Altersstruktur im gesamten Bestand und es müssen in den Folgejahren deutlich mehr finanzielle Mittel für Pflegemaßnahmen eingestellt werden als bisher üblich. Dennoch sollte der Jungbaum aufgrund der hier vorliegenden Erkenntnisse deutlich mehr und deutlich längere Zuwendungen erfahren als bisher. Alle Pflegemaßnahmen, die frühzeitig eventuelle Fehlentwicklungen vorbeugen, sind dann später am Altbaum als Sicherungsmaßnahmen nicht mehr erforderlich. In der ZTV-Baumpflege (FLL 2017) wird die Jungbaumpflege (Erziehungs- und Aufbauschnitt) für eine sogenannte Erziehungs- und Aufbauphase mit insgesamt 15 Jahren angenommen. Wenn das der Maßstab für innerstädtische Straßenbäume würde, dann könnte deren dauerhafte Funktionalität besser gewährleistet werden.

Quellen

Balder, H. et al. 1997: Straßenbäume. Patzer Verlag.

Bezirksamt Treptow-Köpenick von Berlin, Straßen- und Grünflächenamt, Baumkataster 2017, Auszug.

Lu, J.W.T. et al. 2010: Biological, social and urban design factors affecting young street tree mortality in New York City. Cities and the Environment 3 (1), Article 5.

Miller, R.H. & R.W. Miller 1991: Planting survival of selected street tree taxa. Journal of Arboriculture 17 (7), 185-191.

Moll, C.W. 1989: The state of our urban forest. American Forests 95, 61-64.

Nowak, D.J. et al. 1990: Newly planted street tree growth and mortality. Journal of Arboriculture 16 (5), 124-129.

Nowak, D.J. et al. 2004: Tree mortality rates and tree population projections in Baltimore, Maryland, USA. Urban Forestry & Urban Greening 2, 139-147.

Polanin, N. 1991: Removal history and longevity of two street tree species in Jersey City, New Jersey. Journal of Arboriculture 17 (11), 303-305.

Richards, N.A. 1979: Modeling survival and consequent replacement needs in a street tree population. Journal of Arboriculture 5 (11), 251-255.

Roloff, A. 2013: Bäume in der Stadt. Ulmer Verlag Stuttgart.

Roman, L.A. & F.N. Scatena 2011: Stree tree survival rates: Meta-analysis of previous studies and application to a field survey in Philadelphia, PA, USA. Urban Forestry & Urban Greening 10, 269-274.

Roman, L.A. et al. 2013: The balance of planting and mortality in a street tree population. Urban Ecosyst. DOI 10.1007/s11252-013-0320-5.

Skiera, B. & G. Moll 1992: The sad state of city trees. American Forests 98, 61-64.

Urbanska, K.M. 1992: Populationsbiologie der Pflanzen. Gustav Fischer Verlag Stuttgart Jena.

Dr. Andreas Plietzsch
Autor

öbv Sachverständiger

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