Wüstengärten in Arizona

von:
Gartengestaltung
Ocotillo (links) nach Regenfall. Fotos: Alexander Dorn

Dass prächtige und auch wissenschaftlich interessante Gärten durchaus in der Wüste gedeihen können, sei im Folgenden vorgestellt. Wüstengärten bilden eine radikale Abkehr von Gärten nach europäischen Mustern. Sie verkörpern die Akzeptanz der extremen geologischen, meteorologischen und biologischen Bedingungen und sind ein Plädoyer für Ökologie in der Wüste, daraus entsteht eine neue Gartenästhetik: ein Streifzug durch die Sonoran Desert1).

Die Sonora-Wüste blüht. Im Frühjahr ist eine Blütenpracht in leuchtendem Gelb, Weiß, zartem Rosa und kräftigem Rot zu erleben; filigrane und beinahe transparente Blütenblätter umgeben von robusten Stacheln, die sich wie ein festes Korbgewebe um einen rundlichen Kaktus ziehen; Blüten, die scharenweise Kolibris und Schmetterlinge anlocken, das alles ist in dieser Wüste möglich. Einige Pflanzen breiten ein schützendes Dach über kleinere Kakteen aus oder bieten Wüstentieren Unterschlupf. Der hohe Saguarokaktus wird zum Nest für Spechtarten. Dem Palo Verde-Baum ist Photosynthese ohne Blattwerk, allein über den grün gefärbten Stamm und die grünen Äste möglich. Die Adaptions- und damit Überlebensstrategien der Wüstenpflanzen sind raffiniert, ihre Gestalt ist oft faszinierend.

Kurze Beschreibung der Sonora-Wüste - Charakteristika

Die Sonora-Wüste ist eine der vier Wüsten Nordamerikas und umfasst 320.000 Quadratkilometer. Sie erstreckt sich über den südwestlichen Teil des Staates Arizona, über Südostkalifornien und den Großteil des Staates Sonora in Mexiko2). Die Sonora ist eine der üppigsten, vielseitigsten und artenreichsten Wüsten der Welt, weshalb es zuweilen schwerfällt, sie als Wüste zu begreifen. Darüber hinaus umfasst sie ein sehr breites Spektrum unterschiedlicher Regionen (Berggebiete, Wüstengrasland, Agaven- und Kaktusregionen, Uferzonen) und klimatischer Bedingungen und ist in weiten Teilen zum Naturschutzgebiet erklärt worden3).

Das Arizona-Sonoran Desert Museum (ASDM)

Eine Kombination aus Botanischem Garten, naturhistorischem Museum und Zoo ist das 1952 von William Carr und Arthur Pack gegründete Arizona-Sonoran Desert Museum (ASDM) in Tuscon4). Der 15 Meilen westlich von Tuscon gelegene botanische Wüstengarten, den eine private Non-Profit-Organisation betreibt und sich als "natural history educational institution" begreift, konzentriert sich ausschließlich auf die Naturgeschichte der Region, in dem sich das Desert Museum befindet: der Sonora-Wüste. Ziel des Museums ist es, die Sonora-Wüste und ihre außergewöhnliche Artenvielfalt einem Publikum näherzubringen und den jährlich bis zu 500.000 Besuchern eine "conservation ethics", eine Ethik des Bewahrens und ein Verantwortungsgefühl für das Erhalten der Natur ans Herz zu legen.

Ein drei Kilometer langes Wegenetz durchzieht die angelegte Wüstenlandschaft. Auf über acht Hektar werden 300 Wüstentiere und 56.000 Pflanzen aus 1200 Pflanzenarten dargeboten. Die Tiere werden in ihrem natürlichen Habitat gezeigt, wofür das ASDM ausgezeichnet wurde. Vor 11.000 Jahren bevölkerten hier noch Mammuts das Terrain, nun sind Schwarzbären zu bewundern, Pumas und Rotluchse verstecken sich in den Felsspalten. Gefährliche Skorpione sind ebenso zu sehen wie Klapperschlangen und auch der Kaninchenkauz, der das Rasseln der Klapperschlange imitiert. Die Präriehunde verdanken ihren Namen ihrer Fähigkeit zu bellen. Beeindruckend sind zwei mexikanische Wölfe, von denen es auf der Welt nur noch 50 frei lebende Exemplare gibt. Mit einem Aufzuchtsprogramm ist es dem ASDM gelungen, diese seltenen Tiere zu vermehren und in den entlegenen (und damit für Menschen schwer erreichbaren) Blue Range Mountains wieder auszuwildern. Mittlerweile leben Wölfe dort bereits wieder in der dritten Generation.

Publikumsmagneten sind also zunächst die Tiere. Aber in den zweistündigen, ehrenamtlichen Führungen, die mehrfach am Tag angeboten werden und den neuesten Stand der Forschung am ASDM widerspiegeln, wird die faszinierende Pflanzenwelt gleichermaßen berücksichtigt.

Der Ocotillo (Fouquieria splendens) beispielsweise wirkt zuweilen wie eine hässliche und ausgedörrte Ansammlung von Ästen. Innerhalb von nur 48 Stunden kann sich das schlagartig ändern. Nach einem Regenguss entwickelt er sofort hellgrüne Blätter und leuchtend rote Blüten, eine typische Reaktion von Wüstenpflanzen. Sie nutzen das Wasser sofort, da der nächste Regenfall ungewiss ist. Seine Adaption an die Wasserarmut ist so ausgeprägt, dass er seine Blätter in Dürrezeiten abwirft und inaktiv ist, um jeglichen Feuchtigkeitsverlust zu vermeiden. Er ist damit sehr erfolgreich angepasst. Bei den Indianern wurde er als sogenannter living fence genutzt. Sie steckten Äste in den Boden, die dort Wurzeln schlugen, verknüpften sie miteinander und erhielten nach dem Regen einen blühenden und wachsenden, also lebenden Zaun. Kolibris bevorzugen Rot und werden folglich von den intensivroten Blüten des Ocotillo angezogen.

Die Adaption der in der Kosmetik verwendeten und damit auch ökonomisch wichtigen Jojobapflanze (Simmondsia chinensis) ist interessant. Ihre Blätter besitzen eine graugrüne Farbe und reflektieren die Sonne. Sie sind vertikal aufgestellt, so dass sie möglichst wenig Angriffsfläche zur Sonne bieten; damit verhindern sie Überhitzung und speichern Feuchtigkeit. Ihren Namen erhielt sie durch die in der Sonorawüste ansässigen O'odham Indianer, die aus der Frucht eine Paste gegen Brandwunden zubereiteten.

Der im ganzen ASDM anzutreffende Prickly Pear, der Feigenkaktus (Opuntia), ist für Mensch und Tier essbar. Die roten Früchte schmecken nach Wassermelone, auch die großen "Blätter" sind für Menschen gebraten eine Delikatesse. Das oxalathaltige Wasser der Opuntie darf allerdings nicht getrunken werden, da es die Nieren schädigt. Die sich am Feigenkaktus labende Cochenille ist wegen ihrer karminroten Körperflüssigkeit von Bedeutung, die noch heute zur Einfärbung von Süßigkeiten und Lippenstiften verwendet wird.

Auch wird in den Führungen auf den extrem langlebigen Kresotbusch (Larrea tridentata) hingewiesen. Der gelb blühende, bis zu zwei Meter hohe Busch wird bis zu 11.000 Jahre alt und ist die trockenheitsverträglichste Pflanze der USA. Sie kann zwei Jahre ohne Wasser auskommen. Den O'odham-Indianern zufolge ist der Kreosotbusch die älteste Pflanze der Welt. Auffällig ist der intensive Duft, den sie nach dem Regen verströmt. In der Medizin wird sie gegen Aids eingesetzt und derzeit ihre Wirkung als Antikarzinogen erforscht. Auch ist der Busch eine wichtige nurse plant. Er spendet Schatten und Schutz für kleine Pflanzen und reichert die Erde mit Nährstoffen an. 60 Arten von Insekten kommen mit dem Baum in Berührung, davon ernähren sich allein 22 Bienenarten von ihm. Zahlreiche weitere Pflanzen werden in den ausführlichen, kostenfreien Führungen des ASDM vorgestellt.

Das vielseitige Bildungsprogramm des Arizona-Sonoran Desert Museum hat erheblich zur Akzeptanz, zum Verständnis, sogar zur Wertschätzung und vor allem zur Förderung von Wüstengärten beigetragen. Nicht zuletzt ist es dem "sunset demonstration garden" sowie der vom ASDM koproduzierten TV-Serie "Desert Speaks" zu verdanken, dass es in und um Tuscon derart viele Wüstengärten gibt5).

Saguaro National Park

Die Vereinigten Staaten haben einer einzelnen Pflanze, nämlich einem Riesenkaktus einen ganzen Nationalpark gewidmet. Bereits 1933 wurde das Areal unter Naturschutz gestellt. Verlässt man das Arizona Sonoran Desert Museum und biegt links ab, so befindet sich neun Meilen entfernt der 1994 gegründete Saguaro National Park. Das 370 Quadratkilometer umfassende Gebiet beeindruckt mit seinen zahllosen, oft vielarmigen Saguaros, dem Wahrzeichen der Sonora-Wüste. So weit das Auge reicht, sieht man die hohen Saguaros mit häufig mehr als zehn Armen. In der Umgebung von Tuscon allein wachsen ungefähr drei Millionen dieser bizarren, bis zu 18 Meter hohen Kakteen. Rein rechnerisch kommen auf jeden Bewohner Tuscons allein drei Saguaros!

Wallace Gardens - ein privater Wüstengarten mit wissenschaftlichem Anspruch

Ein privater Wüstengarten waren die Wallace Gardens bei Scottsdale, die seit dem 1. März 20015 für immer geschlossen sind6). Die Geschichte der bemerkenswerten Wallace Gardens verdient es erzählt zu werden, da der Wüstengarten trotz Schließung nicht verloren gehen wird.

Henry B. Wallace (1915-2005), Sohn einer erfolgreichen Farmersfamilie, studierte Genetik und brachte es mit seinen Forschungen zur Geflügelzucht und zur Steigerung der Eierproduktion zu erheblichem Wohlstand. Gemeinsam mit seiner Frau legte er 1987 einen Wüstengarten an, der sich ausschließlich der Pflanzen aus ariden Regionen vorrangig in Arizona, aber auch der ganzen Welt widmet - aus ästhetischen Gründen und mit ökologischem Weitblick. Wallace war um die Zerstörung der Wüsten durch den Menschen besorgt und wollte mit seinem Garten auch ein "significant storehouse of the genetic material of arid land plants"7) , also einen Speicher genetischen Materials von Wüstenpflanzen schaffen, so wie es botanische Gärten auch tun, um die Biodiversität der Wüste auch für spätere Generationen zu erhalten und zu gewährleisten.

Im knapp 5 Hektar umfassenden Wüstengarten befindet sich die beträchtliche Anzahl von 20000 Pflanzen. Die Pflanzensammlung ist von so eminenter Bedeutung, dass die University of Arizona mit dem geschäftsführenden Direktor der Wallace Gardens, Lee Brownson, und seinen 3 Gärtnern zusammenarbeitet8).

Hervorgehoben sei hier der Saguarokaktus (Carnegiea gigantea), der in den Wallace Gardens die imposante Höhe von 18 Metern anstatt der üblichen 12 bis 15 Meter erreicht. Auch gibt es hier einen so genannten Crested Saguaro, eine Variante mit einem dekorativen "Fächermotiv" an der Spitze, der sehr selten und entsprechend kostbar ist. Weltweit gibt es laut Schätzungen nur 640 dieser dekorativen Crested Saguaro. Auch eine der ältesten Pflanzen der Welt ist in diesem privaten Garten zu bestaunen, eine Welwitschia Mirabilis, die nur aus einem Blattpaar um einen "Kern" besteht und bis zu 2000 Jahre alt werden kann. Die Sammlung an Mehrträubelgewächsen in den Wallace Gardens ist womöglich die größte und weltweit vollständigste Sammlung. Desweiteren nennt der Garten kostspielige Boojum Trees (Fouquieria columnaris) sein Eigen. Der Boojum Tree wirkt archaisch, ist aber ein in seiner Anpassungsfähigkeit hochentwickelter Baum. Oft wird behauptet, er sähe aus, wie eine riesige, bis zu 20 Meter hohe, auf den Kopf gestellte Karotte. Kleinste dornige Zweige wachsen horizontal direkt aus dem Stamm und bekommen nur grüne Blätter, wenn der Baum genügend Wasser aus dem Boden saugen kann. In einer Dürreperiode stellt der Boojum Tree, der ein Verwandter des Ocotillo und trotz seines stacheligen Erscheinungsbildes kein Kaktus ist, seinen Stoffwechsel vollkommen ein, um Feuchtigkeitsverlust zu verhindern. Der Preis eines Bojum Tree berechnet sich nach der Größe. Die Kosten liegen bei 1000 Dollar für 30 Zentimeter!

1992 gründete der 2005 verstorbene Henry B. Wallace eine Stiftung, die den Erhalt des Gartens sichern sollte. Der Börsencrash von 2008 schrumpfte die Mittel der Stiftung empfindlich. Die 12 Millionen Dollar, die Wallace in seinem Testament für den Garten verfügte, reichen nun nicht mehr zur Instandhaltung aus. Die Wallace Gardens mussten schließen, aber die außergewöhnliche Sammlung von 20000 Pflanzen findet ein neues Zuhause. In den nächsten 3 Jahren wird eigens für die Pflanzen der Wallace Gardens ein neuer Trail im sehenswerten Boyce Thompson Arboretum angelegt. Die klimatischen Bedingungen sind dort sogar besser sind als in Scottsdale, die Finanzierung ist gesichert. Das ohnehin reizvolle Boyce Thompson Arboretum bei Superior (Arizona) erfährt eine hochinteressante Bereicherung.

Phoenix Desert Botanical Garden

Unweit von den Wallace Gardens in Scottsdale liegt Phoenix, wo der von den Ten Eyck Landschaftarchitekten angelegte Phoenix Desert Botanical Garden ein unbestrittenes Highlight bildet. Gleich im Eingangsbereich wird der Besucher von einer imposanten Komposition von "prickly pears", Ocotillos und anderen bizarr geformten Kakteen empfangen, die den Reichtum des Botanischen Garten bereits erahnen lassen. Es überrascht nicht, dass der 57 Hektar große Garten seit 2006 ein "Phoenix point of pride" ist, ein Ort, auf den die Anwohner der Hauptstadt Arizonas stolz sind.

Der Desert Botanical Garden wurde 1937 von interessierten Bürgern gegründet. Der schwedische Botaniker Gustaf Starck stellte ein Schild mit der Aufschrift "Save the Desert" auf, der Pfeil des Schildes zeigte auf sein Haus, in dem sich daraufhin gleich gesinnte Bürger versammelten und eine Organisation ins Leben riefen, die mit Hilfe der wohlhabenden und gut vernetzten Gertrude Divine Webster dann in die Gründung des Botanical Garden mündete. Der Botanische Garten verfügt heute über 21.000 Pflanzen aus 4000 Taxa. Die erklärte Aufgabe des Desert Botanical Garden ist das Bewahren sowie das Ausstellen von Wüstenpflanzen, die Erforschung ausschließlich von Wüstenpflanzen sowie die Vermittlung der Forschungsergebnisse an die Besucher.

Betritt man den Desert Garden, der bekannt ist für seine umfangreiche Sammlung von Agaven und Kakteen, werden unterschiedliche Wege angeboten. Einladend ist zum Beispiel der Hummingbird Garden, in dem es Pflanzen wie den Baja Fairy Duster gibt, der vor allem Kolibris anlockt. Oder es gibt den Butterfly Garden, in dem viele Monarchen beobachtet werden können. Auf dem Plants & People of the Sonoran Desert Loop Trail werden die Bedeutungen und Anwendungen der Wüstenpflanzen durch die Indianer erklärt und stellenweise sogar demonstriert. Für den Main Loop, den Hauptweg, kann sich der Besucher per Audioguide mit den ausgestellten Pflanzen vertraut machen. Biologen und Kuratoren, die am Phoenix Desert Botanical Garden tätig sind, informieren in knappen und bisweilen anekdotischen Texten über die 20 wichtigsten Wüstenpflanzen.

Der Fishhook Barrel Cactus (Ferocactus wislizeni) ist im Desert Botanical Garden häufig anzutreffen ebenso wie die große Opuntia- und Agavensammlung. Agaven zeichnen sich durch ihren rosettenförmigen Wuchs aus, wobei die äußeren Blätter die jüngeren Inneren schützen. Sie sind äußerst tolerant, was Trockenheit angeht, da sie das Wasser effizient in ihren gewölbten Blättern trichterförmig zu den Wurzeln leiten. Agaven, die aufgrund ihrer Langlebigkeit auch century plants genannt werden, sterben nach einmaliger Blüte ab. Die nachts von Fledermäusen bestäubten Pflanzen bilden kleine Klone direkt neben der Hauptpflanze. Aus den Blättern werden Stricke, Netze und Sandalen hergestellt. Aus manchen Arten werden auch Tequila und Mezcal gebraut.

Charakteristisch für den Staatsbaum von Arizona, den Palo Verde (Cercidium floridum), sind nicht nur seine winzigen, nur bis zu fünf Millimeter langen Blätter, sondern vor allem sein grüner Stamm sowie seine grün gefärbten Äste, die allein den Prozess der Photosynthese übernehmen können und nicht auf das Blattwerk angewiesen sind.

Der leuchtend gelb blühende Palo Verde bietet Schatten und Tieren auch Unterschlupf. Vor allem ist er nurse plant für den Saguaro. Der Saguaro (Carnegiea Gigantea) kommt in der Natur nur in der Sonorawüste vor und ist damit ihre sogenannte signature plant. Der Gigant ist nach dem großen amerikanischen Stahlindustriellen und Philantropen Andrew Carnegie benannt.10) Seine weißliche, cremefarbige Blüte ist die Staatsblume von Arizona und blüht an einem Abend zwischen 22 Uhr und Mitternacht auf und ist bereits am nächsten Nachmittag verblüht. In seiner bis zu 200-jährigen Lebensdauer ist er anfangs sehr auf den Schutz des Palo Verde angewiesen. Der grünliche Baum schützt ihn vor zu viel Sonneneinstrahlung, vor Tieren, die ihn fressen oder zertrampeln könnten und spendet ihm Schatten und Feuchtigkeit. Die große Schutzbedürftigkeit wird deutlich, wenn man sein extrem langsames Wachstum bedenkt: Allein zehn Jahre benötigt er, um die ersten 3,8 Zentimeter zu schaffen, in 30 Jahren ist er erst 60 Zentimeter groß11). Nach 40 bis 55 Jahren blüht er erstmals. Wenn er zwischen 50 und 100 Jahren alt ist und eine Höhe von mindestens zwei Metern erreicht, entwickelt er Arme. An dem zylindrischen und wie ein Akkordeon gefalteten Stamm lässt sich seine Befindlichkeit erkennen. Sind die Falten dick und haben größeren Abstand, bekommt er genügend Wasser. Sind die Falten eng und er wirkt eingeschnürt, durchsteht er eine Dürreperiode oder hat einen Kälteschaden erlitten. Der Saguaro speichert Wasser, was ihm ein beträchtliches Gewicht verleiht. Ein nicht einmal sieben Meter hoher Kaktus wiegt bereits eine Tonne.

Der Gilaspecht und der Wüstengoldspecht bauen ihre höhlenartigen Nester direkt im Saguaro, andere Vögel bevorzugen es, in den Armen ein Nest zu bauen oder die Spitze als Aussichtsplattform zu nutzen. Der eindrucksvolle Saguaro breitet sich weithin sichtbar auch auf den Hügeln außerhalb des Botanischen Gartens aus und ist sogar an Straßenecken mitten in Phoenix anzutreffen.

Zunehmende Akzeptanz und Verbreitung von Wüstengärten

Wüstengärten haben im heißen und trockenen Südwesten der USA unbestritten Vorteile: die einheimischen Pflanzen haben sich über Jahrhunderte an die extremen klimatischen Bedingungen angepasst und überleben nicht nur, sondern gedeihen prächtig. Sie gedeihen mit sehr geringer Wasserzufuhr in einem Staat, in dem zeitweise das Wasser rationiert werden muss. Die trockenheitsverträglichen Pflanzen sind äußerst pflegeleicht und wesentlich umweltfreundlicher als durstige Pflanzen aus ganz anderen Habitaten, die zusätzlich mit Pestiziden geschützt werden müssen. Ihre Bedeutung für das Ökosystem ist viel höher einzuschätzen als die ortsfremder Pflanzen. Durch die Adaption der lokalen Tierwelt an die Wüstenpflanzen ist ihr Nutzen groß: Sie bieten Nektar für Schmetterlinge und Fledermäuse, Nistplätze und Nahrung für Vögel sowie Habitat und Schutz für weitere Tiere.

Wüstengärten machen aus diesen Gründen Schule. Rund um das ebenfalls in Phoenix befindliche und 2010 eröffnete Musical Instruments Museum befindet sich ein raffiniert angelegter Wüstengarten und beherzigt exzellent die klimatischen Gegebenheiten der Stadt. Im Sommer steigen die Temperaturen auf bis zu 42 Grad, das Wasser ist knapp. Lockere Ansammlungen von einheimischen Bäumen, Büschen und Kakteen gruppieren sich um den Eingangsbereich des Museums, schmücken die Innenhöfe und sogar den Parkplatz. Nicht nur Farbe und Material des Gebäudes sind eine Hommage an die umgebende Wüstenlandschaft. Die Ten Eyck Landschaftsarchitekten um Christy Ten Eyck, die bereits den Masterplan für den Desert Botanical Garden entwickelten, schufen hier mit nativen Gewächsen einen Garten, der ebenfalls auf die umgebende Natur Arizonas und ihre Wüstenflora verweist. Die Landschaftsarchitekten folgen damit einem ökologischen Trend, der erfreulicherweise wächst und Verbreitung findet - nicht zuletzt auch durch den Desert Botanical Garden in Phoenix, in dem man sich in der Desert Landscape School zum Wüstengärtner ausbilden und zertifizieren lassen kann. Auch bei Tuscon erfahren Wüstengärten eine breitere Akzeptanz. Verlässt man das Arizona-Sonoran Desert Museum und biegt rechts ab, erreicht man einen Vorort, wo gepflegte Vorgärten sofort ins Auge fallen. Nur sind es nicht frisch gemähte Rasen und Rosen, die dort den Garten zieren, sondern eine liebevolle Gestaltung mit einheimischen Wüstenpflanzen. Die Anwohner folgen damit einer Aufforderung, auf den wasserintensiven Rasen im Wüstenstaat Arizona zu verzichten. Viele Städte subventionieren die Entfernung von Rasenflächen und fördern damit indirekt desert land-scaping. Las Vegas beispielsweise hat seit 2003 200 Millionen Dollar gezahlt, um 18,33 Millionen Quadratmeter Rasen an Privathäusern und Firmen zu entfernen. 34,8 Milliarden Liter Wasser sind dort in den vergangenen zehn Jahren durch die Entfernung von Rasenflächen eingespart worden. In Kalifornien sind es jährlich knapp 178 Millionen Liter Wasser12).

Der Trend zu Wüstengärten lässt sich auch an der wachsenden Zahl von Büchern, Zeitschriften und Artikeln ablesen, die sich nicht nur wissenschaftlich, sondern auch ganz praktisch dem Anlegen von Wüstengärten befassen und die Leser mit Tipps zu deren Pflege versorgen13).

Mit zunehmendem Bevölkerungswachstum14) wird sich der Wassermangel in Arizona in den kommenden Jahrzehnten verschlimmern. Auch ohne Berücksichtigung des Klimawandels werden die ökologischen Herausforderungen für Arizona groß sein. Ein 65-prozentiger Anteil des Wasserverbrauchs allein für die Landwirtschaft wird in Zukunft nicht länger haltbar sein. Wüstengärten werden die ökologischen Probleme Arizonas sicher nicht lösen, aber sie sind ein wichtiger Schritt und vor allem ein notwendiger Bestandteil der Lösung.

Anmerkungen

1) Ganz herzlich danke ich Dr. Alexander Dorn für die Fotos, die gemeinsamen Reisen zu den Wüstengärten sowie für die anregenden Gespräche darüber. Ganz herzlichen Dank an Uwe Schwerksy für sein umsichtiges Korrekturlesen und seine Hinweise. Frau Beate Schindler und Frau Katharina Fischer von der Staatsbibliothek Berlin danke ich sehr für ihre Unterstützung zu Beginn der Recherche sowie dafür, dass es mir vergönnt war, das neue research tool "Stabikat+" vorab zu nutzen.

2) Darüber hinaus umfasst die Sonora einen Großteil der Baja California-Halbinsel sowie die Inseln im Golf von Kalifornien. Flächenmäßig liegen zwei Drittel der Sonora in Mexiko.

3) Das wohl umfassendste Werk über die Sonora-Wüste aus naturhistorischer, botanischer und biologischer Sicht ist "A Natural History of the Sonoran Desert. Arizona-Sonoran Desert Museum", hg. von Steven J. Phillips und Patricia Wentworth Comus, Tuscon/Berkeley/Los Angeles/London 2000. Ferner "Sonoran Desert. The Story behind the Scenery", von Christopher L. Helms (dem ehemaligen Direktor des ASDM), KC Publications Arizona, 10. Ausgabe 2012.

4) Ein historischer Abriss der Entstehungsgeschichte des ASDM befindet sich auf der Website des Museums: www.desertmuseum.org, aber auch in der Broschüre "A Docent in Your Pocket. Guide to Exhibits, Animals, Plants of the Arizona-Sonoran Desert Museum, hg. von den Arizona-Sonoran Desert Museum Docents, Tuscon 2013, S. 7f.

5) Hervorragend ist auch die Website, die das ASDM für Kinder erstellt hat. Sie führt kindgerecht und detailliert in die Flora und Fauna der Sonora-Wüste ein: www.desertmuseum.org/kids/oz/long-fact-sheets/.

5) www.wallacedesertgardens.org (zuletzt am 23. Juni 2015).

7) Zitat von der Website der Wallace Gardens: www.wallacedesertgardens.org/history.

8) So erhielten die Wallace Gardens beispielsweise zu Forschungszwecken 200 Arten von Hülsenfrüchtlern mit der Fragestellung, wie diese unter den Voraussetzungen Arizonas, die in den Wallace Gardens gegeben sind, gedeihen.

9) Siehe Zeitungsartikel vom 10. Mai 2013 von Carmen Brodeur, www.topscottsdalehomes.com/wallace-desert-gardens-to-be-relocated.

10) Andrew Carnegie gründete 1902 die Carnegie Institution of Washington. Eines der gefördeten Projekte war die Erforschung von Kakteen durch die Taxonomen Joseph Rose und Nathaniel Britton. Ihre Entscheidung, den Saguaro nach Andrew Carnegie zu benennen, gereichte ihnen nicht zum Nachteil. Vgl. dazu Janice Emily Bowers, Frequently Asked Questions about the Saguaro, Tuscon 2003, S. 18.

11) Sonoran Desert, S. 188f, siehe Anm. 3.

12) Die Zahlen entstammen dem am 11. August 2013 in der New York Times erschienenen Beitrag "Arid Southwest Cities' Plea: Lose the Lawn" von Ian Lovett. Laut Lovett hat Arizona mit Geldanreizen knapp 28.000 Quadratmeter Rasen entfernen können. Im kalifornischen Los Angeles wurden seit 2009 1,4 Millionen Dollar an Hausbesitzer gezahlt, die ihre Grünfläche dann durch desert landscaping ersetzten.www.nytimes.com/2013/08/12/us/to-save-water-parche... danke Uwe Schwersky für den folgenden Hinweis: www.deutschlandradiokultur.de/jahrhundertduerre-in-kalifornien-sich-die-verdorrte-welt.979.de.html

13) Um nur einige Autoren aus dem mittlerweile breiten Spektrum zu nennen: Sally Wasowski/Andy Wasowksi, Native Landscpaing from El Paso to L.A., Contemporary Books 2000 (zuerst 1995 unter dem Titel "Native Gardens for Dry Climates" veröffentlicht). Ferner George Brookbank, Desert Landscaping. How to Start and Maintain a Healthy Landscape in the Southwest, University of Arizona Press, Tuscon, 1992. Vom selben Autor The Desert Gardener's Calendar. Your Month-by-Month Guide, University of Arizona Press, Tuscon 1999. Desweiteren Mary F. Irish, Gardening in the Desert. A Guide to Plant Selection and Care, University of Arizona Press, Tuscon 2000.

14) Allein in Phoenix hat sich die Einwohnerzahl in den letzten 24 Jahren um 50 Prozent erhöht. Monatlich (!) wächst die Bevölkerung in Las Vegas um 4000 Einwohner. Vgl. Sally Wasowski with Andi Wasowski, Native Landscaping from El Paso to L.A., 2000, S. 3.

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