GaLaBau und Recht: Bau-Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt

Zahlungspflicht des Auftraggebers nach BGB und VOB

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Der beste Vertrag ist der, den die Parteien schriftlich geschlossen haben und den sie während der gesamten Bauzeit nicht mehr in die Hände nehmen müssen. Leider tritt dieser Idealfall immer seltener ein. Im Baubereich sind Änderungen an den vereinbarten Leistungen ebenso häufig wie zusätzliche Arbeiten, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vom Auftraggeber noch gar nicht gewollt waren. Wie solche nach Vertragsschluss geänderten oder zusätzlichen Leistungen zu behandeln sind, ist oft zwischen den Parteien streitig. Neben dem Thema Mängel ist die Abrechnungshöhe für Nachträge einer der häufigsten Streitpunkte, mit denen sich Richter in Bauprozessen beschäftigen müssen.

Aufgrund der ab dem 01.01.2018 geltenden Neuregelungen dürften die Auseinandersetzungen der Parteien noch zunehmen. Unstreitig ist die Entscheidungsbefugnis des Auftraggebers, ob er vom Auftragnehmer den Vertrag noch erfüllt haben will oder nicht. Ganz gleich ob es sich um einen VOB- oder BGB-Vertrag handelt, steht dem Auftraggeber im Werkvertragsrecht stets das Recht der Kündigung zu, ohne dass der Auftragnehmer die Fortsetzung des gekündigten Vertrages erzwingen kann. Der Auftraggeber muss nur die sich daraus ergebenden Konsequenzen tragen. Er hat ihm gem. § 648 BGB (früher § 649 BGB) für die noch nicht ausgeführten Leistungen die volle Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen zu erstatten. Nach den Bestimmungen des BGBs, die auch für den VOB-Vertrag gelten, wird vom Gesetzgeber vermutet, dass dem Auftragnehmer für die nicht mehr erbrachten vertraglichen Leistungen insgesamt fünf Prozent der entfallenen vereinbarten Vergütung zusteht. Kann der Auftragnehmer einen höheren Betrag nachweisen, stehen ihm selbstverständlich bei einer sogenannten "freien Kündigung" auch höhere Beträge zu.

Das Kündigungsrecht des Auftraggebers

Leistungsänderungen durch den Auftraggeber

Schwierig wird es, wenn der Auftraggeber Leistungsänderungen verlangt (z. B. Parkett statt einfacher Holzdielen). Für die vor dem 01.01.2018 geschlossenen Verträge gelten noch die alten Bestimmungen des BGBs. Dort gab es für die vom Auftraggeber verursachten Leistungsänderungen keine ausdrückliche gesetzliche Regelung. Den Baujuristen und den Gerichten war allerdings klar, dass es am Bau oft nicht ohne Änderungen abgeht. Man hat deshalb die unterschiedlichsten Regelungen herangezogen, weshalb das Änderungsverlangen des Auftraggebers zulässig sein soll. Änderungsmöglichkeiten wurden oft nur mit dem Gedanken von Treu und Glauben (§ 242 BGB) begründet. Für Nachtragsleistungen war im Zweifel die übliche Vergütung gem. § 632 Abs. 2 BGB a. F. zu leisten. Für ab dem 01.01.2018 geschlossene BGB-Verträge gewährt der Gesetzgeber in § 650 b BGB dem Auftraggeber ein ausdrückliches Anordnungsrecht, das dem in § 1 VOB/B vorgesehenen stark ähnelt. Die neue Bestimmung unterscheidet zwischen zwei Arten der Leistungsänderung. Die erste beinhaltet die "Änderung des vereinbarten Werkerfolgs", die zweite behandelt die Änderung, die "zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolgs notwendig ist". Auf den ersten Blick erscheinen die beiden neuen Regelungen derjenigen des § 1 Abs. 3 und 4 VOB nachempfunden. Der Gesetzgeber will wohl zwei unterschiedliche Änderungsgründe geregelt haben. Zum einen geht es um Änderungen, die die vereinbarte Funktionalität gewährleisten sollen (notwendige Änderung) und zum anderen solche Änderungen, die für die Funktionalität nicht notwendig sind.

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Angebot über geänderte Vergütung

In beiden vom BGB vorgesehenen Fällen muss der Auftragnehmer dem Auftraggeber ein Angebot über die geänderte Vergütung machen, wenn hierfür die Planungsvoraussetzungen gegeben sind. Der Gesetzgeber ist so blauäugig, dass er den Parteien vorab 30 Tage Zeit gibt, um sich über das Nachtragsangebot des Auftragnehmers zu einigen. Ein frommer Wunsch! Für den GaLaBau-Bereich dürfte die 30-Tagesfrist in den meisten Fällen zu lang sein. Es gibt mit den neuen Bestimmungen bisher kaum Erfahrungen. Wie jedoch in der Literatur immer wieder darauf hingewiesen wird, stellt die 30-Tagesfrist eine Regelung dar, die es dem Auftragnehmer ermöglicht, die Fertigstellung der Werkleistung zu verzögern und gegebenenfalls auch Vertragsstrafen auszuhebeln. Bei kleineren Aufträgen, erscheint die 30-Tages-Regelung im Übrigen auch kaum zweckmäßig zu sein, da der Auftrag möglicherweise gar keine Ausführungszeit von 30 Tagen vorsieht. Erst nach Scheitern des Einigungsversuches (im Zweifel nach den 30 Tagen) steht dem Auftraggeber ein einseitiges Anordnungsrecht zu. Bei notwendigen Änderungsleistungen muss der Auftragnehmer sodann die geänderte Leistung ausführen. Bei nicht notwendigen Änderungsleistungen (Zusatzleistungen) muss der Auftragnehmer zwar auch die geänderte Leistung ausführen, allerdings mit der Einschränkung, es sei denn die Änderungsleistung sei für ihn unzumutbar. Auch hier hat der Gesetzgeber mit seiner Formulierung neues Streitpotenzial geschaffen. Die Parteien können sich trefflich darüber streiten, ob eine nicht notwendige Änderung für den Auftragnehmer unzumutbar ist oder nicht.

Die VOB als bessere Regelung?

Soweit der Auftraggeber kein Verbraucher im Sinne des Gesetzes ist, sollten die Parteien ernsthaft überlegen, ob sie in Anbetracht der noch nicht geklärten Streitfragen vielleicht doch lieber die VOB vereinbaren und so den neuen gesetzlichen Regelungen und den damit gegebenen Streitpunkten aus dem Weg gehen. § 1 Abs. 3 VOB/B regelt die Änderung der Leistung durch den Auftraggeber, § 1 Abs. 4 VOB/B die notwendige Zusatzleistung. In beiden Fällen erfolgt die weitere Abwicklung und Ermittlung der zusätzlichen Vergütung nach § 2 Abs. 5 beziehungsweise § 2 Abs. 6 VOB/B. Die VOB-Regelung hat für beide Vertragsparteien den Vorteil, dass man sich weitgehend auf eine bekannte von der Rechtsprechung gefestigte Rechtslage verlassen kann. Der Auftragnehmer muss allerdings bei § 2 Abs. 6 VOB/B den oft übersehenen Fallstrick beachten, dass er vom Auftraggeber für eine nicht vorgesehene vertragliche Leistung nur Anspruch auf besondere Vergütung hat, wenn er den Anspruch dem Auftraggeber angekündigt hat, bevor er mit der Ausführung der Leistung begonnen hat. Entgegen den Vorhersagen einiger Baujuristen ist die VOB durch die Neuregelungen im BGB keinesfalls tot. Es lohnt sich durchaus darüber nachzudenken, ob man zumindest außerhalb des Verbraucherbereichs die VOB weiter vereinbart, zumal der Gesetzgeber leider eine Reihe Regelungen, die die VOB beinhaltet, nicht in das BGB aufgenommen hat.

Kann der Auftragnehmer seine Leistungen einstellen?

Wenn der Auftraggeber grundlos berechtigte Forderungen des Auftragnehmers nicht bedient, kann er gegenüber dem Auftraggeber ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen, das zum Beispiel auch in Form der Einstellung der Arbeiten erfolgen kann. Viel wichtiger ist die Beantwortung der Frage, ob ein Auftragnehmer seine Leistungen für vom Auftraggeber geänderte oder zusätzliche Leistungen einstellen darf, bis die Vergütung über die Nachträge feststeht. Für geänderte Leistungen gem. § 2 Abs. 5 VOB/B wird lediglich verlangt, dass eine Vereinbarung des neuen geänderten Preises vor der Ausführung der Leistungen getroffen werden soll, also nicht getroffen werden muss. Für zusätzliche Leistungen gem. § 2 Abs. 6 VOB/B wird verlangt, die Vergütung "möglichst vor Beginn der Ausführung" zu vereinbaren. Beide zitierte Bestimmungen gehen also nicht davon aus, dass der Auftragnehmer so ohne weiteres seine Leistungen einstellen kann, bevor nicht die entsprechende Vergütung sichergestellt ist. Jedem Auftragnehmer ist anzuraten, deshalb rechtzeitig zu klären, ob und in welcher Höhe der Auftraggeber bereit ist, die Leistung zu vergüten. Im Baubereich hat sich bei manchen Auftraggebern eine Übung ergeben, wonach sie eine geänderte oder zusätzliche Leistung dem Grunde nach beauftragen, aber die Höhe der Vergütung offen lassen. In einem solchen Fall ist es für einen Auftragnehmer äußerst schwierig oder schon fast unmöglich, die Leistungen einzustellen, zumal die VOB dem Auftragnehmer eine gewissen Sicherheit gibt, ob und wie die Nachträge im Einzelnen zu kalkulieren sind. Als Preisermittlungsgrundlage denke man immer an den Satz: "Guter Preis bleibt guter Preis, schlechter Preis bleibt schlechter Preis". Lehnt jedoch der Auftraggeber die Bezahlung einer berechtigten Forderung gem. § 2 Abs. 5 oder 6 VOB/B von vornherein ab, ist der Auftragnehmer berechtigt, die geänderte beziehungsweise zusätzliche Leistung zu verweigern. Er ist allerdings nicht berechtigt, die Leistungen des gesamten Auftrages sondern nur den geänderten oder zusätzlichen Teil zu verweigern. Das Oberlandesgericht Brandenburg hat in einem Urteil vom 19.10.2005, Az. 4 U 151/04 schon damals dem Auftragnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht zugesprochen, wenn der Auftraggeber das berechtigte Verlangen des Auftragnehmers auf Anpassung der Vergütung ganz eindeutig und grundlos ablehnt oder wiederholt zweifelsfrei sachfremde Erwägungen anführt. Einem Auftragnehmer sei dringend angeraten, eine Leistungsverweigerung nicht ohne juristischen Beistand vorzunehmen. Hat der Auftragnehmer grundlos oder nicht mit ausreichender Berechtigung seine Leistung verweigert, kann der Auftraggeber den Spieß umdrehen und ihn schadensersatzpflichtig machen beziehungsweise auch das Vertragsverhältnis mit sämtlichen dann gegebenen Konsequenzen kündigen.

Neue Regelung im BGB

Schwieriger wird die Handhabung der neuen gesetzlichen Regelung im BGB gem. § 650b f. f. Dort sieht das Gesetz in § 650d BGB sogar die Möglichkeit einer einstweiligen Verfügung wegen einer Vergütungsanpassung vor. Veröffentlichte Entscheidungen maßgeblicher Gerichte in Bezug auf die Beantragung einer einstweiligen Verfügung gibt es bisher nicht. Dies ist auch nicht verwunderlich, weil die neuen Vorschriften erst für Verträge, die nach dem 31.12.2017 geschlossen wurden, gelten. Für die Gerichte ist die gesetzliche Regelung völliges Neuland. Es bleibt abzuwarten, ob und wie sich die Neuregelung in der Praxis bewährt. Ich selbst habe große Zweifel, da die Materie in den meisten Fällen für eine einstweilige Verfügung nur sehr bedingt geeignet erscheint. Jedem Auftragnehmer sei deshalb abgeraten, zum gegenwärtigen Zeitpunkt sein Glück mit der neuen Regelung einer einstweiligen Verfügung zu versuchen.

 Rainer Schilling
Autor

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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