Der Kommentar

2045 – klimaneutral und pleite

von:
Stellen Sie sich den Inhaber einer standortgebundenen Produktionsindustrie, sagen wir aus Nordamerika, vor. Wenn dieses Unternehmen nach einem Produktionsstandort in Europa suchen würde, würde es Deutschland wählen? Die Antwort wäre mit großer Sicherheit ein klares Nein – es sei denn, es gibt 10 Milliarden geschenkt.

Inzwischen haben wir dieses latent wirtschaftsfeindliche Gefühl auch schwarz auf weiß. Nach einer aktuellen OECD-Studie stürzt Deutschland beim Wachstum an das Ende aller Industrieländer ab, genau auf Platz 17 von 19, einen Platz vor Russland und Argentinien.

Als einziges G7 Land verfestigt sich hier eine Rezession. Nicht nur beim Frauen- und beim Männer-Fußball, auch in der Wirtschaft ist Deutschland am Ende der Tabelle gelandet.

Für das britische Nachrichtenmagazin "Economist" waren wir 1999 schon einmal "The sick man ot the euro". Die Regierung Schröder hat danach beherzt die in Europa viele Jahre bewunderte Agenda 2010 auf dem Weg gebracht. Heute scheint die gendergerechte Übersetzung von "sick man" mehr Diskussion auszulösen als die Tatsache, dass Deutschland "ein kranker Mann" ist.

Es gibt viele Gründe, die unseren fiktiven Unternehmer von einer Investition in Deutschland abhalten. Es sind die hohen Energiekosten, die Inflation, die zusätzlich durch Staatsausgaben befeuert wird. Es sind die gestiegenen Zinsen und die schwindende Kaufkraft.

Es ist die Art, wie wir die Regeln, die aus Europa kommen, wie Datenschutz oder das neue EU-Whistleblower-Gesetz, bei uns umsetzen. Es ist das hehre Ziel, alles richtig machen zu wollen. Auch die zunehmend staatlich gesteuerte Planwirtschaft in Form von Heizungsgesetz, Gaspreissteuerung und hohen gesetzlichen Mindestlöhnen schrecken Unternehmen ab.

Ein Wirtschaftsminister, der offenbar nicht weiß, was ein Unternehmen insolvent macht, ist auch wenig hilfreich. Selbst deutsche Unternehmen suchen aktiv nach Standorten im Ausland.

Die Gründe können aber nicht nur den Regierenden zugeordnet werden, sondern liegen auch bei uns und unserem Wohlstand. Es ist der für ein Unternehmen inakzeptable Fachkräftemangel beim gleichzeitigen Wunsch, noch früher finanziell gut ausgestattet in Rente zu gehen. Es ist das Recht auf Home-Office, auf Teilzeitarbeit und der Wunsch nach einer Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich.

Landschaftsbaubetriebe können – wie die gesamte Bauwirtschaft – die Produktion nicht ins Ausland verlegen und müssen den Standort nehmen, wie er ist. Die ersten Warnsignale kommen von der Bauindustrie. Seit 14 Monaten geht der Auftragseingang zurück. Im Zeitraum von Januar bis Mai 2023 um fast 15 Prozent, im Bereich Wohnungsbau sogar um 20 Prozent.

In den ersten vier Monaten haben schon 437 Unternehmen im Bauhauptgewerbe Insolvenz anmelden müssen. "Der Wohnungsbau ist nach wie vor im freien Fall": so lässt sich der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie zitieren. Auch im Landschaftsbau haben die ersten Betriebe Schwierigkeiten, wobei die Gründe nicht immer auf die allgemeine Wirtschaftslage zurückzuführen sind.

Ich würde mich sehr freuen, wenn Deutschland 2045 zu den ersten klimaneutralen Ländern der Welt gehören würde. Immerhin jährlich fast 2 Prozent weniger schädliche Emissionen von Treibhausgasen in der Welt. Schlecht wäre es jedoch, wenn wir dann immer noch "The sick man of the euro" sind.

Ihr Martin Thieme-Hack

NL-Stellenmarkt

Relevante Stellenangebote
Gärtner/-innen (m/w/d), Stuttgart  ansehen
Gärtner (m/w/d), Mühlacker  ansehen
Meisterin (w/m/d) / Technikerin (w/m/d) / Bachelor..., München  ansehen
Alle Stellenangebote ansehen
Prof. Dipl.-Ing. (FH) Martin Thieme-Hack
Autor

Hochschule Osnabrück, Fakultät A&L

Hochschule Osnabrück University of Applied Sciences

Ausgewählte Unternehmen
LLVZ - Leistungs- und Lieferverzeichnis

Die Anbieterprofile sind ein Angebot von llvz.de

Redaktions-Newsletter

Aktuelle GaLaBau Nachrichten direkt aus der Redaktion.

Jetzt bestellen