Rasen: Plädoyer für einen zu Unrecht Gescholtenen

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Klimarasen Rasen
Ein gepflegter Parkrasen lädt die Menschen ein! Foto: Martin Bocksch

Rasen hatte 2022 keinen leichten Stand. Einige Flächen wurden von der Trockenheit und der Hitze zerstört. Andere, die bewässert wurden, mussten Schmähungen und viel schlechte Presse über sich ergehen lassen. Wasserverschwendung für eine "ökologisch wertlose" Fläche, hieß es. Und die Lösung hatten alle Autoren gleich parat: Wildblumenwiesen. Nur sie böten Insekten Nahrung und Lebensraum, brauchen zudem kein Wasser und seien wertig, nachhaltig und schön.

Wildblumenwiesen bieten in der Tat vieles davon, dennoch können Wildblumenflächen nicht das bieten, was Rasenflächen können. Nur Rasen bieten entspannendes Grün fürs Auge, eine weiche Liegefläche, aber auch Spielplatz und Bewegungsraum ohne Risiko der Verletzung, wenn man fällt. Eine Fläche, deren Schäden sich selbst regenerieren und die sowohl im privaten wie im öffentlichen Raum funktionieren.

Rasen schenkt Lebensqualität

Gerade letzteres wird in Städten mit knappem Platz immer wichtiger. Wir brauchen diese begehbaren Grünflächen in Parks, um Menschen ohne Garten auch einen grünen Lebensraum anbieten zu können. Das wird für das soziale Gefüge und Miteinander wichtig - wichtiger denn je. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen und der Erwärmung in den Ballungszentren, sind diese Rasenflächen ein wichtiges soziales Element. Dort können sich alle austoben, sich erholen und durchatmen.

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Lebensraum für Mikro- und Makrofauna

Grüne Rasenflächen sind jedoch auch ökologisch. Diese Flächen sind bei weitem nicht so negativ und schlecht, wie sie oft dargestellt werden. Rasen lebt! Auf, in und unter der Grasnarbe! Natürlich keine schönen, großen, bunten Schmetterlinge oder andere Großinsekten, dafür ist eine Rasennarbe zu dicht. Aber es gibt auch für diesen Lebensraum durchaus angepasste Spezialisten, wie auch Dr. Dieter Steinwarz, Biologische Station Rhein-Sieg-Kreis, im Rahmen seiner Promotion herausfand. Dabei handelt es sich in erster Linie um Kurzflügelkäferarten, aber auch Spinnen und kleinere Laufkäfer. Kleinere beziehungsweise schmalere Insekten. Sie sind daher nicht so auffällig und in der Folge viel unbekannter, ja eigentlich kaum bekannt.

Rasenflächen bieten also durchaus Lebensraum für Insekten und andere Mikro- und Makrofauna. Raubvögel brauchen solche offenen Flächen mit kurzem Rasen für ihre Jagd auf Mäuse und auch Regenwürmer. Man muss nur hinschauen, dann kann man auf der "toten" Rasenfläche viel Leben sehen. Doch, es gibt dort noch viel zu lernen.

Grüne, vitale Rasenflächen können und leisten jedoch noch viel mehr - für uns und unsere Umwelt. Rasengräser produzieren Energie, denn das Schnittgut kann in Biogasanlagen und auch einfach im Lager energetisch genutzt werden. Auch brennt ein frischer, grüner Rasen nicht. Wir können daher durchaus von einer nicht unwichtigen Brandschutzfunktion von Rasenflächen sprechen. Sie trennen Häuser ab und verhindern so ein Überspringen von Flammen. Im Fußballstadion werden Zuschauer im Brandfall auch auf das Spielfeld evakuiert! (Müller-Beck)

Zudem bauen aktive Rasenflächen synthetische Stoffe ab und binden Stickstoff in ihrer Biomasse. Nährstoffauswaschungen ins Grundwasser gibt es unter Rasennarben mit ihrem dichten, flachen, sekundären Wurzelsystem in der Regel nicht.

Nicht unerheblich ist auch die Tatsache, dass Rasenflächen, ausreichend Wasser vorausgesetzt, ganzjährig grün sind. Das heißt sie besitzen aktives Chloropyhll und sind daher - außer unter Schnee und bei Dauerfrost - in der Lage Photosynthese zu betreiben. Und nur dabei entnehmen sie der Luft CO2 und geben O2 ab. Eine elementare und wichtige Ökosystemleistung vitaler Rasenflächen, die dabei Landschaftsrasen aufgrund ihrer jungen, aktiven Blätter und höherer Narbendichte deutlich übertrifft. Bei Trockenheit jedoch schließen die Graspflanzen die Stomata, um kein Wasser beim Gasaustausch zu verlieren. In der Folge kommt die Photosynthese zum Erliegen und ebenso der Gasaustausch.

Bindung von CO2

  • Pro Quadratmeter Rasen werden durchschnittlich 2,5 kg CO2 entzogen.
  • Bei der Rasenpflege in den Betrieben wird CO2 wieder in die Atmosphäre abgegeben.
  • Auch durch die Verwendung von Dünger wird CO2 wieder in die Atmosphäre zurückgeführt.
  • In der Bilanz liegen die Rasenproduzenten jedoch immer um 1,6 kg CO2/m² im positiven Bereich. (DRV-Rasenwissen Nr. 1-2021)

Naturrasen entzieht der Atmosphäre Kohlendioxid:

Stabile Rasennarben sichern den Boden und schützen ihn. Winderosion und auch Zerstörung und Erosion durch Wasser hat auf dichten Rasenflächen kaum eine Chance. Deswegen werden Flussböschungen mit Fertigrasen angedeckt und tragen Deiche eine dichte, kurze Grasnarbe.

Aber Rasenflächen konservieren den Boden nicht nur. Mit abgestorbener Blattmasse und gebundenem Staub lassen sie neuen Boden entstehen. Nährstoffe, Licht und Wasser lassen das Gras wachsen. Es werden neue Blätter und Wurzeln gebildet. Wenn sie absterben, wird diese organische Masse vom Bodenleben weiter abgebaut. Nährstoffe werden wieder freigesetzt und in den Kreislauf zurückgegeben und können so von den Gräsern erneut aufgenommen werden. Humus bereichert den Boden und verbessert damit die Bodeneigenschaften langfristig - da diese Dauerform von organischer Substanz den Boden lockerer macht, Wasser und Nährstoffe gut speichern kann und viele weitere Vorzüge bietet.

Bindung von Staub

Rasenflächen sind zudem wichtige Staubfallen. Staub fällt auf den Boden, wird auf glatten Flächen jedoch immer wieder vom Wind aufgewirbelt und weitergetragen. Nicht so auf Rasenflächen - fällt dort Staub zwischen die Grashalme und -blätter, liegt er windgeschützt und verbleibt dort. So sammeln Rasenflächen jährlich etwa einen Millimeter Staub aus der Luft und das trägt nicht unerheblich zur Verbesserung der Luftqualität bei.

Damit jedoch nicht genug. Vitale Rasen beeinflussen ihre Umgebung darüber hinaus noch ganz massiv und spürbar. So puffern sie extreme Hitze ab. Was befähigt die Rasenflächen dazu? Rasen sind oft die letzten versickerungsfähigen Flächen in unseren urbanen Räumen. Niederschläge können hier versickern und tragen damit dazu bei, den immer kleineren Grundwasserkörper unter unseren Städten wieder aufzufüllen. Zudem speichern die Graspflanzen und der Boden Wasser. Durch langsame Verdunstung wird Hitze gekühlt und somit abgemildert und die trockene Luft befeuchtet und entstaubt.

Unterschiede, die man spüren und messen kann.

Umweltleistung Temperaturausgleich

In den Sommermonaten reduzieren Rasenflächen die Hitzetemperaturen maßgeblich. Durch Transpirationsleistungen kühlen die Gräser die Umgebung ab und sorgen so auch für frische Temperaturen im Haus.

Im Sommer können Temperaturunterschiede auf einem grünen Rasen erheblich sein:

  • 10 °C niedriger als offener Boden;
  • 20 °C niedriger als Asphalt oder Schotter;
  • 40 °C niedriger als trockener Kunstrasen.

Kühlungseffekt der Gräser kann größer sein als bei Bäumen. Rasen ist gleichwertig wie die Kühlung eines Teiches, dabei ist die Verdunstung von Wasser (Evapotranspiration) um 40 Prozent geringer.

Unterschiede, die man spürt und auch messen kann. Rasenflächen liefern damit einen nachweislichen Beitrag als Ökosystemleistung. Ein gut gepflegter dichter Rasen ist somit nicht nur das Aushängeschild des Sportvereins oder der kommunalen Grünflächenverwaltung, sondern bietet die Gewähr für eine positive Umweltwirkung.

Ein gutes Allgemeinbefinden der Menschen hängt von gut funktionierenden Ökosystemen ab. Sie liefern Sauerstoff zum Atmen, sauberes Wasser, Nahrungsmittel, Grundstoffe für Medikamente, Industrierohstoffe und sind Speicher für Klimagase und vieles mehr. (DRV-Rasenwissen 1-2022)

Prof. Martin Bocksch
Autor

Diplom Agrarbiologe

Hochschule Geisenheim University

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