Fassadengebundene Begrünungssysteme

Bodenungebundene vertikale Begrünung auf Basis von Pflanzsteinen

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Fassadengebundene Begrünungssysteme stellen in dicht besiedelten Ballungsräumen eine Alternative zu Bodenpflanzungen dar und erschließen das bisher weitgehend ungenutzte Potenzial der Vertikalen. In Ergänzung zu weiteren Maßnahmen, wie der Entsiegelung von Flächen, Schaffung von Wasserretentionsflächen oder Retentionsgründächern, können sie einen Baustein der Klimaanpassung darstellen und helfen, das Mikroklima und die Lebensqualität in urbanen Quartieren zu verbessern. Im Beitrag wird ein System für die bodenungebundene vertikale Begrünung auf Basis von Pflanzsteinen sowie ein bereits umgesetztes Projektbeispiel vorgestellt, und anhand von Untersuchungen an einer Funktionsmusterwand werden Konzepte zur Bepflanzung, der Pflanzenauswahl und -entwicklung diskutiert.
Vertikale Gärten Bauwerksbegrünung
In stark versiegelten innerstädtischen Gebieten sind die Folgen von Wetterextremen besonders drastisch. Foto: Denis Feldmann, Adobe Stock

Die Klimaentwicklung in Deutschland bringt zwei zentrale und große Herausforderungen mit sich: Die Erwärmung und den (Stark-)Niederschlag. Das Temperaturmittel ist in allen deutschen Regionen angestiegen: 8,2 °C (1961–1990), 9,3 °C (1991–2020) und 10,4 °C im Jahr 2020. Beim Niederschlag zeigen die Daten einen linearen Trend zu mehr Niederschlag im Winter und weniger Niederschlag mit Hitze-/Trockenwellen im Sommer, die von Starkregenereignissen unterbrochen werden. Laut Prognosen werden sich diese Effekte ohne Gegenmaßnahmen kurzfristig (bis 2050) und langfristig (bis 2100) noch verstärken [Buchholz–2021].

Während dem Klimaschutz viel Aufmerksamkeit zufällt, wird die Klimaanpassung weit weniger diskutiert. Aber auch Anpassungen an die Folgen des Klimawandels sind ein elementarer Baustein und mit Maßnahmen zum Klimaschutz zusammenzubringen. Besonders die Städte sind hierbei von zentraler Bedeutung, da Klimaanpassungsmaßnahmen einhergehen müssen mit der Schaffung neuen Wohnraums, sowohl im Bestand als auch beim Neubau. In stark versiegelten und verdichteten innerstädtischen Gebieten sind die Folgen von Wetterextremen (wie Starkregen, Hochwasser, Hitzewellen) besonders drastisch und die Auswahl an Maßnahmen eingeschränkt.

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Vertikale Gärten Bauwerksbegrünung
1. Schematischer Aufbau des Systems "Biolit Vertical Green". Abbildung: Wack, Adler

Fassadengebundene Begrünungssysteme stellen in dicht besiedelten Ballungsräumen eine Alternative zu Bodenpflanzungen dar und erschließen das bisher weitgehend ungenutzte Potenzial der Vertikalen. In Ergänzung zu weiteren Maßnahmen, wie der Entsiegelung von Flächen, Schaffung von Wasserretentionsflächen oder Retentionsgründächern, stellen sie einen Baustein dar, das Mikroklima und Lebensqualität in urbanen Quartieren zu verbessern.

Vor diesem Hintergrund hat das Fraunhofer-Institut für Umwelt, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT in Oberhausen in den letzten Jahren zusammen mit Partnern (Biolit Green Systems GmbH und UNIKA Kalksandstein Westfalen GmbH) an der Entwicklung eines Systems auf Basis von mineralischen Bauelementen geforscht. Das System befindet sich aktuell in der Markteinführung.

Im Beitrag wird ein bereits umgesetztes Projektbeispiel vorgestellt, und anhand von Untersuchungen an einer Funktionsmusterwand werden Konzepte zur Bepflanzung, der Pflanzenauswahl und -entwicklung diskutiert.

Das vertikale Begrünungssystem

Im Vergleich zu den bisher vorliegenden und etablierten Techniken zur bodenungebundenen Begrünung basiert das System auf einem homogenen, saugfähigen und flüssigkeitsspeichernden mineralischen Pflanzstein (Kalksandstein). Aus den einzelnen Pflanzsteinen (Abmessungen L x H x B = 248 mm x 240 mm x 240 mm) können variabel Wände erstellt werden. Die Pflanzsteine enthalten eine Pflanzrinne und eine Bewässerungsrinne, in die beim Aufbau ein Tropfschlauch eingelegt wird. Nach der Fertigstellung der Wand werden die Pflanzrinnen mit Substrat gefüllt und anschließend direkt bepflanzt oder mit Pflanzensamen eingesät. In Abbildung 1 ist der Aufbau des Systems schematisch dargestellt. Für weitergehende Informationen wird auf bereits veröffentliche Beschreibungen verwiesen [Wack-2015, Wack-2017].

Kleinteilige Module werden im Bereich von Balkonen oder Terrassen zur Anzucht von Pflanzen genutzt oder dienen als vertikaler Kräutergarten. Das System ist frei skalierbar und ermöglicht im Garten- und Landschaftsbau die Gestaltung von Geländeübergängen, die Errichtung von Pflanzmauern und die Erstellung von grünen Schallschutzwänden, Trennwänden und Wandverkleidungen.

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2. Klimainsel am Standort der Ruhrbaustoffwerke GmbH & Co. KG in Castrop-Rauxel. Südseite (l.): Aufenthaltsbereich für die Mitarbeitenden mit Gras- und Kräuterwand, Nordseite (r.): Blütenpflanzen mit Bienenhotel. Abbildung: Wack, Adler

Projektbeispiel "Klimainsel"

Nach dem beschriebenen Prinzip wurden ab 2015 von den Projektpartnern erste Funktionsmuster erstellt und untersucht. Auf Basis der Ergebnisse wurde im Jahr 2018 durch die UNIKA Kalksandstein Westfalen GmbH am Werksstandort der Ruhrbaustoffwerke GmbH & Co. KG in Castrop-Rauxel eine "Klimainsel" geplant und errichtet (s. Abbildung 2).

Die Klimainsel wurde als Aufenthaltsbereich für die Mitarbeitenden konzipiert und besteht aus zwei jeweils doppelschaligen Wänden, sodass insgesamt vier Wände für die Bepflanzung zur Verfügung standen. Für die Bepflanzung wurden unterschiedliche Themen gewählt. Auf der Südseite wurde eine Wand mit Gräsern eingesät und eine Wand als Kräuterwand gestaltet. Auf der Nordseite wurde eine Wand mit frühblühenden Pflanzen und eine Wand mit spätblühenden Pflanzen ausgestattet.

Seit 2018 wird das System betrieben und dient vom Grundaufbau her als Planungsbeispiel für weitere Projekte. Im Jahr werden 1 bis 2 Pflegegänge durchgeführt und dabei vornehmlich Pflanzen zurückgeschnitten sowie im Hinblick auf die optische Gestaltung teilweise getauscht.

Vier Pflanzkonzepte und erste Ergebnisse

    Neben den Untersuchungen am Projektbeispiel "Klimainsel" wurden im Rahmen einer studentischen Arbeit Bepflanzungskonzepte entwickelt, die speziell auf das Biolit-System abgestellt wurden [Beckmann-2020]. Grundlage der Arbeit waren Referenzlisten aus publizierten Gestaltungskonzepten oder Forschungsarbeiten. Im Folgenden werden zwei Konzepte näher vorgestellt, die für eine Funktionsmusterwand des Fraunhofer UMSICHT in Oberhausen geplant und im Mai 2022, unter Federführung der Biolit Green System GmbH, umgesetzt wurden (siehe Abbildung 3):

    • Konzept 1 für schattigen Bereich: "Blütenschatten",
    • Konzept 2 für schattigen Bereich: "Schatten ruhig".

    Die Funktionsmusterwand besteht aus insgesamt 8 Reihen, mit jeweils 31 Vollsteinen und einem Halbstein pro Reihe. Die beiden Pflanzkonzepte wurden für jeweils eine Hälfte der Wand geplant. Insgesamt wurden 341 Pflanzen eingesetzt, was einer Bestückung von circa eine Pflanze pro Dreiviertel Pflanzsteinlänge entspricht. Die Aufstellung der eingesetzten Pflanzen zeigt Tabelle 1.

    Vertikale Gärten Bauwerksbegrünung
    3. Pflanzkonzepte für die Bepflanzung der Funktionsmusterwand des Fraunhofer UMSICHT. Abbildung: Wack, Adler
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    Tabelle 1: In den Pflanzkonzepten eingesetzte Pflanzen (die Symbole entsprechen den in Abbildung 2 dargestellten Symbolen). Abbildung: Wack, Adler

    Die Bepflanzung erfolgte Mitte Mai 2022. Bei einer ersten Kontrolle im Juni 2022 zeigte sich ein Pflanzenausfall von 6 Pflanzen, die nicht angewachsen und vertrocknet waren. Die Ausfälle waren keiner speziellen Art zuzuordnen, was vermuten lässt, dass die Pflanzen gegebenenfalls bereits bei der Anlieferung geschädigt waren.

    Die Entwicklung der Bepflanzung ist in Abbildung 4 im Überblick dargestellt. Bei beiden Pflanzkonzepten haben sich die Pflanzen gut entwickelt und zeigten wenig Ausfälle, wobei sie im Zusammenspiel mit dem Pflanzstein unterschiedliche Wirkung entfalten. In Konzept 1 erscheint der Pflanzstein insgesamt etwas dominanter als in Konzept 2, wobei hier berücksichtigt werden muss, dass die Pflanzenentwicklung noch nicht vollständig abgeschlossen ist.

    Zustandsbewertung Stand November 2022

    In der Gesamtbewertung der eingesetzten Pflanzen haben sich die Farne (Dryopertis affinis, Athyrium niponicum, Polystichum setiferum, Arachniodes standishii) bis November 2022 allesamt am schlechtesten entwickelt. Athyrium niponicum zeigt hier noch die beste Entwicklung, mit leichtem Biomasseaufbau und vitaler Erscheinung. Die anderen Farnsorten blieben dagegen stark zurück und zeigten vereinzelt auch Ausfälle, insbesondere Dryopertis affinis, wobei hier insgesamt die weitere Entwicklung abgewartet werden muss.

    Besonders gut haben sich Waldsteinia ternata und Geranium entwickelt. Die Pflanzen zeigten eine starke Biomassezunahme und entwickeln sich sehr gut in eine nahezu 100 Prozent begrünt anmutende vertikale Fläche.

    Ein besonderer Effekt zeigte sich in der Entwicklung von Cymbalaria muralis. Die Pflanze war nicht in den Pflanzplänen enthalten, wurde aber ab circa Juni/Juli 2022 in der Wand im Pflanzbereich von Pflanzkonzept 2 gefunden und ist vermutlich durch Selbstaussaat entstanden. In Abbildung 4 ist die Entwicklung von August 2022 bis November 2022 dargestellt. Die Pflanze zeigt ein exzellentes Wachstum, einhergehend mit einer sehr guten Ausbreitung, was zu einer entsprechend flächig grünen Anmutung führt.

    Vertikale Gärten Bauwerksbegrünung
    4. Entwicklung der Bepflanzung von Mai 2022 bis November 2022. Abbildung: Wack, Adler

    Ausblick

    Mit dem System "Biolit Vertical Green" steht ein neues, frei skalierbares Pflanzsystem für den Einsatz zur vertikalen Begrünung zur Verfügung und ergänzt so das Spektrum der bestehenden und etablierten Systeme. Der Anwendungsschwerpunkt des Systems liegt aktuell im Garten- und Landschaftsbau, wobei erste Anwendungen zur Fassadenbegrünung in der Planung und im Bau sind.

    Vertikale Begrünungen können einen Baustein zur Klimaanpassung darstellen und helfen, das Mikroklima und Lebensqualität in urbanen Quartieren zu verbessern. Vor diesem Hintergrund wird das System in weiteren Arbeiten auf diesen Impact hin überprüft, wobei hierbei auch die Untersuchung von systemangepassten Bewässerungskonzepten sowie technischen Lösung eingebunden werden wird.

    Literatur

    [Beckmann-2020] Beckmann, G., Entwicklung von Bepflanzungskonzepten für das Fassaden-begrünungssystem Biolit Vertical Green, Bachelorarbeit, Hochschule Osnabrück, Fakultät Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur, Studiengang Ingenieurwesen im Landschaftsbau, 2020.

    [Bucholz-2021] Buchholz, S., Der Klimawandel und seine Folgen für Deutschland, Bundeskongress Gebäudegrün, 23.11.2021, Berlin

    [Wack-2015] Wack, H., Konzept und Realisierung einer vertikalen Begrünungsmethode mit dem Ziel der Feinstaubsorption im urbanen Raum, ANLIEGEN NATUR, 37 (2015), 1–5.

    [Wack-2017] Wack, H., System für die bodenungebundene vertikale Begrünung, Neue Landschaft, Heft 6 (2017), 28–30.

    Dr. rer. nat. Holger Wack
    Autor

    stellv. Abteilungsleiter Materialsysteme und Hochdrucktechnik, Fraunhofer-Institut UMSICHT

    Dipl.-Ing. Berthold Adler
    Autor

    Biolit Green Systems GmbH

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