Erster Zwischenbericht

Biomonitoring auf Hamburgs Gründächern

von: Dr. Hanna Bornholdt, Justus Alexander Quanz, Lukas Kühle, Dr. Hannes Hoffmann, Elisabeth Fröhlich
Auf Hamburgs begrünter Dachlandschaft leben mindestens 235 verschiedene Käferarten, darunter auch seltene wie die Auswertung des ersten Teils eines Biomonitorings auf verschiedenen begrünten Dächern ergeben hat. Mehrere Käfer stehen sogar auf der Roten Liste und kommen nur sehr selten vor, besonders inmitten einer Großstadt. Gründächer können daher im Verbund mit anderen Naturräumen einen Beitrag zum Überleben gefährdeter Arten leisten, indem sie als Lebens- und Rückzugsräume entsprechend gestaltet werden. Der Ausbau von Dach- und Fassadenbegrünung wird seit Jahren von der Stadt Hamburg in Festsetzungen gefordert und finanziell gefördert. Mit der Hamburger Gründachstrategie wurde 2014 ein Umsetzungsprozess mit den Handlungsebenen Fördern, Dialog und Fordern begonnen, um 70 Prozent der Neubauten und der geeigneten sanierungsbedürftigen Dächer zu begrünen.
Hamburg Bauwerksbegrünung
Karte von Hamburg mit den sieben Untersuchungsstandorten des Biomonitorings auf Hamburgs grünen Dachlandschaften. Quelle: LGV/BUKEA Hamburg

Seit dem Start der Strategie vor acht Jahren hat sich die begrünte Dachfläche in der Stadt um etwa 86 Hektar vergrößert. Neben dem Ziel, den Gründachanteil zu erhöhen, ist die Qualifizierung von Gebäudebegrünungen Teil der Strategie. Dafür wurden beispielsweise die Möglichkeiten von Dachbegrünungsfestsetzungen in Bebauungsplänen mit beispielhaften Festsetzungstexten und -begründungen erweitert, zum Beispiel zu Art und Höhe des Substratauftrags, der Vegetationsauswahl, der Retention und Biodiversität (s. Dachbegrünung, Leitfaden zur Planung, S. 32–41). Weiterhin wurden bei einzelnen besonderen Projekten Qualifizierungsmaßnahmen mit Ansaaten und Strukturelementen zur Erweiterung des Lebensraumangebotes umgesetzt, um deren Funktion untersuchen und präsentieren zu können.

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Einrichtung der Becherfallen auf den Gründächern. Quelle: BUKEA/Isadora Tast, 2020

In der Studie liegt der Fokus auf der Untersuchung der Fauna. Eine begleitende floristische Untersuchung findet nicht statt. Für das Gründach am Weißenberge wurde im Jahr 2022 eine Artenbestimmung der Flora ausgerichtet, deren Ergebnisse zeitnah veröffentlicht werden. Vergleichbare Untersuchungen mit einem Fokus auf die Käferfauna wurden auf Gründächern in der Schweiz, insbesondere in Basel durchgeführt (z. B. Pétremand et al. 2018). Das Team um Dr. Stephan Brenneisen (Forschungsgruppe Stadtökologie ZHAW) und Dr. Alexander Szallies (Biologie/Entomologe) ist bekannt für ihre Untersuchungen und Veröffentlichungen von Käfern auf Gründächern. Der Hamburger Datensatz kann dem umfangreichen Datenbestand der Schweizer ZHAW gegenübergestellt und in den Käfersammlungen wissenschaftlich eingeordnet werden. Das Sammeln und erste Sortieren in Hamburg werden von einer Studierenden der Biologie (Universität Hamburg) durchgeführt. Die Studie hat für Norddeutschland Pilotcharakter und schafft die Möglichkeit, die Erkenntnisse in einer größeren bundesweiten Studie weiter zu bearbeiten.

Die handlungsleitenden Ziele für die faunistische Untersuchung der Hamburger Gründächer sind:

  • Abschätzung des Potenzials von Dachbegrünungen für die Biodiversität in Hamburg
  • Prüfung des Potenzials von Dachbegrünung für den Naturschutz relevante Arten (Rote Liste Arten)
  • Ableitung von Handlungsempfehlungen für die Planung von Gründächern

Erste Ergebnisse

Die zwei Sammelperioden aus den Jahren 2020 und 2021 liefern erste Ergebnisse. Mit der Fortsetzung des Biomomitorings in 2022 und darüberhinaus werden noch weitere Daten gesammelt, anhand derer eine erhöhte Vergleichbarkeit geschaffen werden soll. Aufgrund der verschiedenen Längen der Sammelperioden wurden in den Jahren 2020 und 2021 unterschiedlich viele Käferindividuen und -arten gefunden. Im ersten Jahr (2020) startete die Sammlung erst im Juni. Dadurch konnten mit 873 Individuen (103 Arten) vergleichsweise wenige Käfer auf sechs Dachstandorten gefunden werden. In der Sammelperiode 2021 (April-Oktober) hingegen auf sieben Standorten bereits 3.211 Käferindividuen (209 Arten). Jahresübergreifend sind 235 Käferarten bestimmt. Die meisten Arten (78 Arten und 33 % der Individuen) lassen sich der Familie der Kurzflügelkäfer (Staphylinidae), gefolgt von den Laufkäfern (Carabidae; 39 Arten) mit den meisten Individuen (56 %), den Rüsselkäfern (Curculionidae; 26 Arten und 10 % der Individuen), sowie 33 weiteren Käferfamilien (nur 11 % der Individuen) zuordnen.

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Strukturvielfalt auf dem Gründach eines Supermarktes in Hamburg-Harburg. Quelle: BUKEA/Maja Berghausen
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Solargründach in der Hamburger Innenstadt. Quelle: BUKEA/Lukas Kühle

Aus der individuenstarken Familie der Laufkäfer sind 13 der 39 Arten in Schleswig-Holstein und/oder Niedersachsen in einer Gefährdungsstufe der Roten Liste eingeteilt. Auch unter den gefundenen Kurzflügelkäferarten finden sich insgesamt elf der 78 gefundenen Arten auf einer der Gefährdungsstufen der Rote Liste Arten für das Bundesland Schleswig-Holstein (für Hamburg und Niedersachsen liegt keine Liste vor).

Die meisten Arten konnten im Jahr 2021 auf dem Gründach der sogenannten "Buchten" der Hamburger Umweltbehörde (Substratdicke 20 cm) gefunden werden (86 Arten), gefolgt vom Wälderhaus (Substratdicke ca. 10 cm) (78 Arten), SAGA Siedlung am Weißenberge (Retentionsgründach mit Substratdicke 6–9 cm) (74 Arten) und dem Hauptdach der Hamburger Umweltbehörde (Substratdicke 6 cm) (70 Arten). Deutlich weniger artenreich waren die Sporthalle in der Loogestrasse (51 Arten) und der Betriebshof im Inselpark (Substratdicke 6 cm) mit lediglich 16 Arten. In der Regel hängt ein höherer Artenreichtum mit der Schichtdicke des Substrats und der damit verbundenen Wasserkapazität zusammen. Hierdurch kann sich ein vielfältiger Pflanzenbewuchs entwickeln und Insektenarten werden mehr Nahrung und Unterschlupf geboten. Es kann vermutet werden, dass dieser Faktor auch in der Untersuchung entscheidend ist, es müssen aber noch zusätzliche Daten erhoben werden, um diese Theorie zu überprüfen.

Ausblick

Um Dachstandorte auch zukünftig als Biotope für Käfer zu erhalten und weiteren schutzbedürftigen Insektenarten in Städten einen Lebensraum zu bieten, sind verschiedene Strukturelemente und unterschiedliche Substratdicken auf Gründächern zu empfehlen. Materialien, wie Sand, Erde, Totholz und Steinhügel, sowie höhere Substratdicken scheinen hilfreiche Instrumente zu sein, um Nist- und Raststätten für die Käfer zu bieten. So wurden Ende 2020 verschiedene Strukturelemente auf dem Gründach der Hamburger Umweltbehörde eingebracht und werden hinsichtlich einer weiteren Diversifizierung der Käferfauna zukünftig beobachtet.

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Diverse Käfer von Hamburgs grünen Dachlandschaften. Quelle: Lech Borowiec
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Gefährdung der Laufkäfer- und Kurzflügelkäferarten von Hamburgs grünen Dachlandschaften nach Roten Listen von Niedersachsen und Schleswig-Holstein.

Das Gründach des Wälderhauses ist mit aufgeständerten Photovoltaikanlagen belegt und zählt in der bisherigen Untersuchung zu den artenreichsten Dächern. Die schattigen Habitate scheinen für Käfer geeignet zu sein und die Artendiversität zu fördern. Aufgrund des Hamburger Klimaschutzgesetzes besteht für alle Neubauten ab 2023 die stadtweite Verpflichtung, die erneuerbare Energiegewinnung auf Dächern unterzubringen. Gleichzeitig werden in vielen Planverfahren Gründächer bei Neubauten festgesetzt. Voraussichtlich werden so eine deutlich höhere Anzahl an kombinierten Solargründächern umgesetzt und diese Synergie hinsichtlich der Artenvielfalt kann auf weiteren Dachstandorten beobachtet werden.

Finanziert ist das Biomonitoring bis Ende 2023. Bis dahin sollen die gesammelten Ergebnisse und die Stetigkeit der Populationen geprüft, der Datenbestand erweitert und Gründachgestaltungen mit biodiversitätsfördernden Maßnahmen vertiefend untersucht werden. Ziel ist, konkretere Handlungsempfehlungen für die Gestaltung von Gründächern zu erhalten und diese in die Planungsempfehlungen oder -vorgaben der Stadt einbringen zu können um die grüne Dachlandschaft Hamburgs noch artenreicher entwickeln zu können.

Verwendete Literatur

Pétremand, G., Chittaro, Y., Braaker, S., Brenneisen, S., Gerner, M., Obrist, M.K., Rochefort, S., Szallies, A. and Moretti, M., 2018. Ground beetle (Coleoptera: Carabidae) communities on green roofs in Switzerland: synthesis and perspectives. Urban ecosystems, 21(1),
pp.119–132.

Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtrschaft (Hrsg.), 2018. Dachbegrünung. Leitfaden zur Planung, Download unter www.hamburg.de/broschueren.

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