Eingetrübte Aussichten in der Baubranche

Jetzt wird es ernst am Bau

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Seit Ende Juli überschlagen sich die Negativ-Schlagzeilen: "Der Wohnungsbau ist im freien Fall" titelte beispielsweise ntv am 25. Juli. Eine Insolvenzwelle droht. Tim-Oliver Müller (Hauptverband der Bauindustrie) warnt laut Focus online vor Massenentlassungen. In den ersten vier Monaten dieses Jahres mussten bereits 20 Prozent mehr Betriebe Insolvenz anmelden als im Vorjahr.

Trotz abgeschwächter Baupreissteigerung ging der Auftragseingang bei den Bauunternehmen im Zeitraum Januar bis Mai um 14,7 Prozent zurück, wie das Statistische Bundesamt für den vergangenen Mai meldet. Das renommierte Wirtschaftsforschungsinstitut der Immobilienwirtschaft, Bulwiengesa, registriert in seinem Development Monitor für das zweite Quartal einen Rückgang der Baustarts um 47 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.

In den ersten fünf Monaten ergibt sich damit laut Zentralverband Deutsches Baugewerbe ein Umsatzminus von real 7,3 Prozent. Zwar lebten die Unternehmen noch von ihren Auftragsbeständen, aber spätestens im Herbst dürfte sich die Lage weiter verschärfen, so berichtet die Allgemeine Bauzeitung Ende Juli. Im Bauhauptgewerbe, in dem es im Vergleich besonders schlecht aussieht, ist der ifo Geschäftsklimaindikator auf den niedrigsten Stand seit Februar 2010 gesunken.

Die Strategieberatung EY-Parthenon prognostiziert nach Angaben der Immobilien Zeitung, dass erst 2025 wieder mit einem leichten Wachstum der Baubranche zu rechnen ist. Vor allem der Wohnungsneubau ist betroffen aber selbst im bis zuletzt boomenden Logistik-Sektor führen mangelnde Flächen und die Zurückhaltung beim Neubau teilweise zu einem geringeren Flächenumsatz an großen Immobilienstandorten, zum Beispiel Hamburg. In Leipzig werden dagegen Rekord-Flächenumsätze erzielt. Dort zeigt sich die Heterogenität des Immobilienmarktes.

Wie die Immobilienzeitung berichtet, schrauben Immobilienunternehmen wie Deka Immobilien ihre Transaktionsvorhaben zudem im Bürobereich herunter, wobei die Kaufpreise deutlich unter Druck geraten. Nach Angaben der Immobilien Zeitung hält die europäische Versicherungsaufsicht Eiopa deutliche Abwärtskorrekturen bei der Neubewertung der Immobilienportfolios von Versicherern für wahrscheinlich.

Indes senkt die Ratingagentur Scope für immer mehr Immobilienfirmen die Ratingnoten, speziell in Deutschland, wie in der Immobilienzeitung Anfang August zu lesen ist. Und so vermeldet auch VONOVIA wegen Abwertungen einen Halbjahresverlust und die Wohnungsgesellschaft LEG Immobilien kündigt den Rückzug aus dem Neubau und mehr Investitionen in den Bestand an.

Wie der German Real Estate Index (Greix) zeigt, stabilisieren sich die Kaufpreise für Wohneigentum zwar inzwischen. Allerdings existieren regional sehr große Unterschiede bei der Preisentwicklung, wie der Wohnatlas Deutschland der Postbank, erstellt durch das Hamburger Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) zeigt. Dies setzt auch die Projektentwickler unter Druck, die Objekte trotz steigender Zinsen und nach wie vor hoher Kosten und bereits zu hohen Preisen eingekaufter Grundstücke nicht mehr wirtschaftlich am Markt platzieren können. Eine ganze Reihe an zum Teil namhaften Projektentwicklungsunternehmen wie zum Beispiel Development Partner aus Düsseldorf oder Euroboden aus München sind betroffen.

"Während die Weltwirtschaft 2023 um drei Prozent wächst, prognostiziert der Währungsfonds für Deutschland im Gesamtjahr 2023 ein Minus von 0,3 Prozent – der schlechteste Wert unter allen Industriestaaten", berichtete das Handelsblatt am 4. August.

Angesichts der erneuten Zinserhöhung durch die EZB sieht der Zentrale Immobilienausschuss (ZIA) die Immobilienbranche vor zu großen Herausforderungen und fordert Gegenmaßnahmen der Politik zur Entlastung.

Einige Vorschläge zur Verbesserung der Situation stehen von Seiten des Baugewerbeverbands im Raum, wie Gewährung höherer Darlehen, höhere Zinsstütze durch die KfW-Bank, reduzierte Mehrwertsteuer, Reduzierung der Grunderwerbssteuer. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) bringt selbst eine befristete Erweiterung der steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten für Neubauten ab 2024 ins Spiel.

Top-Ökonomen unseres Landes schlagen nach einem Bericht des Handelsblatts eine Senkung der Körperschaftsteuer, die Anrechnung von Eigenkapitalzinsen bei der Besteuerung, die Aussetzung der Schuldenbremse, Streichung der Strom-Abgaben, einen koordinierten europäischen Kraftwerksbau, Abschluss des Handelsabkommens zwischen der EU und den südamerikanischen "Mercosur"-Staaten, Abschaffung der Rente mit 63, Lohnsubventionen, Gehaltstransparenz oder mehr Zuwanderung von Fachkräften vor.

Da ist es eine unerwartete Nachricht, dass die deutsche Industrie im Juni das stärkste Auftragsplus seit drei Jahren verzeichnet, wie das Handelsblatt nach Angaben des Statistischen Bundesamts vermeldet. Ein schwacher Hoffnungsschimmer trotz ansonsten eher pessimistischer Aussichten. Daneben finden auch weiterhin Bauvorhaben im hochpreisigen Segment statt, für deren Kunden die gestiegenen Kosten keine große Rolle spielen, berichtete das ifo-Institut (Dorffmeister, 16.6.23). Und der private Konsum stieg laut Statistischem Bundesamt preisbereinigt in 2022 um knapp 5 Prozent und kann im Bereich Privatgarten als Umsatzstütze wirken.

Bedenklich ist aber auch der Rückgang der Einlagen bei den Sparkassen und Volksbanken unter anderem aufgrund der Inflation, Energiepreise, Lebenshaltungskosten und der erhöhten Zinsen, wie das Handelsblatt berichtet. Der nach wie vor hohe Konsum wird insofern durch eine geringere Sparquote subventioniert. Auf Dauer kann das nicht gut gehen.

Auch für den GaLaBau ergeben sich so keine rosigen Aussichten. Nach einer Studie der Unternehmensberatung Horvath rücken damit für die Betriebe die Themen Liquiditätssicherung und Nachhaltigkeit in den Fokus. Dagegen schwindet die Bedeutung der Digitalisierung eher.

Prof. Dr.-Ing. Heiko Meinen

h.meinen@kullmann-meinen.de

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Prof. Dr. Heiko Meinen
Autor

Leiter des Instituts für nachhaltiges Wirtschaften in der Bau- und Immobilienwirtschaft (inwb), Hochschule Osnabrück

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