Landesgartenschau

Balingen Gartenschau

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Ein langer, schmaler Grünraum legt sich, rahmend und betonend entlang von Fluss und Stadtmauer um die historische Altstadt nach Norden über ehemalige Tennisfelder und Asphaltflächen bis zur alten Mühle am nördlichen Stadtrand. Die vorhandenen Grünbereiche rund um die Altstadt, wurden zu einem verbindenden und als Einheit wahrnehmbaren bandartigen Flussuferpark aufgewertet. Seine linearen Strukturen, Fluss- und Uferlandschaft, das Wegesystem und das Großgrün wurden verwoben.
Parkanlagen Landesgartenschauen und Grünprojekte
Südteil: Wiesenterrassen. Foto: Lohrer Hochrein

Die Belange einer ökologischen und klimatischen Aufwertung sowie der Erhöhung der Aufenthaltsqualität und Gestaltung des öffentlichen Raums, wurden dabei immer wieder im gegenseitigen Respekt miteinander verflochten. Als feingliedrige Kette wurde die ursprünglich kompakte Uferpromenade ergänzt um ein Wegenetz von schmalen Wegen, von Rampen und Treppen, zur Wahrnehmung der Flüsse und ihrer Ufer. Es verschmelzen Aufenthaltsbereiche, Fluss- und Uferbereiche, rahmende Stadtmauer und freie Grünflächen zu einem Park.

Die Flusslandschaft wurde zum öffentlichen Grünzug geöffnet und durchgängig erschlossen. In der Fließrichtung eingelegte Treppen und langgestreckte Rampen verknüpfen entlang des Bewegungsflusses die untere mit der oberen Ebene. Durch Stege und durch Ufer nahe Rasenwege, Kiesinseln und freigelegte Kalkplatten wurde die Flusslandschaft erschlossen. Einengungen des Flussbetts wurden weiträumig entfernt, der Gewässerverlauf renaturiert und in seiner Breite und Strömungsgeschwindigkeit abwechslungsreich gestaltet. Im Auenbereich wurden befestigte Beläge und Asphalt entfernt und durch großzügige Wiesen mit Aufenthaltsqualität ersetzt.

Eingelegt in dieses elaborierte Geflecht von Mauern, Fluss und Wegen finden sich die akzentuierenden "Edelsteine" – intensivere Garten- und Aufenthaltsbereiche, die jeweils den prägenden Charakter des Teilbereiches signifikant und attraktiv herausarbeiten.

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Nordteil: Flusslandschaft. Foto: Planstatt Senner
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Sitzstufen. Foto: Lohrer Hochrein
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Staudenpflanzung. Foto: Lohrer Hochrein

Von der Idee zum gebauten Park

Das Gelände gliedert sich in einen Nord- und einen Südbereich. In einem intensiven, iterativen und moderierten Bürger- und Beteiligtenprozess für die Gestaltung der Aufenthaltsangebote der Landschaftsachse Nord wurde dieser Bereich vom Büro Planstatt Senner entwickelt.

Für den Südteil wurde ein Wettbewerb ausgelobt, nach dessen Entscheidung des Preisgerichts für das Büro lohrer hochrein mit der Planung des Geländes, im Januar 2019 begonnen wurde. Es folgte eine intensive Planungsphase bis zum Beschluss der Entwurfsplanung im Juli 2020 im Gemeinderat von Balingen.

Eine der Besonderheiten war hierbei, dass das Bearbeitungsgebiet in sehr großen Teilen im Gewässerrandstreifen und teilweise auch im Überflutungsbereich der Eyach und Steinach liegt. Der Abfluss der Eyach schwankt zwischen 1,3 und 130 m³/s. So sind weite Teile des Ufers, die bei Niedrigwasserstand monatelang trocken liegen, zeitweise stark überströmt. Das bedeutet zum einen, dass sie massiv befestigt werden müssen, um bei Hochwasser nicht weggerissen zu werden, zum anderen, dass die Pflanzenauswahl diesen sowohl mechanischen Ansprüchen, als auch der sehr unterschiedlichen Wasserversorgung Stand halten muss. Gleichzeitig muss sie standortgerecht sein, aus autochthoner Aufzucht kommen und zur Gartenschau und auch später einen möglichst hohen Blühaspekt bringen, der sowohl für die Besucher, als auch als Lebensraum attraktiv ist.

Parallel zur Entwurfsplanung wurden die Unterlagen für ein wasserrechtliches Planfeststellungsverfahren eingereicht. Die folgende Ausführungsplanung wurde in mehrere Bauabschnitte aufgeteilt, um zum einen auch kleineren Baufirmen die Möglichkeit sich zu beteiligen zu geben und um dem straffen Terminplan gerecht zu werden und zumindest mit einem Teil der Arbeiten möglichst rasch beginnen zu können.

Um die gestalterische Einheit des Geländes entlang der Ufer auch im Detail zu stärken, wurden Wegematerialien und Ausstattung einheitlich entwickelt. Der Belag der Promenade muss ganzjährig für Fußgänger und Radfahrer, sowie Pflegefahrzeuge nutzbar sein. Anstelle einer zum Flussufer gut passenden wassergebundenen Decke wurde daher eine gegrindete Splittmastixdecke ausgewählt. Diese hat die erforderliche Tragfähigkeit. Nach einer ausführlichen Bemusterung wurde als Zuschlagsstoff ein Korn aus dem Taunus ausgewählt, welches durch das Grinden der Oberfläche optisch gut wirksam wird. Die Einfassungen mit einer Granitrollschicht betonen die Kante zum Fluss und ermöglichen einen soliden Böschungsabschluss. Lediglich die Plätze am Wasser (Brückenköpfe und Balkone) wurden mit Granitpflaster gepflastert, um hier keine Richtung zu geben, in Passeverlegung. Die untergeordneten Pfade ans Wasser führen soweit möglich als wassergebundene Decken nach unten. Erst in stärker überströmten Bereichen sind Pfade mit Flussbausteinen befestigt.

Für Stufen ans Wasser und Sitzblöcke im Böschungsbereich wurde Muschelkalk als regionales Material verwendet. Sämtliche Einbauten im Überflutungsbereich, auch Steine zur naturnäheren Uferbefestigung, sind nach unten verdübelt und somit gegenüber dem Hochwasser gesichert. Die großzügige Sitzstufenanlage an den Eyachterrassen ist jedoch mit Betonfertigteilen gebaut, um dem Budget gerecht zu werden.

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Wasserfall. Foto: Lintig Sengewald
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Vogelhäuschen. Foto: Roland Beck
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Wassergarten. Foto: Lohrer Hochrein

Die Vegetationsböschungsflächen im Überflutungsbereich wurden mit Steinmatratzen befestigt, mit Oberboden dünn überzogen, mit Kokosgewebe abgedeckt und darin die Stauden gepflanzt. Die Staudenflächen im Wassergarten, welche nur knapp über dem Niedrigwasserstand liegen, wurden mit vorkultivierten Vegetationsmatten der Firma Ökon angelegt. Einsaatböschungen, die aufgrund der Raumverhältnisse stellenweise sehr steil hergestellt werden mussten, wurden je nach Witterung teilweise mit Saatmatten abgedeckt. Im Bereich von Bestandsbäumen wurden Wege nur auf vorhandenen befestigten Flächen neu gebaut, leicht erhaben, um nicht weiter auskoffern zu müssen.

Auf dem gesamten Gelände werden einheitliche Sitzbänke von Streetlife verwendet, welche mit ihren schweren Holzbalken die Linearität des Treibholzes am Fluss aufgreifen.

Auch Leuchten und Abfalleimer sind vereinheitlicht.

Die Spielbereiche bieten dagegen vielfältige, auf den jeweiligen Ort bezogene Angebote. So wurde die Anlage am Schwefelbadgarten in Anlehnung an das ehemalige Schwefelbad mit Fässern verschiedenster Größenordnung entwickelt, die zum Klettern, Schaukeln, Verstecken und Rollenspiele einladen und zum Teil auch für Rollstuhl fahrende Kinder zugänglich sind (Hersteller: Krambamboul GmbH & Co. KG).

In die wilde Topgrafie des Etzelbachtals wurden zwischen die Bestandsbäume eine Gruppe von Vogelhäuschen und -nestern integriert, die auch bis ins Grundschulalter hinein vielfältige Spielangebote bieten (Hersteller: KuKuk Freiflug GmbH). Unten am Etzelbach ergänzt ein künstlicher Wasserlauf mit Frischwasserzufuhr, Pumpe, Wasserrad und diversen Wehren das Spielangebot. Im Stadtpark waren filigrane Spieleinbauten ohne Fallschutzbedarf gesucht, da sich diese Flächen im Bestandsbaumbereich befinden. Behutsam wurden hier mit Punktfundamente Balancier- und Fitnessangebote, auch hier teilweise für Rollstuhl fahrende Kinder geeignet, integriert (Hersteller: Spiel-Bau GmbH).

Für die Landschaftsachse Nord wurde die Planung durch einen intensiven Beteiligungsprozess der Bürger-, Interessen- und Nutzergruppen begleitet. Um das Jugendhaus entstanden somit verschiedenartige, intensive und extensive Bereiche für Spiel, Sport und Naturgenuss. Moderne Seniorenfitnessgeräte wurden behutsam mit Punktfundamenten und unter Rücksichtnahme auf Wurzeln unter die Bestandsbäume positioniert.

Parkanlagen Landesgartenschauen und Grünprojekte
Skateanlage. Foto: Tine Bossenmaier
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Bewegungsstruktur. Foto: Planstatt Senner

Nördlich des Jugendhauses entstand eine Reihe neuer Spiel- und Sportanlagen, die sich in ihrer Formgebung und Ausrichtung alle an der geschwungenen Uferform der Eyach orientieren und dadurch etwas von der Dynamik des Flusses erahnen lassen. Zwischen den Sportfeldern wachsen Gräser und Stauden in Sundowner-Farben, welche den gesamten Spielbereich einrahmen und ihm einen naturnahen, entspannten Gesamteindruck verleihen.

Als zentrale Anlage des Aktivparks wurde, zusammen mit den örtlichen Nutzern, eine vielfältige Skateanlage als Kombination aus Fertigbetonteilen und flügelgeglätteten Ortbetonbereichen in drei verschiedenen Farben: anthrazit, betongrau und beige, umgesetzt. Diese Skateanlage bietet Platz für Anfänger und Fortgeschrittene. Den seitlichen Abschluss bildet eine Sitzmauer aus Fertigbetonteilen, welche ebenfalls geschwungen sind und den Höhenverlauf der Skateanlage nachzeichnen.

Ergänzt wird die Anlage von einem Trampolinbereich. Als Fallschutzbelag dient ein mehrfarbiger EPDM-Belag aus verschiedenfarbigem Granulat in unterschiedlicher Menge. Nördlich der Skateanlage schließen sich ein Streetballfeld aus EPDM-Belag und ein Beachvolleyballfeld an. Etwas weiter regt ein Schachspielfeld aus hellen und dunklen Granitplatten zum Denksport an. Große Torschaukeln mit verschiedenen Schaukelsitzen und einer Nestschaukel bieten ein Schaukelerlebnis mit Blick auf den Fluss. Den Abschluss vor dem Parkufersteg bildet die Bewegungsstruktur aus Betonfertigteilen in unterschiedlichen Trapezformen, welche mit Stahlanbauteilen in orangerot verbunden sind. Diese Bewegungsstruktur kann sowohl von Parkourgängern benutzt werden, welche auf und von den Betonteilen springen als auch von Calisthenicsnutzern, die lieber Sport mit dem eigenen Körpergewicht machen.

Entlang alter Linden, die auf der ehemals alten Dammkrone sitzen, spaziert man entlang der neuen Hochwasserschutzmauer nach Norden und kommt schon bald in den Bereich des Erlebniswaldes. Wo früher vollflächig Asphalt regierte, ist heute unter Verwendung der ausgebaggerten Erde der Flussrenaturierung eine abwechslungsreiche Spiel- und Hügellandschaft entstanden, die zum Entdecken und Erfahren einlädt: Robinienstämme, ein Dendrophon, Rollbalken, Wackeltiere, ein Vogelnest, ein Vogelhäuschen, Wackelplatten, Weidentipis und vieles mehr, wollen erobert und bespielt werden (Hersteller: Richter Spielgeräte GmbH, Kukuk GmbH, Freitag Weidenart).

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Etzelbachspiel. Foto: Lohrer Hochrein
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Schlossterrasse. Foto: Lohrer Hochrein

Anstelle des ehemaligen Rappenturms entstand, in Reminiszenz daran, eine Sitzskulptur mit Blick in Richtung Mündungsbereich. Ablesbar sind die ehemalige Bastion und der Turm, in klar erkennbarer neuer Materialität aus grob gestocktem Ortbeton. Die umgebenden erhaltenen Stadtmauerreste hier und am Zwinger wurden durch eine Spezialfirma saniert.

Gegenüber dem Schloss schiebt sich auf der Fläche eines ehemaligen Parkplatzes, ein kleiner Stadtbalkon an das Ufer. Mit einer Brüstungsmauer aus Fertigbetonteilen, mit eingelassenen Leuchten blickt man von hier aus auf das gegenüberliegende Schloss, den Wasserfall und den Wassergarten.

Um der oben schon beschriebenen Pflanzenauswahl entlang der Gewässer gerecht zu werden, wurde aus den Artenlisten der standortgerechten Stauden, jeweils in Abhängigkeit zum Gewässerabstand, die am deutlichsten blühenden ausgewählt. An den Aufenthaltsbereichen am Gewässer und punktuell als Initialzündung wurden sie als Topfballenqualität gepflanzt, in weiteren Uferböschungsbereichen ausgesät.

Im Rosengarten im direkten Umfeld des Stadtschlosses und innerhalb des Zwingern sind jedoch klassische Rosen- und Staudenpflanzungen, allerdings auch dort unter Berücksichtigung der späteren Pflege im öffentlichen Bereich, gepflanzt.

Parallel zu den Freiflächen wurden vier Fußgängerstege, teilweise auch für Radfahrer als Ersatz für ehemalige Brücken und Stege gebaut. Mit nun flacheren Ufern überspannen sie einen aufgeweiteten Flussraum. Insgesamt entwickelte sich so ein für den Fußgänger und in weiten Teilen auch Radfahrer, durchgängiges Grünband entlang der Altstadt, mit zahlreichen kleinen Setzungen, welche die Aufenthaltsqualität verbessern, über Material- und Ausstattungswahl die gestalterische Verbindung lesbar werden lassen und gleichzeitig auch die ökologische Vernetzung stärken.

Projektdaten

Planung Südteil:
lohrer hochrein landschaftsarchitekten und stadtplaner gmbh, München

Ausschreibung und Bauleitung:
Lintig Sengewald Landschaftsarchitekten

Planung Stege:
Mayr|Ludescher|Partner Beratende Ingenieure PartGmbB

Planung Nordteil:
Planstatt Senner Landschaftsarchitektur, Umweltplanung, Überlingen

Ausschreibung und Bauleitung:
Planstatt Senner Landschaftsarchitektur, Umweltplanung, Überlingen

Planung Parkufersteg:
IB Miebach, Lohmar

Ausführung GaLaBauarbeiten:
Fa. Schneider GmbH, HaigerlochFa. Schöppler GmbH, MeßkirchFa. Timbermann GbR, BitzFa. Nagel, SchörnbergFa. Böwingloh und Helfbernd GmbH, VerlFa. Peter Groß GmbH, Villingen-SchwenningenFa. Stumpp GmbH, BalingenZollernschlosssteg: Fa List, ReutlingenBetonarbeiten Rappenturm: Fa. Hartmann, StraßbergStahlbau Zwinger u. Schwefelbrunnen: Fa. Pfeffer, Eutingen im GäuFischtreppe Etzelbachbrücke: Fa. Stotz-Bau, Balingen FrommernHochwasserschutzmauer und Umfeld: Fa. Heim, Tübingen

Ausführung Stege:
Fa. Brodbeck

Ausführung Parkufersteg:
Fa. Schaffitzel, Schwäbisch Hall

Ausführung Skateanlage:
Fa. Populär, Nürnberg

Dipl.-Ing. (FH) Ursula Hochrein
Autorin

Landschaftsarchitektin und Stadtplanerin, Geschäftsführende Gesellschafterin

lohrer.hochrein landschaftsarchitekten und stadtplaner gmbh
Dipl.-Ing. Kerstin Winandi
Autorin

Landschaftsarchitektin

Planstatt Senner GmbH

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