Ausbau Flughafen Frankfurt/Main
von: Dipl.-Ing. (FH) Michaela Holzapfel, Dipl.-Ing. (FH) Rainer SteinmeierIm Rahmen des Ausbaus des Flughafens Frankfurt/Main sind im Vorhabensbereich auf einer Fläche von etwa 225 ha Extensivwiesen, Sandmagerrasen sowie Zwergstrauchheiden und Sandheiden anzulegen. Einerseits wird das durch die Begrünung mit gebietsheimischem Saatgut, das mittels Heudruschverfahren gewonnen wird, erreicht und andererseits durch den Übertrag von diasporenhaltigem Boden und Soden.
Mit Planfeststellungsbeschluss vom 18.12.2007 hat das damalige Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung den kapazitiven Ausbau des Flughafens Frankfurt am Main und die dafür erforderlichen Kompensationsmaßnahmen planfestgestellt.
Die planfestgestellten Maßnahmen geben vor, dass das Saatgut von Flächen aus dem gleichen Naturraum (Untermainebene) zu gewinnen ist. Grundsätzlich können hierbei zwei Verfahren zur Saatgutgewinnung und ein Verfahren des Direktübertrags von Vegetationsbeständen unterschieden werden:
- Das Heu- und Heidedruschverfahren zur Gewinnung von Saatgut aus hochwertigen Pflanzenbeständen und zur Etablierung von großflächigen Extensivwiesen und Zwergstrauchheiden.
- Der Bodenübertrag diasporenhaltigen Oberbodens zur Etablierung von Sandmagerrasen und Sandheiden.
- Der Sodenübertrag zur Etablierung von bodensaurem Magerrasen.
Vor Durchführung der vorgenannten Maßnahmen wurden geeignete Spenderflächen erkundet und die Biotoptypen erfasst. Zur Größenbestimmung der zu beerntenden Spenderflächen wurden Keimfähigkeitsuntersuchungen durchgeführt und daraus das Verhältnis von Spender- zu Ansaatfläche abgeleitet. Dieser Schritt wurde notwendig, um die Spenderflächen auf ihre Erntewürdigkeit hin zu überprüfen.
NL-Stellenmarkt
1 Verfahren zur Etablierung von Biotoptypen mit gebietsheimischem Saatgut
1.1 Das Heu- und Heidedruschverfahren
Die Etablierung von Extensivwiesen erwies sich als vergleichsweise unproblematisch, da im bestehenden Parallelbahnsystem des Flughafens ausreichende Spenderflächen mit der gewünschten Artenzusammensetzung kartiert und als erntewürdig eingestuft werden konnten. Die Bestände konnten erstmalig im Jahr 2009 beerntet werden. Die Beerntung wurde nach Abschluss der Samenreife jedoch vor dem Ausfallen der Spendersamen durchgeführt. Der Erntezeitpunkt wurde hinsichtlich der Reife der gewünschten Begleitarten auf Juni 2009 festgesetzt.
Es wurde ein Maschinensatz aus Schlepper mit Balkenmähwerk, Handgeräten und Rundballenpresse eingesetzt, mit denen ein möglichst geringer Samenverlust während des Beerntungsvorgangs realisiert werden konnte. Nach Trocknung und Drusch des gewonnenen Heudruschmaterials wurden zunächst zur Bestimmung der genauen Keim- und Lagerfähigkeit Keimfähigkeitsuntersuchungen durchgeführt. Je nach Witterungsverlauf in den jeweiligen Erntejahren konnten bei den gewonnenen Erntechargen unterschiedliche Ergiebigkeiten im Laborversuch festgestellt werden. Im Jahr 2009 betrug diese je Gramm Druschgut im Schnitt 150 Keimlinge, so dass bei einem gesetzten Zielwert von 600 Keimlingen je m2 die Initialansaatmenge mit 5g/m2 festgesetzt wurde.
Bedingt durch ein sehr trockenes Frühjahr und einen trocknen Frühsommer im Jahr 2011, war sowohl der Biomasseaufwuchs als auch der Samenansatz sehr gering. Hier konnten max. nur Keimraten von 11 Keimlingen je Gramm Druschgut erzielt werden. Aus 7,2 ha Spenderfläche wurde eine Biomasse von 42 kg gewonnen (Charge 489). Zum Vergleich: Im Erntejahr 2009 wurden aus 6 ha Fläche 278 kg Biomasse gewonnen (Charge 386).
Nach der Bodenvorbereitung mit einer Kreiselegge erfolgte die Ansaat im Nassansaatverfahren SDK. Dem Saatgut wurden neben Kleber und Startdünger zum Schutz der Keimlinge Ammensaatgut (Bromus secalinus mit 2 g/m2)zugegeben. Gute Anwuchserfolge konnten bereits nach Abschluss der Fertigstellungspflege festgestellt werden. Der geforderte Deckungsgrad zum Zeitpunkt der Abnahme von 30 Prozent wurde erreicht und bei den meisten Flächen übertroffen. Nachsaaten auch zum Schutz der besonders beanspruchten Jet-Blast-Bereiche wurden nicht notwendig.
Zur Anlage der Zwergstrauchheiden wurden in einem ersten Arbeitsschritt erntewürdige Spenderflächen im Bereich um den Frankfurter Flughafen und auf dem Flughafengelände selbst erkundet. Die Flächen entlang der Startbahn West erwiesen sich insbesondere für Calluna- und Genista-Arten als erfolgversprechend. Die Heidelandschaft unterhalb einer offen gehaltenen Freileitungstrasse westlich des Flughafens sowie Freiflächen im Kelsterbacher Wald und einer nahe gelegenen Sendeanlage konnten ebenfalls zur Beerntung herangezogen werden. Weitere Heideflächen im Naturraum der Untermainebene wurden erkundet, erwiesen sich jedoch als nicht erntewürdig, da die Bestände auf Grund mangelnder Pflege vergreist waren und kaum noch Samenansätze zeigten. Die Beerntung der Ginsterheiden erfolgte im Spätsommer im August und September, die Beerntung der Callunaheiden im Winter zwischen November und Februar der Jahre 2007, 2009 und 2010.
Ähnlich der Heudruschgewinnung wurden nach Drusch und Trocknung des Materials Keimfähigkeitsuntersuchungen zur Bestimmung der Ansaatmenge je m2 durchgeführt. Die Anzahl der keimfähigen Samen je Gramm Druschgut nach einer Beprobungszeit von im Mittel 80 Tagen bei Calluna und 35 Tagen bei Ginsterarten (zum Vergleich: Heudrusch 35 Tage) ist geringer als bei Heudruschsaatgut, da der Samenansatz der Heidearten deutlich geringer ist als bei der gräserdominierten Heudruschbeerntung. Ein Vergleich von Biomasse und darin enthaltenem Saatgut mag das verdeutlichen: Konnten über alle Erntechargen hinweg im Mittel aus 10 g Heudrusch 589 Keimlinge nachgewiesen werden, lag diese Zahl beim Heidedrusch nur bei 102 Keimlingen. Die Keimfähigkeitsraten der einzelnen Erntechargen lagen wie auch beim Heudrusch weit auseinander. Um ein homogenes Ansaatdruschgut zu gewinnen, wurden vor dem Ausbringen des Saatgutes die Erntechargen entsprechend ihrer Ergiebigkeit gemischt und auf drei auszubringende Mischungschargen aufgeteilt. Diese Mischungschargen mit annähernd gleichem Keimpotential wurden mit oben beschriebenen Nassansaatverfahren im Spätwinter 2010 und Frühjahr 2011 auf Rohbodenstandorte aus Kies-Sanden mit einer geringen Oberbodenauflage ausgebracht. In kritischen Lagen nahe der Roll- und Landebahnbereiche wurde als Keimschutz der Ansaatmischung noch Kurzstroh und Cellulose beigegeben.
Zunächst liefen im Jahr der Ansaat die Begleitarten der Zwergstrauchheiden (Carex- und Festucaarten, Achillea millefolium, Potentilla argentea...) und die Ammengräser auf. Ein Anwuchs von Ginsterheiden (Genista sagittalis, Genista pilosa, Genista tinctoria) konnte bereits im Pflegejahr 2012 festgestellt werden. Diese Individuen haben sich mittlerweile gut etabliert.
Die hartschaligen Callunasamen keimen am besten nach anhaltenden Winterfrösten und bei ausreichender und anhaltender Frühjahrsfeuchtigkeit. Da diese Bedingungen im ersten Jahr nach der Ansaat nicht gegeben waren, fielen die Callunasamen in eine Keimruhe (Dormanz). Ein Phänomen was insbesondere für Callunaarten typisch ist. Das Keimoptimum wird häufig erst nach drei bis vier Jahren nach der Ansaat erreicht. Dieses konnte auch bei den Ansaaten der Landebahn Nordwest festgestellt werden. Verbreitet zeigten sich die Callunaindividuen im Pflegejahr 2014 und nicht wie erwartet an trockenen, offenen und konkurrenzfreien Standorten. Im vorliegenden Fall liefen die Heidepflanzen an Stellen mit ausreichender Bodenfeuchte, teilweise im Schutz der Gesellschaft von Juncus-Arten auf.
Konkurrenzfreiheit ist sicherlich der Primärfaktor für das Auftreten von Callunaheiden, gerade jedoch im Keim- und Jugendstadium ist ausreichende Bodenfeuchtigkeit entscheidend. Dafür wird auch eine gewisse Vegetationskonkurrenz in Kauf genommen.
Die Pflege in den ersten Jahren beschränkte sich auf eine einmalige Mulchmahd der Flächen im Spätsommer. Zur Förderung der Heideansaaten wurden nahe bereits etablierter Callunabestände lückige, nur schwach vergraste und von Frauenhaar-Moos (Polytrichum spec) bewachsene Vegetationsbestände gestriegelt. Der offengelegte Rohboden wurde dann mit Restbeständen des Heidedrusches nachgesät.
1.2 Der Bodenübertrag diasporenhaltigen Oberbodens
Zur Etablierung von Sandmagerrasen (LRT 2330) und Sandheiden (LRT 2310) wurden die im Zuge des Ausbaus aufzugebenden hochwertigen Biotoptypen unter anderem auch LRT-Bestände im Frühsommer 2009 gemäht (Mulchmahd) und flachgründig bis zu einer Tiefe von 10 cm abgeschoben. Eine Sodengewinnung war aufgrund der lückigen Bestände und eines kaum durchwurzelten Oberbodens nicht möglich. Die lückigen Bestände waren auch ein Grund dafür, dass aus vereinzelten LRT-Bereichen kein Oberboden gewonnen werden konnte, da diese stark von Spätblühenden Trauben-Kirschen und Brombeeren durchzogen waren. Der gewonnene Oberboden wurde außerhalb des Baufeldes auf Mieten von 1,5 m Höhe und maximal 4m Breite aufgeschoben und zum Schutz gegen Verunkrautung mit einer Mulchfolie abgedeckt, da die zur Initiierung der Sandmagerrasen- und Sandheidenstandorte vorgesehenen Flächen erst im Spätwinter/Frühjahr 2010 zur Verfügung standen.
Der diasporenhaltige Boden wurde über einen Zeitraum von neun Monaten zwischengelagert und auf oberbodenfreie, ehemalige Bauflächen ausgebracht. Die Ausbringung erfolgte in einer Stärke von 5 bis 10 cm, nachdem die Bauflächen vorher tiefgründig aufgerissen und geeggt wurden. Auffällig war im ersten Jahr der Bodenausbringung das Aufkommen von Amaranthus spec. Die einjährige Pflanze fiel jedoch im zweiten Pflegejahr und nach einem zweimalig durchgeführten Mulchschnitt aus. Nach Abschluss der Entwicklungspflege im Jahr 2013 konnten erste Zielarten der LRT 2310 und 2330 festgestellt werden.
1.3 Der Sodenübertrag zur Etablierung von bodensaurem Magerrasen
Auf den Freiflächen des Umspannwerkes Kelsterbach haben sich in den vergangenen Jahrzehnten silbergrasdominierte bodensaure Magerrasenbestände etabliert. Im Zuge des Landebahnausbaus musste das Umspannwerk aufgegeben werden, weswegen die wertvollen Bestände aus Magerrasenarten zur Initiierung des LRT 2330 auf Ersatzstandorte umgesiedelt wurden. Da die Bestände über eine ausreichend dichte Grasnarbe verfügten, konnten diese im Frühsommer 2009 nach einer Mulchmahd mit einer handelsüblichen Rasenschälmaschine gewonnen werden.
Entscheidend für den Anwuchserfolg war das tagesgleiche Gewinnen und Wiedereinbauen der Sodenstücke am vorbereiteten neuen Standort und ein ausgiebiges Wässern. Von den neuen Standorten im Kelsterbacher Wald wurde zunächst die Vegetationsdecke der Ruderalflur in einer Stärke von 20 bis 30cm abgeschoben und so der Rohbodenhorizont freigelegt. Vor dem Auslegen der gewonnenen Soden wurde der nach Schälung verbliebene Boden des A-Horizontes aus dem Umspannwerk in einer Stärke von 5 cm auf den neuen Flächen eingebaut, die Flächen anschließend eingehend vorgewässert (25 l/ m2). Das Auslegen der Sodenstücke erfolgte in Handarbeit und dicht an dicht, um Verdunstungsverluste zu vermeiden. Nach dem Auslegen wurden die offenen Nahtstellen mit vorgenanntem Boden aus dem Umspannwerk geschlossen, die Flächen anschließend angewalzt und nochmals gewässert. In den nachfolgenden Wochen wurden die Soden auf Grund eines trockenen und heißen Sommers auch weiterhin täglich mit 25 l/m2 gewässert.
Der Anwuchserfolg war überzeugend. Es mussten keinerlei Nacharbeiten oder Ausbesserungen durchgeführt werden. Im Lauf der Fertigstellungs- und Entwicklungspflege wurden die Flächen zweimal jährlich gemäht (Mulchmahd), in einem gesonderten Arbeitsgang der Fertigstellungspflege wurde aufkommender Brombeerbewuchs ausgestochen. Nachwachsende Brombeeren ließen sich im weiteren Verlauf der Entwicklungspflege durch Mahd verdrängen.
1.4 Exkurs: Robinien und Co
Bei der Entwicklung von Extensivwiesen, Sandmagerrasen, Zwergstrauch- und Sandheiden aus gebietsheimischem Saatgut unterliegen diese Magerstandorte regelmäßig dem Aufkommen unerwünschter Pioniervegetation. Im vorliegenden Fall waren das insbesondere die Brombeere (Rubus fruticosus), die Spätblühende Trauben-Kirsche (Prunus serotina) und die Robinie (Robinia pseudacacia). Die Brombeere lässt sich durch regelmäßige Mahd mit Abräumen des Mähgutes unterdrücken, bei der Spätblühenden Trauben-Kirsche und Robinie fördert dieses nur die weitere Ausbreitung und die Stabilisierung am Standort. Beide Arten verfügen über eine enorme Regenerationsfähigkeit und auch das durchgeführte Entfernen der Jungwuchsbestände war nur bedingt erfolgreich. Einzig zielführend war die Behandlung mit glyphosphathaltigen Mitteln, die bei den Spätblühenden Trauben-Kirschen nach Rückschnitt im August direkt auf die frischen Schnittstellen ausgebracht wurden. Die flächige Bekämpfung des Robinienjungwuchses erfolge mit einem Rotowiper. Dieses Anbaugerät mit einer Auslegerbreite von 6 m wird an einem Schlepper geführt und bringt die hochdosierte und mit einem Netzmittel versehene Glyphosphatlösung ohne Tropfverluste an die grünen Pflanzenteile des Robinienaufwuchses.